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sich der drohenden Übermacht der Pariser Straßendemagogen nicht freiwillig ausliefern. Schon längst mit dem kommandierenden General in Nancy, [* 2] Bouillé, deshalb in Korrespondenz, beschloß er, nach der Grenzfestung Montmédy zu entfliehen. In der Nacht des wurde die Flucht glücklich bewerkstelligt; aber am zweiten Abend ward Ludwig XVI. vom Postmeister von Ste.-Menehould, Drouet, erkannt und in dem Städtchen Varennes angehalten. Das Volk, welches meinte, der König wolle Frankreich den Fremden und den Aristokraten ausliefern, zwang ihn zur Umkehr nach Paris; [* 3] das Königtum war nach diesem Ereignis bereits zum Untergang verurteilt. Indessen gelang es noch einmal der gemäßigten Linken in der Nationalversammlung, die republikanischen Gelüste inner- und außerhalb derselben zu unterdrücken und das konstitutionelle Verfassungswerk zu Ende zu führen. Nachdem der machtlose König dasselbe angenommen hatte, löste sich die Nationalversammlung auf (September 1791).
Sturz des Königtums.
Unmittelbar nach der Verkündigung der neuen Verfassung trat die neugewählte Gesetzgebende Versammlung (Assemblée nationale législative, 745 Mitglieder) in Wirksamkeit. In ihr war die frühere Rechte ganz verschwunden, die bisherige konstitutionelle Linke zählte zwar zahlreiche Mitglieder, aber diese waren unsicher und entmutigt, während die eigentliche Führung der energischen Partei der republikanischen Linken zugefallen war, die, weil sie von den geistreichen Abgeordneten des Gironde-Departements (Brissot, Vergniaud, Isnard, Guadet u. a.) geführt wurde, den Namen der Girondisten empfing.
Sie kam bald mit dem König in Zwist, da derselbe den Gesetzen, betreffend die Bestrafung der den Eid auf die Zivilverfassung der Kirche verweigernden Priester und der ausgewanderten Adligen (Emigranten), seine Genehmigung versagte. Um die revolutionären Leidenschaften von neuem zu entflammen, wünschte die Gironde den Krieg gegen die Mächte des alten Europa [* 4] herbeizuführen. Nachdem sie in der That durch Vorspiegelung von Kränkungen seitens des deutschen Kaisers und der deutschen Fürsten das französische Volk aufgereizt und dem König ein Ministerium aus ihrer Mitte aufgenötigt hatte, beschloß die Gesetzgebende Versammlung den Krieg gegen Österreich, [* 5] das von Preußen [* 6] unterstützt wurde.
Freilich wurde dieser Krieg von dem zerrütteten Heer schlecht genug geführt; aber gerade dieser Umstand erregte die Leidenschaft der hauptstädtischen Bevölkerung, [* 7] da man sich vom Hofe verraten glaubte. Am drang ein Pöbelhaufe, von der Nationalgarde nicht behindert, in die Tuilerien, beschimpfte den König und seine Gemahlin, räumte aber, durch die Vorstellungen des Maire Pétion bewogen, das Schloß wieder. Nach diesen Szenen suchte Ludwig nur noch in völliger Unterwerfung unter die Gesetzgebende Versammlung, deren Führer doch bereits auf die Vernichtung des Königtums hinarbeiteten, Schutz und Rettung.
Schon stürmten unter geheimer Begünstigung des girondistischen Maire von Paris, Pétion, zahllose Pöbelhaufen gegen die Tuilerien; die Nationalgarden verweigerten die Verteidigung, der König und seine Familie suchten bei der Gesetzgebenden Versammlung Zuflucht; die brave Schweizergarde ward von dem Pöbel größtenteils niedergemetzelt. Die Gesetzgebende Versammlung aber suspendierte das Königtum und behielt den König selbst, angeblich zu dessen Sicherung, in Gewahrsam.
Der wahre Sieger des 10. Aug. war der revolutionäre Gemeinderat, der sich des Pariser Stadthauses bemächtigt hatte. Seine Anhänger in der Gesetzgebenden Versammlung trennten sich als »der Berg« (la Montagne, weil sie die höchsten Sitzreihen einnahmen) von den Girondisten, geführt von dem verwegenen, hochbegabten, aber verbrecherischen Georges Danton. Er organisierte das Schreckensregiment, die Verfolgung der politisch Verdächtigen. Am begann ein fünftägiges Morden unter den politischen Gefangenen in Paris, deren etwa 2000 hingeschlachtet wurden.
Gleichzeitig drangen die Preußen und Österreicher unter dem Herzog von Braunschweig [* 8] in die Champagne ein; die Unentschlossenheit des Führers aber, wie sie sich besonders in der entscheidungslosen Kanonade von Valmy (20. Sept.) zeigte, führte das Scheitern des Feldzugs und den Rückzug der Preußen herbei. Darauf brach Dumouriez in die österreichischen Niederlande [* 9] ein und eroberte sie durch den einzigen Sieg bei Jemappes (6. Nov.). Custine nahm Trier, [* 10] Speier [* 11] und Mainz [* 12] (21. Okt.). Die Jakobiner jubelten; es konnte ihnen gleichgültig sein, daß die Wahlen zu dem am zusammentretenden Nationalkonvent (Convention nationale) zumeist auf Gemäßigte gefallen waren, da sie den bewaffneten Pöbel von Paris zur Verfügung hatten.
Der Konvent begann seine Thätigkeit sofort mit der Erklärung, das Königtum sei abgeschafft, und 22. Sept. ward die Republik proklamiert. Die Gironde wußte ihre Überlegenheit in der Versammlung zu keiner männlichen That zu benutzen. Sie ließ sich von der Bergpartei dazu drängen, die Einkerkerung der königlichen Familie und die Einleitung eines Prozesses gegen Ludwig XVI. zu genehmigen; die Gironde war jetzt schon so gut wie besiegt, und wurde der König dem Verlangen der Jakobiner gemäß mit einer Stimme Mehrheit zum sofortigen Tod verurteilt und das Urteil vollzogen. Diese Blutthat sollte den Bruch mit der Vergangenheit vollenden und jede Rückkehr zur Monarchie unmöglich machen.
Die Schreckensherrschaft des Konvents.
Die Hinrichtung des Königs erregte die Entrüstung ganz Europas; England, Holland, Spanien [* 13] traten zu den Gegnern Frankreichs über. Belgien [* 14] wurde von den Österreichern durch die Schlacht bei Neerwinden Mainz 20. Juli durch die Preußen wiedererobert, und ein andres österreichisches Heer drang unter Wurmser in das Elsaß ein. Immer höher stiegen die Leidenschaften in Frankreich selbst. Aus der Mitte des Konvents wurde unter dem Namen des Wohlfahrtsausschusses, dessen Häupter Robespierre und Danton waren, eine revolutionäre Regierung eingerichtet; es wurde ein Revolutionstribunal gebildet, welches summarisch alle politischen Vergehungen bestrafen sollte.
Kommissare wurden in die Departements geschickt, um dort überall dem Schrecken zum Sieg zu verhelfen. So ermutigt, gingen die Jakobiner zum letzten Angriff auf die Girondisten über, welche doch die Gesinnung der großen Mehrheit des französischen Volkes repräsentierten. Die Pariser Sektionen begannen ihn mit Sturmpetitionen und schlossen ihn 2. Juni, indem sie den Konvent zur Verhaftung von 32 Führern der Gironde nötigten, die später zum größten Teil hingerichtet wurden. Die Königin endete 16. Okt. auf dem Schafott. Dasselbe Schicksal traf viele ausgezeichnete Männer der ersten Revolutionszeit. Der Schrecken hatte gesiegt. Aber im Süden, besonders in Lyon [* 15] und Bordeaux, [* 16] erhob sich das ¶
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Volk für die Girondisten; Toulon [* 18] überlieferte sich den Engländern; im Westen, in der Vendée, empörten sich die royalistischen Edelleute und Bauern. Die Bergpartei jedoch verfuhr mit furchtbarer Energie, indem sie aus den ihr ergebenen niedern Klassen zahlreiche (14) Heere gegen ihre innern und äußern Gegner organisierte. Lyon und Toulon wurden durch die Revolutionsarmee überwältigt und mit Massenmord und furchtbarer Plünderung bestraft. Darauf unterwarfen sich zitternd die Provinzen, wo nun meist eine sozialistische Pöbelherrschaft mit systematischer Ausplünderung der Besitzenden hergestellt wurde.
Das Christentum wurde abgeschafft und der christliche Kalender durch einen revolutionären ersetzt. Eine Partei der Terroristen unter Hébert wollte den Sozialismus praktisch verwirklichen und die Religion durch den albernen Kultus der Vernunft ersetzen; aber Robespierre sah ein, daß sich mit solchen Grundsätzen überhaupt nicht regieren lasse, und bewirkte im März 1794 die Verhaftung und Hinrichtung dieser sogen. »Wütenden« (enragés); anderseits wußte er den gemäßigtern Danton als unbequemen Nebenbuhler auf das Schafott zu bringen. Robespierre und sein Vertrauter Saint-Just wollten nun durch blutige Ausrottung des unheilbar verderbten alten Geschlechts das Ideal eines allmächtigen Volksstaats verwirklichen. Das Verfahren des Revolutionstribunals wurde derart beschleunigt, daß täglich in Paris allein 60-70 Menschen hingerichtet werden konnten.
Inzwischen wurden nach außen mit den durch Carnot organisierten Heeren unter trefflichen Generalen, wie Hoche und Pichegru, glänzende Erfolge errungen. Die bei Fleurus von Jourdan besiegten Österreicher räumten nicht allein Belgien, sondern auch fast das ganze linke Rheinufer, während das wegen der polnischen Frage mit Österreich zerfallene Preußen unthätig blieb, ja sogar mit Frankreich Frieden schloß. Auch Spanien fiel von der Koalition ab. Pichegru eroberte im Winter 1794 bis 1795 die Niederlande und gründete dort die batavische Schwesterrepublik.
Mit furchtbarer Energie herrschte der Schrecken widerstandslos im Innern und drang zugleich erobernd gegen das Ausland vor. Die Diktatur Robespierres ward aber endlich den Jakobinern selbst lästig, während das Volk des beständigen Blutvergießens überdrüssig zu werden begann, und als der Diktator seine Feinde durch ein Blutgericht zu vernichten versuchte, ward er 9. Thermidor auf Befehl des Konvents selbst verhaftet und mit gegen 100 Führern der Jakobiner aus dem Konvent und der Pariser Kommune (der revolutionären Stadtverwaltung) guillotiniert.
Der Mittelstand fing an, sich gegen die Herrschaft des Pöbels überall zu regen; im Konvent faßten die Gemäßigten wieder Mut. Der Klub der Jakobiner wurde zuerst beschränkt, dann geschlossen 73 früher aus dem Konvent vertriebene Girondisten wurden in denselben zurückgerufen, wo sie nun einer entschiedenen Reaktion huldigten. Das Revolutionstribunal wurde aufgehoben. Die Zustände waren aber keineswegs erfreulich. Während sich einerseits die wohlhabendern Klassen nach langem Schrecken in ausschweifender Lust entschädigten, litten die niedern nach Aufhebung der auf künstliche Herabsetzung der Lebensmittelpreise gerichteten Maßregeln unter den unausbleiblichen Folgen der allgemeinen Arbeitsscheu, der kolossalen Rekrutierungen, der Störungen von Gewerbe und Handel. Die Assignaten, deren man für 27 Milliarden ausgegeben, waren bis auf ½ Proz. ihres Nennwerts gefallen.
Das Direktorium.
Nachdem ein Aufstand der Jakobiner am 1. Prairial und ein Erhebungsversuch der Royalisten am 13. Vendémiaire unterdrückt worden, wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet, welche zwei Kammern (einen Rat der Fünfhundert und einen Rat der Alten) und ein gewähltes Direktorium von fünf Männern an die Spitze der Republik stellte. Dieselbe trat in Wirksamkeit; in das Direktorium wurden nur alte Montagnards (Carnot, Rewbell, Barras, Laréveillère und Letourneur) gewählt, von denen Barras der bedeutendste war.
Der Schwerpunkt [* 19] der Situation für die neue französische Regierung lag in den auswärtigen Verhältnissen, denn schon war das Volk über die einst so heiß ersehnte Freiheit enttäuscht und strebte vielmehr nach äußerm Glanz und Ruhm. Überdies konnten nur durch große Kontributionen im Ausland die Finanzen des Staats in Ordnung gebracht werden. Das Direktorium beabsichtigte einen zweifachen Angriff auf Österreich: durch die beiden Armeen Jourdans und Moreaus in Deutschland [* 20] und das italienische Heer unter Bonaparte. In Deutschland hatten die Franzosen keinen Erfolg;
Erzherzog Karl ließ sie bis nach Bayern [* 21] vordringen, um mit gesammelter Macht sich erst auf Jourdan zu werfen, den er bei Amberg [* 22] (24. Aug.) und Würzburg [* 23] bis zur Auflösung schlug, und dann Moreau zum verlustvollen Rückzug nach dem Elsaß zu nötigen.
Glücklicher war Bonaparte in Italien. [* 24] In mehreren siegreichen Schlachten [* 25] vertrieb er im April 1796 die Österreicher aus Piemont, zog in Mailand [* 26] ein und zwang die italienischen Fürsten sämtlich zu Friedensverträgen, in denen sie sich zu ungeheuern Lieferungen und Geldzahlungen verstehen mußten. Nur Mantua [* 27] hielt sich noch, und Österreich sandte, um diese wichtige Festung [* 28] zu entsetzen, eine Armee nach der andern nach Oberitalien. [* 29] Aber das Heer Wurmsers ward bei Castiglione (5. Aug.), die beiden Armeen Alvinczys nacheinander bei Arcole (15.-17. Nov.) und Rivoli geschlagen. Am mußte Mantua kapitulieren, und damit war Italien für Österreich verloren.
Mit Hilfe beträchtlicher Verstärkungen nötigte Bonaparte den Papst zu dem verlustreichen Frieden von Tolentino. Die Lombardei wurde zur Cisalpinischen, einige römische und modenesische Provinzen zur Cispadanischen Republik umgewandelt. Als Bonaparte hierauf mit unerhörter Kühnheit durch die Ostalpen auf Wien [* 30] marschierte, entschloß sich Österreich zum Waffenstillstand von Leoben, dem 17. Okt. zu Campo Formio der förmliche Friedensschluß folgte: Belgien und das linke Rheinufer wurden an Frankreich abgetreten;
Österreich erkannte die oberitalienischen Republiken an und ward durch Venetien und einige deutsche Stifter entschädigt, wie denn auch die Fürsten, welche in Italien und links des Rheins Verluste erlitten hatten, im Deutschen Reich entschädigt werden sollten.
Hierüber sollte ein Kongreß in Rastatt [* 31] verhandeln.
Nach diesen glänzenden Erfolgen kehrte der siegreiche Feldherr nach Paris zurück. Hier hatte das Direktorium eine schwierige Stellung. Die kommunistische Verschwörung Babeufs wurde zwar zeitig entdeckt und durch die Hinrichtung ihrer Führer im Mai 1796 unterdrückt; den überhandnehmenden Royalismus, welcher im Sommer 1797 schon die Mehrheit der beiden Räte und auch ein Mitglied des Direktoriums, Barthélemy, zu seinen Anhängern zählte, konnte die Regierung aber nur durch den Staatsstreich vom 18. Fructidor ¶