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Bestreiter des Kirchenglaubens, gegeben habe. Auch waren die philosophischen Grundlagen der Albigenserhäresie hauptsächlich von Franzosen, wie Amalrich von Bena und David von Dinant, gelegt worden. Als mit dem Anbruch der Renaissance die französische Sprache auch in die wissenschaftliche Litteratur eindrang, gehörten die ersten Versuch eines Philosophierens in der Nationalsprache: die Schriften eines Montaigne (gest. 1592), Charron, Boëtie, Bodin, dem Skeptizismus an, während die lateinisch schreibenden Humanisten, wie Ramus (de la Ramée), mit ihren Geistesverwandten in England, Italien [* 2] und Deutschland [* 3] zugleich das Ansehen des scholastischen Aristoteles bekämpften.
Während aber für jene der theoretische Zweifel (»Que sais-je?« sagte Montaigne) der Endpunkt war, bildete er für den größten wissenschaftlichen Philosophen, den Frankreich hervorgebracht hat, Descartes oder Cartesius (1596-1650), nur den Ausgangspunkt des Philosophierens, die Überwindung des Zweifels durch rationale, weder empirische noch historische Gründe die Aufgabe der Philosophie, durch deren Lösungsversuch derselbe nicht bloß für die französische, sondern für die Philosophie als solche epochemachend geworden ist.
Der Kern desselben lag in der Folgerung von der nicht abzuleugnenden Thatsache des eignen Denkens auf die nicht abzuwehrende Notwendigkeit des eignen Seins und von der unüberwindlichen Klarheit und Deutlichkeit gewisser in unserm Bewusstsein vorfindlicher Begriffe auf deren Wahrheit und Realität, also in der Methode, wodurch Descartes einerseits die Aufmerksamkeit von den sogen. äußern Dingen ab- und der Beobachtung des Innern, den Thatsachen des Bewußtseins, zuwandte (Intellektualismus), anderseits dem auf einleuchtenden Grundbegriffen (sogen. Ideen) dogmatisch fortbauenden Rationalismus den Weg vorzeichnete.
Ersterer Umstand unterschied den Cartesianismus von dem (auf Beobachtung mittels des äußern Sinnes sich stützenden) Sensualismus, letzterer von dem (statt aus Begriffen, aus Erfahrungsthatsachen folgernden) Empirismus. Durch jenen wurden die Psychologen und Mystiker, welche der zweifelhaften äußern eine unzweifelhafte innere Erfahrung, durch diesen die Mathematiker und Metaphysiker, welche der nur Wahrscheinlichkeit gewährenden induktiven eine aus reinen Begriffen gefolgerte deduktive Erkenntnis entgegensetzen wollten, für Descartes' Philosophie gewonnen.
Unter den erstern nahmen die Theologen von Port-Royal, die Jansenisten Antoine Arnauld (gest. 1694), Nicole (gest. 1695), Pascal (gest. 1662), unter diesen (außer dem Niederländer Geulings, dem Erfinder des Okkasionalismus) der Arzt und spätere Anhänger Spinozas, Louis de La Forge (von Saumur), und der Oratorianer Malebranche (1638-1715) die ersten Stellen ein. Als Gegner des Cartesianismus traten nicht nur die Feinde der Philosophie überhaupt, insbesondere die Jesuiten, sondern unter den Philosophen selbst sowohl die Skeptiker als die Sensualisten und Empiristen auf.
Unter den Skeptikern machten sich berühmt: der Bischof P. D. Huet (1630-1721), der aus einem Freunde der Cartesianischen Philosophie deren Gegner wurde und aus Verzweiflung an der Möglichkeit des Wissens die Notwendigkeit des Glaubens empfahl; der witzige Satiriker François Lamothe le Vayer (1588-1672), der alle Vernunftreligion für ungewiß und nur die übervernünftige Offenbarung (ironisch) für unbestreitbar erklärte, und vor allen Pierre Bayle (1647-1706), dessen Hauptwerk, das »Dictionnaire historique-critique«, durch seine nach allen Seiten in philosophischer, religiöser und sozialer Hinsicht zersetzende Wirkung das Vorbild der spätern Encyklopädie geworden ist.
Den Sensualismus, in dessen Gefolge sich in theoretischer Hinsicht der Materialismus, in praktischer der egoistische Eudämonismus allmählich (besonders seit dem Bekanntwerden der materialistischen Korpuskularphilosophie des Engländers Hobbes in Frankreich) einstellten, vertrat dem Intellektualismus und Idealismus des Cartesius gegenüber vornehmlich Pierre Gassendi (1592-1655). Dieser, als ausgezeichneter Physiker, stellte der Cartesianischen Naturphilosophie, welche das Wesen der körperlichen Materie in die reine Ausdehnung [* 4] gesetzt hatte, die Atomistik des Epikur entgegen, die er als die einzige mit den Anforderungen der Physik verträgliche Form metaphysischer Grundlegung der materiellen Erscheinungswelt ansah, welche Meinung nachher durch den Atomismus der Newtonschen »Principia philosophiae naturalis mathematica« bestärkt, von den wesentlich auf diesen fortbauenden Philosophen der Encyklopädie, die ihren Ausgangspunkt von der Physik nahmen, wieder aufgenommen und gegenwärtig inner- und außerhalb Frankreichs bei den Naturlehrern die herrschende geworden ist.
Auch der Eudämonismus Epikurs ist von Gassendi eingeführt und als konsequente Folgerung einer Lehre, [* 5] die keine andre Erkenntnisquelle als den äußern Sinn und keinen andern ethischen Wertmesser als sinnliche Lust oder Unlust besitzt, auf seine Nachahmer und Nachfolger, die französischen Materialisten des 18. Jahrh., vererbt worden. Der vermittelnde Ausgleich, den der gelehrte Minorit Marin Mersenne (gest. 1648), der, wie Gassendi, mit Hobbes in persönlich freundschaftlichem Verhältnis stand, zwischen jenem und Descartes besonders in Bezug auf den ontologischen Beweis für das Dasein Gottes herzustellen versuchte, blieb ohne nachhaltigen Erfolg, ebenso wie der Ausbau des Cartesianischen Idealismus auf dem von Malebranche eingeschlagenen Weg, welchen der französische Leibniz, de Fontenelle (1657-1757), in seinen oft nachgeahmten »Entretiens sur la pluralité des mondes« (1686) ausführte.
Der dem aus Ideen und Begriffen apriorisch folgernden Rationalismus feindliche Empirismus trat in Frankreich zuerst und auf originelle Weise auf dem Gebiet der Moral und Politik, dagegen erst infolge des Bekanntwerdens Lockes, welcher den angebornen Ideen des Cartesianismus ein Ende machte, auf psychologischem und pädagogischem Feld auf. Die sogen. Moralisten, zu welchen Saint-Evremond (1613-1703), La Rochefoucauld (1613-80), der berühmte Verfasser der »Maximes«, und La Bruyère (1645-95),
der Verfasser der »Caractères«, gehören, verwandelten die Moralphilosophie aus einer Sittenlehre, wie der Mensch sein sollte, in eine bloße Sittenkunde, wie er wirklich sei, und legten derselben die zwar sehr naturgetreue, aber nichts weniger als nachahmungswürdige Schilderung ihrer der Mehrzahl nach sittlich verwahrlosten Zeitgenossen zu Grunde. Montesquieu (1689-1755), der in seinen »Lettres persanes« zuerst gleichfalls als (ironischer) Sittenschilderer aufgetreten war, verpflanzte in seinem Hauptwerk: »Esprit des lois«, den Empirismus auf den Boden der Staatswissenschaft, indem er statt eines aus Vernunftideen geschöpften Staatsideals die durch Klima, [* 6] Bodenbeschaffenheit, Nationalität etc. gegebenen Bedingungen bestehender Gesetzgebungen und Staatsformen schilderte und dadurch den Grund zu einer Philosophie der Geschichte als natürlicher Entwickelungsgeschichte [* 7] ¶
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(Physiologie) des Staats und der bürgerlichen Gesellschaft legte, auf welchem Weg ihm Turgot (1727-1781), der zuerst ein Gesetz derselben entdeckte, Condorcet (1743-93) und A. Comte (1798-1857) in Frankreich (Buckle in England) nachgefolgt sind. Lockes Empirismus wurde zugleich mit dem englischen Deismus und Liberalismus in kirchlichen und politischen Dingen durch Voltaire (1694-1778) seinen Landsleuten empfohlen und durch Condillac (1715-80) auf die Psychologie, durch J. J. Rousseau (1712-78) auf die Erziehungslehre angewandt.
Durch den Sieg der Genannten ward der Cartesianismus aus allen Positionen verdrängt, und statt der Gegensätze einer apriorischen (aus Ideen) und einer aposteriorischen (aus Thatsachen) folgernden Philosophie standen einander in Frankreich im Lauf des 18. Jahrh. nur eine auf Thatsachen des innern und eine auf solche lediglich des äußern Sinnes sich stützende Erfahrungsphilosophie (psychologischer und physikalischer Empirismus, deren ersterer seinen Ausgang von der empirischen Psychologie, letzterer dagegen von der empirischen Physik nahm) als Kämpfer gegenüber.
Jene, welche den Geist und dessen Vorgänge als Gegenstand der nach innen gewandten Selbstbeobachtung und dadurch als etwas von der Körperwelt, dem Gegenstand der nach außen gekehrten Anschauung, wesentlich Verschiedenartiges gelten ließ, behielt dadurch immer noch einen idealistischen, diese, indem sie nur Gegenstände der äußern Wahrnehmung für reell und daher das sogen. Geistige, soweit es überhaupt erfahrbar sei, eben nur für ein (verfeinertes) Körperliches erklärte, nahm entschieden materialistischen Charakter an. Der physikalische Empirismus, dessen Organ die Encyklopädie und dessen glänzendste Vertreter Diderot (1713-84), dessen letzte Schriften indessen einen idealistischen Anklang verrieten, d'Alembert (1717-83), v. Holbach (1723-89), der deutsche Verfasser des »Systeme de la nature«, und der von Friedrich d. Gr. an seinen Hof [* 9] gezogene Arzt La Mettrie (1709-51),
der Verfasser des Buches »L'homme machine«, waren, fiel mit dem Sensualismus zusammen und nahm die Gassendische Erbschaft Epikurs, durch das Ansehen der Newtonschen Physik unterstützt, in theoretischer und praktischer Hinsicht als atomistischen Materialismus und durch Helvetius (1715-71), in dessen Buch »De l'esprit«, als eudämonistischen Egoismus wieder auf. Dieser »Moral des Eigennutzes«, welcher selbst Diderot in seinen letzten Schriften durch die Bevorzugung des uneigennützigen Wohlwollens vergebens zu steuern gesucht hatte, gegenüber appellierte Rousseau von der durch die Zivilisation angeblich entstellten und verdorbenen an die ursprüngliche Güte der reinen Menschennatur (l'homme naturellement bon) als Thatsache des Selbstbewußtseins.
Der psychologische Empirismus entdeckte in der Seele zwar nicht mehr, wie der Cartesianismus, angeborne Ideen, aber doch das Vorhandensein einer »angebornen« Gabe, richtig zu urteilen, eine »natürliche Vernunft«, die wie durch einen Instinkt das Rechte trifft, und deren Ausspruch als oberster Instanz sich das bestehende »Vorurteil« in religiösen, politischen und sozialen Dingen unterzuordnen habe. Durch diese Aufdeckung der natürlichen Vernunft als unfehlbarer Erkenntnisquelle, worin er mit den englischen und schottischen Moralphilosophen, insbesondere mit Shaftesbury und Hutcheson, zusammentraf, ist Rousseau der eigentliche Vater der Aufklärung, der hinreißende Verkünder der Vernunftreligion und des Vernunftrechts und der Urheber des allgewaltigen Dranges zur Umgestaltung des bestehenden Vernunftwidrigen geworden, welcher zunächst in Frankreich zur gewaltsamen Umwälzung und zum großartigen, allerdings auch von Ausartungen nicht frei gebliebenen Versuch der Neubegründung des gesamten religiösen, politischen und sozialen Lebens nach Vernunftgrundsätzen führte.
Trotz dieser scheinbaren Allmacht der Vernunft, welche für eine Weile die Philosophie an die Spitze der weltbewegenden Mächte stellte, hat die wissenschaftliche Strenge der Philosophie in Frankreich durch jenen Erfolg nicht gewonnen, da die bloß empirische Psychologie kein Mittel an die Hand [* 10] gibt, Aussprüche der wahren von jenen einer nur scheinbaren Vernunft zu unterscheiden, welche Aufgabe erst die deutsche Philosophie durch Kant, den wärmsten Bewunderer Rousseaus, zu lösen gesucht hat.
Die französische Philosophie befand sich daher nach der Revolution bei völlig veränderter äußerer Lage wissenschaftlich in demselben Fahrwasser wie vorher, da das neubegründete Kaiserreich wie das restaurierte Königtum ihr um der Auswüchse willen, die sich mit ihrem Namen geschmückt hatten, mißtrauten, die wieder zur Macht gelangte Kirche aber ihr mit Ausnahme einer Sekte theologisierender Philosophen wie immer feindlich war. Der psychologische Empirismus Condillacs wurde unter dem Namen der »Ideologie«, dessen sich Napoleon zur Bezeichnung der ganzen ihm verhaßten Philosophie bedient hatte, von dem Grafen Destutt de Tracy (1754-1836),
in gemäßigter Form von Laromiguière (1756-1837),
der physikalische Empirismus (Sensualismus) unter dem Namen einer »Physiologie des Geistes« von Cabanis (1757-1808),
dessen Werk »Les rapports du physique et du moral« durchaus das Gepräge des Materialismus trägt, Volney (1757-1820), dem Arzte de Broussais (1772-1838) u. a. vertreten.
Die Reaktion gegen beide ging teils vom Standpunkt des Supranaturalismus, teils von jenem des Rationalismus aus, welch letzterer teils an einheimische (Cartesianische), teils an ausländische (schottische und deutsche) Elemente anknüpfte. Erstere Schule, welche unter dem Namen der theologischen zusammengefaßt werden kann, hatte ihren Vorgänger in dem J. ^[Jakob] Böhme verwandten Mystiker Saint-Martin (1743-1803). Ihr gemeinsames Merkmal ist die Verwerfung der Vernunft; innerhalb derselben lassen sich aber drei untereinander abweichende Richtungen unterscheiden.
Die erste, der Traditionalismus, dessen Urheber de Bonald (1754-1840) war, erklärte die Offenbarung für das Prinzip aller Erkenntnis und die göttliche Schöpfung der Sprache [* 11] für das Grunddogma seines Systems. Die zweite, der theologische Skeptizismus des Abbé de Lamennais (1782-1854), der nach der Julirevolution zum Liberalismus überging, spricht der vereinzelten Vernunft, wie Pascal, die Erkenntnisfähigkeit ab, während er der Gesamtvernunft (d. h. der allgemeinen Übereinstimmung) Unfehlbarkeit beilegt.
Den Ausdruck derselben erblickt er in der katholischen Kirche (der Gesamtheit der Gläubigen), welche daher der Quell aller Wahrheit ist. Da dieses Kriterium der Wahrheit im Grunde kein andres als das des natürlichen Vernunftinstinkts ist, der sich in der Übereinstimmung aller (consentement universel) offenbart, so war es ihm möglich, in den letzten Jahren seines Lebens vom theologischen zum demokratischen Standpunkt überzugehen und »Gottes Stimme«, statt mit der Stimme der Kirche, mit der »Stimme des Volkes« zu identifizieren. Die dritte Richtung, der ¶