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und Pitts Sturz von ihm zurückgezogen; der Sieg seiner Feinde schien unvermeidlich: da rettete ihn die Thronbesteigung Peters III. in Rußland nach Elisabeths Tod im Januar 1762. Peter III. schloß nicht nur Frieden und räumte Preußen, [* 2] sondern verbündete sich auch mit Friedrich, dem er ein Hilfskorps schickte. Nun fiel Schweden [* 3] von der Koalition ab, Ende 1762 auch Frankreich, so daß es bloß mit Österreich [* 4] und dem Reich zu thun hatte. Da Maria Theresia ebenfalls ihre Hilfsmittel erschöpft sah und Friedrich als Friedensbedingung nur Herstellung des Standes der Dinge vor dem Krieg forderte, so kam der Friede auf dieser Grundlage in Hubertsburg schnell zum Abschluß.
Preußen hatte sich gegen die bedeutendsten Mächte Europas in siebenjährigem Kampf behauptet, aber es blutete aus tausend Wunden, und der König sah sich deshalb nach einem Staat um, an dem er einen Rückhalt haben könne. Diesen fand er an dem von Katharina II. beherrschten Rußland, und um den Ehrgeiz der Kaiserin zu befriedigen, aber zugleich zu beschränken ohne Störung des Friedens, fand 1772 die erste Teilung Polens statt, das, nach außen ohnmächtig, im Innern zerrüttet, seit der Erhebung eines Günstlings der Katharina, Stanislaus Poniatowski, auf den Königsthron ganz unter russischem Einfluß stand und von dieser habsüchtigen Macht völlig verschlungen zu werden drohte. Friedrich erwarb in dieser Teilung Westpreußen [* 5] ohne Danzig [* 6] und Thorn [* 7] sowie den Netzedistrikt, eine alte deutsche Kolonie, deren Besitz deshalb so wichtig war, weil sie Ostpreußen mit den Marken verband.
Auch sonst war Friedrich bemüht, den Frieden aufrecht zu erhalten und die Eroberungsgier der Nachbarn zu beschränken. Zu diesem Zweck begann er 1778 den bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) gegen Österreich, das, um seine Macht in Süddeutschland zu vergrößern, Bayern [* 8] dem Kurfürsten Karl Theodor abkaufen wollte. Im Frieden von Teschen verzichtete Kaiser Joseph II. auf den Plan. Als er ihn ein paar Jahre später wieder aufnahm, nur daß der Kurfürst für Bayern jetzt Belgien [* 9] erhalten sollte, stiftete Friedrich 1785 zum Schutz der Rechte der Reichsfürsten, namentlich des Pfalzgrafen von Zweibrücken, [* 10] den Deutschen Fürstenbund. So hatte Friedrich seinen Staat nicht nur um zwei Provinzen, zu denen seit 1744 auch Ostfriesland kam, vergrößert, so daß er nun 190,000 qkm und 6 Mill. Einw. zählte, sondern auch eine beherrschende Stellung als Wächter des Friedens und der Freiheit Europas errungen.
Nicht weniger segensreich war seine Verwaltung des Staats, wenn auch durch den verheerenden Siebenjährigen Krieg seine Bemühungen unterbrochen und die Erfolge teilweise verkümmert worden sind. Seine Hauptthätigkeit wendete er, wie sein Vater, auf die Armee, die am Ende seiner Regierung 200,000 Mann stark war. Besonders verbesserte er die Reiterei und die Artillerie. Jedes Jahr besichtigte er auf seinen Reisen einen Teil der Truppen, und hierbei wie bei den Manövern schritt er mit rücksichtsloser Strenge gegen unfähige Befehlshaber ein.
Überhaupt stellte er an das Offizierkorps hohe Anforderungen, bevorzugte es indes vor den übrigen Beamten und suchte sein Standesgefühl zu heben, indem er vorzugsweise Adlige zu Offizieren ernannte. Der Dienst und die Disziplin im Heer waren hart, aber diese Härte notwendig, da ein großer Teil der Soldaten aus Angeworbenen bestand. Die Unterhaltung der Truppen verschlang trotz aller Sparsamkeit bei weitem den größten Teil der schon 1750 auf 12 Mill. gestiegenen Einnahmen. Friedrich suchte deshalb auf alle Weise den Wohlstand des Landes zu heben.
Zunächst den Ackerbau: er legte Kolonien an, die er mit Einwanderern besetzte, schuf das sumpfige Oderbruch zu einem fruchtbaren Ackerland um, ordnete die Anpflanzung von Obstbäumen, den Bau von Kartoffeln etc. an, ermäßigte die Fronlasten der Bauern und suchte diese vor Gewaltthätigkeiten ihrer Herren zu schützen; aber ihre Erbunterthänigkeit hob er nicht auf, da er eine strenge Scheidung und Unterordnung der Stände für notwendig hielt. Nach Kräften war er bemüht, neue Gewerbe in seinem Staat heimisch zu machen, wie die Zuckersiederei, die Baumwollspinnerei und Weberei, [* 11] die Porzellanfabrikation, die Seidenmanufaktur; zum Besten des Handels errichtete er in Berlin [* 12] die Bank und die Seehandlung. In 20 Jahren, von 1763 bis 1783, hat Friedrich 40 Mill. Thlr. für Beförderung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues ausgegeben.
Auf der andere Seite verleitete ihn die Theorie des Merkantilsystems auch zu Irrtümern wie die Einführung der Regie 1766. Um von dem Verbrauch von Waren, die in Preußen nicht erzeugt werden konnten, für den Staat recht viel Nutzen zuziehen, wurden sie mit sehr hohen Eingangszöllen belegt, ja Kaffee und Tabak [* 13] monopolisiert. Französische Beamte wurden berufen, um die Erhebung der Zölle einzurichten und zu kontrollieren, und diese machten die Regie durch ihre Schikanen und Betrügereien aufs äußerste verhaßt.
Augenblicklich hatte der Staat allerdings beträchtlich vermehrte Einkünfte, aber Handel und Verkehr litten außerordentlich. In die kirchlichen Angelegenheiten mischte sich Friedrich sowenig wie möglich ein, dagegen bekümmerte er sich sehr um die Rechtspflege; er betrachtete sich als Anwalt der Armen und Gedrückten und wollte jeder Zurücksetzung derselben vorbeugen. Seine Achtung vor dem Recht auch des geringsten Unterthanen war weit berühmt, aber sein Mißtrauen gegen die Vornehmen und die Richter ging auch mitunter zu weit und verführte ihn zu den ungerechtesten Gewaltthaten, wie namentlich in dem Fall des Müllers Arnold (s. Arnoldscher Prozeß). 1747 erschien eine neue Gerichtsordnung, der Codex Fridericianus, der den preußischen Richterstand begründet hat. Ein dauerndes Denkmal seiner Fürsorge für die Rechtspflege ist das »Allgemeine preußische Landrecht«, das, vom Großkanzler Carmer ausgearbeitet, indes erst nach Friedrichs Tod zum Abschluß kam und 1794 in Kraft [* 14] trat. Es ist das erste deutsche Gesetzbuch, welches die beiden Rechtssysteme, das deutsche und das römische, verschmolz und aus dem auf Vernunft gegründeten Naturrecht ergänzte.
Bei dieser großartigen Thätigkeit im Heerwesen und in der Verwaltung vernachlässigte Friedrich auch die geistigen Interessen nicht. Von dem Zeitpunkt seiner geistigen Selbständigkeit ab hat Friedrich unablässig danach gestrebt, in religiösen und politischen Fragen zur Klarheit durchzudringen. In beiden befreite er sich mit einer für seine Zeit und seine Umgebung bemerkenswerten Kühnheit von allen Vorurteilen und suchte seine Ansichten auf das natürliche Recht und die Vernunft zu begründen. Er hat den Ideen der Aufklärungsphilosophie, welche in England und Frankreich ausgebildet worden und in Deutschland [* 15] in Thomasius, Leibniz und Wolf glänzende, erfolgreiche Vertreter gefunden hatten, großen Vorschub geleistet und ihnen namentlich in der Beamtenwelt zur Herrschaft verholfen. Wolfs Schriften führten ihn in die Philosophie ein, später schloß er sich mehr an Locke und Voltaire an. Wie diese, war er Deist, d. h. auf Grund der Erkenntnis seiner Vernunft vom Dasein einer höchsten, bewußten Endursache überzeugt, hielt er das ¶
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Dasein und die Persönlichkeit Gottes für unumstößliche Gewißheit; dagegen leugnete er die Unsterblichkeit der Seele, und die »Epître au maréchal Keith« setzt den Hauptwert der Tugend darein, daß sie um ihrer selbst, nicht um künftiger Belohnung willen geübt werde. Die Glaubenslehre der bestehenden christlichen Kirchen erklärte er für Entstellung der ursprünglichen Reinheit des Christentums, dessen Sittenlehre ihm als ewig gültig und unangreifbar galt. So hoch und rein Friedrich von den sittlichen Pflichten des Menschen dachte, so erhaben erschien ihm auch das Wesen des fürstlichen Berufs. Seine erste politische Schrift, die »Considérations sur l'état du corps politique de l'Europe«, mahnt die Fürsten energisch an ihre Pflicht, für das Glück ihrer Völker zu sorgen, denen sie ihre Erhebung verdanken. Der 1739 geschriebene »Antimachiavel, ou Examen du prince de Machiavel« (neuerlich übersetzt von Förster, Leipz. 1870) geht allerdings von der irrtümlichen Voraussetzung aus, daß Machiavelli ein »moralisches Ungeheuer« gewesen, geißelte aber mit Recht das Unwesen des damaligen Fürstentums und enthält den berühmten Satz, der Friedrichs Leitstern während seiner ganzen Regierung gewesen: »Der Fürst ist nicht der unumschränkte Herr, sondern nur der erste Diener seines Volkes«. Ähnliche Gedanken enthalten der »Miroir des princes« (1744),
die »Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg« (1751),
endlich der »Essai sur les formes du gouvernement et sur les devoirs des souverains« (1777). Überzeugt von dem volkstümlichen Ursprung der Regierungsgewalt, erklärte er sogar die republikanische Staatsform für durchaus berechtigt und eine verfassungsmäßige Volksvertretung wie das englische Parlament für die weiseste Einrichtung. Die Denk- und Gewissensfreiheit hat in seinem Staat fest begründet, so daß Preußen der Hauptsitz der deutschen Aufklärung und die Wiege der kritischen Philosophie wurde.
Die politische Freiheit zu begründen, hat Friedrich spätern Generationen überlassen, da er durchgreifende Reformen nur durch unumschränkte Fürstengewalt für möglich und sein Volk für politische Thätigkeit nicht für reif erachtete. Friedrich hat auch mehrere hervorragende geschichtliche Werke geschrieben: außer den schon erwähnten »Mémoires de Brandebourg« die »Histoire de la guerre de sept ans«;
»Mémoires, depuis la paix de Hubertsbourg 1763 jusqu'à la fin du partage de la Pologne«;
»Mémoires de la guerre de 1778«;
»Histoire de mon temps« (neue Ausg. in den »Publikationen aus preußischen Archiven«, Bd. 4, Leipz. 1879);
»Réflexions sur les talents militaires et sur le caractère de Charles XII«.
Eine neue Ausgabe seiner geschichtlichen Werke erschien unter dem Titel: »Frédéric le Grand, œuvres historiques choisies« (Leipz. 1873 ff.). Sein Briefwechsel ist ausgebreitet gewesen und sehr reichhaltig, besonders der mit seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, mit Voltaire, Duhan de Jandun, d'Argens u. a. Seine politische Korrespondenz wird jetzt im Auftrag der preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben (bis jetzt 13 Bde., Berl. 1878-86); ebenso »Staatsschriften aus der Zeit Friedrichs d. Gr.« (Bd. 1 u. 2, 1878-86). Seine militärischen Schriften, Instruktionen u. dgl. sind außerordentlich zahlreich.
Auch eine Sammlung seiner Gedichte erschien noch bei seinen Lebzeiten (»Œuvres ou poésies diverses du philosophe de Sans-souci«). Seine sämtlichen Werke sind in zwei Prachtausgaben (Berl. 1846-57, 31 Bde.) von der Berliner [* 17] Akademie unter Leitung von Preuß herausgegeben worden; neuerdings erscheint auch eine neue Übersetzung ausgewählter Werke Friedrichs von H. Merkens in Würzburg [* 18] 1873 ff., eine andre Berlin 1874, 2 Bde. Seine Schriften sind alle französisch geschrieben; die deutsche Litteratur hielt er keiner Beachtung für würdig und einen Aufschwung für unmöglich. Trotzdem hat gerade Friedrich zu diesem bedeutend beigetragen durch den mächtigen Eindruck seiner Persönlichkeit und seines Heldenkampfes und durch seine Verdienste um die geistige Befreiung des deutschen Volkes.
Eine so vielseitige Thätigkeit war nur möglich bei außergewöhnlicher Arbeitskraft und peinlicher Ausnutzung der Zeit. Bis in sein spätestes Alter widmete er den ganzen Tag vom frühen Morgen an den Geschäften. Vor dem Siebenjährigen Krieg liebte er auch Geselligkeit, namentlich geistvoller Franzosen; auch Voltaire war mehrere Jahre an seinem Hof. [* 19] Jeden Tag war Konzert, in dem Friedrich selbst die Flöte spielte. Nach dem Krieg konnte er die Abendgesellschaften nicht mehr vertragen; er zog sich mehr und mehr in die Einsamkeit zurück und ging ganz in der Erfüllung seiner Pflichten auf. In dieser letzten Zeit steigerten sich manche Schwächen: seine Sparsamkeit (er brauchte für seinen ganzen Hofstaat nur 200,000 Thlr. jährlich) artete in Geiz aus, seine Strenge oft in willkürliche Härte, seine Vereinsamung steigerte in ihm die Menschenverachtung. In seiner nächsten Umgebung war er deshalb nicht mehr beliebt, desto mehr bei seinem Volk, und der Ruhm seiner Herrscherthätigkeit war über die ganze Welt verbreitet.
Den großen König, Potsdam, [* 20] namentlich sein Schloß Sanssouci, endlich die unbesiegbare preußische Armee zu sehen, wallfahrten viele Fremde nach der bis dahin kaum bekannten Mark. Und noch jetzt bricht sich die Erkenntnis von Friedrichs Verdiensten immer mehr Bahn, namentlich daß nicht bloß das preußische, sondern auch das deutsche Volk ihm die Wiedererweckung nationalen Selbstbewußtseins und opferfreudiger Vaterlandsliebe verdanken. Friedrich litt wie seine Vorfahren schon früh an Gicht, die mit jedem Jahr schlimmer wurde und zuletzt in Wassersucht überging, an der er in Sanssouci starb.
Seine Ehe mit Elisabeth von Braunschweig [* 21] (s. Elisabeth 8) war kinderlos geblieben. Seine charakteristischen, geistvollen Züge, seine einfache, aber originelle Erscheinung sind in zahllosen Porträten und Denkmälern verewigt; von letztern ist das großartigste das Reiterstandbild von Rauch in Berlin (seit 1851; s. Tafel »Bildhauerkunst [* 22] VIII«, [* 23] Fig. 3); 1847 wurde seine Reiterstatue von Kiß vor dem Stadthaus zu Breslau, [* 24] 1877 ein Standbild Friedrichs von Siemering in Marienburg [* 25] enthüllt.
Eine würdige Geschichte seines Lebens und seiner Regierung gibt es noch nicht, nur einige tüchtige Vorarbeiten. Von Gesamtdarstellungen sind zu nennen: Preuß, Friedrich d. Gr. Eine Lebensgeschichte (Berl. 1832-34, 4 Bde. mit 5 Tln. Urkunden);
Carlyle, History of Frederick II. (Lond. 1858-65 u. ö., 6 Bde.; deutsch, Berl. 1858-69, 6 Bde.);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, 5. Teil: Friedrich d. Gr. (Leipz. 1874-85, 4 Bde., bis 1756 reichend).
Vom entgegengesetzten Standpunkt aus ist Friedrich beurteilt von O. Klopp ( Friedrich II. von Preußen und die deutsche Nation«, 2. Aufl., Schaffh. 1867). Sehr verbreitet ist auch Kuglers »Geschichte Friedrichs d. Gr.«, mit den berühmten Holzschnitten von A. Menzel (neue Ausg., Leipz. 1875).
Vgl. ferner Gottschalk, Die Feldzüge Friedrichs d. Gr. im Siebenjährigen Krieg (2. Aufl., Leipz. 1879);
Duncker, Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. etc. (Berl. 1876);
v. Bernhardi, Friedrich d. Gr. als Feldherr (das. 1881, 2 Bde.);
Cauer, Zur Geschichte und Charakteristik Friedrichs d. Gr. ¶