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das Entgegenwerfen großer Massen gegen die Fronte und den kleinen Krieg im Rücken der feindlichen Heere dieselben aufzureiben, Paris [* 2] zu entsetzen und die Deutschen vom geheiligten Boden des Vaterlandes zu vertreiben. Alle Mißerfolge konnten diesen Glauben nicht erschüttern, sondern reizten ihn nur, in die Leitung der militärischen Aktionen selbst einzugreifen, Generale ab- und einzusetzen und die gewagtesten Unternehmungen, wie den Marsch der Ostarmee auf Belfort, [* 3] direkt zu befehlen.
Doch führte bei diesen strategischen Maßregeln Gambetta nur die Ideen seines Kriegsdelegierten Freycinet aus. Um jede Opposition gegen seine Absicht zu ersticken, schritt er zu den gewaltsamsten Maßregeln. Selbst nach dem Fall von Paris wollte er von Frieden nichts wissen und suchte durch ein ganz ungesetzliches Dekret vom friedliche Elemente von der Nationalversammlung auszuschließen. Als dies Dekret von der Regierung in Paris annulliert wurde, nahm er 6. Febr. seine Entlassung.
Der schließliche Ausgang rechtfertigte Gambettas Unternehmen nicht, die ungeheuern Opfer für Fortsetzung des Kampfes waren umsonst gebracht; doch würdigte das Volk die beispiellose Energie des Diktators, der wenigstens die Ehre Frankreichs gewahrt habe. Von neun Departements in die Nationalversammlung gewählt, optierte er für den Niederrhein, stimmte gegen den Frieden und legte nebst den übrigen Deputierten des abgetretenen Gebiets 1. März sein Mandat nieder, um sich nach San Sebastian zurückzuziehen.
Erst nach der Überwältigung der Kommune trat er bei einer Neuwahl wieder in die Nationalversammlung ein, in der er die Führung der republikanischen Linken übernahm; zugleich gründete er ein neues Blatt: [* 4] »La République Française«. Anfangs wurde er durch die heftigen Anklagen der Monarchisten gegen seine Diktatur dazu gereizt, durch radikale Agitationen die Auflösung der Nationalversammlung erzwingen zu wollen. Als er aber erkannte, daß er hierdurch nur den Sturz Thiers' ermöglicht und den Bonapartisten, seinen gehaßtesten Feinden, genützt habe, befleißigte er sich größerer Mäßigung und bot zu der Verfassung vom Februar 1875 die Hand. [* 5]
Seit 1876 Mitglied der Deputiertenkammer, ward er das Haupt der republikanischen Partei und erlangte als Vorsitzender der Budgetkommission auch auf die Verwaltung maßgebenden Einfluß. Während des Reaktionsversuchs 1877 leitete er den Widerstand des Landes mit großem Geschick und glänzendem Erfolg und steigerte sein Ansehen. Dennoch trat er weder an die Spitze des Ministeriums, noch bewarb er sich 1879 nach Mac Mahons Rücktritt um das Amt des Präsidenten der Republik. Er begnügte sich, Präsident der Deputiertenkammer zu werden.
Doch übte er als Haupt der Majorität einen herrschenden Einfluß auch auf die Leitung des Staats aus, zwang die Regierung zu der kostspieligen Befestigung der Ostgrenze, zu den antiklerikalen Gesetzen und zur Amnestie der Kommunisten und mischte sich namentlich in die auswärtige Politik. Da er alle Minister, die sich seinem Willen nicht fügen wollten, ohne weiteres stürzte und dadurch eine dauernde Regierung unmöglich machte, erregte er endlich auch bei seinen Parteigenossen Unzufriedenheit.
Sein Plan war, die Listenwahl durchzusetzen, sich dann bei den Neuwahlen in möglichst vielen Departements wählen zu lassen und mit dem Ansehen eines Erwählten der Nation die Regierung zu übernehmen, um die Demokratie zu vollenden und den Revanchekrieg gegen Deutschland [* 6] zu beginnen. Zwar lehnte der Senat 1881 die Einführung der Listenwahl ab; bei den Neuwahlen für die Deputiertenkammer, welche Gambetta leitete, erlangten seine Anhänger aber eine so große Majorität, daß er nun nicht umhin konnte, ein Kabinett zu bilden.
Dasselbe, le grand ministère genannt, kam zu stande. In der innern Politik machte Gambetta die Verfassungsrevision nebst Listenwahl zu seinem Programm; in der auswärtigen Politik wollte er die Beziehungen zu Rußland enger knüpfen und aus Anlaß der ägyptischen Frage ein festes Bündnis mit England schließen, um, hierauf gestützt, gegen Deutschland aufzutreten. Aber England lehnte die gemeinschaftliche englisch-französische Aktion in Ägypten, [* 7] die Gambetta vorschlug, ab, und die Kammer verwarf die von Gambetta beantragte Listenwahl.
Sofort nahm Gambetta seine Entlassung und beschränkte sich auf seine frühere Thätigkeit, den Ministern durch die Stimmen seiner Anhänger in der Kammer seinen Willen aufzuzwingen. Ende 1882 erkrankte er in seinem Landhaus zu Ville d'Avray bei Paris und starb Sein glänzendes Begräbnis erfolgte auf Staatskosten;
seine Leiche ward in Nizza [* 8] beigesetzt. In Cahors wurde ihm 1884 ein Standbild errichtet;
in Paris soll ihm ein großartiges Denkmal errichtet werden. Gambetta starb unvermählt;
er hatte ein intimes Verhältnis zu einer Dame, Léonie Leon, die er aber nach dem Tod ihres Gatten nicht heiratete, obwohl sie ihm einen Sohn geboren. Er war ein glühender Patriot, ein begeisterter Redner und ein kühner, energischer Politiker, doch ehrgeizig und herrschsüchtig, weswegen er wohl auch bei längerm Leben keine großen Erfolge errungen haben würde.
Seine »Discours et plaidoyers politiques« (Par. 1880-84, 10 Bde.) und »Dépêches etc.« (1886 ff.) gab Reinach heraus.
Vgl. Freycinet, La guerre en province (deutsch, Bresl. 1872);
v. d. Goltz, Léon Gambetta und seine Armeen (Berl. 1877);
Reinach, Léon Gambetta (Par. 1884);
Neucastel, Gambetta, sa vie et ses vues politiques (1885).