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unerwartet hervortritt«. Die vorhandenen Hauptvereine: in Preußen [* 2] der Vaterländische Frauenverein, in Bayern [* 3] der Bayrische Frauenverein, in Sachsen [* 4] der Albertverein, in Württemberg [* 5] der Wohlthätigkeitsverein, in Baden [* 6] der Badische Frauenverein, in Hessen [* 7] der Alice-Frauenverein, im Großherzogtum Weimar [* 8] das patriotische Institut der Frauenvereine und in Mecklenburg [* 9] der Marien-Frauenverein, sind in sich selbst fest gegliedert; sie bilden zusammen den Verband [* 10] der deutschen Frauenvereine, dessen Geschäfte durch einen ständigen Ausschuß geleitet werden (Beschluß des Würzburger Vereinstags vom und des zweiten Verbandstags zu Dresden [* 11] 25.-27. April 1878). Dieser aus je einem Delegierten der oben genannten Hauptvereine bestehende Ausschuß leitet die gemeinsame Vereinsthätigkeit und soll im Kriegsfall das Zusammenwirken mit den Männervereinen durch das Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz [* 12] vermitteln. Im Frieden ruft derselbe die Verbandstage der deutschen Frauenvereine zusammen.
Für diesen Verband besteht seit 1875 zur Förderung eines einheitlichen Zusammenwirkens und eines regen Meinungsaustausches eine Monatsschrift: »Deutscher Frauenverband«. Der am gegründete, unter der Protektion der Kaiserin stehende Vaterländische Frauenverein umfaßt Preußen, die Reichslande und noch 39 Vereine auf außerpreußischem Gebiet. Er gliedert sich in Provinzialverbände in sämtlichen Provinzen des Königreichs und in einen Landesverein für die Reichslande; Bezirksvereine bestehen in den Regierungsbezirken Aachen, [* 13] Kassel, [* 14] Koblenz, [* 15] Köln, [* 16] Trier, [* 17] Düsseldorf [* 18] und Wiesbaden. [* 19]
Die Provinzialverbände der Provinzen Sachsen, Schlesien [* 20] und Pommern [* 21] stehen mit den betreffenden Männerpflegevereinen in einer organischen Verbindung. Die Zahl der Zweigvereine beträgt (1886) 594, und zwar entfallen: 39 auf außerpreußisches Gebiet, 112 auf Ostpreußen, [* 22] 28 auf Westpreußen, 48 auf Brandenburg, [* 23] 36 auf Pommern, 31 auf Posen, [* 24] 77 auf Schlesien, 46 auf Sachsen, 16 auf Schleswig-Holstein, [* 25] 21 auf Hannover, [* 26] 56 auf Westfalen, [* 27] 33 auf Hessen-Nassau, [* 28] 49 auf Rheinland, 2 auf die hohenzollerischen Lande.
Der Vaterländische Frauenverein besaß Ende 1885 ein Vermögen von 3,437,743 Mk. und zwar der Hauptverein 405,455 Mk., die Zweigvereine 1,611,380 Mk. und 1,420,908 Mk. als ungefährer Wert der den Vereinen gehörigen Grundstücke etc. -
Die Zahl der Mitglieder beträgt 68,324 (57,265 ordentliche, 11,059 außerordentliche). Zur Aufnahme in den Verein als ordentliches Mitglied ist jede unbescholtene Frau oder Jungfrau ohne Unterschied des Standes und ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis befähigt, sobald sie sich zu einem Beitrag von 50 Pf. für den Monat und außerdem zu bestimmten persönlichen Leistungen für den Verein verpflichtet. (Statuten vom revidiert In Kriegszeiten arbeitet der Vaterländische Frauenverein unter Oberleitung des Preußischen Vereins zur Pflege im Feld verwundeter und erkrankter Krieger; in dessen Zentralkomitee ist er durch drei Vorstandsmitglieder vertreten, welche gleichzeitig auch im deutschen Zentralkomitee Sitz und Stimme haben.
Für Erledigung gemeinsamer Angelegenheiten in Bezug auf die für die Kriegszwecke vorbereitende Friedensthätigkeit besteht ein gemeinsamer Ausschuß. Der Verein verfolgt, abgesehen von den statutenmäßigen Leistungen in Kriegszeiten, folgende Friedenszwecke:
1) Hilfe in allgemeinen Notständen;
2) Unterstützung der Gemeinde-Armen- und Krankenpflege im engsten Anschluß an die Organe der staatlichen, kommunalen und kirchlichen Armenpflege;
3) Krankenpflege, namentlich Gemeindearmenkrankenpflege, unter Zuziehung von ausgebildeten Krankenpflegerinnen;
4) Ausbildung von Krankenpflegerinnen;
5) Unterhaltung, bez. Unterstützung von Krankenanstalten, Siechenhäusern, Armenhäusern, Kinderhospitälern und Waisenhäusern;
6) Mitwirkung bei der Beaufsichtigung der Pflege- und Ziehkinder;
7) Errichtung von Kleinkinderbewahr- und Rettungsanstalten sowie Fürsorge für verwahrloste Kinder;
8) Unterhaltung von Näh- und Flickschulen, Industrieanstalten, Arbeits- und Sonntagsschulen, Aufsichtsführung in denselben;
9) Unterstützung von Taubstummen, Blinden und Idioten sowie der bezüglichen Anstalten;
10) Unterhaltung von Asylen, Gesellen- und Mägdeherbergen;
11) Unterstützung Überschwemmter und Abgebrannter und sonstiger Verunglückten;
12) Unterhaltung und Einrichtung von Volksküchen, Schulküchen und Suppenanstalten;
13) Weihnachtsbescherungen für Arme und Kinder;
14) Fürsorge für arme Konfirmanden;
15) Wöchnerinnenunterstützung;
16) Beschäftigung alter, schwacher sowie arbeitsloser Arbeiterinnen und Beförderung der Hausindustrie; Zentralverkaufsstelle der vaterländischen Frauenvereine zu Berlin; [* 29]
17) Anfertigung von Wäsche, Errichtung von Wäschedepots;
18) Einrichtung und Unterhaltung von Volksbibliotheken;
19) Unterstützung von Invaliden-, Landwehr- und Reservistenfamilien;
20) Unterhaltung von Mustersammlungen von Lazarett- und Verbandgegenständen und 21) Vorarbeiten für die Errichtungen Hilfslazaretten, Erfrischungsstationen, Gestellung von Krankenpflegepersonal etc. im Kriegsfall. Die oben genannten Landesvereine, an deren Spitze als Präsidentinnen oder Protektorinnen in der Regel die betreffenden Landesfürstinnen stehen, verfolgen gleiche Zwecke, zum Teil allerdings in etwas beschränkterm Maß. Sie nehmen sämtlich neben den Landesmännervereinen eine im Frieden mehr oder weniger selbständige Stellung ein; im Krieg ordnet sich die Mehrzahl den betreffenden Landesmännervereinen unter; andre haben über die gemeinsame Thätigkeit besondere Vereinbarungen getroffen, und nur in einigen Ausnahmefällen fehlt es noch an solchen Vereinbarungen.
Auch in Österreich-Ungarn [* 30] sind Frauenvereine vom Roten Kreuz thätig. Sie nehmen aber nicht, wie in Deutschland, [* 31] eine ganz selbständige, mehr oder weniger gesonderte Stellung ein, sondern sind vollständig eingefügt in die allgemeine Vereinsorganisation, sie bilden integrierende Teile in Cisleithanien: der österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz, in Transleithanien: des Vereins vom Roten Kreuz der Länder der heiligen Krone Ungarns. Ihre Thätigkeit beschränkt sich auf den Krieg und auf die erforderlichen Vorbereitungen zu dieser Kriegsthätigkeit, namentlich die Ausbildung von Pflegerinnen.
Eine eigentliche Friedensthätigkeit, wie diese von den deutschen Vereinen verfolgt wird, kennen diese Vereine nicht. Protektorin ist die Kaiserin. In Cisleithanien existieren in allen Kronländern patriotische Frauenhilfsvereine, welche unter Wahrung ihrer Autonomie in eignen Vereinsangelegenheiten in der Bundesversammlung der österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz durch Delegierte vertreten werden und einen jährlichen Beitrag zum Zentralfonds leisten. Zweigvereine existieren, sie gelten jedoch immer nur als integrierende Bestandteile des betreffenden Landes-Frauenhilfsvereins. In Ungarn [* 32] dagegen bilden die Frauenvereine lediglich eine Sektion des ¶
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Gesamtvereins, und diese Sektionseinteilung ist bei allen Filialen (Zweigvereinen) durchgeführt. Die Vorsitzende der Frauensektion ist stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der betreffenden Filiale. Auch in Frankreich existiert innerhalb des Vereins vom Roten Kreuz ein Frauenkomitee, allerdings mit weniger umfangreicher Thätigkeit, ohne eigentliche Selbständigkeit und lediglich als eine Abteilung des großen Landesvereins. Die Ausdehnung [* 34] der Thätigkeit auf den Frieden nach deutschem Muster wird jetzt angestrebt, zeigt sich aber mit den größten Schwierigkeiten verbunden. In Rußland liegen die Sachen ähnlich, besondere, selbständige Frauenvereine vom Roten Kreuz gibt es nicht; auch das amerikanische Rote Kreuz kennt keine getrennten Frauen- und Männervereine.
Vgl. v. Criegern, Das Rote Kreuz in Deutschland (Leipz. 1883);
»Handbuch der deutschen Frauenvereine unter dem Roten Kreuz« (Berl. 1881).
II. Andre Frauenvereine.
Die Bestrebungen zur Hebung [* 35] und Erweiterung der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechts haben als praktische Resultate der Frauenfrage (s. d.) die Gründung zahlreicher Frauenvereine zur Folge gehabt. Wirkliche Verdienste und namhafte Erfolge hat in dieser Beziehung der unter dem Protektorat der deutschen Kronprinzessin Viktoria stehende, 1865 von dem im J. 1863 verstorbenen Lette gegründete Lette-Verein errungen. Derselbe besitzt gegenwärtig eine Handelsschule, eine Zeichenschule und eine Anzahl gewerblicher Kurse.
Die Gesamtzahl der Schülerinnen sämtlicher Anstalten des Vereins belief sich 1879 auf 1043, worunter 159 Freistellen. Unter anderm werden Handarbeitslehrerinnen und Modelleure dort ausgebildet, sowie auch eine Kunstindustrieschule unterhalten wird. Das Viktoria-Stift ist für die Aufnahme weiblicher Pensionärinnen bestimmt. Außerdem hat der Verein ein Arbeitsnachweisungs-Büreau eingerichtet und besitzt den Viktoriabazar für den Verkauf weiblicher Handarbeiten, ein Damenrestaurant mit Kochschule, eine Welsch- und Plättanstalt, sogar eine Darlehnskasse (Lette-Stiftung).
Die Fortbildungsschule für die aus der Schule entlassene weibliche Jugend zählte schon im ersten Jahr ihres Bestehens 299 Schülerinnen. Dem Lette-Verein reiht sich der Allgemeine deutsche Frauenverein in Leipzig [* 36] (gegründet 1865 von Luise Otto-Peters) an, der gleich jenem bestrebt ist, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und für die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken. Im Anschluß an diese beiden Hauptvereine schreitet vielerorten in Deutschland die Entwickelung von Frauenvereinen sichtlich vorwärts.
An den Lette-Verein lehnt sich der Verband deutscher Frauenbildungs- und Erwerbsvereine (Lette-Verband), dessen Organ der »Deutsche [* 37] Frauenanwalt«, redigiert von Jenny Hirsch, [* 38] bildet. Zwischen den Lette-Vereinen, wie solche in vielen größern Städten, in Hamburg, [* 39] Berlin, Bremen, [* 40] Stettin, [* 41] Rostock, [* 42] Breslau, [* 43] Braunschweig, [* 44] Mainz, [* 45] Darmstadt, [* 46] Karlsruhe, [* 47] Hannover etc., gegründet sind, u. dem Allgemeinen deutschen Frauenverein, der in andern Orten, Dresden, Kassel, Eisenach, [* 48] Stuttgart, [* 49] Gotha, [* 50] Zwickau, [* 51] Frankfurt [* 52] a. M. etc., Zweigvereine und in den von Auguste Schmidt redigierten »Neuen Bahnen« sein Vereinsorgan besitzt, besteht insofern ein prinzipieller Unterschied, als der letztere die weibliche Selbsthilfe vorzugsweise betont, die Männer, abgesehen von einer Ehrenmitgliedschaft, daher gänzlich ausschließt, und als er durch Wanderversammlungen für die Ausbreitung der vertretenen Ideen wirken will.
Der Lette-Verein hingegen läßt die Männer zur Mitgliedschaft zu und will den Weg der Agitation nicht früher eingeschlagen wissen, als bis klare Ziele und feste Resultate gewonnen worden sind. Frauenvereine, welche ähnliche Ziele verfolgen wie die deutschen, bestehen teilweise auch in andern Ländern, so in Österreich [* 53] der Wiener Frauenerwerbverein und verwandte Vereine in andern größern Städten, in Pest ein Frauenbildungsverein, in Holland der Verein Tesselschade, der die Ausführung von Bestellungen auf Frauenarbeiten und durch eine Anzahl von Depots im Lande den Absatz von weiblichen Arbeitsprodukten vermittelt. In Nordamerika, [* 54] wo die Frauenbewegung ausschließlich politischen Charakter trägt, haben sich Woman-suffrage-associations gebildet, deren alleiniges Streben auf die Erringung des Stimmrechts für das weibliche Geschlecht gerichtet ist.
Eine weitere Kategorie von Frauenvereinen bilden die zahlreichen reinen Wohlthätigkeitsvereine, welche beredtes Zeugnis ablegen für die Aufopferungsfähigkeit und Hingebung der Frauenwirksamkeit. In dieser Richtung bewegen sich die Vereine zur Fürsorge für die Erziehung des heranwachsenden Geschlechts in Waisenhäusern, die Bestrebungen für Rettungsanstalten verwahrloster Kinder, gesunkener Mädchen u. dgl., die Vereine für Gesundheitspflege etc. Eine gleichmäßig fortschreitende Thätigkeit entwickelt der Kinderschutzverein zu Berlin, der die Aufgabe verfolgt, durch Austhun von Säuglingen und Kindern im ersten Lebensalter an Pflegemütter und durch Überwachung der letztern der abscheulichen »Engelmacherei« entgegenzuwirken. In seinem Weitergang will dieses System der Beaufsichtigung von Haltekindern Ersatz bieten für die Findelhäuser.
Endlich sind die eigentlich wirtschaftlichen Frauenvereine zu erwähnen. Sie stellen eine Art genossenschaftlicher Unternehmung dar auf der Basis freier Vereinsbildung und beruhen auf dem Prinzip der Selbsterhaltung aus eignen Geschäftserträgnissen. Reine Unternehmungen sind sie nicht, weil die oberste Geschäftsleitung unentgeltlich als Ehrenamt von Frauen in Verbindung zugleich mit Männern wahrgenommen wird. Hierher gehören die Volksküchen (s. d.) und die Hausfrauenvereine (s. d.), Schöpfungen, dem Berliner [* 55] Boden entsprossen und ihrem Wesen nach durch das Verdienst von Frau Lina Morgenstern [* 56] ins Leben gerufen und lebensfähig gemacht. Dieselbe gibt seit 1874 die »Deutsche Hausfrauenzeitung« heraus, neben welcher auch die »Wiener Hausfrauenzeitung« (hrsg. von Taußig, seit 1875) zu erwähnen ist.