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Repressivmaßregeln nun doch nichts fruchteten und von den Provinziallandtagen der ostpreußische und der rheinische energisch Erweiterung ihrer Rechte verlangten, endlich eine Anleihe notwendig wurde, entschloß sich Friedrich W., durch das Patent vom die längst verheißenen Reichsstände zu berufen. In seiner Rede bei der Eröffnung dieses »vereinigten Landtags« (11. April) sprach er aber offen aus, »daß es keiner Macht der Erde je gelingen solle, ihn zu bewegen, das natürliche, gerade in Preußen [* 2] durch seine innere Wahrheit so mächtige Verhältnis zwischen Fürst und Volk in ein konventionelles, konstitutionelles zu verwandeln«. Umsonst nahm eine Protestation der Stände die durch das königliche Wort Friedrich Wilhelms III. garantierten Rechte der Nation in Schutz, umsonst fochten die glänzendsten Redner der Opposition für das konstitutionelle Prinzip. Erst die Revolution vom März 1848 trieb den König zu entschiedenem Vorgehen auf der Bahn der Reformen. Dem blutigen Straßenkampf in Berlin [* 3] (18. März), während dessen er aus Scheu vor Blutvergießen keine Energie entfaltete, folgten der Umritt des Königs mit der deutschen Fahne (21. März) und die bekannte Erklärung, welche die Sache Schleswig-Holsteins zur Angelegenheit Preußens [* 4] machte. Die tumultuarischen, für ihn beleidigenden Vorgänge des Jahrs 1848 ertrug der König mit einer Art von duldender Resignation, bis er die Macht gewann, mit der Verlegung der preußischen Nationalversammlung (November 1848) seine Autorität wiederherzustellen.
Die ihm vom Frankfurter Parlament angebotene Kaiserkrone lehnte er als ein Geschenk der verhaßten Revolution erst bedingt, bald aber unbedingt ab, worauf er, von Radowitz beraten, das Bündnis vom abschloß und ein neues Parlament nach Erfurt [* 5] berief. In Preußen selbst ward die Verfassungsangelegenheit durch eine Revision des am oktroyierten Entwurfs fürs erste abgeschlossen Aber die Verwirklichung seiner romantischen Ideale für unmöglich erkennend, leitete Friedrich W. seit 1848 den Staat ohne lebhafteres Interesse. Er hatte das Vertrauen zu sich und zu seinem Volk, das er nie verstand, verloren und überließ daher die Regierung mehr und mehr einer reaktionären Büreaukratie und einer engherzigen, egoistischen Adelspartei.
Auch seine auswärtige Politik, namentlich im Krimkrieg, in dem er zu Rußland hielt, obwohl er neutral blieb, fand nicht den Beifall der Nation. Neuenburgs wegen 1856 einen Krieg zu beginnen, wurde er zum Glück noch abgehalten. Nach dem Attentat Tschechs stand er noch einmal in Lebensgefahr indem ein abgedankter Soldat, Sefeloge, ihn erschießen wollte; beide Attentate waren ohne politische Motive. Seit dem Spätsommer 1857 an Gehirnerweichung leidend, übertrug er im Oktober die Stellvertretung in der Regierung seinem Bruder Wilhelm, Prinzen von Preußen, provisorisch, sodann, nachdem er vergeblich in Meran [* 6] Hilfe gesucht, definitiv.
Auch ein längerer Aufenthalt in Italien [* 7] im Winter 1858-59 hatte den erwünschten Erfolg nicht; Friedrich W. starb in Sanssouci. Seine Regierung ist zwar erfüllt von wichtigen Ereignissen, sein Anteil daran indes meist ein passiver. Friedrich Wilhelms bedeutende geistige Anlagen, welche sich auch in seinem lebhaften Interesse für alles und seinem witzigen, anregenden Gespräch kundgaben, haben sich vorteilhaft geltend gemacht in seinen künstlerischen Bestrebungen, denen Preußen und namentlich Berlin herrliche Schöpfungen zu verdanken hat.
Sie werden sein Andenken der Nachwelt erhalten, während die berechtigte Unzufriedenheit des deutschen und des preußischen Volkes mit seiner widerspruchsvollen Politik im Innern und seiner unentschlossenen Haltung nach außen durch die Thaten seines Nachfolgers beschwichtigt worden ist. Seine Reden, Proklamationen etc. seit bis erschienen zu Berlin 1851. Vermählt war er seit mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern; [* 8] die Ehe blieb kinderlos. Ihm folgte sein Bruder Wilhelm I.
Vgl. v. Schmettau, Friedrich W. IV., König von Preußen (2. Aufl., Berl. 1864);
v. Ranke, Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. und Bunsens (2. Aufl., das. 1874);
Derselbe, Biographie Friedrich Wilhelms IV. (das. 1878);
Friedberg, [* 9] Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter König Friedrich W. IV. (das. 1882);
v. Reumont, Aus König Friedrich Wilhelms IV. gesunden und kranken Tagen (Leipz. 1885).
55) Friedrich III., deutscher Kaiser und König von Preußen, als Prinz und Kronprinz Friedrich Wilhelm genannt, geb. im Neuen Palais bei Potsdam, [* 10] einziger Sohn des damaligen Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar, erhielt durch Ernst Curtius eine tüchtige wissenschaftliche Bildung, besuchte 1850-52 die Universität Bonn, [* 11] ward 1856 Oberst und Kommandeur des 11. Infanterieregiments in Breslau, [* 12] vermählte sich mit Viktoria, Princeß Royal von Großbritannien [* 13] (geb. ward zum General ernannt und durch die Thronbesteigung seines Vaters, König Wilhelms I. Kronprinz von Preußen. Im dänischen Krieg 1864 ward er ohne Kommando im Frühjahr auf den Kriegsschauplatz geschickt, wo er die Schwierigkeiten, die Wrangels Oberleitung hervorrief, mit Takt und Geschick beseitigte.
Mild und gutmütig, war er mit der schroffen Haltung der Regierung im Militärkonflikt mit dem Abgeordnetenhaus nicht einverstanden, ebensowenig mit der schleswig-holsteinschen Politik Bismarcks. 1866 wurde er zum Oberbefehlshaber der zweiten Armee ernannt, welche sich in Schlesien [* 14] sammelte und Ende Juni den Einmarsch in Böhmen [* 15] erzwang, und entschied 3. Juli durch sein rechtzeitiges Eintreffen bei Chlum den Sieg von Königgrätz. [* 16] Im französischen Krieg von 1870/71 befehligte er die dritte Armee, welche drei preußische Korps und die süddeutschen Truppen umfaßte, und erfocht an deren Spitze die blutigen, aber glänzenden Siege bei Weißenburg [* 17] (4. Aug.) und bei Wörth [* 18] (6. Aug.); hierdurch erlangte er besonders bei den süddeutschen Kriegern eine solche Beliebtheit, daß er allgemein »unser Fritz« genannt wurde. Er marschierte darauf gegen Paris, [* 19] bewerkstelligte Ende August die große Rechtsschwenkung nach Norden [* 20] und hatte den Hauptanteil am Erfolg von Sedan. [* 21] Am 19. Sept. bewirkte er die Einschließung von Paris und hatte während der Belagerung sein Hauptquartier in Versailles. [* 22] Hier wurde er 28. Okt. zum Generalfeldmarschall, zum Kronprinzen des Deutschen Reichs ernannt. Nach dem Frieden erhielt er das Großkreuz des Eisernen Kreuzes und wurde Generalinspekteur der 4. Armeeinspektion des deutschen Reichsheers; er hatte namentlich die süddeutschen Truppen zu inspizieren. Im Auftrag des Kaisers und im Interesse des Reichs unternahm er viele Reisen, so zur Eröffnung des Suezkanals, nach Palästina, [* 23] nach Spanien [* 24] etc.; 4. Juni bis nach Kaiser Wilhelms I. Verwundung durch Nobiling war er mit der Stellvertretung seines Vaters beauftragt. In seiner Muße widmete er sich den wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen der Gegenwart und war im ¶
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Verein mit seiner Gemahlin erfolgreich bemüht, dem Kunstgewerbe in Deutschland [* 26] einen höhern Aufschwung zu geben. Im Frühjahr 1887 erkrankte er an einem Halsleiden, das die deutschen Ärzte als Kehlkopfkrebs erkannten. Der englische Arzt Mackenzie übernahm die Heilung ohne Operation; indes während des Aufenthalts in San Remo im Winter 1887/88 verschlimmerte sich das Übel, und schwer krank reiste Friedrich nach dem Tod seines Vaters nach Deutschland und zwar nach Charlottenburg [* 27] zurück, um als Friedrich III. die Regierung des Deutschen Reichs und Preußens zu übernehmen; seine edeln Grundsätze und Absichten gab er durch einen Aufruf an das Volk und einen Erlaß an Bismarck vom 12. März kund.
Man nahm besonders an, daß er in mehr konstitutionellem Sinn herrschen und wissenschaftliche und künstlerische Kreise [* 28] an den Hof [* 29] ziehen werde; doch war es ihm nicht beschieden, außer der Entlassung Puttkamers einen wichtigen Regierungsakt zu vollziehen. Denn sein schreckliches, unheilbares, aber mit größter Geduld ertragenes Leiden [* 30] zerstörte immer rascher die Kräfte des Kaisers und machte im Neuen Palais (Schloß Friedrichskron) bei Potsdam seinem Leben ein Ende; er wurde 18. Juni der Friedenskirche zu Potsdam beigesetzt.
Von seiner Gemahlin Viktoria, die als Witwe den Namen »Kaiserin Friedrich« annahm, hinterließ Friedrich fünf Kinder: Kaiser Wilhelm II. (s. d.), Prinzessin Charlotte (geb. vermählt mit dem Erbprinzen von Sachsen-Meiningen), Prinz Heinrich (s. Heinrich 43), die Prinzessinnen Viktoria (geb. Sophie (geb. Braut des Kronprinzen von Griechenland) [* 31] und Margarete (geb. zwei Söhne, Siegmund und Waldemar, starben vor dem Vater. Seine Biographie schrieben Hengst (neue Ausg., Berl. 1888), W. Müller (Stuttg. 1888), Ziemssen (Berl. 1888), E. Simon (a. d. Franz., Bresl. 1888) u. a.
[Prinzen von Preußen.]
56) Friedrich Wilhelm Ludwig, Prinz von Preußen, Sohn des Prinzen Ludwig Friedrich Karl und der Prinzessin Friederike von Mecklenburg-Strelitz, Neffe Friedrich Wilhelms III., geb. machte die Feldzüge des Befreiungskriegs mit, ward preußischer General der Kavallerie zu Düsseldorf, [* 32] später auch Chef des 1. Kürassierregiments und residierte bis 1848 in Düsseldorf. Er war seit 1817 vermählt mit Prinzessin Luise von Anhalt-Bernburg (geb. und starb mit Hinterlassung zweier Söhne, der preußischen Prinzen Alexander (geb. und Georg (s. Georg 17).
57) Friedrich Karl Nikolaus, Prinz von Preußen, geb. zu Berlin, Sohn des Prinzen Karl, Bruders des Kaisers Wilhelm, und der Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar, genoß 1842-46 in den militärischen Disziplinen den Unterricht des damaligen Majors (nachherigen Kriegsministers) v. Roon. Dieser war auch sein militärischer Begleiter, als der Prinz 1846 die Universität Bonn bezog. Nach Vollendung seiner Studien machte der Prinz 1848 den schleswigschen Feldzug als Hauptmann im Gefolge des Generals Wrangel mit und zeichnete sich in den Gefechten bei Schleswig [* 33] und bei Düppel [* 34] durch persönlichen Mut aus. 1849 nahm er als Major im Generalstab an dem Feldzug in Baden [* 35] teil und wurde in dem Gefecht bei Wiesenthal an der Spitze einer Husarenschwadron schwer verwundet.
In den nun folgenden Friedenszeiten, während welcher er 1852 Oberst, 1854 Generalmajor und 1856 Generalleutnant wurde, widmete er den militärischen Wissenschaften eifriges Studium. Die Resultate desselben teilte er einem engern Kreis [* 36] von Offizieren in Vorträgen und lithographierten Abhandlungen mit. Von letztern wurde ohne Wissen des Prinzen 1860 »Eine militärische Denkschrift von P. Friedrich K.« veröffentlicht, welche durch ihre Reformvorschläge großes Aufsehen erregte.
Als Kommandeur des 3. Armeekorps (seit 1860) führte er diese Reformen praktisch durch, machte dies Korps zur Pflanzschule seiner militärischen Ideen und erwarb sich hierdurch um die Entwickelung der preußischen Armee ein hervorragendes Verdienst. 1864 erhielt der Prinz, inzwischen zum General der Kavallerie befördert, den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Schleswig-Holstein, [* 37] ging nach dem verunglückten Angriff auf Missunde Anfang Februar 1864 bei Arnis aber die Schlei, zwang den Feind, das Danewerk aufzugeben und nach den Düppeler Schanzen sich zurückzuziehen, und erstürmte diese (18. April). Nachdem Wrangel im Mai sein Kommando niedergelegt, wurde der Prinz Oberbefehlshaber der alliierten Armee und eroberte Jütland und 29. Juni Alsen. 1866 ward er zum Oberbefehlshaber der ersten Armee (2., 3. und 4. Korps) ernannt, rückte von der Oberlausitz in Böhmen ein, schlug 26. und 27. Juni bei Liebenau und Podol, am 28. bei Münchengrätz, 29. bei Gitschin die österreichisch-sächsischen Truppen unter Clam-Gallas und griff 3. Juli die österreichische Stellung bei Königgrätz an. In hartnäckigem Kampf hielt er den numerisch überlegenen Gegner in der Fronte so lange auf, bis der Kronprinz auf dem Schlachtfeld eintraf und in der rechten, General Herwarth von Bittenfeld in der linken Flanke des Feindes eingriff.
Von da marschierte der Prinz bis in die Nähe von Wien. [* 38] In dem konstituierenden norddeutschen Reichstag von 1867 vertrat er den ostpreußischen Wahlkreis Labiau-Wehlau. Im deutsch-französischen Krieg mit dem Oberkommando über die zweite deutsche Armee betraut, hielt er 16. Aug. in der Schlacht bei Vionville die französische Rheinarmee unter Marschall Bazaine bei Metz [* 39] zurück und brachte 18. Aug. bei Gravelotte durch den Sieg über den feindlichen rechten Flügel bei St.-Privat die Entscheidung.
Darauf erhielt er den Oberbefehl über die erste und zweite Armee, um die Einschließung von Metz zu übernehmen. Er schlug alle Ausfälle Bazaines zurück und zwang denselben zur Kapitulation vom 27. Okt. Am 28. Okt. zum Generalfeldmarschall ernannt, zog Friedrich K. von Metz 2. Nov. mit drei Armeekorps in Eilmärschen gegen die Loire, um die französische Loirearmee vom Vordringen gegen Versailles und Paris abzuhalten. Nachdem er die Angriffe der Franzosen zurückgeschlagen, ging er 3. Dez. seinerseits zur Offensive über, besetzte 4. Dez. Orléans [* 40] und trieb die feindliche Armee bis Bourges und Le Mans [* 41] zurück. Im Januar 1871 schlug er Chanzy bei Le Mans in mehreren Gefechten (6.-12. Jan.) und zersprengte sein Heer so vollständig, daß jeder weitere Versuch, Paris von Westen her zu entsetzen, unmöglich gemacht wurde.
Nach dem Krieg wurde er zum Generalinspekteur der dritten Armeeinspektion des deutschen Reichsheers und zum Inspektor der preußischen Kavallerie ernannt. Kaiser Alexander ernannte ihn zum russischen Feldmarschall. Er war außerdem Chef mehrerer preußischer, russischer und österreichischer Regimenter. Friedrich K. unternahm mehrere Reisen nach dem Orient; über die letzte, 1883 nach Ägypten [* 42] und Syrien unternommene erschien ein Prachtwerk (Berl. 1884). Er starb in Klein-Glienicke bei Potsdam, einer der größten Feldherren der preußischen Armee. Der Prinz war seit ¶