Neben historischen
Studien, aus welchen die farbenreichen, lebendig-anschaulichen
»Bilder aus der deutschen Vergangenheit«
(Leipz. 1859-67, 5 Bde.; 15. Aufl.
1884) hervorgingen, beschäftigten ihn in den letzten Jahrzehnten Untersuchungen über »Die
Technik des
Dramas« (das. 1863, 5. Aufl. 1886), in welchen die Grundregeln
des dramatischen
Schaffens vortrefflich dargestellt sind, aber der poetischen Gestaltungskraft und
Individualität
des Dramatikers ein bedenklich enger
Kreis
[* 2] der Aufgaben gezogen wird. Als Dichter war er ferner mit dem
Trauerspiel »Die Fabier«
(Leipz. 1859) und mit dem sozialen
Roman
»Soll und
Haben« (das. 1855, 3 Bde.; 30. Aufl.
1885) hervorgetreten, welch letzterer unter allen neuern deutschen
Romanen den größten und nachhaltigsten
Erfolg hatte.
Die
Tendenz freilich: das kaufmännische Bürgertum gegenüber allen andern Lebenskreisen und Lebensrichtungen zu verherrlichen,
trat mit einer fast herben Absichtlichkeit hervor;
doch entschädigten dafür die Lebensfrische, die Stimmungsfülle und
die künstlerisch feine
Darstellung.
welcher das Gelehrtentum im
Konflikt mit der Hofwelt ähnlich darstellt wie
»Soll und
Haben« die kaufmännischen
Kreise
[* 3] gegenüber
dem Landadel, gewann Freytag eine stets gesteigerte
Teilnahme des
Publikums. Die realistisch gestimmte
Kritik pries ihn als den hervorragendsten
und mustergültigsten Dichter der Gegenwart. In der That weisen beide
Romane hohe Vorzüge auf, unter
denen die Sicherheit und Feinheit der Gestaltenzeichnung, die charakteristische
Darstellung der verschiedensten Lebenskreise,
der prickelnde
Reiz ironischen
Humors, die
Anmut des gebildeten
Stils obenan stehen.
Beide
Romane aber leiden wiederum unter der
Wirkung einer überwiegend nüchternen
Anschauung, welche jeden Schwung der
Empfindung,
die
Energie der
Leidenschaft, jedenIdealismus der Lebensanschauung bekämpft und mit der Überschätzung
der bürgerlichen äußern Respektabilität in die moralisierende
Poesie der
Berliner
[* 4] Rationalistenschule des 18. Jahrh. zurück
verfällt. Daß der einseitige
Realismus noch immer gesünder und berechtigter war als die gestaltlose Geistreichigkeit der
jungdeutschen
Epoche, hebt die gerügten Mängel nicht auf. In seiner neuestenProduktion: »Die
Ahnen«,
einer
Folge von kulturhistorisch-poetischen
Erzählungen, die ein deutsches
Geschlecht von den germanischen Urwäldern bis zur
Gegenwart begleiten sollen (sie umfaßt die Einzelwerke: »Ingo und Ingraban«,
Leipz. 1872, 14. Aufl. 1885; »Das
Nest der
Zaunkönige«, das. 1874; »Die
Brüder vom deutschen
Hause«, das. 1875;
»Markus König«, das. 1876; »Die
Geschwister«, das. 1878, und als
Schluß: »Aus einer kleinen Stadt«, das.
1881, 2 Bde.), machte sich neben der alten Sicherheit, dem prächtigen
Genretalent, dem historisch treuen
Kolorit ein gewisser
Archaismus des
Ausdrucks geltend, der an
Manier streift, aber keineswegs
eine
Berechtigung zu jenen abfälligen
Urteilenin sich schließt, die mehrfach laut wurden. Auch die Behauptung,
daß die
Folge der
Romane eine beständige Abnahme der
Frische und des
Interesses aufweise, ist nur sehr bedingt für den letzten
Teil der großen
Arbeit zuzugeben, welcher die eigentümlichen Vorzüge und Mängel des Freytagschen
Talents besonders charakteristisch
hervortreten läßt.
VonFreytag erschien außerdem das treffliche Lebensbild
»KarlMathy« (Leipz. 1869, 2. Aufl.
1872).
ehemals selbständige ital.
Landschaft mit eignen
Herzögen, umfaßte in ihrer weitesten
Ausdehnung
[* 15] die italienische
ProvinzUdine und den
DistriktPortogruaro der
ProvinzVenedig,
[* 16] welche zusammen das ehemalige venezianische
Friaul bildeten, dann einen großen Teil der österreichischen Markgrafschaft
Görz
[* 17] und
Gradisca nebst dem sogen. Idrianer
Boden,
welche beiden letztern das ehemalige österreichische Friaul bildeten, insgesamtca. 9000 qkm (160 QM.) mit
gegen 700,000 Einw. Die Einwohner,
Furlaner genannt, bekennen sich zur katholischen
Religion und sind meist
Italiener; ein Teil
spricht aber einen eignen
Dialekt, welcher, noch wenig ergründet, viel keltische
Elemente zu enthalten scheint (vgl. Pirona,
Vocabolario friulino. Vened. 1869).
Friaul (ital. Friuli oder
Patria del Friuli) hat seinen
Namen von der altrömischen, einst in seinem
Bezirk
gelegenen Stadt
Forum
[* 18] Julii. Die ältesten bekannten Bewohner dieses Landstrichs waren im
Westen die Euganeer, ein tuskischer
Volksstamm, der sich unter den
Venetern verlor, sodann im Nordosten die
Karner (daher der
Name Carnea, Cargnia für das friaulische
Bergland), welche in der Mitte des 2. Jahrh.
v. Chr. von den
Römern unterworfen wurden. Wiederholt von
den Eroberungszügen der deutschen barbarischen
Völker heimgesucht, ward Friaul im 6. Jahrh.
n. Chr. von den
Langobarden erobert
und zu einem
¶
mehr
der 36 Herzogtümer derselben gemacht. Friaul umfaßte damals das Land zwischen dem Tagliamento, den Norischen und Julischen Alpen
und dem Fluß Formio (Risano). Dazu kamen in der fränkischen Zeit, wo in eine Mark verwandelt wurde, im Osten noch Istrien
[* 20] und
im Westen mehrere Städte diesseit des Piave; Hauptstadt war Cividale (CivitasAustriaeItaliae), das alte Forum
Julii. Des Langobardenkönigs AlboinNeffe Gisulf (569-610) war nach dem Bericht des langobardischen Geschichtschreibers Paulus Diaconus
der erste von jenem eingesetzte Herzog von Friaul. Unter ihm brachen die Avaren 610 verwüstend in ein und verbrannten die Hauptstadt;
Gisulf starb den Heldentod.
Auf ihn folgten seine beiden ältesten Söhne, Taso und Kako, denen auch das slawische Gebiet von Cilia
(wahrscheinlich das Gailthal Kärntens) und Medaria (vielleicht Matereia, Windisch-Matrei) unterworfen war, welche aber um 626 von
dem römischen Patricius Gregorius zu Oderzo hinterlistig umgebracht wurden. An Stelle ihrer unmündigen Brüder Roduald und
Grimuald übernahm nun ihr Oheim Grasulf, der Bruder Gisulfs, die Regierung. Unter den folgenden Herzögen
sind hervorzuheben: Lupus, der sich 663 gegen den Langobardenkönig Grimuald, den Sohn Herzog Gisulfs, empörte, jedoch gegen
die Avaren, die der König gegen ihn zu Hilfe rief, fiel;
Wechtari aus der Stadt Vicenza, dessen Güte und Milde
gerühmt werden;
Pemmo, der glücklich gegen die Slawen kämpfte, aber, weil er den Patriarchen von Aquileja, Calixtus, wegen
eines Gewaltstreichs hatte gefangen setzen lassen, 737 von dem Langobardenkönig Luitprand der Herzogswürde entsetzt ward;
Ratchis, Sohn des vorigen, der einen glücklichen Kriegszug nach Krain unternahm und 744 zum König der Langobarden
erwählt wurde;
Rodgaud, der sich, nach Besiegung des Langobardenkönigs Desiderius durch Karl d. Gr., diesem unterwarf,
aber bald mit den Herzögen von Chiusi, Spoleto und Benevent eine Verschwörung gegen ihn machte und deshalb 776 enthauptet
ward.
Seitdem bildete Friaul eine der Marken des fränkischen Reichs; seinen Verwaltern, die aber bei weitem nicht mehr so unabhängig
waren wie unter der langobardischen Herrschaft und bald als Markgrafen, bald als Herzöge bezeichnet werden, war zeitweise
auch die Obhut über den südlichen Teil der avarischen oder pannonischen Mark anvertraut, und sie hatten
viel mit den Slawen, Bulgaren und andern barbarischen Nachbarvölkern zu kämpfen. Markgraf Cadolah unternahm 819 einen ruhmlosen
Zug
gegen die Slowenen; sein Nachfolger Balderich (819-828) wurde 828, da er einen verheerenden Einfall der Bulgaren nicht verhindert
hatte, abgesetzt, und nun ward die bisherige Mark in vier Grafschaften (mutmaßlich: Friaul, Istrien, Krain und
die veronesische oder trevisanische Mark) geteilt.
Gegen die Übergriffe der Patriarchen von dem friaulischen Adel zu Hilfe gerufen, demütigte Venedig zwar jene, machte aber allmählich,
teils durch freiwillige Unterwerfung des Adels und der Städte, teils durch gewaltsame Eroberungen (z. B.
der Hauptstadt Udine 1420), den größern Teil von Friaul (der seitdem das venezianische Friaul genannt wurde) zu einer
venezianischen Provinz. Im Besitz eines andern Teils, des sogen. österreichischen Friaul, blieb bis 1500 das
Geschlecht der Grafen von Görz, bis nach deren Aussterben KaiserMaximilian I. vermöge alter Verträge die
ihm ohnehin schon verpfändete Grafschaft in Besitz nahm.