(Hirnbruch, Encephalocele), das teilweise Hervortreten des
Gehirns aus der knöchernen Schädelkapsel, ist
gewöhnlich angeboren (E. congenita) und kommt nur bei mangelhafter
Bildung der knöchernen Hirnschale
vor. Solche angeborne
Hirnbrüche treten an verschiedenen
Stellen des
Kopfes, am Hinterhaupt, an der
Stirn, in der Gegend der
Schläfenschuppe, selbst an der Schädelbasis auf, so daß der
Hirnbruch in die
Nasen oder Rachenhöhle, zuweilen sogar aus
dem
Mund hervortritt.
Die mit angebornem
Hirnbruch behafteten
Kinder sterben gewöhnlich frühzeitig, weil sich der
Bruch leicht
entzündet und die
Entzündung sich auf das
Hirn und die Hirnhäute überhaupt ausbreitet. Nur ganz kleine
Hirnbrüche können
länger ertragen werden. Als traumatischen oder erworbenen
Hirnbruch bezeichnet man die
Fälle, wo das
Hirn nach
Verletzung seiner
Bedeckungen teilweise unbedeckt durch die
Wunde vordringt. Die vorgefallene
Masse erscheint gerötet, schwammartig,
geht gern in
Verschwärung und
Brand über; sie muß abgetragen und die
Wunde bedeckt werden. Solche
Fälle enden meist tödlich.
(Compressio cerebri), d. h.
Druck auf die Hirnmasse, entsteht bei Schädelbrüchen, wenn die Knochenstücke
niedergedrückt sind, ferner durch
Geschwülste, welche sich im Innern der Schädelhöhle bilden, sodann
durch größere Blutergüsse,
Wasser- und Eiteranhäufungen innerhalb der Schädelhöhle etc., wodurch der für das
Gehirn
[* 2] bestimmte
Raum anderweitig in Anspruch genommen wird. Gewöhnlich versteht man unter Gehirndruck die
Summe derjenigen
Symptome, welche
durch die Raumbeengung des
Gehirns hervorgerufen werden,
Kopfschmerz,
Klingen in den
Ohren, Verdunkelung
des Gesichtsfeldes,
Lähmungen und vor allem tiefe
Schlafsucht
(Coma).
Fieber ist beim Gehirndruck bald vorhanden, bald fehlt es. Eine ärztliche Behandlung des Gehirndrucks ist nur
in dem
Fall möglich, wo durch die
Trepanation ein niedergedrücktes Knochenstück emporgehoben oder einer Eiteransammlung
im
Schädel Abfluß verschafft werden kann. In neuester Zeit ist es mehrfach gelungen, bei
Blutungen aus
der mittlern Gehirnarterie, welche bei Kopfverletzungen nicht so selten vorkommen, durch die
Trepanation die Blutstillung
zu bewirken, den Gehirndruck zu beseitigen und
Heilung zu erzielen. In allen andern
Fällen steht der
Arzt dem Symptomenkomplex des Gehirndrucks
hilflos gegenüber.
(Encephalitis) darf
streng genommen nur die
Entzündung der eigentlichen Gehirnsubstanz
genannt werden. Im
Munde der
Laien wird das
Wort Gehirnentzündung für alle akuten, mit
Fieber einhergehenden Entzündungsprozesse gebraucht,
von welchen die in der Schädelhöhle enthaltenen
Organe befallen werden, also namentlich auch für die
Gehirnhautentzündung
(s. d.). Ganz gewöhnlich hört man irrtümlicherweise auch solche fieberhafte
Krankheiten als Gehirnentzündung bezeichnen, bei welchen das
Gehirn nur insofern betroffen ist, als es unter dem
Fieber zu leiden hat, während
die Lokalkrankheit, von welcher das
Fieber abhängt, der Beachtung ganz entgeht. So wird z. B. eine
Lungenentzündung bei
Kindern,
weil sie mit schweren Gehirnsymptomen einhergeht, als Gehirnentzündung aufgefaßt, obwohl das
Gehirn dabei anatomisch gar keine Veränderung erkennen läßt.
Die eigentliche in ihrer akuten Form ist eine verhältnismäßig seltene
Krankheit, die nur bei Neugebornen über das ganze
Organ verbreitet vorkommt, sich sonst aber immer zu bestehenden Schädlichkeiten hinzugesellt und neben diesen kaum ein
andres als anatomisches
Interesse verdient. Sie wird am häufigsten durch grobe mechanische Schädlichkeiten
herbeigeführt, z. B. durch einen
Fall auf den
Kopf, durch einen heftigen
Stoß oder
Schlag an denselben etc. Es braucht dabei
keineswegs das
Gehirn unmittelbar getroffen zu werden; es kommt vielmehr vor, daß das Schädeldach, ja selbst die Weichteile
über demselben unversehrt geblieben sind, und doch folgt auf den
Schlag an den
Kopf und ähnliche Einwirkungen
eine Gehirnentzündung nach.
Ferner gesellt sich Gehirnentzündung gern zu Blutgerinnungen in größern
Venen (Sinusthrombose), dann zu Gehirnschlagflüssen hinzu, wenn
ein Teil der Hirnmasse durch große Blutergüsse zertrümmert worden ist. Ebenso sehen wir in der Umgebung von
Gehirngeschwülsten
sowie in primären Erweichungsherden des
Gehirns eine Gehirnentzündung auftreten.
Krankheiten der Schädelknochen, vorzugsweise
Karies des
Felsenbeins, wie sie nach lange dauernden
Eiterungen des Mittelohrs nicht selten entsteht, führen ebenfalls zu Gehirnentzündung, indem
sich der entzündliche oder Verschwärungsprozeß auf das
Gehirn fortsetzt.
Die Gehirnentzündung betrifft immer nur einzelne
Abschnitte des
Gehirns, derenGröße vom
Umfang einer
Bohne bis zu dem
einer
Faust und darüber wechselt.
Bald ist nur ein Entzündungsherd vorhanden, bald sind es deren mehrere. An jeder
Stelle
des
Gehirns kann sich die Gehirnentzündung entwickeln, doch tritt sie besonders häufig nahe an der Oberfläche des
Gehirns auf. Der kranke
Herd erscheint anfänglich geschwollen, stark durchfeuchtet, weich und ist mit
zahlreichen kleinen Blutaustritten durchsetzt.
Allmählich lockert sich die
Stelle zu einem roten Brei auf. Im günstigen
Fall kapselt sich der rote Erweichungsherd ab, er
wird von einer bindegewebigen
Hülle umschlossen, während der Gehirnbrei selbst zu einer
Milch zerfällt und aufgesaugt wird.
In solchen
Fällen bleibt, je nach dem
Umfang des Erweichungsherdes, eine
Narbe oder eine mit
Wasser durchtränkte
schwammige Zellgewebsmasse oder endlich eine mit
Serum angefüllte unregelmäßige
Höhle oder
Cyste zurück. Im ungünstigen
Fall aber führt die Gehirnentzündung zur
Eiterung, womit ein
Gehirnabsceß gegeben ist. Dieser kann fortwachsen, bis er in eine Hirnhöhle
oder unter die weichen Hirnhäute einbricht; im
Moment des Durchbruchs tritt augenblicklich der
Tod ein. Zuweilen aber bleibt
der
Absceß jahrelang stationär, er wird durch eine sogen. Absceßhaut abgeschlossen, bis er
später durch eine zufällige Veranlassung wieder zu wachsen anfängt und doch noch zum
Tod¶
Die Behandlung der Gehirnentzündung wird bei der Schwierigkeit und Unsicherheit der Diagnose stets eine rein symptomatische
sein müssen. In ganz frischen Fällen, wo eine Verletzung des Schädels vorausgegangen ist, paßt die Anwendung von Blutegeln
und kalten Umschlägen auf den Schädel, auch ein Aderlaß. Der innerliche Gebrauch von Medikamenten (namentlich Quecksilber und
Jodpräparaten) verspricht keinen Erfolg, und so bleibt dem Arzt nur übrig, das ganze Verhalten des Patienten
vorsichtig zu regeln und ihn vor Schädlichkeiten zu behüten, zu denen vorzugsweise auch die Kongestionen nach dem Kopf zu
rechnen sind.
Der Kranke hat ruhig im Bett
[* 6] zu liegen, das Zimmer soll kühl sein, zu vieles und namentlich jedes erhitzende Getränk
ist zu vermeiden, die Diät sei knapp, reizlos und leichtverdaulich, der Stuhlgang muß sorgfältig reguliert, im Notfall
durch Klystiere oder leichte Abführmittel gefördert werden. Die chronische Gehirnentzündung beruht auf mangelhafter
Ernährung einzelner Abschnitte des Zentralorgans, wie sie durch Erkrankung oder Verschluß der zuführenden Blutgefäße bedingt
wird. Sie stellt sich dar in einem fettigen Zerfall der erkrankten Substanz (gelbe Gehirnerweichung). Diese
ist keiner Behandlung zugänglich.
Eine andre, äußerst schleichend verlaufende Form der Gehirnentzündung ist die Ursache derjenigen Geisteskrankheit, welche mit Aufregung,
Größenwahn und Tobsucht beginnt, dann in Melancholie übergeht und schließlich mit allgemeiner Lähmung und vollkommenem Blödsinn
endigt (Dementia paralytica). Diese Gehirnentzündung (Encephalomeningitis chronica) ist nicht eben
selten, sie beginnt mit Blutüberfüllung der Rindenschicht des Großhirns. Im weitern Verlauf erfolgen trübe Schwellung,
fettige Entartung und Zerfall der in der Hirnrinde gelegenen, die psychischen Thätigkeiten vermittelnden Ganglienzellen,
[* 7] während gleichzeitig die zarte Binde oder Kittsubstanz (neuroglia), durch welche die nervösen Elemente der Gehirnrinde
zusammengehalten werden, in entzündliche Wucherung übergeht (Encephalitis interstitialis, Sklerose, Gehirnverhärtung) und
mit zahlreichen kleinen, runden Kernen durchsetzt erscheint.
Unter dem Druck der wuchernden Bindegewebsmassen werden die nervösen Elemente teilweise dem Untergang entgegengeführt. Endlich
schrumpft die an Ganglienzellen verarmte Hirnrinde zu einer dünnen, lederartig festen Gewebsschicht zusammen, indem gleichzeitig
viele Kapillargefäße derselben veröden und undurchgängig werden. Die weichen Gehirnhäute nehmen an
diesem Entzündungsprozeß Anteil,
sie sitzen ungewöhnlich fest auf der schrumpfenden Hirnrinde auf und sind verdickt.
Auch das ganze übrige Gehirn wird mit der Zeit etwas kleiner und fester, die Hirnhöhlen aber dehnen sich aus, füllen sich
mit Wasser an; auch zwischen den weichen Häuten an der Gehirnoberfläche findet eine solche Wasseranhäufung
statt. Der Prozeß erstreckt sich gewöhnlich über mehrere, 4-6 Jahre und länger und endigt, wie gesagt, stets mit vollständiger
psychischer Lähmung, mit Blödsinn. Eine ärztliche Behandlung dieser Form der Gehirnentzündung gibt es eigentlich nicht, die Krankheit läßt
sich in ihren Fortschritten nicht aufhalten. Nur in ihrem Beginn, wo Aufregung, Tobsuchtsanfälle und
dergleichen Symptome vorliegen, kann man durch Bekämpfung der Kongestion nachdem Kopf (durch kalte Übergießungen, kalte Brausen,
Flußbäder etc.) das Übel abzuschneiden versuchen.
Dann folgt plötzlich ein mehr oder minder heftiger, längerer oder kürzerer Tobanfall, welcher mehr oder minder hochgradige
Verminderung des Bewußtseins zurückläßt. In andern Fällen entsteht von vornherein eine auffallende Bewußtlosigkeit und
Unempfindlichkeit, und erst dann tritt die Tobsucht hervor. Die Tobanfälle kehren meist mehr oder weniger häufig
wieder. Dabei wird das Bewußtsein immer mehr gestört, so daß schließlich die Tiere auf keine äußern Eindrücke mehr reagieren.
Mit diesen Erscheinungen sind Verminderung oder gänzlicher Verlust des Appetits, Erhöhung der Körpertemperatur, ungleichmäßige
Verbreitung und häufiger Wechsel derWärme
[* 9] an den äußern Körperteilen verbunden. Der Puls ist wechselnd, das Atmen
gewöhnlich etwas beschleunigt; die sichtbaren Schleimhäute erscheinen höher gerötet, die Kotentleerungen sind verzögert.
Der Schädel ist vermehrt warm. Wenn die Krankheit einen hohen Grad erreicht hat, erfolgt oft der Tod, mitunter schon am vierten
oder fünften Tag, oder es bleiben Nachkrankheiten, namentlich der Dummkoller, zurück.
Eine besondere Anlage zu der Krankheit haben Pferde im Alter von 4-8 Jahren; Ursachen sind: Transport auf der
Eisenbahn oder auf dem Schiff,
[* 10] starke Einwirkung der Sonnenstrahlen auf den Schädel, Erkältung, übermäßige Anstrengung,
Überfütterung (Magenkoller), starke geschlechtliche Erregung (Samen,
[* 11] resp. Mutterkoller). Bei der Kur werden Pferde unangebunden
in einen gehörig zu verschließenden, kühlen und gut zu lüftenden Raum eingestellt. BeimAusbruch der
Krankheit ist bei vollblütigen Tieren ein Aderlaß angezeigt; in allen Fällen sind Eisumschläge auf den Schädel oder häufig
wiederholte kalte Begießungen des Kopfes, Glaubersalz (in dem Getränk gelöst) und recht oft wiederholte Klystiere zweckmäßig.
Während der Krankheit und Rekonvaleszenz ist den Tieren knappes, leichtverdauliches Futter zu geben; nach
der Genesung sind dieselben noch längere Zeit vorsichtig zu behandeln, auch nicht zu früh an die Halfter zu legen oder in
dunstige Ställe zu stellen. BeimRindvieh kommt die Gehirnentzündung selten vor, die
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