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Handhabe zum Beginn des großen Kampfes gegen Spanien [* 2] und Österreich [* 3] benutzen, als der Dolch [* 4] eines klerikalen Fanatikers, Franz Ravaillac, seinem Leben ein Ende machte. Seine großen Pläne hatte Heinrich nicht durchführen können; dennoch hinterließ er sein Reich gekräftigt und geeint, von den dringendsten Schulden befreit, mit einem stets bereiten Schatz von etwa 300 Mill. Mk. Er hat den Grund zu dem französischen Übergewicht in Europa [* 5] gelegt.
Heinrichs IV. Witwe Maria von Medicis ergriff für ihren erst achtjährigen Sohn Ludwig XIII. (1610-43) einstweilen die Zügel der Regierung. Sie schlug eine friedliche Politik ein, geriet aber bald in Abhängigkeit von ihren Günstlingen, der Kammerfrau Leonore Galigai und deren Gemahl Concini, Marschall von Ancre, und rief durch ihre Schwäche wie durch die Vermählung Ludwigs XIII. mit einer spanischen Prinzessin, Anna von Österreich (November 1615), eine Empörung des Adels hervor, während welcher der junge König, über seine Zurücksetzung erbittert und von seinem Günstling Luynes angestachelt, Ancre ermorden ließ und seiner Mutter die Regierungsgewalt abnahm.
Indessen vermochte Ludwig, schwächlich von Körper und Intelligenz und furchtsam, die Staatsgeschäfte nicht selbst zu verwalten. Er übergab dieselben zunächst Luynes, der aber durch seinen Ehrgeiz, seine Habgier und seinen Übermut einen neuen Aufstand des Adels veranlaßte, dem sich die über die Begünstigung der Jesuiten erzürnten Hugenotten anschlossen. Obwohl der Krieg gegen die letztern ohne große Erfolge für die königlichen Waffen [* 6] verlief, mußten doch die Reformierten, aus denen die alte Glaubensinnigkeit gewichen war, um der Selbstsucht und Uneinigkeit Platz zu machen, 1622 mit dem König einen Frieden schließen, der ihnen zwar die kirchliche Gleichberechtigung beließ, aber ihre starke politische und militärische Organisation zerstörte - ein großer Gewinn für die Einheit des Staats und den königlichen Absolutismus.
Nach Luynes' frühem Tod (1621) und dem Sturz des unfähigen Vieuville (August 1624) kam die Leitung des Staats und des schwächlichen Königs an denjenigen Staatsmann, welcher nach innen und außen dem französischen Königtum seine furchtbare Überlegenheit verschafft hat, an Richelieu, der als Sprößling einer vornehmen Familie Bischof von Luçon und durch seinen engen Anschluß an die Königin-Mutter Kardinal und Mitglied des Ministerrats geworden war. Im Innern wurde ein neuer Aufstandsversuch des hohen Adels niedergeschlagen, die Niederreißung aller nicht dem Staat angehörigen Befestigungen angeordnet, eine von England begünstigte Empörung der Hugenotten durch die Eroberung des heldenmütig verteidigten La Rochelle unterdrückt (1628) und mit Zerstörung aller protestantischen Burgen [* 7] und Befestigungen bestraft; indessen bestätigte Richelieu, der von Unduldsamkeit nichts wußte, den Hugenotten alle ihre staatsbürgerlichen Rechte (1629). Seitdem hörten die Hugenotten auf, als politische Partei von irgend welcher Bedeutung zu sein.
Gefährlicher war die aristokratische Opposition, an deren Spitze sich dem allmächtigen Minister gegenüber Maria von Medicis selbst sowie der ehrgeizige Bruder des Königs, Gaston von Orléans, [* 8] stellten. Richelieu aber wurde nur durch die Kraft [* 9] seines Geistes, die Macht der Verhältnisse und die Bewunderung des Volkes unterstützt, da selbst der König ihn durchaus nicht liebte. Ludwig erkannte jedoch, daß Richelieu seine wahren Interessen verteidigte, und so gelang es dem letztern, die Königin-Mutter 1631 zur Flucht nach dem Ausland zu zwingen, das Bündnis zwischen den Spaniern, Gaston und dessen ritterlichem Freunde, dem letzten Herzog von Montmorency, durch den Sieg bei Castelnaudary, die erbarmungslose Hinrichtung Montmorencys, die Begütigung des feigen Gaston unschädlich zu machen (1632). Strenge Maßregeln wider alle politischen Gegner des Kardinals, Beseitigung aller noch selbständigen Gewalten in den Provinzen folgten diesem Sieg Richelieus.
Ein gefährlicher Aufstand eines andern königlichen Prinzen, des Grafen von Soissons, endete mit dem Tode des letztern in dem Gefecht von Marfée (1641), und als endlich der Marquis von Cinq-Mars durch Intrigen, die er mit dem König selbst anknüpfte, den furchtbaren Minister zu stürzen versuchte, wußte dieser den kraftlosen Monarchen zur Unterwerfung und zur Überlieferung seines Günstlings Cinq-Mars zu zwingen, der nun mit seinem Freunde, dem Parlamentsrat de Thou (einem Sohn des berühmten Historikers), das Schafott besteigen mußte (1642). Unter Beseitigung aller dieser Hindernisse vermochte Richelieu die französische Verwaltung im Sinn der Zentralisation und der ministeriellen Allmacht weiter zu entwickeln und für diese in den Intendanten, die seit 1635 mit dreifacher Gewalt: polizeilicher, gerichtlicher und finanzieller, ausgerüstet, von jeder Verantwortung, außer der gegen den leitenden Minister, befreit und an keine andre Regel als dessen und ihr eignes Belieben gebunden waren, geeignete Werkzeuge [* 10] zu schaffen. Politisch berechtigte Gewalten duldete das Königtum nicht mehr neben sich; die Generalstände des Reichs waren 1614 zum letztenmal einberufen worden.
Mit nicht minderer Energie verfolgte Richelieu sein Ziel in der äußern Politik: Schwächung des mit Frankreich um die Weltherrschaft ringenden Hauses Habsburg. Schon 1626 nötigte Richelieu die Spanier zur Räumung des Veltlin, nahm sich 1629 des von Spanien und dem Kaiser bedrohten Herzogs von Mantua [* 11] an und zwang jene zu dem ungünstigen Frieden von Cherasco (1631). Dadurch war in Italien [* 12] eine starke französische Partei begründet. Ebenso unterstützte Richelieu in Deutschland, [* 13] wo damals der Dreißigjährige Krieg wütete, alle Gegner der Habsburger mit Geld, zuerst die deutschen Protestanten, dann Dänemark [* 14] und endlich Gustav Adolf und Oxenstierna, um Lothringen, das Kurfürstentum Trier [* 15] und einige elsässische Orte zu besetzen.
Endlich wurde Herzog Bernhard von Weimar [* 16] in französischen Sold genommen; er eroberte das Elsaß zunächst für sich, als er aber 1639 starb, wußte Richelieu durch Bestechung seine Unterbefehlshaber zu veranlassen, ihre Truppen und das Elsaß an Frankreich zu überliefern. Als die spanischen Habsburger, über Frankreichs Umtriebe empört, demselben 1635 den Krieg erklärten, nahm derselbe nach einigen anfänglichen Mißerfolgen bald eine für Frankreich sehr glückliche Wendung, da Spaniens Bevölkerung [* 17] und Geldmittel fortwährend abnahmen und dieses Reich durch innere Zwietracht zerrüttet wurde. 1640 eroberten die Franzosen Arras [* 18] und dessen ganzes Gebiet, das Artois, empörten sich die Katalonier und die Portugiesen und verschafften jenen den Eingang in die Pyrenäenhalbinsel selbst. Mitten unter diesen allseitigen Erfolgen starb Richelieu wenige Monate später folgte ihm, noch nicht 42 Jahre alt, Ludwig XIII. Sein Nachfolger war ein Kind von vier Jahren, Ludwig XIV. (1643-1715). ¶
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Frankreichs Blütezeit unter Ludwig XIV.
Abermals übernahm eine Fremde, die Königin-Mutter Anna von Österreich, die Regierung, welche sie übrigens ihrem Günstling, dem italienischen Kardinal Giulio Mazarini (Mazarin), überließ. Mazarin führte im ganzen nur die großen Gedanken Richelieus weiter, erzielte aber durch Schlauheit und Zähigkeit noch mehr Erfolge als jener. Zunächst nahm das Parlament noch einmal die Opposition gegen das Königtum auf, indem es beanspruchte, den vom König erlassenen Gesetzen durch Verweigerung der Eintragung in seine Register die Gültigkeit vorenthalten zu können.
Als die Regentin zwei der widerspenstigen Parlamentsräte verhaften ließ, erfolgte ein allgemeiner Aufstand in Paris [* 20] (1648) gegen Mazarin (die sogen. Fronde), so daß der Hof [* 21] mit der Hauptstadt in förmlichen Kampf geriet, der erst 1649 beigelegt wurde. Inzwischen hatte der Westfälische Friede Frankreich das österreichische Elsaß und einen maßgebenden Einfluß in Deutschland gebracht. Der Krieg gegen Spanien wurde fortgesetzt, und der Prinz Ludwig von Condé eroberte die Provinz Roussillon und fast ganz Katalonien im Süden sowie das südliche Belgien [* 22] im Norden. [* 23]
Als aber Condé sich der Fronde anschloß, wurde er von Mazarin hinterlistig gefangen gesetzt. Diese Maßregel brachte einen allgemeinen Aufstand hervor, an dem sich diesmal außer dem Parlament und den Pariser Frondeurs noch die gesamte hohe Aristokratie unter Gaston von Orléans beteiligte. Mazarin wagte diesem allgemeinen Sturm nicht zu widerstehen, ließ den Prinzen frei und zog sich nach Brühl bei Köln [* 24] zurück (1651). Indessen vertrugen sich die verschiedenen Elemente der Opposition nicht lange, und zumal Condés Hochmut brachte die Frondeurs so sehr gegen ihn auf, daß Mazarin 1652 die Rückkehr nach Frankreich wagte und nach der Flucht Condés im Februar 1653 triumphierend in Paris einzog. So war der letzte Empörungsversuch der alten feudalen Gewalten und der Demokratie gegen das Königtum völlig besiegt worden.
Sofort widmete Mazarin seine ganze Mühwaltung wieder dem äußern Krieg. Freilich hatte Spanien die Zeit der Fronde benutzt, um die Aufstände in Katalonien und Neapel [* 25] wieder zu unterdrücken, Belgien völlig zurückzuerobern. Aber indem Mazarin sich nun ungescheut mit dem revolutionären Machthaber Englands, Cromwell, verband, wurde im Frühjahr 1658 das spanische Heer von den alliierten Franzosen und Engländern unter dem genialen Marschall Turenne auf den Dünen bei Dünkirchen [* 26] vollständig geschlagen.
Spaniens Kraft war damit endgültig gebrochen. Am schloß es mit Frankreich den sogen. Pyrenäischen Frieden, welcher Frankreich die Provinzen Artois und Roussillon sowie Teile von Flandern, Hennegau und Luxemburg brachte und die Vermählung der ältesten Tochter Philipps IV. von Spanien, Maria Theresia, mit Ludwig XIV. festsetzte, die in der That im folgenden Sommer (1660) stattfand und eine Aussicht auf die spanische Erbschaft eröffnete. In Deutschland war die französische Diplomatie bemüht, eine Anzahl deutscher Fürsten an Frankreich zu fesseln; im Sommer 1658 schloß Mazarin mit vier Kurfürsten und vielen Reichsfürsten zu Frankfurt [* 27] den ersten Rheinbund! Als im März 1661 Mazarin starb, hinterließ er seinem königlichen Mündel Ludwig XIV. das Reich mit erweiterten und wohlbefestigten Grenzen, [* 28] im Besitz ausgezeichneter und zahlreicher Armeen, geführt von den besten Feldherren Europas, mit geschickten und in der Schule der beiden Kardinäle gebildeten Ministern und einem auf solide Basis gegründeten Finanzwesen. Die beiden Zweige des Hauses Habsburg waren erniedrigt, Frankreich zum Schiedsrichter in den innern Händeln Deutschlands, [* 29] überhaupt zur präponderierenden Macht Europas geworden.
Ludwig XIV., nun 22 Jahre alt, erklärte nach dem Tod Mazarins, die Geschäfte selbst führen zu wollen. Zwar widmete der junge König nur in den ersten Jahren seine Zeit überwiegend den Staatsgeschäften und erwarb nicht in allen Zweigen derselben selbständige Kenntnisse. Aber im großen und ganzen gab er die Richtungen an, denn es erfüllte ihn ein hohes Gefühl von seiner Würde, das ihm selbst Pracht, Glanz, großartiges und würdevolles Benehmen auferlegte und das ihn von andern unbedingte Unterordnung und völlige Hingabe verlangen ließ. Im Bewußtsein von Frankreichs Macht wollte er nach außen und innen als der erste und mächtigste König der Christenheit auftreten.
Die vornehmste Herrschertugend aber bewährte er in der Auswahl seiner Minister, welche mit hingebendem Eifer, unermüdlicher Thätigkeit und teilweise mit genialer Schöpferkraft den Staat leiteten, ohne daß der König selbst die Zügel der Regierung je aus den Händen verlor. Colbert verwaltete die Finanzen, den Handel und die öffentlichen Arbeiten. Durch weise Maßregeln gab er der Industrie einen mächtigen Aufschwung, ermutigte zur Schiffahrt und Kolonisation und steigerte den Wohlstand des Volkes und die Einnahmen des Staats zu nie geahnter Höhe.
Diese ermöglichten die Aufstellung einer großen stehenden Heeresmacht, welche Louvois trefflich organisierte. Die französische Armee war nicht nur an Zahl die stärkste, sondern auch die am besten ausgerüstete und geschulte Armee in Europa. Sie war ein außerordentlich wirksames Instrument in der Hand [* 30] der französischen Staatskunst, um die äußere Machtstellung des Reichs zu erhöhen. Die Leitung der auswärtigen Politik war Lionne übertragen, doch nahm an ihr der König selbst einen hervorragenden Anteil.
Die Erwerbung der spanischen Monarchie war das Ziel, welches Ludwig XIV. während seiner ganzen Regierung mit zäher Ausdauer verfolgte. Seine Erbrechte waren nicht unanfechtbar, aber sie gaben ihm einen Anhalt, [* 31] um Ansprüche zu erheben. Dies that er zuerst, als 1665 sein Schwiegervater Philipp IV. von Spanien gestorben war. Er beanspruchte einen Teil der spanischen Niederlande [* 32] und fiel, als derselbe ihm nicht gewährt wurde, in dem sogen. Devolutionskrieg unvermutet in Belgien ein (Mai 1667). Nur als England, Niederlande und Schweden, [* 33] zu der Tripelallianz vereint, deshalb Frankreich mit Krieg bedrohten, begnügte Ludwig sich in dem Aachener Frieden (Mai 1668) mit einer Reihe südbelgischer Festungen, welche die Offensivstellung Frankreichs nicht wenig verstärkten.
Ohne sein letztes Ziel aus den Augen zu verlieren, beschloß der König zunächst, die Niederlande, deren unerwarteter Widerstand seinen Zorn erregt hatte, zu vernichten. Nachdem er durch schlaue Verhandlungen ihnen alle Bundesgenossen abwendig gemacht, fiel er im April 1672 in ihr Gebiet ein und errang anfangs große Erfolge. Aber die völlige Eroberung des Landes vereitelte der junge Prinz Wilhelm III. von Oranien. Brandenburg, [* 34] Spanien, endlich der Kaiser, das Deutsche Reich [* 35] und Dänemark kamen den Holländern zu Hilfe. Mit vieler Kraft und Entschlossenheit erwehrte sich Frankreich der großen europäischen Koalition, die sich so gegen dasselbe erhob, und erlangte endlich infolge der Uneinigkeit der Alliierten im Nimwegener Frieden (August 1678) die Franche-Comté und die wichtigsten ¶