Inseln, langgestreckte Inselreihe an der
Holländischen und deutschen Nordseeküste, von der
Spitze von
Helder
in
Holland bis zur deutsch-dänischen
Grenze in
Jütland sich ziehend, nur unterbrochen durch die Gegend der
Weser- und Elbmündung.
Reste ehemaligen
Festlandes, welches durch
Einbrüche des
Meers besonders in den
Jahren 1277, 1287, 1511 und 1634 weggeschwemmt
wurde, verfolgen sie die
Küste in ziemlich gleicher
Entfernung, sind in der
Richtung derselben gestreckt und stehen mit ihr
durch die zur Zeit der
Ebbe trocken liegenden
Watte noch in
Verbindung.
Die Westfriesischen
Inseln sind holländisch, die Ostfriesischen
Inseln gehören mit Ausnahme
des oldenburgischen
Wangeroog zur preußischen
ProvinzHannover,
[* 6] die Nordfriesischen, von denen nur die
nördlichste,
Fanö, dänische Besitzung ist, zur preußischen
ProvinzSchleswig-Holstein.
[* 7] Über die
Natur der
Inseln s. die Einzelartikel.
Sprache
[* 9] und Litteratur. Die
Sprache der alten
Friesen ist ein
Zweig des germanischen
Stammes, und zwar nimmt
sie eine Mittelstellung zwischen dem Altsächsischen und
Angelsächsischen ein. Die altfriesische
Sprache
hat keine Dichterwerke aufzuweisen, und es entgeht uns daher nicht bloß eine
Menge der lebendigsten
Ausdrücke, sondern es
fehlt auch der
Maßstab,
[* 10] nach welchem wir ihre Lautverhältnisse besser aufzufassen im stande wären, als dies bei dem nicht
sehr weit zurückreichenden
Alter der friesischen
Rechtsbücher und der Verschiedenheit der
Handschriften
möglich ist.
Letztere gehören sämtlich erst dem 14. und 15. Jahrh. an
(»Friesische Rechtsquellen«, hrsg. von v.
Richthofen, Berl. 1840);
jedoch
sind sie wegen der
Stabilität des altfriesischen
Idioms für die Erforschung der altgermanischen
Sprachen immerhin von
nicht geringer Bedeutung. Für die ältere Zeit fließen uns nur sehr spärliche
Quellen, denn die altfriesischen
Ausdrücke, die sich in der
Lex Frisionum (s.
Friesisches Recht) hin und wieder finden, sowie die altfriesischen
Eigennamen der
Annalen und
Urkunden gewähren nur geringe
Ausbeute für die Forschung.
Die altfriesischen Sprachlaute stimmen meist mit denen der
oben genannten verwandten
Dialekte überein; eine sehr charakteristische
Eigentümlichkeit des
Friesischen ist es jedoch, daß k und g vor i und e in einen
z-Laut übergehen, z. B.
tserke aus kerke
(Kirche), lidszia = altsächsisch liggian (liegen). Das
Friesische ist die einzige germanische
Sprache, welche
diesen in den romanischen und besonders in den slawischen
Sprachen sehr gewöhnlichen Lautvorgang kennt.
Die altfriesische
Sprache ist uns in den Rechtsquellen in zwei Hauptmundarten überliefert: der westfriesischen
(westlich der
Ems in
[* 11] den
Niederlanden) und der ostfriesischen (zwischen
Ems und Wesermündung);
von einem dritten
Zweig des
Friesischen,
dem Nordfriesischen, sind keine ältern Sprachdenkmäler überliefert.
Eine
Grammatik der altfriesischen
Sprache lieferte zuerst
Rask (»Frisisk Sproglære«, Kopenh.
1825; deutsch von
Buß, Freiburg
[* 12] 1834). In seinem Zusammenhang mit den übrigen germanischen
Sprachen wurde das Altfriesische behandelt
von
Grimm in seiner
»DeutschenGrammatik«, ferner in der altfriesischen
Sprachlehre, welche M.
Heyne gibt in seinem
Buch
»KurzeLaut- und Flexionslehre der altgermanischen Sprachstämme«
[* 13] (3. Aufl., Paderb.
1874); vgl. noch besonders die Abhandlung von
Th.
Siebs in
Paul und
Braune, »Beiträge zur Geschichte der
deutschen
Sprache und Litteratur«, Bd. 11. Als altfriesische
Wörterbuch er sind zu nennen das nun veraltete von
Wiarda
(Aurich
[* 14] 1786) und das ganz vorzügliche von
Richthofen
(Götting. 1840);
ohne wissenschaftliche Bedeutung ist de
Haan Hettemas »Idioticon frisicum« (Leeuw.
1874).
Die friesische Sprache hat heutzutage viel von ihrem ältern Verbreitungsgebiet verloren.
Analog den ältern Verhältnissen
sind die neufriesischen
Mundarten in drei
Gruppen zu teilen:
1) Das Westfriesische, auch
Bauern- oder Landfriesisch genannt, weil es nur noch auf dem Land gesprochen wird, ist gegenwärtig
auf
Hindeloopen,
Bolsward,
Leeuwarden und die Umgegend beschränkt. Ein großer Teil des ältern westfriesischen
Gebiets ist durch die
holländische Sprache eingenommen, welche auch in dem noch friesisch redenden Gebiet die eigentliche
Schriftsprache ist. Jedoch ist gerade hier in Westfriesland das friesische
Stammes- und Sprachbewußtsein sehr lebendig, und
schon seit zwei
Jahrhunderten war man eifrig bemüht, durch litterarische
Produktionen in friesischer
Sprache
dieses
Bewußtsein zu kräftigen. Ein angesehener älterer Dichter der Westfriesen ist Gysbert Japicx, dessen »Friesche
rijmlerye«
(Bolsward 1668) von Epkema (mit
Wörterbuch, Leeuw. 1824, 2 Bde.)
u. von Dykstra (Amsterd. 1855) herausgegeben wurde. Als neuere
Dichter sind zu nennen: Salverda (»Itjtlijcke friesche rijmckes«,Sneek 1824),
Posthumus (»Prieuwcke fen
friesche rijmmelerije«,
Groning. 1824; »In Jouverkoerke«, das.
1836) und vornehmlich die
Brüder E. und J. H. ^[Justus Hiddes] Halbertsma. Des letztern (gest. 1858) bedeutendstes
poetisches
Produkt in dieser
Mundart ist: »De Lapekoerfen«
(Gabe Scroar,
Deventer 1822 u. öfter;
¶
mehr
deutsch von Clement, Leipz. 1847). Sonst dichteten noch im Westfriesischen: Fräulein van Affen,
[* 16] P. Deketh, Windsma, van der
Veen, Waling Dykstra u. a. Die Volkskomödie »Waatze
Gribberts brilloft« (Leeuw. 1812 u. öfter) stammt aus
dem Anfang des 18. Jahrh. Ein beliebtes Volksbuch ist »It libben fen Aagtje Ijsbrants« (Sneek 1827). Mit
der Bearbeitung und Herausgabe westfriesischer Sprach-, Rechts- und Geschichtsdenkmäler beschäftigten sich Hettema in Leeuwarden,
E. und J. H. ^[Justus Hiddes] Halbertsma u. a. Dieselben Zwecke verfolgt die 1829 zu Franeker gegründete »Friesch genotschap
voor geschied-, oudheid- en taalkunde«, welche die Zeitschrift »DevrijeFries« (seit 1852, bis 1885: 16 Bde.) herausgibt.
J. ^[Justus Hiddes] Halbertsma gab eine westfriesische Übersetzung des EvangeliumsMatthäi heraus (Leiden
[* 17] 1858); Sammlungen
westfriesischer Sprichwörter veranstalteten Hoeafft (Breda 1812) und Scheltema (Franeker 1826). Noch jetzt vergeht kein Jahr,
in welchem nicht verschiedene Publikationen im westfriesischen Dialekt erschienen; außerdem sind anperiodischen Schriften zu
nennen die Zeitschrift »Forjit my net« (seit 1871) und die
Jahrbücher: »Swanneblommen« (seit 1850) u.
»De Bije-koer« (41. Jahrg. 1886). Ein unvollendetes Wörterbuch der westfriesischen Sprache, die Buchstaben A-F umfassend, hinterließ
J. ^[Justus Hiddes] Halbertsma (»Lexicon frisicum«, Bd.
1, Haag
[* 18] 1874).
2) Das Ostfriesische, die Sprache der Friesen zwischen Ems- und Wesermündung, ist dem Untergang am meisten
anheimgefallen. Schon seit dem 15. und 16. Jahrh. begann das Niederdeutsche die ostfriesische Volkssprache zu verdrängen,
was im Lauf der Zeit so vollständig geschah, daß jetzt in Ostfriesland plattdeutsch, nicht friesisch gesprochen wird. Man
hat sich inkorrekterweise gewöhnt, dieses NiederdeutscheOstfrieslands auch Ostfriesisch zu nennen, weshalb man in dem
Werk von Stürenburg: »Ostfriesisches Wörterbuch« (Aurich 1857) keineswegs die friesische Sprache zu suchen hat;
es ist dies
ein Wörterbuch des ostfriesischen Niederdeutschen, welches allerdings gerade im Wortschatz Trümmer der alten friesischen
Sprache bewahrt hat.
Nur in zwei Resten hat sich die alte ostfriesische Sprache erhalten, nämlich auf der InselWangeroog
und in drei von Sümpfen umgebenen Dörfern des sogen. Saterland es (südwestlich von Oldenburg).
[* 19] Ausführliche Abhandlungen
über beide Mundarten finden sich im »FriesischenArchiv« (hrsg. von Ehrentraut, Oldenb. 1847-54, 2 Bde.);
über das Saterländische speziell vgl. Halbertsma und Posthumus, Onze reis naar Sagelterland (Franeker 1836). Ein wichtiges
Werk des 17. Jahrh.: »Memoriale linguae frisicae«, vom Pastor Cadovius Müller (gest. 1725), über die ostfriesische
Sprache im Harlingerland, wurde von Kükelhan (Leer
[* 20] 1875) veröffentlicht. Ein Wörterbuch des Ostfriesischen gab T. ten Doornkaat-Koolman
(Norden
[* 21] 1877-85, 3 Bde.) heraus.
3) Das Nordfriesische wird, mehr oder weniger mit dänischen und niederdeutschen Elementen vermischt, noch gesprochen
an der Westküste Südjütlands und Schleswigs bis Ribe und besonders auf den an dieser Küste liegenden Inseln, namentlich auf
Sylt, Föhr, Amrum. Es gehört dazu außerdem der Dialekt der InselHelgoland,
[* 22] der jedoch schon großen Zerstörungen durch fremde
Elemente ausgesetzt gewesen ist. Auch im nordfriesischen Dialekt hat man sich poetisch versucht; erwähnenswert
ist besonders das Lustspiel »De gidtshals« von J. P. ^[Jap Peter] Hansen auf Sylt.
Ein reichhaltiges Wörterbuch der nordfriesischen Mundart lieferte Outzen (»Glossarium der
friesischen Sprache«, Kopenh. 1837);
das Hauptwerk über den Dialekt ist Bendsens »Die nordfriesische Sprache nach der Moringer Mundart« (hrsg. von de Vries, Leid.
1860). Später erschien Johansens »Die nordfriesische Sprache nach der Föhringer und AmrumerMundart« (Kiel
[* 23] 1862). Eine Übersicht über die gesamte friesische Litteratur lieferte Mone im Anhang seines Buches »Übersicht der niederländischen
Volkslitteratur älterer Zeit« (Tübing. 1838); als bibliographisches Hilfsmittel ist empfehlenswert die Schrift »Essai d'une
bibliographie de la littérature frisonne« (Haag 1859). Einen Überblick über die gesamten neufriesischen
Volksmundarten, verbunden mit reichen sprachlichen und litterarischen Notizen, findet man inWinklers »Allgemeen nederduitsch
en friesch dialecticon« (Haag 1872, 2 Bde.).