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Lustspielbühne, auf welcher Aufführungen in der Art der mittelalterlichen Farcen stattfanden; diese aber stand gänzlich unter dem Einfluß der »Commedia dell' arte«, die wiederholt von italienischen Gesellschaften über die Alpen [* 2] gebracht worden war. Jean de la Taille (gest. 1608) und Larivey (gestorben um 1612), welche sich schon der Prosa bedienten, sind die originellsten und glücklichsten Dichter dieser Gattung. Einen eignen Platz unter Ronsards Schülern nimmt Du Bartas (gest. 1590) ein, ein strenger Calvinist und Gegner der heidnischen Weltanschauung seines Meisters; in seinem großartigen, in alle europäischen Sprachen übersetzten Werk »La semaine, ou création du monde en sept jours« (1584) häuft er das ganze Wissen seiner Zeit an, treibt aber die Fehler seiner Schule auf die Spitze. Ein leidenschaftlicher Gegner Ronsards war der Hugenotte Agrippa d'Aubigné (gest. 1630); seine Gedichte und satirischen Schriften sind von wildester Parteileidenschaft und tiefster Trauer über die Not des Vaterlandes erfüllt.
So schwer aber auch der unselige Krieg auf der Entwickelung der volkstümlichen Dichtung lastete, ganz war der sonst so frisch sprudelnde Quell echt gallischen Humors nicht versiegt; der trefflichste Beweis dafür ist die »Satire Ménippée« (1593), das Produkt eines Freundeskreises von Pariser Bürgern, unter denen Jean Passerat, N. Rapin und Pithou die begabtesten waren. Aus dem tiefen Bedürfnis des Volkes nach Frieden entstanden, geißelt sie mit derbem Spotte die Ehrgeizigen, die den allgemeinen Wirrwarr erhalten wollten, um im trüben zu fischen; keinen bessern Bundesgenossen konnte Heinrich IV. bei seinen Bemühungen, das Land zu beruhigen, sich wünschen.
Der Roman konnte sich von den mittelalterlichen Traditionen noch nicht freimachen: galante, schlüpfrige Erzählungen in italienischem Geschmack, wie das »Heptameron«, romantisch-abenteuerliche Romane, die (in den Amadisromanen) den spanischen Mantel und spanische Sitten annahmen, waren die beliebteste Lektüre. Um die Mitte des Jahrhunderts brach sich in Spanien [* 3] und Italien [* 4] eine veränderte Geschmacksrichtung Bahn: die »Diana« des Montemayor (1560) inaugurierte die Ära des Idylls und des Schäferromans. In Frankreich fand dieselbe erst im 17. Jahrh. mit der »Astraea« von Honoré d'Urfé Eingang und zwar erst, nachdem der »Don Quiijote« (1606) den Ritterromanen den Todesstoß versetzt hatte.
Das 17. Jahrhundert.
So verschiedenartig die Bestrebungen des 16. Jahrh. auch gewesen waren, ein Ziel hatten alle gemeinsam: die Ausbildung der Sprache, [* 5] und bewußt oder unbewußt haben die Schriftsteller dieser Zeit auf dieses Ziel hingearbeitet. Ein besonderes Verdienst erwarben sich hierbei die Prosaiker; ja, Calvin wird der Schöpfer der französischen Prosa genannt. Ihren Abschluß erreichten diese Bestrebungen aber erst mit Malherbe (gest. 1628); er hat erst der Sprache die Vollkommenheit gegeben, der die Meisterwerke der folgenden Epoche ihre Bedeutung nicht zum wenigsten verdanken.
Als Dichter ohne poetisches Gefühl, als Mensch ohne Charakter, besaß Malherbe dagegen einen außerordentlich feinen Sinn für Klarheit und Symmetrie der Sprache, für Regelmäßigkeit des Rhythmus; doch hat er bei seinem unablässigen Streben nach geschmackvollem Ausdruck viel zur Verarmung der Sprache beigetragen. Mit großer Strenge ging er gegen die Übertreibungen der Plejade vor; Ronsards Ruhm hat er vollständig zerpflückt. Er hatte auch viele Gegner: Desportes, Bertaut, besonders den Satiriker Mathurin Regnier (gest. 1613), der ihn an warmer Begeisterung und echt poetischem Gefühl weit überragt;
aber seine Hauptstärke lag darin, daß seine Bestrebungen zusammentrafen mit der Geschmacksrichtung seiner Zeit.
In der Politik fand dieses Streben nach Ordnung und Regelmäßigkeit seine festeste Stütze in dem straffen Regiment Richelieus, der ebenfalls nur dem Instinkt der Zeit folgte, als er 1635 die französische Akademie eröffnete. Doch hat diese keinen oder nur geringen Einfluß auf das geistige Leben Frankreichs ausgeübt; die Neubildung der Gesellschaft vollzog sich anderswo, im Hotel Rambouillet. Hier hatte man zuerst den Einfluß zu schätzen gewußt, den die in Italien und Spanien in Blüte [* 6] stehende Idyllen- und Schäferpoesie auf Sitten und Geselligkeit ausübte; der Schäferroman »Astraea« von Honoré d'Urfé (gest. 1625), welcher diesen Geschmack vollends in Mode brachte, wurde der Sittenspiegel für die feine Gesellschaft.
Spanische [* 7] Sitte und Sprache waren bald keinem Gebildeten mehr fremd, und überall galten die Damen als Königinnen der Gesellschaft. So sammelten sich um die Herrin des Hotel Rambouillet, die geistreiche Catherine de Vivonne, und ihre schöne Tochter Julie d'Angennes bis in die Mitte des Jahrhunderts die bedeutendsten Männer Frankreichs, Staatsmänner und Gelehrte, Künstler und Dichter; heitere Geselligkeit wechselte ab mit geistreicher Konversation und poetischen Vorträgen. Die gefeierten Helden dieser Zirkel waren außer Malherbe: Balzac (gest. 1654) und V. Voiture (gest. 1648), der vollendete Stilist und der elegante Gelegenheitsdichter, beide die Orakel in litterarischen Streitfragen. Diese erhoben sich immer zahlreicher, je größer der Nachdruck war, den man auf die Form legte, je mehr bei dem Mangel an wahrem und ernstlichem Gefühl die Poesie ein leeres Spiel mit Worten, ein fades, süßliches Reimgeklingel wurde. So sind der Marquis de Racan (gest. 1670), A. Godeau (gest. 1672), die drei berühmten Sonettendichter Maynard (gest. 1646), Gombauld (gest. 1666) und Maleville (gest. 1647) u. a. zwar vortreffliche Reimschmiede, verfallen aber mit ihrem falschen Pathos, ihren Plattheiten und frostigen Witzen in Geschmacklosigkeit und Unnatur. Auch die Poesien des Tischlermeisters Adam Billaut (gest. 1662) aus Nevers, bei dem man eine frischere und volkstümlichere Ader vermuten möchte, huldigen der herrschenden Mode. Dagegen ist in Epigrammen (Gombauld) und in einzelnen Idyllen (Racan) Beachtenswertes geleistet worden.
Noch nachhaltiger war die Wirkung der blühenden spanischen Dramatik auf das französische Theater. [* 8] Seitdem nämlich die Truppe des Hôtel de Bourgogne in Alex. Hardy (gest. 1632) einen geschickten und fruchtbaren Dichter gewonnen hatte, der vorzügliche Nachbildungen spanischer Stücke zur Aufführung brachte, ergriff die Teilnahme für die Bühne immer weitere Kreise, [* 9] und Jean Rotrou (gest. 1650), der in Hardys Fußstapfen trat, fesselte sein Publikum noch zu Corneilles Zeit.
Nun wurde auch die Sprache reiner, die Darstellung geschmackvoller, Handlung und Charaktere fügten sich den Geboten des guten Tons, und die vornehme Gesellschaft, die bis jetzt nur an den Übersetzungen klassischer Stücke Gefallen gefunden, konnte bald bei ihren Festen solcher dramatischer Aufführungen nicht mehr entbehren. Die berühmtesten Stücke dieser Art waren: »Pyrame et Thisbe« von Théophile de Viau (1617),
die »Bergeries« von Racan (1618),
die »Sylvie« von Mairet (1621) und die »Amaranthe« von Gombauld (1625);
auch hier führte die Affektation und übertriebene ¶
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Sentimentalität zur Geschmacklosigkeit und Albernheit. Je beliebter diese Stücke wurden, um so mehr suchte man auch bei ihnen Ordnung und Regelmäßigkeit einzuführen. Richelieu, der sich mit einem Stab [* 11] von fünf Dichtern umgab und gelegentlich wohl selbst eine Szene oder einen Akt schrieb, war ein eifriger Förderer dieser Bestrebungen; Mairet, Chapelain, G. Scudéry brachten die Regeln in ein System. So entstand das regelmäßige Drama, dessen Gesetzen sich von nun an selbst das Genie fügen mußte.
Mairets Tragödie »Sophonisbe« (1629) beginnt die Ära des klassischen Theaters; 1636 erschien der »Cid« von P. Corneille (1606-84),
binnen fünf Jahren seine andern Meisterwerke: »Horace«, »Cinna«, »Polyeucte«, »Pompée«. Hier fanden sich zuerst eine edle, pathetische Sprache, kraftvoller Stil, echt dramatische Konflikte, und wenn der »Cid« noch die Gesetze der sogen. drei Einheiten häufiger verletzt, so macht sich Corneille später selbst zum Anwalt einer strikten Befolgung derselben. Auch für das Lustspiel, das sich langsamer entwickelt hatte, schrieb Corneille das Meisterstück »Le [* 12] Menteur«, die erste höhere Charakterkomödie; doch schließt sie sich, ebenso wie der »Cid«, noch fast zu genau an ihr spanisches Vorbild an.
Bevor aber das Theater seine höchste Blüte erreichte, vollzog sich eine soziale Umwälzung, welche für die Entwickelung der französischen Litteratur von weit tragender Bedeutung war: der Adel, der bisher in großartiger Weise Poesie und Kunst begünstigt hatte, verlor in dem Krieg der Fronde alle Selbständigkeit und mußte sein Beschützeramt an den König abtreten. Dieser war nun unumschränkter Herrscher, und da mit Ludwig XIV. eine Persönlichkeit auf den Thron [* 13] kam, welche den höchsten Begriff hatte von der königlichen Machtvollkommenheit und es für ihre Lebensaufgabe erachtete, dieselbe überall zur Anerkennung zu bringen, so wurde der französische Hof [* 14] der Mittelpunkt des politischen und sozialen Lebens nicht nur in Frankreich, sondern auch in ganz Europa, [* 15] und in den Prachtsälen von Versailles [* 16] sammelte sich alles, was in Poesie, Kunst und Wissenschaft von Bedeutung war.
Großartige Institute wurden begründet (1663 die Akademie der Inschriften und schönen Wissenschaften, 1664 die der Naturwissenschaften, 1671 die der Architektur etc., 1665 das »Journal des Savants«); Künstler, Gelehrte und Dichter wurden aufs freigebigste unterstützt. Aber wer sich in den Strahlen der königlichen Sonne [* 17] wärmen wollte, mußte seine Selbständigkeit preisgeben; die strenge Etikette regelte die Formen und die Geister, und wie die Bäume des Parks von Versailles mußten Kunst und Poesie sich dem herrschenden Geschmack fügen.
Streng und unerbittlich beseitigte Boileau (gest. 1711), der »Le Nôtre« der Poesie, jeden Auswuchs; in seiner »Art poétique« waren die Regeln angegeben, nach welchen sich die Dichtkunst unweigerlich zurichten hatte. Solche Luft war der lyrischen Poesie nicht förderlich, man fand immer noch am meisten Gefallen an eleganten Episteln, witzigen Epigrammen, zierlichen Madrigalen etc.; Frische und Schwung fehlten gänzlich, in frivolen Gedichten zeichneten sich Chapelle (gest. 1686), Chaulieu (gest. 1720), La Fare (gest. 1712), in sentimentalen Idyllen Antoinette Deshoulières (gest. 1694) und Segrais (gest. 1701) aus. Das Epos gelang noch weniger: die »Pucelle d'Orléans« von Jean Chapelain (gest. 1674),
der »Alaric, ou Rome vaincue« von Georges de Scudéry (gest. 1667),
der »Clovis« von Desmarets de Saint-Sorlin (gest. 1676) u. a. sind fast nur aus den Satiren bekannt. Ein Meisterwerk dagegen ist das komische Epos Boileaus: »Le Lutrin«. Auch in der Satire und poetischen Epistel zeichnete sich Boileau fast allein aus. Die Fabel erreichte ihre Vollendung durch Lafontaine (gest. 1695); hier steht die elegante und energische Sprache mit der anmutigen, wahrhaft klassischen Darstellung in glücklichster Harmonie. Seine schlüpfrigen »Contes« können als Fortsetzung der Fabliaux gelten.
Die reichste Blüte jedoch entfaltete die dramatische Poesie und zwar in den Schöpfungen Racines und Molières. Jean Racine (1639-99), für den die strengen Regeln kein Hindernis mehr waren, wußte in seinen formvollendeten, allem realen Beiwerk abholden Tragödien den Ton der wahren Leidenschaft und der innigsten Gefühle mit bewunderungswürdiger Feinheit zu treffen; Molière (1622-73), ein ebenso vorzüglicher Komiker wie Dichter, gehört durch die Wahrheit und Tiefe seiner Beobachtung, durch seinen sittlichen Ernst und seine geistvolle Darstellung zu den größten Dichtern aller Zeiten. Weit hinter ihnen stehen ihre Nachfolger: die Tragödien von Thomas Corneille (gest. 1709), Pradon (gest. 1698), Campistron (gest. 1723) u. a. sind oberflächliche, oft lächerliche Machwerke, und Scarron (gest. 1660), Boursault (gest. 1701), Brueys (gest. 1723) und Palaprat (gest. 1721), Dufresny (gest. 1724), Dancourt (gest. 1716) u. a. schrieben höchstens Possen zweiten Ranges; nur Fr. Regnard (gest. 1709) erhob sich mit seinem »Joueur« über die Mittelmäßigkeit. In diese Periode fällt auch die Entstehung der französischen Oper. Italienische Schauspieler und Sänger, welche Mazarin nach Paris [* 18] berufen hatte, erregten die Lust am lyrischen Drama, und die ersten schüchternen Versuche hierin machten Perrin (gest. 1680) und der Komponist Cambert; doch bildete sich die Große Oper erst durch Lullys Musik und Quinaults (gest. 1688) Texte und führte seit 1667 den Titel: Académie de musique.
Die komische Oper entwickelte sich auf den kleinen Bühnen (théâtres de la foire) und bot derbere Kost und gröbere Effekte, machte aber den privilegierten Theatern so starke Konkurrenz, daß diese 1709 ein Verbot des vokalen Teils dieser Darstellungen erwirkten. Auffallend blieb der Roman in seiner Entwickelung zurück. Die Schäferromane, für welche trotz der Parodie Ch. Sorels (in einem realistischen Roman: »Francion«, 1622) die vornehme Welt und die »Preziösen« des Hotel Rambouillet lange geschwärmt hatten, waren mit der Mitte des Jahrhunderts aus der Mode gekommen; doch war der Geschmack an den süßlich-sentimentalen Geschichten geblieben, nur daß man sie in antikes Gewand gesteckt hatte. Es wurden nämlich Personen und Begebenheiten der griechischen und römischen Geschichte entlehnt, während Sitten und Charakter modern waren; das Ganze spielte sich in der Art der Ritterromane ab. Großartigen Erfolg mit solchen galanten Romanen hatten Gomberville (gest. 1674), La Calprenède (gest. 1663) u. Madeleine de Scudéry (gest. 1701), deren fade und langatmige Produkte nur das Gute hatten, daß sie zum historischen Roman überleiteten. Viel besser waren die Romane der geistreichen Gräfin de Lafayette (gest. 1693), der »Roman comique« von Scarron (gest. 1660) und der »Roman bourgeois« von Furetière (gest. 1688),
zwei interessante satirische Zeitbilder, und die exakte, wenn auch stark pikante »Histoire amoureuse des Gaules« vom Grafen Bussy-Rabutin (gest. 1693). Eine große Vorliebe zeigte das Publikum für die Feenmärchen, von denen Ch. Perrault (gest. 1703) die erste Sammlung unter dem Titel: »Contes de ¶