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durch engen Anschluß an England und Österreich [* 2] die Vergrößerung des neuen Königreichs der Niederlande [* 3] durch die belgischen Provinzen und die Begründung eines oranischen Mittelstaats zwischen Preußen [* 4] und Frankreich, den er auch bis 1818 als Gesandter beim deutschen Bundestag vertrat. Wie er schon beim Ausbruch der französischen Revolution das Berechtigte an derselben anerkannt hatte, so drang er auch jetzt auf Ausführung von Maßregeln, welche die wahre politische Einheit und Freiheit der deutschen Nation feststellen könnten, und forderte in allen seinen Voten die Einführung landständischer Verfassungen in den deutschen Bundesstaaten. 1820 pensioniert, privatisierte er auf seinem Gut Hornau bei Höchst im Hessen-Darmstädtischen, mit litterarischen Arbeiten beschäftigt über die Vergangenheit und Zukunft unsrer Nation und mit den erleuchtetsten Zeitgenossen in lebhaftem schriftlichen Verkehr stehend.
Gleichzeitig hatte er reichlich Gelegenheit, als lebenslängliches Mitglied der Ersten Kammer des Großherzogtums Hessen [* 5] die Aufmerksamkeit der Regierung und der Stände auf patriotische und philanthropische Fragen zu lenken. Bis 1847 verging kaum eine Session der Stände, in der nicht Gagern zu gunsten des Volkes einen Antrag gestellt hätte. Obwohl er die Idee einer Volksvertretung am Bundestag früher stets von sich gewiesen hatte, begrüßte er doch das Frankfurter Parlament mit Freuden und den besten Hoffnungen. Er starb jedoch, ohne diese Hoffnungen erfüllt zu sehen, Von seinen Schriften sind außer seinen autobiographischen Denkwürdigkeiten (»Mein Anteil an der Politik«, Bd. 1-4, Stuttg. 1822-33; Bd. 5 u. 6., Leipz. 1845),
die ein lebendiges Bild der Napoleonischen Zeit und der diplomatischen Lage während der Freiheitskriege liefern, hervorzuheben: »Die Resultate der Sittengeschichte« (6 Bde., Bd. 1: »Die Fürsten«, Frankf. 1808; Bd. 2: »Aristokratie«, Wien [* 6] 1812; Bd. 3: »Demokratie«, Frankf. 1816; Bd. 4: »Politik«, Stuttg. 1818; Bd. 5 u. 6: »Freundschaft und Liebe«, das. 1822; Bd. 7: »Zivilisation«, 1. Teil, Leipz. 1847; 2. Aufl., Bd. 1-4, Stuttg. 1835-1837); »Die Nationalgeschichte der Deutschen« (Wien 1813-26, 2 Bde.; 2. Aufl., Frankf. 1825-26); »Kritik des Völkerrechts mit praktischer Anwendung auf unsre Zeit« (das. 1840).
Vgl. v. Treitschke, Historische und politische Aufsätze, Bd. 1 (Leipz. 1871).
2) Friedrich Balduin, Freiherr von, niederländ. General, ältester Sohn des vorigen, geb. zu Weilburg, bezog 1810 die Universität Göttingen, [* 7] mußte aber dieselbe 1812 wegen mehrerer Duelle verlassen, trat, nachdem er sich in der Pariser École polytechnique eine ausgezeichnete mathematische Bildung erworben, ins österreichische Heer ein, nahm am Feldzug gegen Rußland teil und focht 1813 in den Schlachten [* 8] bei Dresden, [* 9] Kulm und Leipzig. [* 10] Dem Wunsch seines Vaters gemäß vertauschte er dann die österreichischen Dienste [* 11] mit den niederländischen und kämpfte mit Auszeichnung in den Schlachten von 1815. Nach dem Friedensschluß nahm er zu Heidelberg [* 12] seine Studien wieder auf, um dann in die militärischen Dienste des Königreichs der Niederlande zurückzukehren.
Als Generalstabsoffizier war er 1824 und 1825 der Bundesmilitärkommission beigegeben und hatte späterhin (1831) als Major und Chef des Generalstabs des Herzogs Bernhard von Weimar [* 13] rühmlichen Anteil an den vorübergehenden Erfolgen der Holländer gegen Belgien. [* 14] 1838 ward er Kommandeur eines Dragonerregiments, begleitete 1839 den Prinzen Alexander auf dessen Reise nach Rußland und erhielt, nachdem er 1844 zum General avanciert war, eine wichtige Mission nach Ostindien, [* 15] dessen holländische und großbritannische Kolonialwelt er während eines zweijährigen Aufenthalts gründlich studierte.
Nach seiner Rückkehr (1847) wurde er Gouverneur der Residenz und Provinzialkommandant von Südholland. Im Frühjahr 1848 nahm Gagern Urlaub zu einer Reise nach Deutschland. [* 16] Es war eben im badischen Seekreis der Heckersche Aufstand ausgebrochen, und Gagern übernahm, ohne die nachgesuchte Genehmigung der niederländischen Regierung abzuwarten, unter Vermittelung der obersten deutschen Zentralbehörde den von Baden [* 17] ihm angetragenen Oberbefehl gegen die Heckerschen Freischaren.
Vergebens suchte er, als er bei Kandern 20. April auf dieselben stieß, die Führer zum Niederlegen der Waffen [* 18] zu bewegen. Nachdem eine Unterredung mit Hecker auf der Brücke [* 19] von Kandern keinen Erfolg gehabt, trafen eine halbe Stunde später beide Teile an der sogen. Scheideck hart aufeinander. Auf den Ruf aus den Reihen der Freischaren: »General vor!« ging Gagern vor, ohne daß es ihm jedoch gelang, dieselben zur Niederlegung der Waffen zu vermögen. Er stieg wieder zu Pferd [* 20] und war im Begriff, zum Angriff zu kommandieren, als ihn eine Salve der Insurgenten niederstreckte. 1851 ward ihm an derselben Stelle, wo er fiel, ein Denkmal errichtet.
Vgl. Heinrich von Gagern,. Das Leben des Generals Friedrich von Gagern (Leipz. 1856-57, 3 Bde.).
3) Heinrich Wilhelm August, Freiherr von, deutscher Staatsmann, Bruder des vorigen, geb. zu Baireuth, [* 21] besuchte 1812-14 die Militärschule in München [* 22] und focht als nassau-weilburgischer Offizier 1815 in der Schlacht bei Waterloo. [* 23] Nach dem Frieden studierte er die Rechte in Heidelberg, wo er die deutsche Burschenschaft mit begründete, Göttingen, Jena [* 24] und in Genf, [* 25] ward 1821 Landgerichtsassessor in Lorsch, 1824 Regierungsassessor und 1829 Regierungsrat in Darmstadt. [* 26] In seiner 1827 erschienenen Broschüre »Über die Verlängerung [* 27] der Finanzperioden u. Gesetzgebungslandtage« bekämpfte er mit Erfolg den Antrag auf Verwandlung der dreijährigen in sechsjährige Finanzperioden. 1832 ward er zum Beamten im Ministerium des Innern und der Justiz befördert und für Lorsch in die Zweite Kammer gewählt, infolge seiner liberalen Haltung nach Auflösung des Landtags aber pensioniert. Gagern verzichtete auf die Pension, machte sich durch Ankauf von liegenden Gütern wieder wahlfähig und kam darauf wiederholt in die Kammer, wo er die gefährdeten Rechtsinstitutionen der Provinz Rheinhessen energisch verteidigte.
Als die Bewegung von 1848 begann, nahm er 5. März zu Heidelberg an der Beratung über die Berufung eines Vorparlaments teil, ward aber noch an demselben Tag an die Spitze des neugebildeten liberalen Ministeriums berufen, verließ indes diesen Posten bald wieder, um in das Vorparlament zu Frankfurt [* 28] einzutreten. Von zwei Wahlbezirken des Großherzogtums Hessen in die Nationalversammlung gewählt, ward er 19. Mai zum Präsidenten derselben ernannt. Seine Amtsführung als Präsident der Versammlung fand allgemeine Anerkennung.
Daß die Nationalversammlung bei Einsetzung der provisorischen Zentralgewalt das konstitutionelle Prinzip der Neugestaltung Deutschlands [* 29] zu Grunde legte und dadurch das Fortbestehen der Monarchie sicherte, war Gagerns Werk. Als eine Verständigung mit den Regierungen über eine definitive Ordnung der Dinge immer schwieriger wurde, beantragte Gagern, vermittelst eines »kühnen Griffs« die provisorische Zentralgewalt einem verantwortlichen Reichsverweser zu ¶
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übertragen, was die Versammlung auch annahm, worauf Gagern die Wahl auf den Erzherzog Johann von Österreich lenkte. Indessen bemühte sich Gagern doch auf jede Weise für die Übertragung der deutschen Kaiserkrone an den König von Preußen, zu welchem Zweck er auch selbst in Berlin [* 31] und Potsdam [* 32] unterhandelte, und als er nach dem Sieg der Reaktion in Österreich und dem Rücktritt Schmerlings 16. Dez. an die Spitze des Reichsministeriums getreten war, stellte er den Antrag (Gagernscher Antrag) auf einen engern Bundesstaat unter Preußens [* 33] Führung, zu welchem Österreich in ein bloßes Unionsverhältnis treten sollte.
Zwar wurde dieser Antrag vom Parlament angenommen; allein die Verhältnisse gestalteten sich immer hoffnungsloser, und als Welckers Antrag, die Verfassung im ganzen anzunehmen etc., verworfen wurde, nahm Gagern mit dem gesamten Reichsministerium seine Entlassung, behielt jedoch die interimistische Leitung der Geschäfte. Die Nichtannahme der Kaiserkrone von seiten des Königs von Preußen trug noch mehr zur Erschütterung seiner Stellung bei, und als der Reichsverweser eine schroffe Stellung zum Parlament und speziell zu der Partei Gagerns einnahm, schied dieser aus der Nationalversammlung aus und suchte fortan als Mitglied der Gothaer Partei für das Zustandekommen der preußischen Union zu wirken.
Auf dem Unionstag zu Erfurt [* 34] gehörte er zu den Leitern der hier vertretenen bundesstaatlichen Partei, welche auch die Annahme des Dreikönigsentwurfs durchsetzte. Als jedoch der Umschwung in der Politik Preußens die Unionshoffnungen begrub, zog sich Gagern auf sein Landgut zurück, ging aber nach der Schlacht bei Idstedt nach Holstein, um den Herzogtümern seine Dienste zu weihen, und machte als Major den Rest des unglücklichen Feldzugs mit. Nach dem Ende des Kriegs kehrte er auf sein Gut Monsheim zurück, das er nach dem Tod seines Vaters 1852 verkaufte, um mit seiner Familie nach Heidelberg überzusiedeln.
Seit 1859 wendete er sich von Preußen ab, das er beschuldigte, während des Kriegs in Italien [* 35] seine Pflicht gegen Österreich nicht erfüllt zu haben, und trat seit 1862 offen auf die Seite Österreichs und der Großdeutschen über und ließ seine Kinder katholisch erziehen. Im Januar 1864 begab er sich als diplomatischer Vertreter des Großherzogtums Hessen nach Wien, wurde, nachdem dieser Posten eingegangen war, 1872 pensioniert und kehrte nach Darmstadt zurück, wo er starb. - Sein ältester Sohn, Freiherr Friedrich Balduin von Gagern, geb. ist ultramontanes Mitglied des Reichstags.
4) Maximilian, Freiherr von, jüngster Bruder der vorigen, geb. zu Weilburg, studierte in Heidelberg, Utrecht [* 36] und Göttingen und stand 1829-33 in niederländischen Staats- und Kriegsdiensten. Nach Deutschland zurückgekehrt, habilitierte er sich in Bonn [* 37] als Privatdozent, um über historisch-politische Gegenstände zu lesen, trat dann aber in den nassauischen Staatsdienst. Als die Bewegung von 1848 ausbrach, trat er als einer der Vertrauensmänner, welche die sogen. Siebzehner-Verfassung ausarbeiteten, von einem nassauischen Bezirk gewählt, in die Nationalversammlung ein, wo er sich der Partei seines Bruders Heinrich anschloß.
Bei der Bildung des ersten Reichsministeriums wurde er Unterstaatssekretär im Departement des Auswärtigen und ward in dieser Eigenschaft nach Schleswig-Holstein [* 38] gesandt, um dort die deutschen Interessen bei dem Abschluß des (Malmöer) Waffenstillstandes zu wahren. Nach Auflösung des Parlaments nahm an der Versammlung in Gotha [* 39] teil und ward 1850 auf den Unionsreichstag in Erfurt gewählt. Nach dem Scheitern der Union zog er sich von dem politischen Leben zurück.
Bald nachher trat er zum Katholizismus über und wirkte in amtlicher Thätigkeit in Nassau für die neue Zentralorganisation des katholischen Schulwesens; 1854 wurde er nach Wien berufen und hier 1855 zum Hof- und Ministerialrat und Leiter des handelspolitischen Departements im Ministerium des Auswärtigen ernannt, als welcher er im großdeutschen, antipreußischen und klerikalen Sinn thätig war. 1874 aus dem Staatsdienst ausgeschieden, ward er 1881 zum Mitglied des Herrenhauses ernannt.