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natürlich jedesmal ihre eigentümlichen Spuren zurückließen. Über die Besitznahme durch die aus den Alpen [* 2] kommenden Rätier s. Etrurien. Die keltische Ansiedelung ging so vor sich, daß die ersten Ankömmlinge das Land am Fuß der Alpen besetzten und die spätern das schon eroberte Land durchzogen und sich weiterhin ansiedelten. So wohnten gleich östlich vom Ticinus die ältesten Einwanderer, die Insubrer, mit der Hauptstadt Mediolanum (Mailand). [* 3] Von den zusammenhängenden Sitzen der Kelten in Gallien, welche nur im obern Thal [* 4] der Duria (Dora Riparia) den Hauptkamm der Alpen gegen O. überschritten, waren sie durch die wahrscheinlich ligurischen Salassier (um das heutige Aosta) und die rätischen Leponter getrennt.
Östlich von den Insubrern bis zur Etsch hin saßen die ebenfalls mächtigen und zahlreichen Cenomanen, welche sich aus Haß gegen die Insubrer früh den Römern unterwarfen und Verona [* 5] zu ihrer Hauptstadt hatten. In Gallia cispadana war die wichtigste Völkerschaft die der Bojer, die einen großen Teil des Landes zwischen Padus und den Apenninen ausfüllten und den übrigen Kelten an Kultur vorangeschritten waren. Ebenfalls bedeutend war das Volk der Senonen, welches zuletzt in diese Gegenden eingewandert war und daher seine Wohnsitze am weitesten südlich nach Umbrien hinein bis an den Fluß Äsis (Esino) hatte nehmen müssen.
Nördlich von letztern nach den Pomündungen zu waren die Sitze der Lingonen. Die bedeutendsten Städte in Transpadana sind: Augusta Taurinorum (Turin), [* 6] Eporedia (Ivrea), Augusta Prätoria (Aosta), Vercellä (Vercelli), Comum (Como), Mediolanum (Mailand), Brixia (Brescia), Cremona, Mantua, [* 7] Verona;
in Cispadana: Placentia (Piacenza), Parma, [* 8] Mutina (Modena), Bononia (Bologna), Forum [* 9] Popilii (Forlimpopoli), Ferraria (Ferrara), [* 10] Clastidium (Casteggio), Faventia (Faenza).
Mehrere von den Römern angelegte Straßen beförderten die Verbindung sowohl der bedeutenden Städte untereinander als mit der Hauptstadt. Die Via Ämilia führte von Ariminum, wo sie sich an die nach Rom [* 11] führende Via Flaminia anschloß, in gerader Linie den Fuß der Apenninen entlang nach Placentia am Po, welcher von da an schiffbar wurde; eine andre Straße führte nach Placentia südwestlich über Dertona und die Apenninen nach Ligurien und Gallia transalpina. Die politische Existenz von Gallia cisalpina reicht, genau genommen, nur bis in die Zeit des Augustus, indem damals dieses Land aufhörte, als römische Provinz angesehen zu werden, und von nun an zu Italien [* 12] selbst gerechnet wurde. Als Augustus das ganze Italien der bessern Verwaltung halber in elf Regionen teilte, kamen auf Gallia cisalpina drei, die achte, zehnte, welche außerdem Venetien umfaßte, und die elfte Region.
[Kulturzustand.]
Die alte Verfassung Galliens war eine aristokratische. Das ganze Volk zerfiel in eine große Menge kleinerer und größerer Völkerschaften, Gaue oder Clane. An der Spitze standen Häuptlinge, die durch Wahl aus dem Adel hervorgingen und daher auch von diesem sehr abhängig waren. Durch Zeitverhältnisse und hervorragende Eigenschaften gelangten zuweilen einzelne Häuptlinge zu größerm Ansehen und ausgedehnterer Macht; aber es fehlte ihnen die Erblichkeit ihrer Würde, und außerdem wurden sie durch den Einfluß der im ganzen auch in politischer Beziehung äußerst mächtigen Priesterkaste der Druiden (s. d.) außerordentlich beschränkt.
Zuweilen, bei wichtigen Veranlassungen, wurden allgemeine Versammlungen vieler Völkerschaften abgehalten, wobei Stimmenmehrheit entschied. Wichtig war ferner, daß immer einzelne Völkerschaften, wie die Bituriger, Allobroger, Arverner, Äduer, überwiegende Macht und Ansehen unter den übrigen behaupteten, und daß sich dann kleinere Staaten oft in ein Schutzverhältnis, eine Art Klientel, zu den größern begaben. Bedenkt man jedoch den Stolz des Adels, welcher mit großer Eifersucht über seine Unabhängigkeit wachte, und die Unterdrückung des Volkes selbst, welches ohne alle politische Bedeutung war, so ergibt sich leicht, warum es zu einem einigen und energischen Handeln aller Staaten und des gesamten Volkes den Römern gegenüber nicht kommen konnte und trotz des kriegerischen Grundcharakters des Volkes die Unterjochung verhältnismäßig leicht war.
Die Gallier kämpften sowohl zu Fuß als zu Pferd, [* 13] auch von Streitwagen. [* 14] Auf Prunk und Waffen [* 15] hielten sie sehr viel. Die Panzer waren von Bronze [* 16] und oft vergoldet. Die ältesten Schwerter [* 17] waren von Kupfer, [* 18] sehr lang und ließen sich bloß zum Hieb [* 19] gebrauchen; später hatte man auch das stählerne Schwert. Die älteste Nationalwaffe war der Celt, [* 20] eine eherne lanzenförmige Spitze von 7-14 cm Länge, der an einem etwa 1 m langen Schaft befestigt war. Andre Waffen waren der Wurfspieß (gaesa), der Bogen [* 21] und die Schleuder. [* 22]
Die Schilde waren klein und deckten nicht den ganzen Mann. Oft rückten die Tapfersten ohne Panzer, bis auf den Nabel entblößt, in das Treffen, um dadurch ihren Mut zu zeigen. Am gefährlichsten war gewöhnlich der erste Anprall der Gallier, dagegen ließen sie nachhaltige Ausdauer vermissen. Im Rücken der Schlachtreihe befand sich, wenn ein ganzer Stamm auf dem Zug begriffen war, die Wagenburg, auf welcher Weiber und Kinder den Ausgang des Kampfes erwarteten. In Bezug auf die Kriegskunst zeigten sich die Gallier als gelehrige Schüler der Römer. [* 23]
Eigentliche Festungen hatten sie nicht, sondern nur Verschanzungen, die meist an schwer zugänglichen Orten angelegt waren. Solche nur für den Krieg bestimmte Befestigungen mit Mauern aus Balken, nicht eigentliche Städte, waren z. B. die durch ihre Belagerung berühmten Gergovia und Alesia. Gegen die Besiegten war der Gallier grausam, und oft wurden die Gefangenen den Göttern geopfert. Die bedeutende Zahl der Bevölkerung [* 24] läßt sich daraus schließen, daß zur Zeit Cäsars mindestens 300,000 waffenfähige Männer unter ihnen waren.
Die Gallier waren von Gestalt groß, von weißer Farbe und blondem oder rötlichem Haar, [* 25] welches sie lang nach dem Hinterkopf zurückgestrichen trugen. Die Weiber waren besonders schön und standen in großer Achtung, obwohl der Mann die Frau ungestraft töten konnte. Die Kinder suchte man abzuhärten. Der Sohn durfte, bevor er wehrfähig war, nicht öffentlich an der Seite des Vaters erscheinen. Das eigentümliche Kleidungsstück der Gallier waren die schon erwähnten Hosen [* 26] (braccae); außerdem trugen sie langärmelige Jacken und kurze Flausmäntel, alles aus Schafwolle. Im allgemeinen liebten sie Schmuck und Putz von goldenen Ketten, Ringen und Bändern (s. Tafel »Ornamente [* 27] II«, [* 28] Fig. 16, 17). Die Wohnungen, runde Häuser aus Fachwerk [* 29] und mit spitzen Dächern, und das Hausgerät waren einfach; meist schlief man auf der Erde. Die Nahrung bestand hauptsächlich aus Fleisch und Milch, weniger aus Brot. [* 30] Ihrem Charakter nach waren die Gallier stolz, reizbar, veränderlich und unzuverlässig, nach Neuigkeiten und Neuerungen begierig, aber ritterlich, kampfesmutig und kriegstüchtig, wie selbst ihr Feind Cato zugeben muß. Dagegen waren sie uneinig, ohne Gemeinsinn und ¶
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Anhänglichkeit an die Scholle. Ackerbau galt für entehrend und blieb den Sklaven überlassen. Der Grund und Boden gehörte dem ganzen Clan und wurde alljährlich von neuem verteilt. Daher fehlte ein Mittelstand; es gab nur freie Adlige und Knechte, die meist der unterworfenen iberischen Urbevölkerung angehörten. Dagegen liebten sie es, mit Weib und Kind erobernd in die Ferne zu ziehen; wir finden sie in Italien und Griechenland, [* 32] in den Donauländern wie in Kleinasien, selbst als Leibwache der Ptolemäer in Ägypten. [* 33]
Nie aber übten sie auf die von ihnen Unterworfenen einen dauernden Einfluß aus und verschwanden meist unter denselben. Die Sprache [* 34] der Gallier war die keltische, der germanischen, lateinischen und griechischen verwandt. Lebend hat sich dieselbe noch bis jetzt in der Bretagne erhalten. Schon früh gebrauchten die Häuptlinge die griechische Sprache. Die Kelten waren voll Geist und verstanden überzeugend zu reden; unter ihnen hielt sich auch Dicht- und Redekunst länger als selbst in Rom.
Rasch vertauschten sie aber ihre Sprache mit derjenigen ihrer Unterdrücker. Dem Götterdienst und Aberglauben waren die Gallier in hohem Grad ergeben, doch sind die Nachrichten darüber ziemlich unsicher. Die gallischen Hauptgötter waren: Teutates, von den Römern Mercurius genannt;
Esus oder Hesus (Mars); [* 35]
Taran, Taranis, auch Taranucnus, der Donnerer, von den Römern als Jupiter aufgeführt (er sowie der vorige erhielten Menschenopfer);
Belen, der Sonnengott, den Cäsar Apollo nennt;
Belisana, mit der Minerva, und Arduina, mit der Diana zusammengestellt.
Ferner werden erwähnt: eine Siegesgöttin (Andraste), eine Pferdegöttin (Epona) und eine Menge Feen, welche die Römer als Deae Matronae bezeichnen. Dem Götterdienst standen die Druiden vor. Die Menschenopfer suchten die Römer auszurotten. Man gab dem Menschen, der geopfert werden sollte, von hinten den tödlichen Streich mit dem Schwert und hatte dabei genau auf seinen Fall, auf die Zuckungen der Glieder [* 36] und auf das Fließen des Bluts acht. Ebenso wurden bei den Opfertieren von den wahrsagenden Priestern Blut und Eingeweide [* 37] genau untersucht, um daraus die Zukunft zu bestimmen.
Auch auf das Geschrei und den Flug der Vögel, [* 38] auf Träume, auf die Stellung der Gestirne und auf alle außerordentlichen Ereignisse wurde mit großer Sorgfalt geachtet. Zu Menschenopfern wurden gewöhnlich Gefangene oder Missethäter gebraucht. Für besonders feierlich galt das Verbrennen der Opfer in Weidengeflechten, welche die Form riesenhafter Menschengestalten hatten, ein Gebrauch, der sich in der Maine und der Touraine bis ins vorige Jahrhundert erhalten hat, nur daß man statt der Menschen Katzen [* 39] nahm.
Ihre Kunstfertigkeit zeigten die Gallier besonders bei Bearbeitung der Metalle und bei Behandlung des Glases, wofür sich in den alten Gräbern vielfache Beweise finden, z. B. mit einem Netz von andersfarbigem Glas [* 40] umsponnene Becher, [* 41] bunte Glaskorallen, in Glas geschmolzene Figuren u. dgl. Auch die schönen Mosaikböden, die sich an vielen Orten vorfinden, sprechen dafür; nicht minder die Münzen, [* 42] die aus ihren Werkstätten besser geprägt hervorgingen als aus den römischen.
Geschichte.
Die Gallier (d. h. die Kämpfer, die Kriegerischen) waren das Hauptvolk der Kelten (s. d.). Wann sie nach Gallien einwanderten, ist ungewiß. Sie besetzten mit Ausnahme geringer Gebiete an den Pyrenäen, welche die iberischen Aquitanier behaupteten, und des Küstenstrichs an den Seealpen, wo die Ligurer wohnten, das ganze Gebiet zwischen Alpen, Pyrenäen und beiden Meeren. Während die Griechen das Land, das sie seit dem 6. Jahrh. besuchten, als einen Teil des großen Keltenlandes ansahen, nannten es die Italiker seit dem zweiten Punischen Kriege Gallia und zwar Gallia transalpina im Gegensatz zum cisalpinischen oder circumpadanischen Gallien. Da nämlich die Gallier in dem fruchtbaren Land sich zu großem Volksreichtum entwickelten, so begannen um 400 v. Chr. die Auswanderungen ganzer Stämme oder einzelner Scharen nach Oberitalien, [* 43] wo sie sich des ganzen Pogebiets bemächtigten und die Senonen den Umbrern auch einen Teil Mittelitaliens entrissen.
Diese letztern waren es, welche 390 unter ihrem Brennus, d. h. Heerkönig, gegen Rom zogen, die Römer 18. Juli 390 an der Allia schlugen, Rom verbrannten, das Kapitol jedoch nicht erobern konnten und schließlich von den Römern durch Geldzahlung zum Abzug bewogen wurden. Seitdem hatten die Römer lange Zeit mit den Galliern zu kämpfen, welche auch wiederholt von den andern Feinden Roms, wie den Etruskern und Samnitern, in Sold genommen wurden. Einen entscheidenden Sieg erfochten die Römer, nachdem sie 284 die Senonen fast vernichtet hatten, 283 über die Bojer am Vadimonischen See.
Erst 238 wagten diese es, den Krieg zu erneuern, indem sie zahlreiche Schwärme transalpinischer Stammesgenossen zu Hilfe riefen und, als diese wieder in die Heimat zurückgekehrt waren, ein Bündnis fast aller italischen Gallier gegen Rom zu stande brachten. Sie wurden indessen 225 bei Telamon am Ombrone entscheidend geschlagen und nun von den Römern in ihren eignen Sitzen angegriffen. Die Einnahme Mailands und Comos durch Scipio, die Verlängerung [* 44] der Flaminischen Straße und die Gründung der Kolonien (d. h. Festungen) Placentia (Piacenza), Cremona und Mutina (Modena) sollten den Römern die Herrschaft über das gallische Italien sichern.
Trotzdem versuchten die Gallier noch einmal, im zweiten Punischen Krieg, im Bund mit Hannibal ihre Unabhängigkeit wiederzugewinnen, und erst 193 wurde der letzte hartnäckige Widerstand der Bojer durch die Schlacht bei Mutina gebrochen. Auch nach Osten hatten sich Gallier gewandt, indem 280 ein gewaltiger Haufe durch Makedonien und Epirus nach Griechenland vordrang und Delphi bedrohte, wo er aber größtenteils durch Gewitter und Erdbeben [* 45] seinen Untergang gefunden haben soll. Die Übriggebliebenen zogen nach Kleinasien und ließen sich in der von ihnen benannten Landschaft Galatien (s. Galater) nieder. Das cisalpinische Gallien wurde nach seiner Unterwerfung rasch romanisiert und hieß daher Gallia togata. 89 erhielten die Cispadaner das latinische Bürgerrecht. Aber erst 43 wurde das Land auch politisch mit Italien vereinigt.
Die Festsetzung der Römer in dem transalpinischen Gallien begann mit der Sicherung einer Verbindungsstraße mit dem 206 von der See aus eroberten Spanien [* 46] durch das südliche Küstenland seit 154. Der Konsul M. Fulvius Flaccus sowie seine Nachfolger Gajus Sextius Calvinus, Gnäus Domitius Ahenobarbus und Quintus Fabius Maximus vollendeten 125-118 die Besitznahme des Küstenlandes und des Rhônegebiets bis zu den Allobrogern. Das Ergebnis dieser Kämpfe war die Einrichtung einer neuen römischen Provinz, Provincia oder Gallia Narbonensis zwischen den Seealpen und den Pyrenäen; Aquä Sextiä (Aix) und Narbo (Narbonne) waren hier die wichtigsten Plätze. 106 wurde mit der Unterwerfung der Tektosagen das obere Garonnegebiet mit der Stadt Tolosa ¶