mehr
eingriffen, hatten bei unleugbaren Vorteilen auch manche Nachteile im Gefolge. Obwohl selbst streng religiös, zeigte er sich den verschiedenen Konfessionen [* 2] gegenüber tolerant. Um das Volksschulwesen erwarb er sich große Verdienste; dagegen verachtete er alle höhere Wissenschaft und verhöhnte sie sogar, indem er seinen gelehrten Hofnarren Gundling zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannte.
In der auswärtigen Politik bewies der König eine geringere Selbständigkeit und errang auch nur im Anfang seiner Regierung einige Erfolge. Zunächst trat er 1713 dem Utrechter Frieden bei und erlangte außer der Anerkennung der preußischen Königswürde das Herzogtum Obergeldern. Fast wider Willen wurde er in den Nordischen Krieg verwickelt. Damit dieser von den deutschen Besitzungen Schwedens fern gehalten werde, schloß er im Oktober 1713, im Einverständnis mit dem schwedischen Befehlshaber, mit Rußland und Polen einen Vertrag ab, wonach Preußen [* 3] gegen Zahlung von 400,000 Thlr. Kriegskosten Pommern [* 4] bis zum Friedensschluß besetzen sollte.
Obwohl er sich bereit erklärte, gegen Rückerstattung dieser Summe das Land an Schweden [* 5] zurückzugeben, verlangte Karl XII. nach seiner Rückkehr aus der Türkei [* 6] sofortige Räumung Pommerns ohne Entschädigung und schritt sogleich zur gewaltsamen Durchführung seiner Ansprüche. Nun sah sich Friedrich W. zur Kriegserklärung genötigt (1715), und sein Heer unter Leopold von Dessau [* 7] eroberte Rügen und Stralsund [* 8] und zwang Karl XII. zur Flucht nach Schweden. Im Frieden von Stockholm [* 9] trat Schweden gegen Zahlung von 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene an Preußen ab. Seitdem hat Friedrich W. keinen Krieg mehr geführt, nur während des polnischen Erbfolgekriegs ein Hilfskorps zum kaiserlichen Heer am Rhein geschickt. Er scheute sich, seine neuen Schöpfungen im Heer- und Staatswesen den Gefahren eines großen Kriegs auszusetzen und die aufs äußerste angestrengten Kräfte seines Landes vielleicht nutzlos zu erschöpfen.
Daher versäumte er es, die Bedeutung seiner Militärmacht inmitten der Hauptstaaten Europas zu seinem Vorteil auszubeuten; vielmehr schloß er sich unter dem Einfluß des kaiserlichen Gesandten Seckendorf, des vom Wiener Hof [* 10] bestochenen Ministers Grumbkow und seines Freundes Leopold von Dessau ganz an den Kaiser an, als dessen getreuen Lehnsmann er sich als deutscher Fürst ansah, während er die Ausländer, namentlich die Franzosen, ingrimmig haßte. In den Verträgen mit Österreich [* 11] von Königs-Wusterhausen 1726 und Berlin [* 12] 1728 erkannte er die Pragmatische Sanktion an und erhielt dafür die Erbfolge in Jülich und Berg zugesichert.
Darüber zerschlugen sich die mit dem englischen Hof verabredeten Heiraten seiner Kinder, was zu den ärgerlichsten Familienstreitigkeiten Anlaß gab, da die Königin diese Heiraten lebhaft gewünscht hatte; Österreich aber belohnte ihn nur mit Undank, indem es 1738 Jülich und Berg an Pfalz-Sulzbach versprach. Obwohl also Friedrich W. manche Gelegenheit zur Vermehrung seiner Macht versäumt hatte, so hatte er doch der Zukunft nichts vergeben, und ein Schatz von 9 Mill. Thlr. und ein großes, vortreffliches Heer setzten seinen Nachfolger in den Stand, seine Fehler wieder gut zu machen. Friedrich W. war vermählt mit Sophie Dorothea von Hannover, [* 13] die ihm sechs Söhne und mehrere Töchter gebar.
Von den Söhnen überlebten ihn außer Friedrich II. Prinz August Wilhelm (1722-58), Prinz Heinrich (1726-1802) und Prinz Ferdinand (1730-1813); von den Töchtern heiratete Wilhelmine (1709-58) einen Markgrafen von Baireuth, [* 14] Luise Ulrike (1720-82) den König Adolf Friedrich von Schweden. Die Königin und die Kinder hatten unter des Königs Heftigkeit viel zu leiden, obwohl Friedrich W. auch als Familienvater die besten Absichten hatte und in den Tugenden der ehelichen Treue, der Einfachheit und Arbeitsamkeit seinen Unterthanen mit gutem Beispiel voranging.
Rastlos thätig, gönnte er sich nur zweierlei Erholungen: das berühmte Tabakskollegium und die Jagd. Er war von regelmäßiger, wiewohl nicht großer Gestalt, wurde aber bald übermäßig dick, litt schon früh am Podagra, und seine Lebensweise, die Strapazen, die er sich zumutete, steigerten das Übel zur Wassersucht, so daß er, erst 51 Jahre alt, starb.
Vgl. außer den (allerdings gehässigen) »Memoiren der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Baireuth, 1706 bis 1742«: Friedrich Förster, Friedrich Wilhelm I. (Potsd. 1835, 3 Bde.);
dazu Urkundenbuch (1839, 2 Bde.);
Stadelmann, Friedrich Wilhelm in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußens [* 15] (Leipz. 1878);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 2-4 (das. 1869-70).
51) Friedrich II., der Große, auch wohl der Einzige genannt, König von Preußen, Sohn des vorigen und der Königin Sophie Dorothea, ward zu Berlin geboren. Sein Vater wollte aus ihm einen Fürsten machen, ganz wie er selber war, und schrieb daher einen genauen Erziehungsplan vor, welcher die geistige Bildung auf wenige Gebiete beschränkte, namentlich die Litteratur, klassische wie moderne, völlig ausschloß. Der junge Prinz wollte sich diesem engherzigen System nicht fügen, trieb heimlich verbotene Studien und gewöhnte sich, auch in andern Dingen den Willen seines Vaters zu mißachten: er zeigte wenig Interesse für die militärischen Exerzitien, neigte zu Luxus und Verschwendung und machte erhebliche Schulden.
Der Streit wegen der englischen Heiraten, in dem der Kronprinz ganz auf der Seite seiner Mutter stand, weil sich ihm durch die Vermählung mit der Prinzessin Amalie eine Aussicht auf eine unabhängige Stellung als Statthalter Georgs II. in Hannover eröffnete, verbitterte das Verhältnis zwischen Vater und Sohn noch mehr. Der König, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, ließ sich endlich im Zorn zu den rohesten thätlichen Mißhandlungen auch in Gegenwart Fremder fortreißen, denen er sogar noch Hohn über des Sohnes Feigheit hinzufügte, daß er sich das gefallen lasse.
Dies brachte in dem Kronprinzen den Entschluß, nach England zu fliehen, zur Reife; indes der 1730 auf einer Reise in das Reich unternommene Versuch mißlang, und ein aufgefangener Brief Friedrichs an Katte enthüllte dem König den ganzen Plan. Dieser, aufs äußerste entrüstet, mißhandelte den Sohn aufs empörendste und setzte, nachdem er ihn vom Rhein nach der Mark als Gefangenen hatte transportieren lassen, ein Kriegsgericht ein, um ihn als Deserteur zum Tod verurteilen zu lassen; ihm war der Gedanke unerträglich, daß seine mühsamen Schöpfungen im Staats- und Heerwesen durch einen solchen Nachfolger wieder zu Grunde gehen sollten.
Indes das Kriegsgericht weigerte sich, über den Kronprinzen ein Urteil zu fällen, die fremden Höfe, auch der kaiserliche, verwendeten sich für das Leben Friedrichs, und so begnügte sich der König damit, ihn nach Küstrin [* 16] in strenge Haft zu schicken. Der schreckliche Vorfall übte auf Friedrich, der auf den Tod gefaßt gewesen, die nachhaltigsten Wirkungen. Er beschloß, zu beweisen, daß der preußische Staat in seinen Händen wohl aufgehoben sein werde, und widmete sich in Küstrin mit Ernst und Eifer der strengsten Arbeit. Diese Umkehr ¶
mehr
verschaffte ihm einige Erleichterungen seiner Haft; er war schließlich bloß in Küstrin konsigniert, wo er an der dortigen Domänenkammer die preußische Staatsverwaltung kennen lernte und auch praktisch übte. Seine Unterwerfung unter den Willen des Vaters betreffs seiner Heirat mit der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig [* 18] führte 1732 die völlige Versöhnung mit demselben herbei. Friedrich erhielt ein Regiment in Neu-Ruppin und später die Herrschaft Rheinsberg.
Hier verlebte der Kronprinz glückliche Jahre im Verkehr mit geistreichen Freunden, mit dem Studium der Philosophie und Litteratur beschäftigt und bereits selbst schriftstellerisch thätig, mit Voltaire Briefe wechselnd, während er zugleich seinen Dienst als Regimentskommandeur vortrefflich versah und für alle Verwaltungsangelegenheiten ein lebhaftes Interesse und Verständnis bewies, so daß sein Vater ihn als einen durchaus würdigen Nachfolger anerkannte und sein Werk vertrauensvoll in seine Hände legte.
Als Friedrich den Thron [* 19] bestieg, stand er in der Blüte [* 20] seiner Jahre, körperlich und geistig in der Fülle seiner Kraft. [* 21] Im vollen Bewußtsein seiner königlichen Macht ergriff er die Zügel der Regierung, und wenn auch manche Maßregeln, wie die Abschaffung der Tortur, der Jagdplage, die Auflösung der Potsdamer Riesengarde, die Zurückberufung des Philosophen Wolf nach Halle [* 22] u. a., bewiesen, daß er manche Härten und Fehler seines Vorgängers vermeiden, vor allem die geistigen Interessen nicht vernachlässigen wolle, so befolgte er doch im großen und ganzen bei der Verwaltung seines Staats die Grundsätze seines Vaters. Er betrachtete sich als den für alles verantwortlichen ersten Diener des Staats; deshalb regierte er vor allem selbst, bekümmerte sich um das Geringste, nahm alle Bitten und Beschwerden an und verlangte für seine Anordnungen und Befehle unbedingten Gehorsam.
Seine ungeheure Arbeitskraft machte ihm die Durchführung dieser Aufgabe möglich. In der Verwaltung sah er auf Sparsamkeit und Pünktlichkeit, in der Rechtspflege auf Schnelligkeit und Unparteilichkeit; die Beamten mußten arbeitsam und uneigennützig sein. Die stärkste Säule des Staats, das Heer, verstärkte er sofort um 16,000 Mann. Nach außen hin wollte er Preußen in stand setzen, als selbständige, unabhängige Macht aufzutreten. Neben einer starken Armee und guten Finanzen war eine Vergrößerung des Staatsgebiets hierzu notwendig, und Friedrich beschäftigte sich zuerst mit der jülichschen Erbfolgefrage, als der Tod Karls VI. seinen Ideen eine andre Richtung gab. Da Österreich selbst den Vertrag von Berlin gebrochen, war Friedrich zur Garantie der Pragmatischen Sanktion nicht verpflichtet, wollte aber der jungen Königin Maria Theresia gegen alle Mächte, welche ihr die Erbschaft streitig machen würden, mit seiner kriegsbereiten Armee zu Hilfe kommen, wenn diese ihm einen Teil Schlesiens, auf das Preußen überdies noch nicht erloschene Erbansprüche habe, abtreten werde.
Als der Wiener Hof aber dies Verlangen mit Entrüstung zurückwies und von Friedrich die Garantie der Pragmatischen Sanktion ohne jede
Gegenleistung forderte, rückte Friedrich Mitte Dezember 1740 in Schlesien
[* 23] ein (erster Schlesischer Krieg), eroberte
es in wenigen Wochen und behauptete es durch die Siege bei Mollwitz und Chotusitz Um den unbequemsten
Feind los zu werden, gab Maria Theresia ihre Zustimmung zur Abtretung Schlesiens, welche im Frieden zu Berlin förmlich
stipuliert wurde. Da indes Österreich jetzt über seine übrigen Feinde entscheidende Siege erfocht, fürchtete
Friedrich,
daß Maria Theresia, die auf Schlesien noch nicht für immer verzichtet hatte, mit Übermacht ihn angreifen
werde, und
beschloß, dem zuvorzukommen. Er schloß 1744 ein neues Bündnis mit Frankreich und fiel als »Beschützer des Kaisers und der
deutschen Freiheit« Ende August in Böhmen
[* 24] ein (zweiter Schlesischer Krieg). Er eroberte Prag,
[* 25] wurde aber
durch eine überlegene österreichische Armee und durch das Bündnis Sachsens mit Maria Theresia im Winter gezwungen, Böhmen wieder
zu räumen. Die Unthätigkeit der Franzosen und der Tod Karls VII., nach welchem Bayern
[* 26] und die übrigen deutschen Fürsten mit
Österreich Frieden machten, brachten Friedrich 1745 in große Gefahr, aus der er sich jedoch durch die Siege bei Hohenfriedberg (4. Juni)
und bei Soor (30. Sept.), welche und den bei Kesselsdorf (15. Dez.), welchen Leopold von Dessau erfocht, rettete, und Österreich mußte
im Frieden zu Dresden
[* 27] zum zweitenmal auf Schlesien und Glatz
[* 28] verzichten.
Nachdem indes der österreichische Erbfolgekrieg 1748 durch den Aachener Frieden beendet und die Pragmatische Sanktion von allen Mächten anerkannt worden, faßten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz sofort den Plan, durch eine neue Koalition Schlesien dem König von Preußen wieder zu entreißen und ihn durch Beschränkung seiner Macht auf die Marken und Hinterpommern für immer unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck wurde nach 200jähriger Feindschaft 1756 mit Frankreich ein Bündnis geschlossen und mit Rußland über einen gemeinsamen Angriff auf Preußen verhandelt. Friedrich erhielt indes von Rußland aus davon Kunde und beschloß, dem zuvorzukommen, Österreich, bevor es völlig gerüstet war, niederzuschmettern und so die Koalition im Keim zu ersticken. Er fiel also Ende August 1756 in Sachsen [* 29] ein (dritter Schlesischer oder Siebenjähriger Krieg), um durch dasselbe in Böhmen einzudringen und womöglich vor oder in Wien [* 30] den Frieden zu diktieren.
Jedoch die Konzentration der sächsischen Armee im Lager [* 31] bei Pirna [* 32] hielt ihn auf. Er schlug zwar ein österreichisches Heer unter Browne, das den Sachsen zu Hilfe kommen wollte, 1. Okt. d. J. bei Lobositz und zwang diese 16. Okt. zur Kapitulation von Pirna. Indessen der böhmische Feldzug mußte aufs nächste Frühjahr verschoben werden. Nun aber bildete sich die gefürchtete Koalition zwischen Österreich, Rußland, Schweden, Frankreich und den bedeutendsten Reichsfürsten zur Vernichtung Preußens, und als der Einfall in Böhmen nach dem Sieg bei Prag mit der Niederlage von Kolin [* 33] (18. Juni) und einem verlustreichen Rückzug endete, fielen nun alle Feinde mit Übermacht über Friedrich her. Diesen hatte er nur die Kräfte seines Staats und die Hilfstruppen entgegenzustellen, welche seine wenigen Verbündeten, England-Hannover, Hessen-Kassel und Braunschweig, stellten. Zwar schlug er in den beiden ruhmvollen Schlachten [* 34] bei Roßbach [* 35] (5. Nov.) und bei Leuthen [* 36] (5. Dez.) die gefährlichsten Feinde zurück und versuchte 1758 noch einmal die Offensive. Als diese indes vor Olmütz [* 37] wiederum scheiterte, mußte er sich ganz auf die Verteidigung beschränken, und mehrere empfindliche Niederlagen, wie die bei Hochkirch [* 38] bei Kay und Kunersdorf [* 39] u. a., schienen seinen Untergang herbeiführen zu sollen. Wenn er sich trotzdem durch geschickte Operationen und glückliche Schlachten, wie bei Liegnitz [* 40] (15. Aug.) und bei Torgau [* 41] zu behaupten wußte, so waren doch Ende 1761 seine Kräfte an Geld und Menschen erschöpft und die Mehrzahl seiner Staaten in Feindeshand; auch England hatte sich nach Georgs II. Tod ¶