der die »Anfangsgründe der chinesischen
Grammatik«
(das. 1883) nachfolgten, sowie »Beiträge zur Kenntnis
der melanesischen, mikronesischen und papuanischen
Sprachen« (mit A. B.
Meyer, das. 1882).
Franz Xaver, der Erfinder des verbreitetsten deutschen
Systems der
Stenographie, geb. zu
München,
[* 3] besuchte die
Schule des Benediktinerstifts
Ottobeuern und dann das
Münchener Studienseminar, welches er nach einigen
Jahren verließ, um
Elementarlehrer zu werden. Da seine
Gesundheit ihn verhinderte, diesen
Plan auszuführen, widmete er sich
der Subalternkarriere und ward 1809 Diätist in der königlichen Generaladministration der
Stiftungen
und
Kommunen, 1810 und 1813
Kanzlist bei zwei Mittelbehörden, 1823
Sekretär
[* 4] und
GeheimerKanzlist im
Ministerium des Innern, 1826 Ministerialsekretär
im
StatistischenBüreau des
Finanzministeriums zu
München und starb als solcher daselbst. Zu mancherlei graphischen
Liebhabereien, denen Gabelsberger seit 1809 in seinen Freistunden oblag, gesellte sich 1817 auch
die
Stenographie, da er sich beim Nachschreiben von
Vorträgen in den Ministerialsitzungen eine Erleichterung verschaffen wollte.
Die Einführung einer
Staatsverfassung in
Bayern
[* 5] 1818 regte in Gabelsberger den
Wunsch an, die
Stenographie auch in dem verfassungsmäßigen
Parlament zur
Aufnahme der
Reden zu verwenden, und zu diesem
Zwecke ging er 1818 daran, ein eignes
System
der Kurzschrift auszuarbeiten. Bereits in der ersten bayrischen
Ständeversammlung 1819 machte er Proben mit seinem
System,
bildete sich dann einen
Gehilfen für die folgenden
Landtage heran, arbeitete daneben an der weitern praktischen Vervollkommnung
seiner
Stenographie und begann 1829 im Auftrag der bayrischen
Regierung den ersten öffentlichen Unterrichtskursus
in der Kurzschrift, um praktische
Stenographen für den
Dienst in der
Ständeversammlung zu schaffen. Die völlige
Übergabe
seines bahnbrechenden Werkes, aus dem die meisten nachfolgenden deutschen Stenographieerfinder mehr oder weniger geschöpft
haben, an die
Öffentlichkeit erfolgte 1834 durch Publizierung
der »Anleitung zur deutschen
Redezeichenkunst oder
Stenographie« (2. umgearbeitete
Auflage nach des Verfassers
Tod,
Münch. 1850). Außerdem
erschienen von Gabelsberger die »Stenographische Lesebibliothek«
(Münch. 1838) und ein besonderes Lehrbuch mit
Regeln über die
Bildung und Anwendung weiterer Kürzungen für den parlamentarischen
Gebrauch unter dem
Titel:
»Neue Vervollkommnungen in der deutschen
Redezeichenkunst« (das. 1843, 2. Aufl. 1849).
Gabelsbergers
Ziel war die Schaffung einer
Schrift zum wörtlichen Aufzeichnen von
Reden
(Redezeichenkunst) mit der gleichen
Geschwindigkeit, wie diese von den
Lippen entströmen; daher stand ihm in erster
Linie die Erzielung größter
Kürze.
Er brach mit den
Traditionen seiner deutschen Vorgänger, welche nach dem
Muster der meisten englischen und
französischen
Methoden fast nur die gerade
Linie, den
Kreis
[* 6] und dessen Teilzüge als Schriftzeichen verwandten, und adoptierte
das
Prinzip der
Tironischen Noten (s. d.), deren Zeichen Teilzüge der römischen
Majuskeln sind. Indem Gabelsberger seine Zeichen aus
Teilzügen der deutschen Schreibalphabete bildete, worin er mit Nowak (1830) zusammentraf, erzielte er nicht nur
flüchtige und bequeme, sondern auch vom gewöhnlichen
Lauf der schreibenden
Hand
[* 7] selten abweichende
Züge.
Die Bezeichnung der
Vokale ist mannigfaltig; bald werden sie buchstäblich geschrieben, bald durch Verschmelzung ihrer Zeichen
mit den Konsonantenzeichen, bald symbolisch dargestellt durch
Höher- und Tieferstellung, Verstärkung
[* 8] des Schriftzugs der
begleitenden Konsonantenzeichen etc., bald werden ähnlich lautende stellvertretend
füreinander gebraucht (Wortbildung). Weiter werden zur Bewirkung größerer
Kürze einzelne
Laute oder ganze
Silben, die sich
beim
Lesen unschwer ergänzen lassen, in den Wortbildern unterdrückt, auch häufig wiederkehrende
Wörter durch ständige
Kürzungen
(Siglen), darunter willkürliche, im
Alphabet nicht begründete Zeichen, ausgedrückt (Wortkürzung).
Endlich gelangt innerhalb des
Satzes durch Auslassung ganzer
Wörter und durch Andeutung andrer vermittelst
weniger
Elemente, aus denen durch Rückschlüsse das Fehlende rekonstruiert werden muß, ein den
Tironischen Kürzungen vergleichbares
Verfahren zur Anwendung, mit welchem es möglich wird, schnellen
Reden nachschreibend zu folgen (Satzkürzung). Von
München
aus zunächst in
Bayern vordringend, dann nach
Sachsen
[* 9] undÖsterreich
[* 10] verpflanzt, hat sich die Gabelsbergersche
Stenographie im
Lauf der Jahre über alle Gegenden des deutschen Sprachgebiets und in
Übertragungen auch über viele
Länder
fremder
Zunge ausgebreitet.
Mit dieser wachsenden Verbreitung mußte selbstverständlich das beschränkte
Ziel Gabelsbergers aufgegeben werden, da es
keinen
Sinn gehabt hätte, Redennachschreiber zu
Tausenden heranzubilden. Stillschweigend trat nun dafür
die von
Stolze (s. d.) proklamierte höhere
Idee ein: die
Stenographie als
Mittel zur Erleichterung aller viel mit Schreibarbeit
Beschäftigten. Bei dem für die Parlamentspraxis eingerichteten Zuschnitt der Gabelsbergerschen
Redezeichenkunst konnte es
nicht ausbleiben, daß mit
Annahme des höhern
Ziels auch höhere Anforderungen an die Schriftgenauigkeit gestellt und mancherlei
Kritiken und Veränderungsvorschläge laut wurden.
Drei verschiedene Auffassungen machten sich geltend und drohten, ein völliges
Auseinandergehen in je eine
Münchener,
Dresdener und
WienerSchule herbeizuführen. Da traten 1857 in
Dresden
[* 11] Vertreter aller
Richtungen zu Beratungen zusammen, in denen über mehrere
Tausend¶
mehr
Schriftbestimmungen Beschlüsse gefaßt wurden. Diese sogen. »Dresdener Beschlüsse« haben der Gabelsbergerschen Stenographie
wesentlich ihre heutige Gestalt verliehen, worin sie etwa 35 Unterrichtsstunden erfordert, und die Differenzen zwischen den
drei Richtungen, wenn nicht völlig verwischt, so doch ganz erheblich ausgeglichen. Jetzt sind es zwei andre Strömungen,
welche miteinander kämpfen: die eine will das Gabelsbergersche System immer mehr den Forderungen einer
Gebrauchsschrift anpassen, die andre verwirft alle Veränderungen, welche das System noch weiter von seinem ursprünglichen
Ziel entfernen, ohne daß sie jedoch dieses Ziel noch als das eigentlichste betrachtet.
Für die praktische Tauglichkeit und Anwendbarkeit der Gabelsbergerschen Stenographie spricht am besten der
Umstand, daß dieselbe in ungefähr 50 deutschen und außerdeutschen parlamentarischen Landes- und Provinzialkörperschaften
teils neben andern Systemen, teils ausschließlich zur wörtlichen Aufnahme der gehaltenen Reden amtlich benutzt wird. Die Übertragungen
auf fremde Sprachen wurden schon oben berührt;
in besondern Lehrbüchern niedergelegt, existieren solche auf folgende Sprachen,
zum Teil in mehrfachen voneinander unabhängigen Bearbeitungen, nämlich auf das Dänisch-Norwegische,
Schwedische, Niederländische,
[* 13] Englische;
[* 14]
Von der ausgedehnten Verwendung der Gabelsbergerschen Stenographie als Gebrauchsschrift legt Zeugnis
ab die Menge der Lehrbücher, deren manche schon über 50 Auflagen erlebt haben, auch der Umfang der sonstigen
Litteratur, welche z. B. 40 erscheinende Gabelsbergersche Zeitschriften aufweist (am ältesten die »MünchenerBlätter für
Stenographie«, seit 1849), vor allem aber die Ergebnisse der Unterrichtsstatistik, denen zufolge in jedem der letzten
Jahre ungefähr 20-30,000 Personen neu in das Gabelsbergersche System eingeführt wurden.
Diese Erfolge sind zum großen Teil der staatlichen Fürsorge zuzuschreiben, welcher die Gabelsbergersche Stenographie sich
erfreut. In Bayern, Sachsen und Österreich-Ungarn
[* 17] ist sie als fakultativer Lehrgegenstand an den höhern Unterrichtsanstalten
eingeführt, und zur Prüfung der Stenographielehrer sind in den genannten Staaten besondere amtliche Prüfungskommissionen
vorhanden. Eine Ministerialverordnung von 1842 macht in Bayern den öffentlichen Unterricht in einer andern als der Gabelsbergerschen
Stenographie fast zur Unmöglichkeit.
Das KönigreichSachsen besitzt seit 1839 in dem Dresdener königlichen stenographischen Institut, dessen Mitglieder fast ausnahmslos
akademisch gebildete Männer sind, eine eigne wissenschaftliche Staatsanstalt zur Förderung der Gabelsbergerschen Stenographie.
Neben dieser staatlichen Pflege hat in der Gabelsbergerschen Schule das nach Stolzeschem Vorgang ausgebildete Vereinswesen nicht
dieselbe Bedeutung wie in andern Schulen, ist aber dennoch sehr entwickelt.
Der erste Gabelsbergersche Stenographenverein, noch jetzt einer der hervorragendsten, entstand 1846 in Leipzig.
[* 18] Gegenwärtig
beträgt die Zahl solcher Vereine über 500 mit etwa 14,000 ordentlichen Mitgliedern. Nach den verschiedenen
Gegenden und Provinzen sind die Vereine in Verbände organisiert; zu der noch weit entfernten Zusammenfassung aller ist der
»Deutsche
[* 19] Gabelsberger-Stenographenbund« bestimmt,
dessen alle fünf Jahre
wechselnde Vorortschaft zur Zeit der Verein »Gabelsberger« zu Berlin
[* 20] innehat.
Für das deutsche Sprachgebiet stehen die Verhältnisse gegenwärtig so, daß die Gabelsbergersche Stenographie
in Bayern die unbestrittene, in den übrigen süddeutschen Staaten, in Österreich-Ungarn und in Sachsen die wenig bestrittene
Herrschaft besitzt, in Mittel- und Nord-Deutschland (außer Sachsen) gegenüber der Konkurrenz andrer Stenographiesysteme in der
Minderheit steht und in der Schweiz
[* 21] neben dem Stolzeschen System ziemlich verschwindet.