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von Simrock (Stuttg. 1867), Bacmeister (das. 1875) und Pannier (Leipz. 1878).
Vgl. Paul, Über die ursprüngliche Anordnung von Freidanks Bescheidenheit (Leipz. 1870).
von Simrock (Stuttg. 1867), Bacmeister (das. 1875) und Pannier (Leipz. 1878).
Vgl. Paul, Über die ursprüngliche Anordnung von Freidanks Bescheidenheit (Leipz. 1870).
(Freigeist), besonders auf religiösem Gebiet ein Mensch, der sich in Beurteilung der höchsten Lebensfragen, namentlich auf religiösem Gebiet, an keine Autorität und kein Herkommen bindet. Als Freidenker bezeichnete man zuerst in England nach dem Vorgang von Ant. Collins (»Discourse of freethinking«, Lond. 1713) sowie von Hume, Blunt, Toland u. a. diejenigen, welche zwar die kirchlichen Zustände Englands scharf und oft spöttisch angriffen, aber an dem Glauben an einen Gott festhielten (s. Deismus), während die französischen Freidenker, wie Voltaire und Rousseau, dann die Encyklopädisten, mit der Zeit zu einem völligen Atheismus gelangten. In Deutschland, [* 2] wo unter französischem Einfluß das Freidenkertum bald Boden gewann (Strauß, [* 3] Feuerbach), nahm die Zahl seiner Anhänger seit Wiederherstellung des orthodoxen Kirchentums bedeutend zu; in Preußen [* 4] entstanden aus dieser Richtung unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV. die Freien Gemeinden (s. d.). Der innerhalb der letztern gebildete Deutsche [* 5] Freidenkerbund ist jetzt ein Zweig des am in Brüssel [* 6] gegründeten Internationalen Freidenkerbundes.
Vgl. Noack, Die in der Religion (Bern [* 7] 1853-55, 3 Bde.), und die Zeitschriften-Litteratur bei Freie Gemeinden.
s. v. w. Freigericht, ^[= s. Femgerichte.] Femgericht.
(Frilinge), bei den alten Germanen die Hauptmasse oder der Kern der Nation. Aus ihm hob sich auf der einen Seite, gleichsam als seine Blüte, [* 8] der Stand der Edelinge hervor als Nachkommenschaft durch Thaten ausgezeichneter Geschlechter; auf der andern Seite aber war jenem Kern des Volkes untergeordnet der zum Teil auch aus germanischem Blut entsprossene, zumeist aber aus Kriegsgefangenen erwachsene Stand der Unfreien (Knechte). Daneben bildete sich der Stand der Liten (Hörigen, Halbfreien) aus, welche der Schutzgewalt eines Freien unterworfen waren.
Nur der Freie besaß Grundbesitz als freies Eigentum, nur er nahm an dem mehr als Ehre denn als Last geltenden Kriegsdienst teil, und nur er hatte Anspruch auf das volle Wergeld (s. d.). Durch das Wiedererstehen der Stammesherzöge unter den letzten Karolingern, durch die Verleihung der Gerichtsbarkeit über an die Kirche, insbesondere aber durch das immer weitere Kreise [* 9] ergreifende Lehnswesen wurde die gemeine Freiheit auf dem platten Land immer mehr beeinträchtigt.
Wenn auf der einen Seite die fortwährenden Bedrückungen von seiten der Großen und der Heerdienst die Freien gewissermaßen nötigten, sich in ein Schutzverhältnis zu begeben und damit auf ihre unumschränkte Freiheit zu verzichten, so trug auf der andern Seite doch auch oft Eitelkeit, welche sich durch den Glanz an Höfen und auf Burgen [* 10] blenden ließ, oder Habsucht, welche das freie Allod einem Herrn übertrug, um es vermehrt in der Gestalt eines Lehens zurückzunehmen, oder fromme Einfalt dazu bei, den Wert altgermanischer Freiheit in Vergessenheit zu bringen.
Nur in Gegenden, wo besondere geographische Verhältnisse die Bewahrung altererbter Freiheit erleichterten, wie in den Bergen [* 11] der Schweiz [* 12] und in den Seelanden Frieslands, erhielten sich in größerer Anzahl auf dem Land; im übrigen Deutschland blieben nur wenige kleine Landwirte übrig, welche sich in der von den Vätern überkommenen Stellung zu erhalten wußten (s. Bauer). Außerdem aber erhielten sich in den Städten freie Gemeinden, die sich auch wohl noch durch Zuzug vom platten Land vergrößerten. Im übrigen gelang es nur einer Minderzahl der alten Freien, in den Adel, teils in den niedern, teils sogar in den höhern, emporzusteigen; die Hauptmasse derselben ging in dem zahllosen Haufen der unfreien Bauern auf und hat ihre Freiheit erst in neuerer Zeit zurückerlangt (s. Bürger).
Vgl. Montag, Geschichte der deutschen staatsbürgerlichen Freiheit (Bamb. 1812 bis 1814, 2 Bde.);
Hüllmann, Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutschland (2. Aufl., Berl. 1830).
Gemeinden, religiöse Gemeinschaften, die sich von den bestehenden protestantischen Landeskirchen losgesagt und selbständig konstituiert haben. So besonders in Preußen, wo seit Friedrich Wilhelms IV. Thronbesteigung die pietistisch-orthodoxe Partei durch ihren Anspruch, in der protestantischen Kirche Alleinberechtigung zu üben, eine Reaktion hervorrief, deren erstes Stadium das Auftreten der Lichtfreunde oder, wie sie sich selber nannten, der Protestantischen Freunde bezeichnet.
Den Anstoß dazu gab die Maßregelung des Predigers Sintenis zu Magdeburg, [* 13] welcher gegen die Anbetung Christi gesprochen hatte, und eine infolgedessen von dem Prediger Uhlich (s. d.) und 15 andern Geistlichen zu Gnadau abgehaltene Konferenz Dieser freie Verein für vernunftgemäßes, praktisches Christentum wuchs bald zu Volksversammlungen an, welche Uhlich geschickt zu leiten verstand. Auch Anhänger der jetzt in Preußen zurückgesetzten Hegelschen Philosophie schlossen sich an. Auf der von gegen 3000 Gesinnungsgenossen besuchten Frühlingsversammlung zu Köthen [* 14] (1844) warf Wislicenus (s. d.) die Frage auf, ob die Heilige Schrift noch die Norm unsers Glaubens sei, und entschied ausschließlich zu gunsten des in der Menschheit, insbesondere der christlichen, fort und fort lebendigen Geistes der Wahrheit und Liebe, der auch die Heilige Schrift wesentlich hervorgebracht habe, Ansichten, die er in seinem Buch »Ob Schrift, ob Geist?« (1.-4. Aufl. 1845) weiter ausführte.
Dagegen trat Professor Guericke in Halle in [* 15] der »Evangelischen Kirchenzeitung« auf, indem er die Lichtfreunde als vom Christentum gänzlich Abgefallene behandelte; die Regierungen von Preußen und Sachsen [* 16] schritten mit Maßregeln gegen ihre Versammlungen ein, und Wislicenus wurde wegen öffentlich ausgesprochener »unchristlicher« Ansichten 1846 seines Amtes entsetzt. Dies veranlaßte eine Protestbewegung durch alle preußischen Provinzen, welche in einer Eingabe des Berliner [* 17] Magistrats an den König vom gipfelte, worin, als dem Charakter des Protestantismus entsprechend, vollkommene Freiheit der Forschung und der Mitteilung auf religiös-kirchlichem Gebiet beansprucht wurde.
Der König antwortete die Einmischung zurückweisend, die damit verbundene Anklage gegen die »Evangelische Kirchenzeitung« rügend. In der Provinz und im Königreich Sachsen folgten jetzt Versammlungen auf Versammlungen. Die wachsende Teilnahme des Volkes an kirchlichen Erörterungen, die sich notwendig vielfach mit politischen Fragen verbinden mußten, erschien bald den Regierungen bedenklich, und so wurden die Versammlungen 1845 zuerst in Sachsen, dann auch in Preußen verboten. Inzwischen (1846) entstanden in freie Gemeinden Königsberg [* 18] (Rupp) und Halle (G. A. Wislicenus), ferner (1847) in Marburg [* 19] (Bayrhoffer), Nordhausen [* 20] (Eduard Baltzer), Halberstadt [* 21] (E. Wislicenus) und in Magdeburg, nachdem Uhlich aus der Kirche gestoßen war. Diese Freien Gemeinden erlangten durch das ¶
königliche Patent vom in Preußen freie Religionsübung. Während des Jahrs 1848 spielten die Führer der Protestantischen Freunde eine hervorragende Rolle; Uhlich, Baltzer, Wislicenus saßen im Frankfurter Parlament, die Zahl der Gemeinden belief sich auf 40. Mit dem Eintreten der politischen Reaktion wurde die religiöse Bewegung noch lebhafter, indem sich die Demokratie an das Frei-Gemeindetum offen anschloß, und bald richtete sich die immer heftiger werdende und immer mehr auf das politische Gebiet hinübergreifende Polemik gegen das Christentum selbst.
Nachdem 1849 auf einer Konferenz zu Halberstadt eine Vereinigung mit den Deutschkatholiken (s. d.) angebahnt worden war, kam dieselbe auf einer 1850 in Leipzig [* 23] begonnenen und wegen einzelner Ausweisungen in Köthen fortgesetzten Versammlung wirklich zu stande. Als Grundbekenntnis wurde aufgestellt: »Ich glaube an Gott und sein ewiges Reich, wie es von Jesus Christus in die Welt eingeführt wurde«. Aber die aus dieser Vereinigung hervorgegangene »Religionsgesellschaft freier Gemeinden« fand in Deutschland wenig Anklang, weil man glaubte, daß sie weniger religiöse als politische Zwecke verfolge.
Daher schritten seit 1850 die Regierungen der meisten deutschen Staaten gegen die Freien Gemeinden ein; in Bayern [* 24] wurde die Gültigkeit ihrer Taufe nicht anerkannt, in Hessen [* 25] untersagte man das Auftreten der Reiseprediger, in Sachsen wurden die Freien Gemeinden aufgelöst und verboten, in Preußen bekämpfte man sie mit allen gesetzlichen Mitteln. So wurden dieselben, auch infolge innerer Streitigkeiten, immer schwächer; 1859 schlossen sich 54 Gemeinden zu Gotha [* 26] zu einem Bund freireligiöser Gemeinden zusammen, welche als ihren ersten Grundsatz die freie Selbstbestimmung in allen religiösen Angelegenheiten anerkannten.
Jedes dritte Jahr sollte eine Bundesversammlung stattfinden; auf der elften, am 9.-11. Juni 1885 zu Braunschweig [* 27] abgehaltenen waren 100 Gemeinden und Vereine in Deutschland vertreten. S. Freidenker. Freidenkerische und freireligiöse Zeitschriften sind: das »Menschentum« (Gotha, Organ des Deutschen Freidenkerbundes),
»Es werde Licht« [* 28] (Nürnb.),
»Bundesblätter« (Wiesb.),
»Morgenröte« (Offenbach), [* 29]
»Freireligiöses Sonntagsblatt« (Magdeb.),
»Neue religiöse Reform« (Darmst.),
»Reformblätter« (Königsb.),
»Gib's weiter« (Magdeb.) und der »Freidenkeralmanach« (hrsg. von Specht, Gotha, seit 1872).
Aus ganz entgegengesetzten Gründen, weil ihnen die Landeskirche nicht bekenntnismäßig genug schien, haben strenge Lutheraner in Preußen, Sachsen, Hessen, Hannover, [* 30] Schweden [* 31] Freikirchen gebildet. Namentlich aber war dies in der reformierten Kirche der Fall; die 1834 entstandene streng calvinistische »reformierte Freikirche« in Holland zählt über 120,000 aktive Mitglieder. In Schottland trennte sich die »freie Kirche« (Free Church of Scotland) von der Staatskirche (s. Schottische Kirche).
Gleichzeitig kam es zur Bildung von strenggläubigen Freikirchen in der Schweiz, so in Genf [* 32] (s. Momiers), Bern, Neuchâtel, besonders aber im Waadtland (s. d.), und seit 1848 auch in Frankreich, wo die Führer der Orthodoxie, Graf Gasparin und Friedrich Monod, eine der schottischen und waadtländischen nachgebildete freie Kirche errichteten, die in Pressensé und Roger Hollard begabte Prediger, in Waddington einen berühmten Anhänger auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Politik besitzt.
Eine ganz anders geartete Erscheinung endlich bietet die »freie Kirche« der italienischen Protestanten. Nachdem 1848 die Waldenser in Piemont Duldung errungen hatten, bildete sich um den Advokaten Mazzarella eine Gemeinde, welche nach der 1854 vollzogenen Trennung von den Waldensern der Grundstein für eine eigentümlich italienische Form des Protestantismus wurde. Auch De Sanctis (s. d.) hielt sich zehn Jahre lang dazu. Die sektiererische Gefahr, die ihn zu den Waldensern zurücktrieb, wurde beschworen von dem ehemaligen Barnabitenpater und Feldkaplan Garibaldis, Alessandro Gavazzi, unter dessen Einfluß die Generalversammlungen von Mailand [* 33] (1870) und Florenz [* 34] (1871) sich ein Glaubensbekenntnis und eine Verfassung gaben (Unione delle chiese libere in Italia), während die darbystisch gesinnten Elemente wieder eine besondere Freigemeinde bildeten (Chiesa cristiana libera). -
Mehr an die Freien Gemeinden in Deutschland erinnert die 1867 durch Anregung von M. Freie Gemeinden E. Abbot aus dem amerikanischen Unitarismus hervorgegangene Free religious Association.