mehr
Dasein und die Persönlichkeit
Gottes für unumstößliche
Gewißheit; dagegen leugnete er die
Unsterblichkeit der
Seele, und
die »Epître au
maréchal
Keith« setzt den Hau
ptwert der
Tugend darein, daß sie um ihrer selbst, nicht um künftiger Belohnung
willen geübt werde. Die
Glaubenslehre der bestehenden christlichen
Kirchen erklärte er für Entstellung der
ursprünglichen Reinheit des
Christentums, dessen
Sittenlehre ihm als ewig gültig und unangreifbar galt. So
hoch und rein Friedrich von
den sittlichen
Pflichten des
Menschen dachte, so erhaben erschien ihm auch
das
Wesen des fürstlichen
Berufs. Seine erste politische
Schrift, die »Considérations sur l'état du corps politique de l'Europe«,
mahnt die
Fürsten energisch an ihre
Pflicht, für das
Glück ihrer
Völker zu sorgen, denen sie ihre
Erhebung
verdanken. Der 1739 geschriebene »Antimachiavel, ou
Examen du prince de Machiavel« (neuerlich übersetzt von
Förster, Leipz.
1870) geht allerdings von der irrtümlichen Vorau
ssetzung aus, daß
Machiavelli ein »moralisches Ungeheuer« gewesen, geißelte
aber mit
Recht das Unwesen des damaligen
Fürstentums und enthält den berühmten
Satz, der
Friedrichs Leitstern
während seiner ganzen
Regierung gewesen: »Der
Fürst ist nicht der unumschränkte
Herr, sondern nur der erste
Diener seines
Volkes«. Ähnliche
Gedanken enthalten der »Miroir des princes« (1744),
die »Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg« (1751),
endlich der »Essai sur les formes du gouvernement et sur les devoirs des souverains«
(1777). Überzeugt von dem volkstümlichen Ursprung der Regierungsgewalt, erklärte er sogar die republikanische Staatsform
für durchaus
berechtigt und eine verfassungsmäßige
Volksvertretung wie das englische
Parlament für die weiseste Einrichtung.
Die
Denk- und
Gewissensfreiheit hat in seinem
Staat fest begründet, so daß
Preußen
[* 2] der Hau
ptsitz der deutschen
Aufklärung und die Wiege der kritischen
Philosophie wurde.
Die politische
Freiheit zu begründen, hat Friedrich spätern
Generationen überlassen, da er durchgreifende
Reformen nur durch unumschränkte
Fürstengewalt für möglich und sein
Volk für politische Thätigkeit nicht für reif erachtete. Friedrich hat
auch
mehrere hervorragende geschichtliche Werke geschrieben: außer den schon erwähnten
»Mémoires de
Brandebourg« die
»Histoire
de
la guerre de sept ans«;
»Mémoires, depuis la paix de Hubertsbourg 1763 jusqu'à la fin du partage de la Pologne«;
»Mémoires de la guerre de 1778«;
»Histoire de mon temps« (neue Ausg.
in den
»Publikationen aus
preußischen
Archiven«,
Bd. 4, Leipz. 1879);
»Réflexions sur les talents militaires et sur le caractère de Charles XII«.
Eine neue Ausgabe seiner geschichtlichen Werke erschien unter dem Titel: »Frédéric le Grand, œuvres historiques choisies« (Leipz. 1873 ff.). Sein Briefwechsel ist ausgebreitet gewesen und sehr reichhaltig, besonders der mit seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, mit Voltaire, Duhan de Jandun, d'Argens u. a. Seine politische Korrespondenz wird jetzt im Auftrag der preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben (bis jetzt 13 Bde., Berl. 1878-86); ebenso »Staatsschriften aus der Zeit Friedrichs d. Gr.« (Bd. 1 u. 2, 1878-86). Seine militärischen Schriften, Instruktionen u. dgl. sind außerordentlich zahlreich.
Auch eine Sammlung seiner Gedichte erschien noch bei seinen Lebzeiten (»Œuvres ou poésies diverses du philosophe de Sans-souci«). Seine sämtlichen Werke sind in zwei Prachtausgaben (Berl. 1846-57, 31 Bde.) von der Berliner [* 3] Akademie unter Leitung von Preuß herausgegeben worden; neuerdings erscheint auch eine neue Übersetzung ausgewählter Werke Friedrichs von H. Merkens in Würzburg [* 4] 1873 ff., eine andre Berlin [* 5] 1874, 2 Bde. Seine Schriften sind alle französisch geschrieben; die deutsche Litteratur hielt er keiner Beachtung für würdig und einen Aufschwung für unmöglich. Trotzdem hat gerade Friedrich zu diesem bedeutend beigetragen durch den mächtigen Eindruck seiner Persönlichkeit und seines Heldenkampfes und durch seine Verdienste um die geistige Befreiung des deutschen Volkes.
Eine so vielseitige Thätigkeit war nur möglich bei außergewöhnlicher Arbeitskraft und peinlicher Ausnutzung der Zeit. Bis in sein spätestes Alter widmete er den ganzen Tag vom frühen Morgen an den Geschäften. Vor dem Siebenjährigen Krieg liebte er auch Geselligkeit, namentlich geistvoller Franzosen; auch Voltaire war mehrere Jahre an seinem Hof. [* 6] Jeden Tag war Konzert, in dem Friedrich selbst die Flöte spielte. Nach dem Krieg konnte er die Abendgesellschaften nicht mehr vertragen; er zog sich mehr und mehr in die Einsamkeit zurück und ging ganz in der Erfüllung seiner Pflichten auf. In dieser letzten Zeit steigerten sich manche Schwächen: seine Sparsamkeit (er brauchte für seinen ganzen Hofstaat nur 200,000 Thlr. jährlich) artete in Geiz aus, seine Strenge oft in willkürliche Härte, seine Vereinsamung steigerte in ihm die Menschenverachtung. In seiner nächsten Umgebung war er deshalb nicht mehr beliebt, desto mehr bei seinem Volk, und der Ruhm seiner Herrscherthätigkeit war über die ganze Welt verbreitet.
Den großen König, Potsdam, [* 7] namentlich sein Schloß Sanssouci, endlich die unbesiegbare preußische Armee zu sehen, wallfahrten viele Fremde nach der bis dahin kaum bekannten Mark. Und noch jetzt bricht sich die Erkenntnis von Friedrichs Verdiensten immer mehr Bahn, namentlich daß nicht bloß das preußische, sondern auch das deutsche Volk ihm die Wiedererweckung nationalen Selbstbewußtseins und opferfreudiger Vaterlandsliebe verdanken. Friedrich litt wie seine Vorfahren schon früh an Gicht, die mit jedem Jahr schlimmer wurde und zuletzt in Wassersucht überging, an der er in Sanssouci starb.
Seine Ehe mit Elisabeth von Braunschweig [* 8] (s. Elisabeth 8) war kinderlos geblieben. Seine charakteristischen, geistvollen Züge, seine einfache, aber originelle Erscheinung sind in zahllosen Porträten und Denkmälern verewigt; von letztern ist das großartigste das Reiterstandbild von Rauch in Berlin (seit 1851; s. Tafel »Bildhauerkunst [* 9] VIII«, [* 10] Fig. 3); 1847 wurde seine Reiterstatue von Kiß vor dem Stadthaus zu Breslau, [* 11] 1877 ein Standbild Friedrichs von Siemering in Marienburg [* 12] enthüllt.
Eine würdige Geschichte seines Lebens und seiner Regierung gibt es noch nicht, nur einige tüchtige Vorarbeiten. Von Gesamtdarstellungen sind zu nennen: Preuß, Friedrich d. Gr. Eine Lebensgeschichte (Berl. 1832-34, 4 Bde. mit 5 Tln. Urkunden);
Carlyle, History of Frederick II. (Lond. 1858-65 u. ö., 6 Bde.; deutsch, Berl. 1858-69, 6 Bde.);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, 5. Teil: Friedrich d. Gr. (Leipz. 1874-85, 4 Bde., bis 1756 reichend).
Vom entgegengesetzten Standpunkt aus ist Friedrich beurteilt von O. Klopp ( Friedrich II. von Preußen und die deutsche Nation«, 2. Aufl., Schaffh. 1867). Sehr verbreitet ist auch Kuglers »Geschichte Friedrichs d. Gr.«, mit den berühmten Holzschnitten von A. Menzel (neue Ausg., Leipz. 1875).
Vgl. ferner Gottschalk, Die Feldzüge Friedrichs d. Gr. im Siebenjährigen Krieg (2. Aufl., Leipz. 1879);
Duncker, Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. etc. (Berl. 1876);
v. Bernhardi, Friedrich d. Gr. als Feldherr (das. 1881, 2 Bde.);
Cauer, Zur Geschichte und Charakteristik Friedrichs d. Gr. ¶
mehr
(Bresl. 1883);
»Miszellaneen zur Geschichte König Friedrichs d. Gr.« (Berl. 1878);
Bratuscheck, Die Erziehung Friedrichs d. Gr. (das. 1885);
»Friedrich d. Gr., Denkwürdigkeiten seines Lebens« (Leipz. 1886, 2 Bde.);
Behaim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Kolonisationen (das. 1874);
Stadelmann, Friedrich d. Gr. in seiner Thätigkeit für den Landbau Preußens [* 14] (Berl. 1876),
und dessen größeres Werk in den »Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven«, Bd. 11 (Leipz. 1882).
52) Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, Sohn von Friedrichs II. ältestem Bruder, August Wilhelm, geb. wurde 1758 nach seines Vaters Tode, da Friedrichs II. Ehe kinderlos war, als Prinz von Preußen zum Nachfolger designiert. Schon früh zeigten sich seine Neigung zu sinnlichen Ausschweifungen und seine Unfähigkeit zu angestrengter Thätigkeit, weswegen Friedrich II. auch nicht viel von ihm hielt. Seine Gutmütigkeit machte ihn indes beliebt, und als er, 42 Jahre alt, den Thron [* 15] bestieg und einige drückende Einrichtungen seines Vorgängers, die Regie und die Monopole, abschaffte, viele Härten milderte und einige Ungerechtigkeiten wieder gutmachte, wurde er sogar populär.
Indes bald schlug die Stimmung um. Friedrich II. hatte seinem Nachfolger eine schwierige Aufgabe hinterlassen: entweder mußte er mit gleichem Genie und derselben Arbeitskraft den Staat allein lenken, oder durch freiheitliche Institutionen neue Kräfte entfesseln und das gesamte Volk zur thätigen Teilnahme am Staatswesen heranziehen. Keins von beiden vermochte Friedrich W. zu leisten. Er ließ nicht nur die Staatsmaschine gehen, wie sie ging, sondern verfiel in der innern wie äußern Politik in Schwankungen und offenbare Fehler, indem er sich von schmeichlerischen Günstlingen, wie Wöllner und Bischoffwerder, beherrschen und oft von seinen vernünftigen Absichten abbringen ließ.
Besonders das Zensur- und das Religionsedikt, beide 1788 erlassen, riefen heftigen Widerspruch hervor. Diese Schwäche war um so verhängnisvoller, als die gleichzeitigen Ereignisse mehr als jemals eine einsichtige und entschlossene Staatsleitung verlangten. Anfangs zeigte sich das Ansehen Preußens so stark, daß Friedrich W. leichte Erfolge errang, wie 1787 bei seiner Intervention in Holland; diese aus bloßem Familieninteresse begonnene Unternehmung wurde übrigens nicht zum Vorteil des Staats ausgebeutet, aus unzeitiger Großmut erließ Friedrich W. dem besiegten, wehrlosen Holland sogar die Kriegskosten, und der ohne Schwertstreich erfochtene Sieg steigerte nur den verhängnisvollen Dünkel der Armee.
Indes schon der auf Hertzbergs Rat unternommene Versuch, den Krieg Österreichs und Rußlands gegen die Türkei [* 16] zu einer Machtvergrößerung Preußens zu benutzen, blieb wegen des Königs Ungeduld und selbstgefälliger Großmut erfolglos; der Vertrag von Reichenbach [* 17] 1790 befreite vielmehr Leopold II. von einem lästigen Türkenkrieg. Hertzbergs Entlassung 1791 beseitigte den letzten Vertreter Fridericianischen Geistes aus Friedrich Wilhelms Umgebung. Bischoffwerder betrieb nun immer eifriger den Anschluß an Österreich. [* 18]
Die Zusammenkunft des Königs mit Leopold in Pillnitz führte zu einer gemeinschaftlichen Erklärung für die Sache Ludwigs XVI. vom und zu einem förmlichen Bündnis Die französische Kriegserklärung beschleunigte den Ausbruch der Feindseligkeiten. Der erste Feldzug 1792, dem der König selbst beiwohnte, ohne jedoch den Oberbefehl zu führen, endete mit der Kanonade von Valmy und mit dem verlustreichen Rückzug aus Frankreich. Auch an dem Feldzug von 1793, in dem Mainz [* 19] wiedererobert und der Sieg von Pirmasens [* 20] erfochten wurde, nahm der König persönlich teil.
Aber die Uneinigkeit der Verbündeten lähmte alle Unternehmungen, und Geldnot zwang den König, der den Krieg gegen die Revolution noch nicht aufgeben wollte, erst zu dem wenig ehrenvollen Subsidienvertrag mit den Seemächten vom dann doch zum Baseler Frieden vom Das ganze Interesse Friedrich Wilhelms war nämlich auf Polen gerichtet. Hier hatten einsichtsvolle Patrioten 1791 unter Preußens Zustimmung eine neue Verfassung zu stande gebracht, welche den Staat regenerieren sollte.
Russischer Einfluß veranlaßte indes eine Partei des Adels zu einer Konföderation dagegen, zu deren gunsten russische Truppen in Polen einrückten. Jetzt (Januar 1793) ließ auch Friedrich W. eine preußische Armee die polnische Grenze überschreiten, aber nicht um die Verfassung zu schützen, sondern um sich einen Anteil an der Beute zu sichern, über den er sich in der zweiten Teilung Polens mit Rußland verständigt hatte. Als die Polen sich 1794 empörten, rückten Russen und Preußen zu gleicher Zeit ein. Friedrich W. befehligte die letztern selbst und errang auch anfangs Erfolge; schließlich kamen aber die Russen mit der Eroberung Warschaus zuvor, und Katharina stellte 1795 die Bedingungen der letzten Teilung nach ihren Wünschen auf.
Preußen erhielt Neu-Ostpreußen mit Warschau. [* 21] Da 1791 auch Ansbach [* 22] und Baireuth [* 23] an Preußen gefallen waren, so war dies auf 320,000 qkm mit 8,700,000 Einw. gewachsen. Aber die Finanzen waren gänzlich zerrüttet. Der Staatsschatz Friedrichs II. (wenigstens 50 Mill.) war verbraucht und 48 Mill. Schulden gemacht. Die Günstlings- und Mätressenwirtschaft des Königs wirkte nach allen Richtungen hin aufs nachteiligste;
seine anerkannte Mätresse war Mad. Rietz, Gräfin Lichtenau;
außerdem hat sich der König zweimal mit adligen Damen, Frl. v. Voß und Gräfin Dönhoff, morganatisch trauen lassen;
die Nachkommen der letztern sind die Grafen Brandenburg. [* 24]
Die Staatsgüter in den neuerworbenen Provinzen wurden auf das gewissenloseste verschleudert. Die Verwaltung zeigte nicht mehr die alte Spannkraft, die Armee verfiel, drückende Steuern belasteten das Volk, selbst das Tabaksmonopol wurde 1797 wieder eingeführt. So hinterließ Friedrich den Staat, als er an der Brustwassersucht starb. Er war zuerst mit Elisabeth von Braunschweig (gest. 1840 in Stettin) [* 25] und nach gerichtlicher Trennung dieser Ehe 1769 mit der Prinzessin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt vermählt, die ihm vier Söhne: Friedrich Wilhelm (III.), Ludwig (gest. 1796), Heinrich und Wilhelm, und zwei Töchter: Wilhelmine, Gemahlin des spätern Königs Wilhelm I. der Niederlande, [* 26] und Auguste, Gemahlin des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen, [* 27] gebar.
Vgl. Friedrich v. Cölln, Vertraute Briefe über die innern Verhältnisse am preußischen Hof seit dem Tod Friedrichs II. (Amsterd. u. Köln [* 28] 1807-1809, 3 Bde.);
Cosmar, Leben und Thaten Friedrich Wilhelms II. (Berl. 1798);
Philippson, Geschichte des preußischen Staats vom Tod Friedrichs d. Gr. (Leipz. 1880 ff.);
Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur, Bd. 3: »Friedrich Wilhelm II.« (das. 1885).
53) Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, ältester Sohn des vorigen und der Prinzessin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, ward geboren und als dereinstiger Thronfolger unter Friedrichs II. Aufsicht erzogen. Seine Erziehung war aber eine ¶