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Absonderung und feierliche Gelübde, veranlaßte Franz zur Stiftung der Laienbrüderschaft der sogen. Tertiarier (s. d.), an welchen zugleich für die Minoriten eine breite Grundlage und mächtige Stütze im bürgerlichen Leben gewonnen ward.
Trotz der Abneigung des Ordensstifters gegen die Kunst haben die Franziskaner einen großen Einfluß auf die Entwickelung der italienischen Kunst geübt, weil sie derselben umfangreiche Aufgaben stellten. Wo sich der Orden [* 2] der Franziskaner verbreitete, wurden Kirchen und Klöster gebaut, die sich meist an den Typus der Mutterkirchen und -Klöster in Assisi anschlossen und mit Fresken und Altarbildern geschmückt wurden, für welche die legendarische Geschichte des Franz die Motive bot. In San Francesco in Assisi hat die italienische Freskomalerei durch Giotto und seine Schüler den ersten Aufschwung genommen, und seitdem zogen die Franziskaner gleich den Dominikanern die Kunst in ihren Dienst, um den Ruhm ihres Stifters allerorten zu verbreiten. Das Leben und die Wunderthaten des Franz wurden in zusammenhängenden Cyklen dargestellt, welche eine Reihe typisch gewordener Momente umfassen. Einer derselben, die Stigmatisation, d. h. die mystische Übertragung der Wundmale Christi auf Franz, blieb bis in das 18. Jahrh. Gegenstand künstlerischer Darstellung.
Vgl. Thode, Franz von Assisi und die Kunst der Renaissance in Italien [* 3] (Berl. 1885).
Papst Honorius III. erteilte dem Orden unter andern Privilegien auch das des Portiuncula-Ablasses (s. d.) und sanktionierte endlich förmlich 1223 eine neue, von Franz ihm vorgelegte kürzere Regel; zugleich erteilte er den Minoriten das Recht, überall zu predigen und Beichte zu hören (1223). Nachdem Franz 1224 auch die Klarissinnen (s. d.) konstituiert, begab er sich abermals in die Einsamkeit, sah hier in einer Verzückung einen gekreuzigten Seraph, und dieser drückte ihm unter brennendem Schmerz Jesu Wundmale ein, woher er den Namen des seraphischen Vaters, sein Orden den der seraphischen Brüder erhielt.
Benedikt XI. gestattete den Minoriten ein eignes Fest der Wundmale des heil. Franziskus (Festum stigmatis S. Francisci), und Paul V. verpflichtete sämtliche katholische Geistliche zur Feier desselben. Franz starb auf dem Erdboden in seiner Lieblingskirche (Portiuncula) und ward 1228 von Gregor IX. heilig gesprochen. Seine Biographen stellten sein Leben bis ins einzelnste als ein Nachbild des Lebens Jesu dar; ja, sie behaupteten zuweilen, letzteres sei durch ersteres namhaft übertroffen worden.
Als General fungierte jahrelang unter vielen Wechselfällen Elias von Cortona, welcher sofort wieder mit seinen Änderungsversuchen hervortrat. Diesem gegenüber stellten sich an die Spitze derjenigen Franziskaner, welche die von Franz herrührende Strenge verteidigten, der Geistesverwandte des Stifters, Antonius von Padua [* 4] (s. d.), ein herzerschütternder Fastenprediger, und Cäsarius von Speier, [* 5] der 1239 die Absetzung des Elias bei Gregor IX. durchsetzte. In der Bulle Exiit erklärte Papst Nikolaus III., daß den Franziskanern nicht der Besitz irdischer Güter, wohl aber der Nießbrauch gestattet sei; Besitzer aller Ordensgüter der Franziskaner sei der Papst.
Auch der 1287 zum General erwählte Matteo di Aquas Spartas veranlaßte als Neuerer im Geiste des Elias wieder große Wirren. Einer der angesehensten Führer der strengern Franziskaner, Peter Joh. de Oliva, der in seiner »Postilla super Apocalypsin« die römische Kirche als die babylonische Hure bezeichnete, entging, mehrmals verklagt, während seines Lebens dem päpstlichen Anathema, das ihn erst nach seinem Tod (1297) traf. Die Opposition der Franziskaner setzte im Geist Olivas Ubertino de Casale fort, welcher in seinem »Arbor vitae crucifixae« 1305 das Papsttum als das in der Apokalypse 13 geweissagte siebenköpfige Tier der Lästerung darstellte.
Die Anhänger der strengen Richtung wurden Spiritualen genannt. Am weitesten gingen unter diesen in ihrer Opposition gegen das Papsttum die Fratricellen, welche sich der bischöflichen Jurisdiktion nicht fügen wollten, sich als im Besitz des Heiligen Geistes Stehende und als Sündlose betrachteten, die weder der Sakramente noch der Buße bedürfen. Sie fanden sich in Italien, besonders aber in Frankreich, wo sie die Franziskaner der mildern Richtung aus Narbonne und Béziers vertrieben; 1318-52 wurden sie von der Inquisition verfolgt.
Von neuem loderte die Flamme [* 6] der Zwietracht auf, als Johann XXII. 1322 die Unterscheidung Nikolaus' III. zwischen Besitz und Nießbrauch für eine fingierte und, durch die Dominikaner veranlaßt, 1323 die Behauptung der Franziskaner, daß Christus und die Apostel nichts Eignes besessen hätten, für eine Ketzerei erklärte. Auch verzichtete er auf sein angebliches Eigentumsrecht an den Ordensgütern. Hiergegen legte der Ordensprokurator Bonagratia von Bergamo 1323 Appellation ein, die er mit einjähriger Haft büßen mußte.
An der Spitze der strengen Partei stand damals der Ordensgeneral Michael von Cesena, der von Johann XXII. in Avignon gefangen gehalten wurde, 1328 entfloh und sich mit seinen Genossen Bonagratia und Occam (s. d.) zu dem Kaiser Ludwig dem Bayern [* 7] begab, worauf der Papst die Flüchtlinge mit Amtsentsetzung und Kirchenbann bestrafte. Jetzt appellierte der Ordensgeneral vom Papst an die Kirche und erklärte die Päpste Johann XXII. und Benedikt XII. für Häretiker (1338). Er hat sich bis zu seinem Tode der Kirche nicht unterworfen; das Bekenntnis seiner Reue, welches er auf seinem Totenbett abgelegt haben soll, ist unecht.
Vgl. Gudenatz, Michael von Cesena (1876).
Aus den Kreisen der Spiritualen entsprang auch der Orden der Cölestiner-Eremiten, denen Papst Cölestin V. die Erlaubnis erteilt hatte, eine selbständige, von dem Franziskanerorden, dem sie ursprünglich angehörten, getrennte Gemeinschaft zu bilden. Durch die über sie seit 1302 ergehenden Verfolgungen wurden sie Gegner der Kirche; es scheint, daß sie den Grundstock der Fratricellen bildeten. Eine aus der strengen Richtung hervorgegangene Franziskanerkongregaton sind die Clareniner (Clareni fratres), welche, öffentliche Opposition vermeidend, bis 1566 ihre Selbständigkeit behaupteten. Zu diesen neuen Spiritualen gehörte auch die 1368 durch den Minoriten Paolucci di Foligno gestiftete Kongregation der Observanten (Familienbrüder), welche die Regel verschärfte. Sie selbst nannte sich nach einer den Gebirgsbauern entlehnten Tracht Soccolanti (Sandalenträger).
Auch in andern Ländern hatten sich inzwischen, doch überall unter heftigen Kämpfen, neue, zur ursprünglichen Strenge zurückkehrende Kongregationen gebildet, daher sich das Konzil zu Kostnitz veranlaßt fand, kanonisch festzusetzen, »daß fortan alle einzelnen Zweige des Ordens den zwei großen Kongregationen der Konventualen und Observanten einverleibt sein und keine andern Abteilungen künftig mehr geduldet werden sollten«. Konventualen hatte man schon früher die Minoriten, welche die Milderungen der Regel festhielten, genannt; mit dem Namen der Observanten faßte man ¶
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Kongregationen zusammen, welche das Festhalten und Schärfen der ursprünglichen Regel anstrebten. Um fortgesetzte Streitigkeiten zu beendigen, bestimmte endlich Leo X. in einer Bulle vom »Es soll ein Generalminister zu sechsjähriger Regierung allein von den Observanten gewählt werden; diese letztern sollen ihre verschiedenen Namen aufgeben und als Minoriten von der regulierten Observanz sich vereinigen«.
Seit dieser Entscheidung ging es mit den Konventualen bergab. In Spanien [* 9] setzte der Kardinal Jimenes die Alleinherrschaft der Observanz mit Einziehung aller Minoritengüter zu milden Zwecken durch. Nicht viel besser erging es den Konventualen in Portugal, Frankreich, Dänemark, [* 10] England und Deutschland. [* 11] Jetzt kommen sie noch in Süddeutschland und der Schweiz [* 12] vor. Grau gekleidet, wurden sie vorzugsweise Minoriten genannt, während die sich braun kleidenden Observanten allmählich allgemein den Namen Franziskaner erhielten.
Unter diesen letztern hörten nach der erwähnten Einigungsbulle Leos X. die verschiedenen Fraktionen nicht auf. Zwar waren die Kongregationen Johanns de la Puebla in Spanien und Johanns von Guadalupe (Barfüßer, auch Evangelienbrüder genannt) in Spanien und Portugal dem Orden der regulierten Observanz einverleibt worden, beide beharrten indessen bis heute bei der sogen. strengen Observanz. In ihrem Geist entstanden 1525 durch die spanischen Minoriten Stephan Molina und Martin von Guzman noch die Reformati oder Reformierten in Italien; aus diesen gingen um 1592 die Rekollekten in Frankreich und Kanada hervor. Durch Peter von Alcantara entstanden seit 1540 in Portugal und Spanien die Minoriten von der strengen Observanz, die mit der Kongregation des heil. Johannes Paschasius zusammenwuchsen und 1559 den ersten Provinzial erhielten.
Der oberste Aufseher und Vertreter des ganzen Ordens ist noch immer ein Kardinal, Cardinalis Protector. Ihm zunächst steht der Generalminister oder General, auf sechs Jahre vom Generalkapitel gewählt. Außer den Generalkapiteln werden auch Provinzial- und Nationalkapitel, letztere durch Abgeordnete aller Provinzen einer Nation, gehalten. Die Vorsteher einer Provinz heißen Kustoden, die Provinzen selbst Kustodeien. Der Vorsteher eines einzelnen Klosters heißt Guardian.
Trotz der zahlreichen und heftigen Kämpfe in seinem Innern behauptete sich der Franziskanerorden jahrhundertelang in der Gunst des Volkes wie des römischen Hofs; jenes drängte sich zu seinen Predigten und Beichtstühlen und seinen an Ablässen und Reliquien reichen Kirchen, dieser überschüttete ihn förmlich mit Vorrechten aller Art. Schon dies mußte die Eifersucht des andern Hauptbettelordens erregen, und so begegnen wir denn auch schon fast seit der Entstehung beider Orden mancherlei gegenseitigen Anfeindungen, namentlich auch dem langen Streit zwischen den Scotisten (Franziskanern) und Thomisten (Dominikanern) über die unbefleckte Empfängnis der Maria und andre Dogmen.
Unter den Franziskanern während der Epoche der Scholastik finden wir die namhaftesten Gelehrten, einen Alexander von Hales, Bonaventura, Duns Scotus, Roger Baco, Nikolaus de Lyra, [* 13] Occam u. a. Auch Thomas Murner, der bekannte Satiriker, war ein Franziskaner. Der äußern Mission haben die Franziskaner eine aufopfernde, unermüdliche Thätigkeit gewidmet; die innere dagegen, vom Stifter ihnen als Hauptzweck gesetzt, haben sie hauptsächlich zur Förderung des Aberglaubens, besonders in den niedern Volksschichten, betrieben.
Aus Frankreich, wo sie zu hohem Ansehen gelangt waren, wurden ihrer 409 bei Gelegenheit des Klostersturms 1880 ausgewiesen.
Vgl. Thomas de Celano, Vita S. Francisci (1229; ergänzt 1246 von Leo, Angelus und Ruffinus; dann ausgeschmückt als heiliges Buch des Ordens von Bonaventura);
Vogt, Der heil. Franziskus von Assisi (Tübing. 1840);
Hase, [* 14] Franz von Assisi, ein Heiligenbild (Leipz. 1856);
Lukas Wadding, Annales minorum sive trium ordinum, a S. Francisco institutorum (Rom [* 15] 1731-41);
Rybka, Elias von Cortona (Leipz. 1879);
Woker, Geschichte der norddeutschen Franziskanermissionen (Freib. i. Br. 1880);
Magliano, Geschichte des heil. Franziskus und der Franziskaner (deutsch, Münch. 1882 ff.), und die Litteratur bei »Occam«.