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römischen Heere und Kolonien, wie in den übrigen Provinzen des römischen Reichs, so auch in Gallien verbreitete. Sie drängte die einheimischen Idiome (Iberisch, Keltisch, Germanisch) zurück, wurde aber auch durch dieselben bedeutend modifiziert, im Norden [* 2] namentlich seit dem Eindringen der Franken (seit dem Anfang des 5. Jahrh.) durch das Germanische, während die altbegründete romanische Sprache [* 3] im Süden weniger germanischen Einfluß erfuhr und sich weniger von dem Charakter des Lateinischen entfernte.
Nachdem die Franken im Norden 300 Jahre lang geherrscht hatten, zeigte es sich bei der Teilung des Reichs 843, daß dort, im westlichen Frankenreich (Francia occidentalis), die romanische Sprache (lingua romana) ebenso wie im Süden die allgemeine Volkssprache geblieben war. Die beiden galloromanischen Sprachen des Südens und des Nordens, ohne Zweifel von ihren Anfängen an verschieden, allmählich ihren besondern Eigentümlichkeiten nach weiter ausgebildet, behaupteten doch insoweit ihre engere Verwandtschaft, daß man sie später die beiden Hauptmundarten Frankreichs nennen konnte.
Die Grenze zwischen ihnen bildete ungefähr die Loire, genauer eine Linie, welche von Grenoble [* 4] bis La Rochelle um Dauphiné, Lyonnais, Auvergne und Limousin sich hinzieht. Wie man die südliche, jetzt auch die südfranzösische geheißen, die Langue d'oc nannte (s. Provençalische Sprache), so wurde die nördliche, eigentlich französische oder nordfranzösische, die Langue d'oïl oder d'oui genannt. Von letzterer besitzen wir aus dem 9. und 10. Jahrh. eine Reihe von Proben; daher darf das Französische sich rühmen, unter sämtlichen romanischen Sprachen die ältesten Denkmäler zu haben. - Diese Sprache war wiederum von frühen Zeiten an in verschiedene Mundarten geschieden.
Die hauptsächlichsten fallen in folgende, auch politisch unter eignen Herzögen oder Grafen selbständige, drei Gebiete: Normandie, Picardie und Bourgogne. Zwischen ihnen die Mitte haltend und dazu bestimmt, sie in sich zu vereinigen und alsdann zu überflügeln, liegt das vierte Sprachgebiet: Isle de France mit der Hauptstadt Paris. [* 5] Seit der Usurpation des königlichen Throns durch Hugo Capet, Herzog von Francien, also seit 987, erlangte allmählich der Dialekt von Isle de France einen Vorrang vor den andern Dialekten, im Gegensatz zu denen man ihn speziell den französischen (le François, le parler de France) nannte. Was man außerdem noch als einen besondern Dialekt angesehen hat, das Anglonormännische, ist nichts andres als der normännische mit Abweichungen oder Entartungen, welche sich auf englischem Boden unter den dortigen besondern Verhältnissen entwickelten. - Die ganze nordfranzösische Sprache vom 9. bis zum 16. Jahrh. nannte man bisher das Altfranzösische. Es empfiehlt sich aber die Scheidung von Altfranzösisch (9.-13. Jahrh.) und Mittelfranzösisch (14.-16. Jahrh.) nach der Analogie der verschiedenen Sprachstufen andrer Gebiete.
Die altfranzösische Sprache in dieser Begrenzung ist die eigentliche Langue d'oïl; sie ist hauptsächlich charakterisiert durch die von Raynouard entdeckte Règle de l's (Sing. Nom. rois, Akk. roi; Plur. Nom. roi, Akk. rois), welche sie mit der provençalischen Sprache gemein hat. Die Sprache von Paris erhielt im 13. Jahrh. entschieden das Übergewicht über alle andern Mundarten und wurde, besonders nach den unglücklichen Albigenserkriegen, immer mehr für ganz Frankreich zur Schriftsprache erhoben, obwohl die Mundarten auch noch weiter bis ins 15. Jahrh. hinein litterarisch benutzt wurden. Die bedeutende Umänderung der Sprache, welche in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. eintrat mit dem Aufhören der Règle de l's und mit der Erhebung des s zum allgemeinen Pluralzeichen, bezeichnet den Fortgang zum Mittelfranzösischen, welches schon Langue d'oui ist. - Seit Franz I., der 1539 eine Professur für die in französische Sprache Paris errichtete und an die Stelle des Gebrauchs der lateinischen Sprache bei Gerichten den der Landessprache setzte, näherte sie sich schneller dem neufranzösischen Charakter, welchen man vom Anfang des 17. Jahrh. datiert (s. Malherbe).
Doch erst dem Zeitalter Ludwigs XIV. war es vorbehalten, mit Beihilfe der französischen Akademie der Sprache ihre volle Eleganz, Bestimmtheit, Schärfe und Harmonie und eine streng abgegrenzte Gestalt zu geben. Seit 1735 wurde die französische Sprache zur allgemeinen Staats- oder diplomatischen Sprache erhoben. Für das weitere Fortschreiten der französischen Sprache bezeichnend ist, daß die französische Akademie nach der 6. Auflage ihres Wörterbuchs (1835) über 2000 neue Wörter in die 7. Auflage (1878) aufzunehmen hatte.
Als charakteristische Eigenschaften der französischen Sprache, die ihr wenigstens in vorzüglichem Grad zukommen, hebt man folgende hervor: Klarheit, Bestimmtheit und Regelmäßigkeit, Reinheit der Ausdrücke, Lebhaftigkeit. Diese Vorteile, innig verbunden mit ihrem gesamten eigentümlichen Gepräge, verleihen ihr einen Reiz, welcher sie bei allen Nationen beliebt macht. Die Einfachheit, Natürlichkeit und Regelmäßigkeit ihrer Wortfolge im Satzbau erleichtert auch ihre Erlernung.
Man unterscheidet im Französischen, wie in andern gebildeten Sprachen, eine Aussprache für die gelegentliche, ohne besondern Nachdruck gehaltene Rede, für das Gespräch oder die Unterhaltung (la conversation) und eine solche für die Deklamation oder den Vortrag (getragene Rede, le discours soutenu, le style soutenu). Die Aussprache der Konversation oder Umgangssprache zeichnet sich durch ihre Flüchtigkeit, Freiheit und eine gewisse Nachlässigkeit aus (»en France, la prononciation est rapide comme l'esprit des Français«).
Sie gleitet leicht über hindernde
Konsonanten weg und elidiert in den meisten
Fällen das kurze, dumpfe
e, sowohl in der Mitte als am Ende der
Wörter. Die
Aussprache der
Deklamation oder getragenen
Rede ist dagegen im ganzen langsamer,
ernst und nachdrücklich. Die
Vokale sowie die
Konsonanten werden deutlicher artikuliert, das »stumme« e wird in vielen
Fällen als besondere
Silbe vernehmlich gesprochen, die zulässigen
Verbindungen der Endkonsonanten mit
den Anfangsvokalen
der folgenden
Wörter werden streng beobachtet.
Der größere Raum, wo der öffentliche Redner auftritt, der Ernst und die Wichtigkeit des Gegenstandes, den er zu behandeln hat, legen ihm die Notwendigkeit auf, langsamer, lauter, bestimmter und deutlicher auszusprechen. Die Aussprache der Poesie (der Vortrag der Verse) hat überdies noch ihre speziellen Vorschriften; sie verlangt die größte Sorgfalt, die höchste Rundung, Nüancierung und sozusagen pittoreske Lebendigkeit des Ausdrucks. In ihr müssen die Gesetze der Orthoepie (über Bindung, Doppelkonsonanten u. a.) auf das strengste befolgt werden. Die im Französischen üblichen Lautzeichen, die lateinischen Buchstaben, reichen bei weitem nicht aus, alle Laute und Modifikationen der Sprache darzustellen; ein und derselbe Laut wird nicht immer durch dasselbe Zeichen dargestellt, sondern durch verschiedene zusammengesetzte Zeichen, und öfters dient dasselbe Zeichen, verschiedene Laute darzustellen. ¶
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Diejenigen Ortlichkeiten ^[richtig: Örtlichkeiten] abgerechnet, wohin die französische Sprache nur durch Kolonien verpflanzt worden ist (s. unten), umfaßt dieselbe ganz Frankreich (abgesehen von dem zugehörigen Patois und von der provençalischen und niederbretonischen Volkssprache), ferner die Normännischen Inseln, einen Teil von Belgien [* 7] und der Schweiz. [* 8] Genauer bezeichnet eine gerade Linie von Gravelingen (Gravelines unweit Calais) [* 9] nach Limburg, [* 10] einige Krümmungen nicht mit gerechnet, die Grenzscheide der französischen und niederländischen Sprache, eine zweite von Limburg aus, wo sich drei Sprachgebiete, das französische, das niederländische und das deutsche, berühren, in südsüdöstlicher Richtung durch Luxemburg, zwischen Lothringen und Elsaß (nur einen Teil des Oberelsaß einschließend) hindurch, dann durch die Schweiz auf den St. Bernhard zu, so daß die Kantone Genf, Neuenburg [* 11] und Waadt ganz, Bern, [* 12] Freiburg [* 13] und Wallis zum Teil französisch reden, im allgemeinen die Grenze zwischen dem deutschen und französischen Lautgebiet.
Bemerkenswert ist der Umstand, daß an den Berührungspunkten die französische Sprache nirgends allmählich in die beiden andern Sprachen übergeht, daß sich also keine sogen. Mischsprache (jargon) bildet, sondern daß jede der genannten Sprachen selbst hart an der Grenze ihren Charakter in ganzer Reinheit festhält. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, als ob nicht Wörter, besonders in der Rede des gemeinen Mannes, vorkämen, die der Nachbarsprache angehören. Ein großer Wörteraustausch findet namentlich zwischen dem Wallonischen (einem französischen Dialekt) und dem Vlämischen (einem niederländischen Dialekt) statt; doch hat jede dieser Sprachen solche Wörter in Laut und Betonung [* 14] ihrer Eigentümlichkeit anzupassen gewußt.
Ganz anders verhält es sich mit dem Zusammentreffen der französischen Sprache mit der italienischen und mit der spanischen. Zwar wird man auch hier durch eine von Aosta auf Nizza [* 15] gezogene gerade Linie die ungefähre Grenze zwischen dem französischen und italienischen Lautgebiet sowie durch eine zweite Linie längs des Pyrenäenkammes die Scheide zwischen der französischen und spanischen Sprache abstecken können; indessen sind die Übergänge aus dem französischen Sprachgebiet in das eine und in das andre der beiden Nachbarsprachen durchaus leise und unmerklich.
Die provençalische Mundart, z. B. an der italienischen Grenze bei Nizza, und die italienische Mundart in Oberitalien [* 16] sind einander so ähnlich, daß Kenner noch nicht darüber einig sind, welchem Sprachgebiet diese Idiome eigentlich angehören. Aus dem eben abgesteckten Gebiet muß indessen (außer der Insel Corsica, [* 17] wo italienisch gesprochen wird) noch ausgeschieden werden zunächst die Niederbretagne (Basse-Bretagne), in welcher ein gälischer oder keltischer Dialekt gesprochen wird, und das Baskische am Fuß der Pyrenäen, welches ohne Verwandtschaft mit den in der Nähe gesprochenen Mundarten des Französischen und Spanischen auf altiberischen Ursprung hinweist. Zu dem großen Gebiet der französischen Sprache sind dagegen noch zu rechnen Teile von Missouri, Louisiana, die westliche Hälfte von Haïti, [* 18] Guadeloupe, Martinique und andre westindische Inseln, Algerien, [* 19] die französischen Besitzungen am Senegal, die Inseln Bourbon und Mauritius etc., so daß man die Zahl der außerhalb Europa [* 20] französisch Redenden ungefähr auf 1½ Mill. anschlagen kann.
In Frankreich selbst steht der allgemeinen Schriftsprache noch immer eine in viele Dialekte verzweigte niedere Volkssprache gegenüber. Der Franzose nennt diese Dialekte, gegenüber der Schriftsprache, les Patois (ein nicht sicher erklärtes Wort). Nicht die südfranzösischen (s. Provençalische Sprache), sondern nur die nordfranzösischen kommen hier in Betracht. In schriftlicher Darstellung werden heutzutage diese Patois selten anders als zu Volksliedern und zu dramatisierten Lokalpossen verwendet, woher es auch kommt, daß dieselben, gerade wie die deutschen Volksdialekte, keine feste Orthographie haben.
Man versucht die orthographische Nachbildung dadurch, daß man sich der für das rein Französische üblichen Schriftzeichen bedient und diesen Schriftzeichen diejenige Lautgeltung verleiht, welche dieselben regelrecht in der französischen Sprache haben. Indes kann eine solche Nachbildung in manchen Fällen nur annäherungsweise gelingen, da die Dialekte zum Teil ganz eigentümliche Laute besitzen. Die alten drei Hauptdialekte, Normännisch, Picardisch und Burgundisch, in ihrer Mitte die Sprache von Isle de France, treten auch heute noch hervor, aber größtenteils entstellt, gröber und unreiner, namentlich in den Vokalen.
Der normännische Dialekt wird noch heute in der Normandie, aber am altertümlichsten in Maine (das Manceau) gebraucht; ferner auf den Normännischen Inseln. In der Normandie ist viel Picardisch eingedrungen. Dem Dialekt von Maine schließt sich im allgemeinen der von Poitou an. Vorliebe für dumpfere Laute zeichnet die ganze Gruppe aus. Picardisch hört man in der Picardie, in Artois und in Französisch-Flandern. Es erhält etwas sehr Hartes durch das Ausstoßen vieler unbetonter e zwischen Konsonanten; außerdem ist ihm noch heute, wie in alter Zeit, der Wechsel zwischen Gutturalen und Zischlauten eigentümlich (z. B. canchon = chanson, kien = chien). An das Picardische stößt das Rouchi im Hennegau und in der Nordchampagne, wo sich deutscher Einfluß geltend macht; ebenso hat das Wallonische dadurch, daß es an das Vlämische (Brüssel) [* 21] grenzt, viel Germanisches in sich aufgenommen. Unter den burgundischen Dialekten weicht die in Lothringen gebrauchte Sprache, deren bemerkenswerteste Eigenheit der deutsche Kehllaut ist, nicht unbedeutend von den andern ab.
Die Geschichte der französischen Sprache bearbeiteten J. J. ^[Jean Jacques] Ampère (1841), Génin (1845), Duméril (1852), Chevallet (1853-57, 3 Bde.), Littré (8. Aufl. 1886, 2 Bde.) u. a.
Vgl. Aubertin, Histoire de la langue et de la littérature françaises au moyen-âge (2. Aufl. 1883, 2 Bde.).
Die altfranzösische Sprache (im weitern Sinn) wurde grammatisch behandelt von Raynouard, Diez, Fuchs, [* 22] Orelli, Burguy (»Grammaire de la langue d'oïl«, Berl. 1852-56, 3 Bde.); lexikalisch von Roquefort, Pougens u. a. Ein großes »Dictionnaire de l'ancienne langue française et de tous ses dialectes du IX. au XV. siècle« gibt jetzt Fréd. Godefroy (1880 ff.) heraus. Die brauchbarste altfranzösische Chrestomathie lieferte Karl Bartsch (mit Grammatik und Glossar, 4. Aufl., Leipz. 1880). -
Die alten Dialekte behandelte zuerst in grundlegender Weise Fallot (»Recherches sur les formes grammaticales de la langue française et de ses dialectes au XIII. siècle«, Par. 1839).
Vgl. Lücking, Die ältesten französischen Mundarten (Berl. 1877).
Die einzelnen Mundarten alter und jetziger Zeit sind in ansehnlichen Glossarien bearbeitet, z. B. der patois picard von Corblet (1851), die verschiedenen, zum burgundischen Sprachkreis gehörenden Patois der Champagne von Tarbe (Reims [* 23] 1851, 2 Bde.), der patois normand von Louis du Bois (1856), die wallonische Sprache von Grandgagnage (Lüttich [* 24] 1847 ff.) Als ¶