mehr
Gründung der Universität Halle, [* 2] an der Thomasius und Francke lehrten, ließ in Berlin [* 3] durch Schlüter und Eosander herrliche Kunstwerke errichten (das Denkmal seines Vaters, das Zeughaus, das Schloß), und die 1696 gestiftete Akademie der bildenden Künste sollte seine Residenz zu einem Mittelpunkt der Kunst machen; endlich zog er auf Veranlassung seiner geistvollen Gemahlin, der philosophischen Königin Sophie Charlotte, das größte Genie seiner Zeit, Leibniz, an seinen Hof [* 4] und gründete mit seinem Beirat und seiner Hilfe 1700 die Societät der Wissenschaften.
Aber alle diese Anstalten krankten bald an der Kärglichkeit der Mittel, die der Hof und die auswärtige Kriegführung ihnen übrigließen. Besonders seitdem Friedrich seinen frühern Erzieher, den Oberpräsidenten Dankelmann, 1697 wegen seines schroffen Auftretens gegen seine Gemahlin und ihn selbst in Ungnaden entlassen hatte, geriet er ganz in die Hände unwürdiger Günstlinge, welche seiner Eitelkeit und seiner Schwäche schmeichelten. Um die Kosten des Hofhalts zu bestreiten und sich selbst zu bereichern, griffen diese, an der Spitze Graf Kolb von Wartenberg und Graf Wittgenstein, zu den verderblichsten Mitteln: Domänen wurden verschleudert, ganz unvernünftige, ja lächerliche Steuern wurden eingeführt, viele Monopole errichtet.
Die Staatseinkünfte stiegen dadurch auf 4½ Mill. Thlr., reichten aber trotzdem nicht aus. So hinterließ Friedrich, als er, schon lange kränklich, starb, das junge Königreich inmitten gefährlicher Kriege finanziell zerrüttet, das Beamtentum durch ehrgeizige Parteiungen und Eigennutz verderbt, einzelne Lande, wie namentlich Preußen, [* 5] durch Unglücksfälle fast ruiniert. Er war dreimal vermählt, von 1679 bis 1683 mit der Prinzessin Elisabeth von Hessen-Kassel, die ihm eine Tochter, Luise, spätere Gemahlin des Landgrafen Friedrich von Kassel, [* 6] Königs von Schweden, [* 7] gebar, 1684-1705 mit Sophie Charlotte von Hannover, [* 8] von der ihn ein Sohn, König Friedrich Wilhelm I., überlebte; seine dritte Ehe mit einer mecklenburgischen Prinzessin (1708) war eine unglückliche, da diese, streng lutherisch, an dem religiös-freisinnigen Hofe von Gewissensbissen verfolgt in Schwermut und dann in Wahnsinn verfiel.
Vgl. Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 1 (2. Aufl., Leipz. 1872);
W. Hahn, [* 9] Friedrich, der erste König von Preußen (3. Aufl., Berl. 1876);
Ledebur, König Friedrich I. von Preußen (das. 1878);
Graf von Dohna, Mémoires originaux sur le règne et la cour de Frédéric I (das. 1833).
50) Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, Sohn des vorigen und seiner zweiten Gemahlin, Sophie Charlotte, ward zu Berlin geboren. Als Knabe strotzte er von Gesundheit und Kraft, [* 10] zeigte aber schon unbändige Heftigkeit und starren Eigensinn. Die Erziehung, die ihm zuteil wurde, beseitigte weder diese Mängel, noch entwickelte sie seine geistigen Anlagen; er blieb geistig ungebildet und roh, bewahrte aber einen geraden, redlichen Charakter und einen klaren, nüchternen Verstand, der alles Schöne und Erhabene verachtete, um so schneller und schärfer aber das Richtige und Nützliche erkannte, das er nun mit unbeugsamer Willenskraft ausführte.
Mit Unwillen hatte Friedrich W. als Kronprinz die Günstlingswirtschaft am Hof seines Vaters angesehen. Die Entfernung Wartenbergs und Wittgensteins 1710 war seinem Einfluß zu danken. Seine Ideen konnte er indes erst nach seiner Thronbesteigung ausführen. Das Leichenbegängnis Friedrichs I. war das letzte Prachtfest. Der junge Fürst erklärte sich nunmehr für den Finanzminister und Feldmarschall des Königs von Preußen und ging sofort daran, der Verschwendung ein Ende zu machen: die Besoldungen der Hofbeamten verringerte er mit einem Federstrich von 250,000 auf 50,000 Thlr. Er betrachtete sich als von der Vorsehung zu seinem königlichen Amt berufen und nur Gott für die Verwaltung desselben zum Wohl seines Landes verantwortlich. Er widmete dieser Aufgabe alle seine Kräfte und handelte nach Recht und Gewissen, verlangte aber dafür von seinen Unterthanen unbedingten Gehorsam, sah sich als Herrn über ihr Eigentum, ihr Leben an, und überzeugt, daß er ja nur das Rechte, das Beste wolle, verfügte er darüber rücksichtslos.
Widerspruch und Widersetzlichkeit gegen seinen Willen reizten sein heftiges Temperament zu den gewaltthätigsten, ja grausamsten Handlungen. Das Hauptziel seiner staatsmännischen Thätigkeit war nun, Preußen unabhängig zu machen, indem er ein großes und tüchtiges Heer aufstellte und dasselbe allein aus Landesmitteln, nicht aus fremden Subsidien, wie seine Vorgänger, unterhielt. Durch unermüdliche Sorgfalt bis ins einzelne brachte er allmählich ein stehendes Heer von mehr als 80,000 Mann zusammen, vortrefflich bewaffnet und ausgerüstet und geschult wie keine Armee sonst, schuf ein tapferes Offizierkorps, das den ersten Stand im Staat bildete, dessen Glieder [* 11] der König alle selbst ernannte, und zu dem er sich auch rechnete, und regelte die Ergänzung der Armee teils durch Werbung, teils durch Rekrutierung aus Landeskindern, indem der Staat in verschiedene Kantone geteilt wurde, die den einzelnen Regimentern zugewiesen wurden.
Die Kosten dieser Armee betrugen gegen 6 Mill. Thlr. jährlich und konnten aus dem armen Land nur durch größte Sparsamkeit beschafft werden. Der König konzentrierte deshalb das gesamte Finanzwesen 1723 durch Errichtung des Generaldirektoriums, welches alle Staatseinkünfte einnahm und alle Ausgaben verfügte; für jedes Jahr mußte ein Voranschlag aufgestellt werden, welchen der König selbst genau prüfte, und von dem unter keinen Umständen abgegangen werden durfte.
Jede Unredlichkeit eines Beamten wurde auf strengste bestraft. Die Steuerkraft des Landes war der König ferner durch Hebung [* 12] des Wohlstandes zu vermehren bemüht. Überall drang er darauf, daß die wüsten Feldmarken, die verödeten Hofstellen wieder mit Bauern besetzt wurden, und zog zu diesem Zweck teilweise mit großen Geldopfern aus allen Ländern Kolonisten in seine Staaten. Bemerkenswert ist besonders die Ansiedelung von 17,000 Salzburger Protestanten in Ostpreußen [* 13] 1732. Mit einem Kostenaufwand von 6 Mill. Thlr. wurden allein in der Provinz Preußen, welche unter Friedrich I. durch eine Pest verheert worden war, 6 Städte und 332 Dörfer neu aufgebaut. In Handel und Industrie befolgte er das Merkantilsystem, doch hatten hier seine Zwangsmaßregeln nicht so sichtbaren Erfolg; nur die Tuchfabrikation begründete er von neuem in der Mark. Große Verdienste erwarb sich Friedrich W. um die Rechtspflege, deren Gang [* 14] er vereinfachte und beschleunigte, um auch den geringern Leuten den Rechtsweg zugänglich zu machen. In die Kriminalgerichtsbarkeit griff er oft selbst ein und änderte oder verschärfte aus eigner Machtvollkommenheit die Urteile; namentlich über Vergehen gegen das Eigentum verhängte er öfters grausame Strafen. Sein leidenschaftlicher Haß gegen das Unrecht, wie er es auffaßte, verleitete ihn oft zu übereilten und ungerechten Handlungen. Auch seine Polizeiverordnungen, welche in alles, selbst in das Privatleben der Unterthanen ¶
mehr
eingriffen, hatten bei unleugbaren Vorteilen auch manche Nachteile im Gefolge. Obwohl selbst streng religiös, zeigte er sich den verschiedenen Konfessionen [* 16] gegenüber tolerant. Um das Volksschulwesen erwarb er sich große Verdienste; dagegen verachtete er alle höhere Wissenschaft und verhöhnte sie sogar, indem er seinen gelehrten Hofnarren Gundling zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannte.
In der auswärtigen Politik bewies der König eine geringere Selbständigkeit und errang auch nur im Anfang seiner Regierung einige Erfolge. Zunächst trat er 1713 dem Utrechter Frieden bei und erlangte außer der Anerkennung der preußischen Königswürde das Herzogtum Obergeldern. Fast wider Willen wurde er in den Nordischen Krieg verwickelt. Damit dieser von den deutschen Besitzungen Schwedens fern gehalten werde, schloß er im Oktober 1713, im Einverständnis mit dem schwedischen Befehlshaber, mit Rußland und Polen einen Vertrag ab, wonach Preußen gegen Zahlung von 400,000 Thlr. Kriegskosten Pommern [* 17] bis zum Friedensschluß besetzen sollte.
Obwohl er sich bereit erklärte, gegen Rückerstattung dieser Summe das Land an Schweden zurückzugeben, verlangte Karl XII. nach seiner Rückkehr aus der Türkei [* 18] sofortige Räumung Pommerns ohne Entschädigung und schritt sogleich zur gewaltsamen Durchführung seiner Ansprüche. Nun sah sich Friedrich W. zur Kriegserklärung genötigt (1715), und sein Heer unter Leopold von Dessau [* 19] eroberte Rügen und Stralsund [* 20] und zwang Karl XII. zur Flucht nach Schweden. Im Frieden von Stockholm [* 21] trat Schweden gegen Zahlung von 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene an Preußen ab. Seitdem hat Friedrich W. keinen Krieg mehr geführt, nur während des polnischen Erbfolgekriegs ein Hilfskorps zum kaiserlichen Heer am Rhein geschickt. Er scheute sich, seine neuen Schöpfungen im Heer- und Staatswesen den Gefahren eines großen Kriegs auszusetzen und die aufs äußerste angestrengten Kräfte seines Landes vielleicht nutzlos zu erschöpfen.
Daher versäumte er es, die Bedeutung seiner Militärmacht inmitten der Hauptstaaten Europas zu seinem Vorteil auszubeuten; vielmehr schloß er sich unter dem Einfluß des kaiserlichen Gesandten Seckendorf, des vom Wiener Hof bestochenen Ministers Grumbkow und seines Freundes Leopold von Dessau ganz an den Kaiser an, als dessen getreuen Lehnsmann er sich als deutscher Fürst ansah, während er die Ausländer, namentlich die Franzosen, ingrimmig haßte. In den Verträgen mit Österreich [* 22] von Königs-Wusterhausen 1726 und Berlin 1728 erkannte er die Pragmatische Sanktion an und erhielt dafür die Erbfolge in Jülich und Berg zugesichert.
Darüber zerschlugen sich die mit dem englischen Hof verabredeten Heiraten seiner Kinder, was zu den ärgerlichsten Familienstreitigkeiten Anlaß gab, da die Königin diese Heiraten lebhaft gewünscht hatte; Österreich aber belohnte ihn nur mit Undank, indem es 1738 Jülich und Berg an Pfalz-Sulzbach versprach. Obwohl also Friedrich W. manche Gelegenheit zur Vermehrung seiner Macht versäumt hatte, so hatte er doch der Zukunft nichts vergeben, und ein Schatz von 9 Mill. Thlr. und ein großes, vortreffliches Heer setzten seinen Nachfolger in den Stand, seine Fehler wieder gut zu machen. Friedrich W. war vermählt mit Sophie Dorothea von Hannover, die ihm sechs Söhne und mehrere Töchter gebar.
Von den Söhnen überlebten ihn außer Friedrich II. Prinz August Wilhelm (1722-58), Prinz Heinrich (1726-1802) und Prinz Ferdinand (1730-1813); von den Töchtern heiratete Wilhelmine (1709-58) einen Markgrafen von Baireuth, [* 23] Luise Ulrike (1720-82) den König Adolf Friedrich von Schweden. Die Königin und die Kinder hatten unter des Königs Heftigkeit viel zu leiden, obwohl Friedrich W. auch als Familienvater die besten Absichten hatte und in den Tugenden der ehelichen Treue, der Einfachheit und Arbeitsamkeit seinen Unterthanen mit gutem Beispiel voranging.
Rastlos thätig, gönnte er sich nur zweierlei Erholungen: das berühmte Tabakskollegium und die Jagd. Er war von regelmäßiger, wiewohl nicht großer Gestalt, wurde aber bald übermäßig dick, litt schon früh am Podagra, und seine Lebensweise, die Strapazen, die er sich zumutete, steigerten das Übel zur Wassersucht, so daß er, erst 51 Jahre alt, starb.
Vgl. außer den (allerdings gehässigen) »Memoiren der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Baireuth, 1706 bis 1742«: Friedrich Förster, Friedrich Wilhelm I. (Potsd. 1835, 3 Bde.);
dazu Urkundenbuch (1839, 2 Bde.);
Stadelmann, Friedrich Wilhelm in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußens [* 24] (Leipz. 1878);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 2-4 (das. 1869-70).
51) Friedrich II., der Große, auch wohl der Einzige genannt, König von Preußen, Sohn des vorigen und der Königin Sophie Dorothea, ward zu Berlin geboren. Sein Vater wollte aus ihm einen Fürsten machen, ganz wie er selber war, und schrieb daher einen genauen Erziehungsplan vor, welcher die geistige Bildung auf wenige Gebiete beschränkte, namentlich die Litteratur, klassische wie moderne, völlig ausschloß. Der junge Prinz wollte sich diesem engherzigen System nicht fügen, trieb heimlich verbotene Studien und gewöhnte sich, auch in andern Dingen den Willen seines Vaters zu mißachten: er zeigte wenig Interesse für die militärischen Exerzitien, neigte zu Luxus und Verschwendung und machte erhebliche Schulden.
Der Streit wegen der englischen Heiraten, in dem der Kronprinz ganz auf der Seite seiner Mutter stand, weil sich ihm durch die Vermählung mit der Prinzessin Amalie eine Aussicht auf eine unabhängige Stellung als Statthalter Georgs II. in Hannover eröffnete, verbitterte das Verhältnis zwischen Vater und Sohn noch mehr. Der König, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, ließ sich endlich im Zorn zu den rohesten thätlichen Mißhandlungen auch in Gegenwart Fremder fortreißen, denen er sogar noch Hohn über des Sohnes Feigheit hinzufügte, daß er sich das gefallen lasse.
Dies brachte in dem Kronprinzen den Entschluß, nach England zu fliehen, zur Reife; indes der 1730 auf einer Reise in das Reich unternommene Versuch mißlang, und ein aufgefangener Brief Friedrichs an Katte enthüllte dem König den ganzen Plan. Dieser, aufs äußerste entrüstet, mißhandelte den Sohn aufs empörendste und setzte, nachdem er ihn vom Rhein nach der Mark als Gefangenen hatte transportieren lassen, ein Kriegsgericht ein, um ihn als Deserteur zum Tod verurteilen zu lassen; ihm war der Gedanke unerträglich, daß seine mühsamen Schöpfungen im Staats- und Heerwesen durch einen solchen Nachfolger wieder zu Grunde gehen sollten.
Indes das Kriegsgericht weigerte sich, über den Kronprinzen ein Urteil zu fällen, die fremden Höfe, auch der kaiserliche, verwendeten sich für das Leben Friedrichs, und so begnügte sich der König damit, ihn nach Küstrin [* 25] in strenge Haft zu schicken. Der schreckliche Vorfall übte auf Friedrich, der auf den Tod gefaßt gewesen, die nachhaltigsten Wirkungen. Er beschloß, zu beweisen, daß der preußische Staat in seinen Händen wohl aufgehoben sein werde, und widmete sich in Küstrin mit Ernst und Eifer der strengsten Arbeit. Diese Umkehr ¶