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erleichterte durch eine strenge Überwachung der Grenze Rußland die Unterdrückung des polnischen Aufstandes 1831, während er die Losreißung Belgiens von den Niederlanden und Frankreichs Intervention geschehen ließ. Er starb in Berlin. [* 2] Friedrich W. war nicht unbeliebt, da seine Einfachheit im Privatleben, seine Herzensgüte manches andre vergessen ließen. Er war seit vermählt mit Luise (s. d.), Tochter des Herzogs Karl II. von Mecklenburg-Strelitz, und nach deren Tod seit 1824 in morganatischer Ehe mit der Gräfin Auguste von Harrach, Fürstin von Liegnitz [* 3] (gest. 1873). Kinder aus seiner ersten Ehe sind: König Friedrich Wilhelm.
IV. von Preußen [* 4] (gest. 1861), Wilhelm I., jetziger König von Preußen und deutscher Kaiser, Prinzessin Charlotte (gest. als Alexandra Gemahlin Kaiser Nikolaus' I. von Rußland, Prinz Karl (gest. 1883), Prinzessin Alexandrine, Witwe des Großherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, Prinzessin Luise, Gemahlin des Prinzen Friedrich der Niederlande [* 5] (gest. 1870), und Prinz. Albrecht (gest. 1872). In Berlin wurden ihm zwei Denkmäler errichtet, 1849 das im Tiergarten befindliche von Drake (Abteilungen des Relieffrieses s. Tafel »Bildhauerkunst [* 6] IX«, [* 7] Fig. 2) und 1871 das großartige Reiterstandbild von Wolff im Lustgarten. In Breslau [* 8] wurde seine Reiterstatue von Kiß 1851 enthüllt.
Auch in Köln [* 9] ward ihm 1878 ein großes Denkmal errichtet. Er schrieb: »Luther in Bezug auf die preußische Kirchenagende von 1822 und 1823« (Berl. 1827);
»Reminiszenzen aus der Kampagne 1792 in Frankreich« und »Journal meiner Brigade in der Kampagne am Rhein 1793«.
Vgl. Friedrich Klöden, Lebens- und Regierungsgeschichte Friedrich Wilhelms III. (Berl. 1840);
Th. G. v. Hippel, Beiträge zur Charakteristik Friedrich Wilhelms III. (Bromb. 1841);
Eylert, Charakterzüge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelms III. (Magdeb. 1842-46, 3 Bde.);
W. Hahn, [* 10] Friedrich Wilhelm III. und Luise (3. Aufl., Berl. 1877);
v. Treitschke, Deutsche [* 11] Geschichte (Leipz. 1879 ff.);
Duncker, Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. und Friedrich Wilhelms III. (das. 1876).
54) Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, Sohn des vorigen und der Königin Luise, geb. Von der Natur reichbegabt, entwickelte er unter der Leitung seiner geist- und gemütvollen Mutter seinen lebhaften, für das Edle und Schöne empfänglichen Sinn, während er sich unter der Leitung tüchtiger Männer diejenigen wissenschaftlichen Kenntnisse erwarb, deren der künftige Monarch Preußens [* 12] bedurfte. Von J. Friedrich G. ^[Johann Friedrich Gottlieb] Delbrück und dann von Ancillon, der aber in mancher Beziehung keinen günstigen Einfluß auf den Prinzen ausübte, namentlich seine Hinneigung zur Romantik beförderte, in den Schulwissenschaften und der Philosophie, von Scharnhorst und Knesebeck in den Militärwissenschaften und von Niebuhr in der Finanzkunde unterrichtet, ging er später zu einem akademischen Kursus in der Rechts- und Staatswissenschaft unter Savigny, Niebuhr und Lancizolle über, während Schinkel und Rauch sein Talent für die zeichnenden Künste ausbildeten und den Kunstsinn in ihm entwickelten.
Nachdem er den meisten Hauptschlachten der Feldzüge von 1813 und 1814 beigewohnt, ernannte ihn sein Vater frühzeitig zum Militärgouverneur und Statthalter der Provinz Pommern [* 13] und ließ ihn den Sitzungen des Staatsrats und des Staatsministeriums beiwohnen. Ein Aufenthalt in Paris [* 14] und eine 1828 unternommene Reise nach Italien, [* 15] wo er die Protektion des damals durch E. Gerhard in Anregung gebrachten Instituts für archäologische Korrespondenz übernahm, gaben seinem Kunstsinn eine bedeutsame Anregung.
Daneben entwickelte sich in ihm immer mehr jene mittelalterlich-romantische Geistesrichtung, die sich besonders 1823 in seinem Anteil an der Provinzialständeordnung (er war Präsident der mit ihrer Ausarbeitung beauftragten Kommission) deutlich bekundete und in seinem spätern Regentenleben noch weit schärfer hervortrat. Dessenungeachtet hoffte nicht nur Preußen, sondern auch Deutschland [* 16] von Friedrich W. Erfüllung seiner sehnlichsten Wünsche, als er den Thron [* 17] der Hohenzollern [* 18] bestieg.
Durch die bald darauf erlassene Proklamation, mit welcher er zwei Dokumente aus dem Letzten Willen seines dahingeschiedenen Vaters veröffentlichte, erkannte er jenes königliche Versprechen einer dem Geiste der Zeit entsprechenden repräsentativen Verfassung an, während er durch mehrere andre rasch aufeinander folgende Akte sein politisches System entschiedener darlegte. Er erließ eine teilweise Amnestie für alle politischer Vergehen wegen Verurteilten, setzte Arndt in Bonn in [* 19] seine Professur wieder ein, berief Boyen und J. A. F. ^[Johann Albrecht Friedrich] Eichhorn zu Ministern, zog die berühmtesten Notabilitäten in Litteratur und Kunst, wie A. W. v. Schlegel, Tieck, Rückert, Schelling, Cornelius, Mendelssohn-Bartholdy etc., in seine Nähe und stiftete eine Friedensklasse des Ordens pour le mérite für die berühmtesten Gelehrten und Künstler Deutschlands [* 20] und des Auslandes.
Die provinzialständische Verfassung wurde durch die Errichtung von Ausschüssen erweitert, die rheinische Gerichtsbarkeit von manchen Einschränkungen befreit, der Presse [* 21] eine freiere Bewegung gestattet. Dagegen wurden auch die Erzbischöfe Dunin und Droste-Vischering in ihre Würden wieder eingesetzt, den Altlutheranern und andern der Union widerstrebenden Sekten wurde freierer Spielraum gegönnt, strengere Sonntagsfeier eingeführt, mehrere freisinnige Professoren abgesetzt: alles Beispiele großer Nachgiebigkeit gegen orthodoxe und ultramontane Einflüsse. Die Begünstigung des Adels und die Einführung von Majoraten entsprachen der Vorliebe Friedrich Wilhelms für die »christlich-germanische« Vorzeit.
Von der Wahrheit seiner Anschauungen überzeugt, ließ er der Kritik seiner Maßregeln anfangs freien Lauf, empfand es aber sehr bitter, daß diese mitunter recht scharf gegen ihn auftrat, und schritt mit Polizeimaßregeln ein. Die lebhaften Wünsche der Nation nach einer landständischen Verfassung wies der König beharrlich zurück, da nur »die provinzial- und kreisständische Verfassung eine auf deutschem Boden ruhende geschichtliche Grundlage habe, die Grundlage ständischer Gliederung, wie diese durch die überall berücksichtigten Veränderungen der Zeit gestaltet worden«. Friedrich W. war von einer überspannten Vorstellung seiner königlichen Machtvollkommenheit beherrscht, ohne jedoch ein klares Verständnis für die Grundlagen und Aufgaben des preußischen Staats und für seine Pflichten als Oberhaupt desselben zu besitzen.
Kirchliche Fragen, wie die Mission in China, [* 22] das evangelische Bistum in Jerusalem, [* 23] und das entfernt liegende Neuenburg [* 24] beschäftigten ihn mehr als die wichtigsten preußischen Angelegenheiten, und er vernachlässigte die beiden Grundsäulen der alten absoluten Monarchie, das Beamtentum und die Armee. Sein leidenschaftlicher Haß gegen die Revolution und deren Produkt, wie er meinte, den Liberalismus, machte ihm eine vorurteilsfreie Beurteilung von Ereignissen und Personen bei allem Wohlwollen, bei den besten Absichten unmöglich. Als alle ¶
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Repressivmaßregeln nun doch nichts fruchteten und von den Provinziallandtagen der ostpreußische und der rheinische energisch Erweiterung ihrer Rechte verlangten, endlich eine Anleihe notwendig wurde, entschloß sich Friedrich W., durch das Patent vom die längst verheißenen Reichsstände zu berufen. In seiner Rede bei der Eröffnung dieses »vereinigten Landtags« (11. April) sprach er aber offen aus, »daß es keiner Macht der Erde je gelingen solle, ihn zu bewegen, das natürliche, gerade in Preußen durch seine innere Wahrheit so mächtige Verhältnis zwischen Fürst und Volk in ein konventionelles, konstitutionelles zu verwandeln«. Umsonst nahm eine Protestation der Stände die durch das königliche Wort Friedrich Wilhelms III. garantierten Rechte der Nation in Schutz, umsonst fochten die glänzendsten Redner der Opposition für das konstitutionelle Prinzip. Erst die Revolution vom März 1848 trieb den König zu entschiedenem Vorgehen auf der Bahn der Reformen. Dem blutigen Straßenkampf in Berlin (18. März), während dessen er aus Scheu vor Blutvergießen keine Energie entfaltete, folgten der Umritt des Königs mit der deutschen Fahne (21. März) und die bekannte Erklärung, welche die Sache Schleswig-Holsteins zur Angelegenheit Preußens machte. Die tumultuarischen, für ihn beleidigenden Vorgänge des Jahrs 1848 ertrug der König mit einer Art von duldender Resignation, bis er die Macht gewann, mit der Verlegung der preußischen Nationalversammlung (November 1848) seine Autorität wiederherzustellen.
Die ihm vom Frankfurter Parlament angebotene Kaiserkrone lehnte er als ein Geschenk der verhaßten Revolution erst bedingt, bald aber unbedingt ab, worauf er, von Radowitz beraten, das Bündnis vom abschloß und ein neues Parlament nach Erfurt [* 26] berief. In Preußen selbst ward die Verfassungsangelegenheit durch eine Revision des am oktroyierten Entwurfs fürs erste abgeschlossen Aber die Verwirklichung seiner romantischen Ideale für unmöglich erkennend, leitete Friedrich W. seit 1848 den Staat ohne lebhafteres Interesse. Er hatte das Vertrauen zu sich und zu seinem Volk, das er nie verstand, verloren und überließ daher die Regierung mehr und mehr einer reaktionären Büreaukratie und einer engherzigen, egoistischen Adelspartei.
Auch seine auswärtige Politik, namentlich im Krimkrieg, in dem er zu Rußland hielt, obwohl er neutral blieb, fand nicht den Beifall der Nation. Neuenburgs wegen 1856 einen Krieg zu beginnen, wurde er zum Glück noch abgehalten. Nach dem Attentat Tschechs stand er noch einmal in Lebensgefahr indem ein abgedankter Soldat, Sefeloge, ihn erschießen wollte; beide Attentate waren ohne politische Motive. Seit dem Spätsommer 1857 an Gehirnerweichung leidend, übertrug er im Oktober die Stellvertretung in der Regierung seinem Bruder Wilhelm, Prinzen von Preußen, provisorisch, sodann, nachdem er vergeblich in Meran [* 27] Hilfe gesucht, definitiv.
Auch ein längerer Aufenthalt in Italien im Winter 1858-59 hatte den erwünschten Erfolg nicht; Friedrich W. starb in Sanssouci. Seine Regierung ist zwar erfüllt von wichtigen Ereignissen, sein Anteil daran indes meist ein passiver. Friedrich Wilhelms bedeutende geistige Anlagen, welche sich auch in seinem lebhaften Interesse für alles und seinem witzigen, anregenden Gespräch kundgaben, haben sich vorteilhaft geltend gemacht in seinen künstlerischen Bestrebungen, denen Preußen und namentlich Berlin herrliche Schöpfungen zu verdanken hat.
Sie werden sein Andenken der Nachwelt erhalten, während die berechtigte Unzufriedenheit des deutschen und des preußischen Volkes mit seiner widerspruchsvollen Politik im Innern und seiner unentschlossenen Haltung nach außen durch die Thaten seines Nachfolgers beschwichtigt worden ist. Seine Reden, Proklamationen etc. seit bis erschienen zu Berlin 1851. Vermählt war er seit mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern; [* 28] die Ehe blieb kinderlos. Ihm folgte sein Bruder Wilhelm I.
Vgl. v. Schmettau, Friedrich W. IV., König von Preußen (2. Aufl., Berl. 1864);
v. Ranke, Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. und Bunsens (2. Aufl., das. 1874);
Derselbe, Biographie Friedrich Wilhelms IV. (das. 1878);
Friedberg, [* 29] Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter König Friedrich W. IV. (das. 1882);
v. Reumont, Aus König Friedrich Wilhelms IV. gesunden und kranken Tagen (Leipz. 1885).
55) Friedrich III., deutscher Kaiser und König von Preußen, als Prinz und Kronprinz Friedrich Wilhelm genannt, geb. im Neuen Palais bei Potsdam, [* 30] einziger Sohn des damaligen Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar, erhielt durch Ernst Curtius eine tüchtige wissenschaftliche Bildung, besuchte 1850-52 die Universität Bonn, ward 1856 Oberst und Kommandeur des 11. Infanterieregiments in Breslau, vermählte sich mit Viktoria, Princeß Royal von Großbritannien [* 31] (geb. ward zum General ernannt und durch die Thronbesteigung seines Vaters, König Wilhelms I. Kronprinz von Preußen. Im dänischen Krieg 1864 ward er ohne Kommando im Frühjahr auf den Kriegsschauplatz geschickt, wo er die Schwierigkeiten, die Wrangels Oberleitung hervorrief, mit Takt und Geschick beseitigte.
Mild und gutmütig, war er mit der schroffen Haltung der Regierung im Militärkonflikt mit dem Abgeordnetenhaus nicht einverstanden, ebensowenig mit der schleswig-holsteinschen Politik Bismarcks. 1866 wurde er zum Oberbefehlshaber der zweiten Armee ernannt, welche sich in Schlesien [* 32] sammelte und Ende Juni den Einmarsch in Böhmen [* 33] erzwang, und entschied 3. Juli durch sein rechtzeitiges Eintreffen bei Chlum den Sieg von Königgrätz. [* 34] Im französischen Krieg von 1870/71 befehligte er die dritte Armee, welche drei preußische Korps und die süddeutschen Truppen umfaßte, und erfocht an deren Spitze die blutigen, aber glänzenden Siege bei Weißenburg [* 35] (4. Aug.) und bei Wörth [* 36] (6. Aug.); hierdurch erlangte er besonders bei den süddeutschen Kriegern eine solche Beliebtheit, daß er allgemein »unser Fritz« genannt wurde. Er marschierte darauf gegen Paris, bewerkstelligte Ende August die große Rechtsschwenkung nach Norden [* 37] und hatte den Hauptanteil am Erfolg von Sedan. [* 38] Am 19. Sept. bewirkte er die Einschließung von Paris und hatte während der Belagerung sein Hauptquartier in Versailles. [* 39] Hier wurde er 28. Okt. zum Generalfeldmarschall, zum Kronprinzen des Deutschen Reichs ernannt. Nach dem Frieden erhielt er das Großkreuz des Eisernen Kreuzes und wurde Generalinspekteur der 4. Armeeinspektion des deutschen Reichsheers; er hatte namentlich die süddeutschen Truppen zu inspizieren. Im Auftrag des Kaisers und im Interesse des Reichs unternahm er viele Reisen, so zur Eröffnung des Suezkanals, nach Palästina, [* 40] nach Spanien [* 41] etc.; 4. Juni bis nach Kaiser Wilhelms I. Verwundung durch Nobiling war er mit der Stellvertretung seines Vaters beauftragt. In seiner Muße widmete er sich den wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen der Gegenwart und war im ¶