mehr
Diejenigen Ortlichkeiten ^[richtig: Örtlichkeiten] abgerechnet, wohin die französische Sprache nur durch Kolonien verpflanzt worden ist (s. unten), umfaßt dieselbe ganz Frankreich (abgesehen von dem zugehörigen Patois und von der provençalischen und niederbretonischen Volkssprache), ferner die Normännischen Inseln, einen Teil von Belgien [* 2] und der Schweiz. [* 3] Genauer bezeichnet eine gerade Linie von Gravelingen (Gravelines unweit Calais) [* 4] nach Limburg, [* 5] einige Krümmungen nicht mit gerechnet, die Grenzscheide der französischen und niederländischen Sprache, [* 6] eine zweite von Limburg aus, wo sich drei Sprachgebiete, das französische, das niederländische und das deutsche, berühren, in südsüdöstlicher Richtung durch Luxemburg, zwischen Lothringen und Elsaß (nur einen Teil des Oberelsaß einschließend) hindurch, dann durch die Schweiz auf den St. Bernhard zu, so daß die Kantone Genf, Neuenburg [* 7] und Waadt ganz, Bern, [* 8] Freiburg [* 9] und Wallis zum Teil französisch reden, im allgemeinen die Grenze zwischen dem deutschen und französischen Lautgebiet.
Bemerkenswert ist der Umstand, daß an den Berührungspunkten die französische Sprache nirgends allmählich in die beiden andern Sprachen übergeht, daß sich also keine sogen. Mischsprache (jargon) bildet, sondern daß jede der genannten Sprachen selbst hart an der Grenze ihren Charakter in ganzer Reinheit festhält. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, als ob nicht Wörter, besonders in der Rede des gemeinen Mannes, vorkämen, die der Nachbarsprache angehören. Ein großer Wörteraustausch findet namentlich zwischen dem Wallonischen (einem französischen Dialekt) und dem Vlämischen (einem niederländischen Dialekt) statt; doch hat jede dieser Sprachen solche Wörter in Laut und Betonung [* 10] ihrer Eigentümlichkeit anzupassen gewußt.
Ganz anders verhält es sich mit dem Zusammentreffen der französischen Sprache mit der italienischen und mit der spanischen. Zwar wird man auch hier durch eine von Aosta auf Nizza [* 11] gezogene gerade Linie die ungefähre Grenze zwischen dem französischen und italienischen Lautgebiet sowie durch eine zweite Linie längs des Pyrenäenkammes die Scheide zwischen der französischen und spanischen Sprache abstecken können; indessen sind die Übergänge aus dem französischen Sprachgebiet in das eine und in das andre der beiden Nachbarsprachen durchaus leise und unmerklich.
Die provençalische Mundart, z. B. an der italienischen Grenze bei Nizza, und die italienische Mundart in Oberitalien [* 12] sind einander so ähnlich, daß Kenner noch nicht darüber einig sind, welchem Sprachgebiet diese Idiome eigentlich angehören. Aus dem eben abgesteckten Gebiet muß indessen (außer der Insel Corsica, [* 13] wo italienisch gesprochen wird) noch ausgeschieden werden zunächst die Niederbretagne (Basse-Bretagne), in welcher ein gälischer oder keltischer Dialekt gesprochen wird, und das Baskische am Fuß der Pyrenäen, welches ohne Verwandtschaft mit den in der Nähe gesprochenen Mundarten des Französischen und Spanischen auf altiberischen Ursprung hinweist. Zu dem großen Gebiet der französischen Sprache sind dagegen noch zu rechnen Teile von Missouri, Louisiana, die westliche Hälfte von Haïti, [* 14] Guadeloupe, Martinique und andre westindische Inseln, Algerien, [* 15] die französischen Besitzungen am Senegal, die Inseln Bourbon und Mauritius etc., so daß man die Zahl der außerhalb Europa [* 16] französisch Redenden ungefähr auf 1½ Mill. anschlagen kann.
In Frankreich selbst steht der allgemeinen Schriftsprache noch immer eine in viele Dialekte verzweigte niedere Volkssprache gegenüber. Der Franzose nennt diese Dialekte, gegenüber der Schriftsprache, les Patois (ein nicht sicher erklärtes Wort). Nicht die südfranzösischen (s. Provençalische Sprache), sondern nur die nordfranzösischen kommen hier in Betracht. In schriftlicher Darstellung werden heutzutage diese Patois selten anders als zu Volksliedern und zu dramatisierten Lokalpossen verwendet, woher es auch kommt, daß dieselben, gerade wie die deutschen Volksdialekte, keine feste Orthographie haben.
Man versucht die orthographische Nachbildung dadurch, daß man sich der für das rein Französische üblichen Schriftzeichen bedient und diesen Schriftzeichen diejenige Lautgeltung verleiht, welche dieselben regelrecht in der französischen Sprache haben. Indes kann eine solche Nachbildung in manchen Fällen nur annäherungsweise gelingen, da die Dialekte zum Teil ganz eigentümliche Laute besitzen. Die alten drei Hauptdialekte, Normännisch, Picardisch und Burgundisch, in ihrer Mitte die Sprache von Isle de France, treten auch heute noch hervor, aber größtenteils entstellt, gröber und unreiner, namentlich in den Vokalen.
Der normännische Dialekt wird noch heute in der Normandie, aber am altertümlichsten in Maine (das Manceau) gebraucht; ferner auf den Normännischen Inseln. In der Normandie ist viel Picardisch eingedrungen. Dem Dialekt von Maine schließt sich im allgemeinen der von Poitou an. Vorliebe für dumpfere Laute zeichnet die ganze Gruppe aus. Picardisch hört man in der Picardie, in Artois und in Französisch-Flandern. Es erhält etwas sehr Hartes durch das Ausstoßen vieler unbetonter e zwischen Konsonanten; außerdem ist ihm noch heute, wie in alter Zeit, der Wechsel zwischen Gutturalen und Zischlauten eigentümlich (z. B. canchon = chanson, kien = chien). An das Picardische stößt das Rouchi im Hennegau und in der Nordchampagne, wo sich deutscher Einfluß geltend macht; ebenso hat das Wallonische dadurch, daß es an das Vlämische (Brüssel) [* 17] grenzt, viel Germanisches in sich aufgenommen. Unter den burgundischen Dialekten weicht die in Lothringen gebrauchte Sprache, deren bemerkenswerteste Eigenheit der deutsche Kehllaut ist, nicht unbedeutend von den andern ab.
Die Geschichte der französischen Sprache bearbeiteten J. J. ^[Jean Jacques] Ampère (1841), Génin (1845), Duméril (1852), Chevallet (1853-57, 3 Bde.), Littré (8. Aufl. 1886, 2 Bde.) u. a.
Vgl. Aubertin, Histoire de la langue et de la littérature françaises au moyen-âge (2. Aufl. 1883, 2 Bde.).
Die altfranzösische Sprache (im weitern Sinn) wurde grammatisch behandelt von Raynouard, Diez, Fuchs, [* 18] Orelli, Burguy (»Grammaire de la langue d'oïl«, Berl. 1852-56, 3 Bde.); lexikalisch von Roquefort, Pougens u. a. Ein großes »Dictionnaire de l'ancienne langue française et de tous ses dialectes du IX. au XV. siècle« gibt jetzt Fréd. Godefroy (1880 ff.) heraus. Die brauchbarste altfranzösische Chrestomathie lieferte Karl Bartsch (mit Grammatik und Glossar, 4. Aufl., Leipz. 1880). -
Die alten Dialekte behandelte zuerst in grundlegender Weise Fallot (»Recherches sur les formes grammaticales de la langue française et de ses dialectes au XIII. siècle«, Par. 1839).
Vgl. Lücking, Die ältesten französischen Mundarten (Berl. 1877).
Die einzelnen
Mundarten alter und jetziger Zeit sind in ansehnlichen Glossarien
bearbeitet, z. B. der
patois picard von Corblet (1851), die verschiedenen, zum burgundischen Sprachkreis gehörenden
Patois
der
Champagne von Tarbe
(Reims
[* 19] 1851, 2 Bde.), der patois normand von
Louis du
Bois (1856), die wallonische
Sprache von Grandgagnage
(Lüttich
[* 20] 1847 ff.) Als
¶
mehr
Gesamtdarstellung der nordfranzösischen und zugleich der südfranzösischen Mundarten der Jetztzeit ist immer noch nichts Bedeutenderes nachzuweisen als Schnakenburgs »Tableau synoptique et comparatif des idiomes populaires ou patois de la France« (Berl. 1840).
Vgl. Pierquin de Gembloux, Histoire littéraire philologique et bibliographique des patois (Par. 1841).
Was die neufranzösische Sprache betrifft, so ist als die älteste Grammatik derselben mitbewundernder Anerkennung das große Werk des Engländers Palsgrave zu bezeichnen (»L'esclarcissement de la langue françoyse«, Lond. 1530; neu hrsg. von Génin, Par. 1852). Die erste in Frankreich geschriebene Grammatik ist die vom Arzt Sylvius (Jacques Dubois): »In linguam gallicam isagoge« (Par. 1531). Es folgte alsdann 1550 von Louis Meigret: »Tretté de la grammaire françoize«. Der berühmte Robertus Stephanus (Etienne) veröffentlichte einen »Traicté de la grammaire françoise« (Genf [* 22] 1557),
welcher 1560 ins Lateinische übertragen wurde. Auch P. Ramus, Ant. Caucius und Joh. Pilotus verfaßten Grammatiken. Weit wertvoller als die zuletzt erwähnten ist Henri Stephanus' (Etienne) »Traité de la conformité du langage français avec le grec« (1569) und »Précellence du langage français« (1579),
die von Léon Faugère neu herausgegeben wurden (1852). Als Vorbereitung zu den Arbeiten der französischen Akademie sind Vaugelas' »Remarques sur la langue françoise« (Par. 1647) und Ménages »Observations sur la langue françoise« (das. 1675) zu nennen. Von den spätern grammatischen Schriften sind die merkwürdigsten: »Grammaire générale par MM. de Port-Royal« (1709, 1803),
herausgegeben von de Wailly (1754, 1803),
mit »Remarques« von Duclos (Par. 1830);
Chifflet (»Nouvelle et parfaite grammaire française«, das. 1722),
Girault-Duvivier (»Grammaire des grammaires etc.«, 21. Aufl., Brüss. 1879),
Beauzée (»Grammaire générale, ou Exposition raisonnée des éléments nécessaires du langage, etc.«, Par. 1819),
Noël und Chapsal (»Grammaire française«, das., 3 Bde.; in unzähligen Auflagen),
Restaut (»Principes généraux et raisonnés de la grammaire française avec des observations sur l'orthographe, les accents, la ponctuation et la prononciation, etc.«, 4. Aufl., das. 1812),
Bescherelle (»Grammaire nationale, ou Grammaire de Voltaire, de Racine, de Fénelon, de J. J. Rousseau, de Buffon, etc.«, das. 1835 u. öfter).
Poitevins »Grammaire générale et historique de la langue française« (Par. 1856-57, 2 Bde.) hatte an der heutigen Sprachwissenschaft noch keinen Anteil; dagegen verstand es Aug. Brachet, in seiner »Grammaire historique de la langue française« (das. 1867 u. öfter) die Resultate der durch Diez begründeten romanischen Sprachforschung in scharfer Kürze darzustellen. Unter den in Deutschland [* 23] erschienenen Schulgrammatiken sind die verbreitetsten die von Meidinger, Hirzel, Ahn, Borel, Knebel, Plötz, Toussaint-Langenscheidt-Brunnemann u. a. Höher strebten die Grammatiken von Städler (Berl. 1843), Collmann (2. Aufl., Marb. 1865), Schipper (2. Aufl., Münst. 1853). Aber erst Mätzner lieferte eine wahrhaft wissenschaftliche »Syntax der neufranzösischen Sprache« (Berl. 1843-45, 2 Bde.),
der sich seine treffliche »Französische Grammatik mit besonderer Berücksichtigung des Lateinischen« (das. 1856, 2. Aufl. 1877) anschloß, während Schmitz' »Französische Grammatik« (4. Aufl., das. 1880) in einer einfachern streng wissenschaftlichen Darstellung viele neue Auffassungen darlegte und eine allgemeinere Brauchbarkeit anstrebte. Ferner ist hinzuweisen auf zahlreiche Arbeiten über grammatische Einzelheiten, meist in Schulprogrammen und Zeitschriften, besonders in Herrigs »Archiv für die Kunde neuerer Sprachen«.
Das erste nennenswerte Wörterbuch ist das von Robert Etienne (»Dictionnaire français-latin«, 1539); ihm folgte das ebenfalls französisch-lateinische von Jean Nicot (1572). Ein auf breiterer Basis angelegtes Wörterbuch ist das von Richelet (Genf 1680) das schon auf Etymologie Rücksicht nimmt. Das »Dictionnaire universel« von Ant. Furetière (Haag [* 24] 1690) wurde, von den Jesuiten neu aufgelegt, berühmter unter dem Namen des »Dictionnaire de Trévoux« (1704 u. öfter),
aber von der französischen Akademie für ein Plagiat erklärt und beschleunigte das Erscheinen der eigentlich lexikalischen Autorität der Franzosen, des »Dictionnaire de l'Académie française« (zuerst 1694, 6. Aufl. 1835, 7. Aufl. 1878). Spätere Wörterbücher sind von Boiste (1800; 8. Aufl. von Nodier, mit dem Titel: »Panlexique«),
Wailly (1801 u. öfter),
Barré (»Complément du Dictionnaire de l'Académie«, neueste Ausg. 1881),
Napoléon Landais (15. Aufl. 1867),
Poitevin (»Nouveau dictionnaire universel«, 1854-60),
Bescherelle (»Dictionnaire national«, 1843-46, 2 Bde.),
Dupiney de Vorepierre (»Dictionnaire français illustré«, 1856-64, 2 Bde.),
Laveaux (»Dictionnaire raisonné de difficultés grammaticales et littéraires«, 4. Aufl. 1872) u. a. Das wissenschaftlich bedeutendste Werk aber ist Littrés großes »Dictionnaire de la langue française« (1863-72, 4 Bde.; Auszug 1875),
das den gesamten Wortschatz Frankreichs umfaßt und für alle Bedeutungen der Wörter Belege aus den Autoren aller Jahrhunderte beibringt. Hierzu kommt das große, von der Akademie begonnene »Dictionnaire historique de la langue française« (1858 französische). Unter den französisch-deutschen Wörterbüchern sind hervorzuheben: die von Schwan (Mannh. 1787 bis 1794, 2 Bde.; neue Aufl. 1820), Mozin (Stuttg. 1811; später bearbeitet von Peschier, 4. Aufl., 2. Abdruck 1873), Thibaut (100. Aufl., Braunschw. 1883), Schuster und Regnier (13. Aufl., Leipz. 1877, 2 Bde.) und besonders Sachs' und Villattes verdienstliches »Encyklopädisches Wörterbuch mit durchgängiger Angabe der französischen Aussprache« (Berl. 1869-74, 2 Bde.; Auszug: Hand- und Schulausgabe, 1874). Bloß etymologische Wörterbücher erschienen von Ménage (Par. 1650), Borel (1655), Dufresne (1682), Pougens (1819), Roquefort (1829), Noël und Carpentier (1831), Hauschild (Leipz. 1843); die wichtigsten sind jetzt das von Aug. Scheler (Brüssel 1862, neue Ausg. 1873; hierzu als Ergänzungsband eine Art historische Grammatik, 1875; Auszug 1865) und das kleinere von Aug. Brachet (Par. 1868 u. öfter).
Die Synonymen behandelten Girard (zuerst 1736), Guizot (1809, 1822), am bedeutendsten Lafaye (4. Aufl., Par. 1879). Allgemein geschätzt als eine selbständige Arbeit ist die »Französische Synonymik mit Berücksichtigung des Lateinischen« von Schmitz (2. Aufl., Leipz. 1877). Die Aussprache behandeln: Steffenhagen (»Französische Orthoepie«, Parchim 1841),
Dubroca (»Principes raisonnés sur l'art de lire à haute voix«, Par. 1802, und »Traité de la prononciation des consonnes et des voyelles finales«, das. 1824),
Sophie Dupuis (»Traité de prononciation«, das. 1836, selten),
Feline (»Dictionnaire de la prononciation«, das. 1851),
Malvin-Cazal (»Prononciation de la langue française«, das. 1847),
Lesaint (»Traité complet et méthodique de la prononciation ¶