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Belagerungsgeschütze, durch detachierte Forts zu verstärken;
3) gegen eine Invasion von O. muß ein neues Befestigungssystem geschaffen werden. Aus den Erfahrungen des Kriegs 1870/71 hatte man die Überzeugung gewonnen, daß es der französischen Heeresverwaltung nicht gelingen werde, Vorkehrungen zu treffen, welche eine gleich schnelle Mobilisierung der Armee gewährleisten, wie sie in Deutschland [* 2] 1870 zur Ausführung kam und bei einem künftigen Krieg ohne Zweifel noch exakter zur Ausführung kommen wird. Danach ist zu erwarten, daß deutsche Heeresmassen die Grenze Frankreichs überschreiten werden, bevor die französische Armee ihnen schlagfertig entgegentreten kann.
Hieraus folgt die Notwendigkeit, die Offensivkraft des Landes durch geeignete Defensivmittel, also durch Befestigungen, zu unterstützen. Dieser Zweck wird erreicht, wenn die Befestigungen die über die Grenze führenden Heerstraßen, vorzugsweise die Eisenbahnlinien, sperren und somit die Lebensadern unterbinden, welche der Invasionsarmee aus dem Heimatsland Lebens- und Streitmittel und Ersatz aller Art zuführen. Aus diesen Erwägungen ging die Anlage der Sperrforts (s. Festung, [* 3] S. 186) nahe der Landesgrenze gegenüber Deutschland, der Schweiz [* 4] und Italien [* 5] hervor.
Bei Verdun [* 6] beginnend, zieht sich die Kette derselben, nur hinter den Vogesen südlich Toul [* 7] bis Epinal eine Lücke zeigend, ununterbrochen fortlaufend bis zur Schweizer Grenze hin. Dieser gegenüber wie auch gegen Italien sind, durch den Charakter des Gebirges bedingt, nur die wichtigen Pässe gesperrt. Als Stützpunkte für die Sperrfortkette dienen die mit Forts umgebenen Festungen Verdun, Toul, Epinal, Belfort, [* 8] Besançon, [* 9] Lyon, [* 10] Briançon. Man hofft den Feind vor den Sperrforts so lange aufzuhalten, bis die französische Armee ihre Konzentration hinter der obern Mosel vollendet hat.
Sollte aber dem Feind ein vorzeitiger Durchbruch gelingen und die Armee von ihm zurückgedrängt werden, so soll sie hinter einem zweiten Gürtel [* 11] von Festungen, im S. auf dem Plateau von Langres, geschützt durch die mit Forts umgebenen Festungen Langres, Dijon, [* 12] Besançon, Grenoble, [* 13] Aufnahmestellung finden. Sollte aber eine feindliche Armee durch Belgien [* 14] den Einbruch versuchen, so sollen hier die großen Festungen Lille, [* 15] Douai, Valenciennes, Maubeuge, Cambrai sowie die Sperrfestung Givet und das Sperrfort bei Hirson den Durchbruch aufhalten.
Ist derselbe dennoch gelungen, so bietet der Festungsgürtel Reims [* 16] (Reims ohne Hauptwall, Fortgürtel 60 km), Soissons, La Fère bis Amiens, [* 17] dazwischen Sperrforts bei Péronne, Ham, Lyon (großartige Fortfestung), eine zweite Barriere. Das Zentrum des Landesverteidigungssystems bildet Paris [* 18] selbst. Die alte Stadtumwallung mit ihren 94 Bastionen von ca. 33 km Umfang ist stehen geblieben; ebenso bestehen noch die aus der Belagerung von 1870/71 bekannten Forts, deren Unzulänglichkeit sich erwiesen hat.
Weit vor dieselben hinaus ist ein Gürtel von Forts, von denen mehrere kleinen Festungen gleichen, erbaut worden. Der Raum hinter ihnen bietet Armeen Unterkunft. Diese aus 7 Forts erster, 14 zweiter Ordnung sowie 40 Redouten und Batterien bestehende Befestigungslinie (s. Karte bei Paris) hat eine Länge von 124 km, von N. nach S. einen Durchmesser von 34, von O. nach W. von 45 km und umschließt einen Flächenraum von etwa 1200 qkm. Die großen Forts (Palaiseau, Villeneuve, Chelles, Vaujours, Ecouen, Cormeilles und St.-Cyr) haben eine Besatzung von je 1200 Mann und eine Armierung von 60 schweren Geschützen. Frankreich hat 159 Festungen mit etwa 300 Forts, 400 Batterien, 20 Küstenforts [* 19] und 120 Küstenbatterien. [* 20]
Der Verwendung von Brieftauben für Kriegszwecke wird viel Aufmerksamkeit zugewendet. In Paris und Langres sind Zentralstationen, in Mézières, Verdun, Toul, Belfort, Besançon und Lyon Filialstationen für Brieftauben errichtet. Eine Luftschiffahrtsschule ist in Chalais bei Meudon unweit Paris und eine zweite 1885 in Grenoble errichtet. Den Armeen werden Luftschiffertrains für den Gebrauch des Ballon [* 21] captif beigegeben.
[Die französische Kriegsmarine.]
Die Stärke [* 22] des schwimmenden Materials der französischen Marine Mitte 1885 ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich (zusammengestellt nach dem »Almanach für die k. k. Kriegsmarine«, Pola [* 23] 1885).
Schiffsart | Fertig | Im Bau | Zusammen |
---|---|---|---|
A. Panzerschiffe¹: | |||
1) Geschwader- (Schlacht-) Schiffe | 27 | 6 | 33 |
2) Gepanzerte Kreuzer | 9 | 3 | 12 |
3) Gepanzerte Küstenverteidiger | 6 | - | 6 |
4) Panzerkanonenboote | 1 | 7 | 8 |
5) Schwimmende Panzerbatterien | 7 | - | 7 |
Zusammen: | 50 | 16 | 66 |
B. Torpedofahrzeuge²: | |||
1) Torpedokreuzer (1260 Ton. Deplacement) | - | 4 | 4 |
2) Torpedo-Avisos (321 Ton. Deplacement) | - | 8 | 8 |
3) Hochsee-Torpedoboote | - | 3 | 3 |
4) Torpedoboote (44 Ton. Depl.) I. Klasse | 18 | - | 18 |
5) Torpedoboote (31-14 T. Depl.) II. u. III. Kl. | 60 | - | 60 |
6) Torpedodepot- und Übungsschiff mit 4 Booten | 1 | - | 1 |
Zusammen: | 79 | 15 | 94 |
C. Kreuzer³: | |||
1) Gedeckte Kreuzer | 11 | 1 | 12 |
2) Glattdeckskreuzer | 40 | - | 40 |
Zusammen: | 51 | 1 | 52 |
D. Avisos: | |||
1) Schraubenavisos | 21 | 4 | 25 |
2) Radavisos | 30 | - | 30 |
3) Transportaviso | 11 | 4 | 15 |
Zusammen: | 62 | 8 | 70 |
E. Kanonenboote: | |||
1) Kanonenboote I. Klasse | 25 | 3 | 28 |
2) Kanonenschaluppen | 37 | - | 37 |
3) Zerlegbare Kanonenschaluppen4 | 14 | - | 14 |
Zusammen: | 76 | 3 | 79 |
Frankreich Transportfahrzeuge: | |||
1) Schraubenschiffe | 30 | 2 | 32 |
2) Segelschiffe | 21 | - | 21 |
Zusammen: | 51 | 2 | 53 |
Insgesamt: | 369 | 45 | 414 |
¹ Sämtliche Schlachtschiffe führen Fischtorpedos, die gepanzerten Kreuzer 2 Schlepptorpedos. Beide Schiffsklassen führen je 2 Torpedoboote, die Küstenverteidiger je ein Torpedoboot an Deck. Die stärksten dieser Schiffe, [* 24] Formidable und Admiral Baudin, von je 11,441 To. Deplacement, 55 cm größter Panzerstärke, sind armiert mit je drei 37 cm Hinterladerkanonen von 75 Ton. Gewicht. - ² Die Torpedokreuzer haben je 5, die Avisos je 2 Überwasserlancierapparate. - ³ Sämtliche Kreuzer führen 2 Schlepptorpedos, die gedeckten je 2, die Glattdeckskreuzer je ein Auslegetorpedoboot an Bord.-
4 Die zerlegbaren Kanonenschaluppen wurden zum Gebrauch auf Flüssen für den Krieg in Tongking [* 25] gebaut. Außer den in vorstehender Tabelle Aufgeführten Schiffen sind noch mehr als 200 Segelschiffe für den Hafendienst, als Werkstätten-, Lazarett- etc. Schiffe, vorhanden.
Ludwig XIV. hinterließ 1715 eine Flotte von 150 Segeln, welche, von kleinern Schiffen abgesehen, bis 1779 auf 89 Linienschiffe und 60 Fregatten wuchs. Bei Beginn der Revolution waren 81 Linienschiffe, ¶
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86 Fregatten und 148 kleinere Kriegsschiffe mit zusammen 14,000 Kanonen und einer Bemannung von 78,000 Mann vorhanden. Beim Beginn des Krimkriegs verfügte Frankreich über eine Flotte von 252 Segelschiffen und 112 Dampfern. Dieser Krieg gab Napoleon III. Veranlassung zum Bau gepanzerter schwimmender Batterien, welche sich beim Bombardement von Kinburn so bewährten, daß sie zum Bau der ersten gepanzerten Fregatte, Gloire, welche 1858 vom Stapel lief, Veranlassung wurden. Im J. 1861 verfügte die französische Kriegsmarine bereits über 20 Panzerschiffe. [* 27] Frankreich hat großes Verdienst um die Entwickelung des Baues von Panzerschiffen.
Die Küste Frankreichs ist gegenwärtig in fünf Bezirke und die Marine dementsprechend in fünf Marinedivisionen geteilt, davon je eine in den fünf Kriegshäfen Cherbourg, [* 28] Brest, Lorient, Rochefort u. Toulon. [* 29] An der Spitze der Kriegsmarine steht der Marineminister, ihm zur Seite ein Kabinettschef und ein Admiralsrat (conseil d'amirauté). Das Personal besteht aus etwa 32 Vizeadmiralen, 50 Konteradmiralen, 110 Kapitänen zur See, 240 Fregattenkapitänen, 700 Leutnants und 490 Schiffsfähnrichen. Diesem Offizierkorps entspricht ein Mannschaftsstand von 47,000 Mann, darunter 28,000 Mann an Bord.
Vgl. v. Pfister, Das französische Heerwesen (2. Aufl., Kassel [* 30] 1877);
Jähns, Das französische Heer von der großen Revolution bis zur Gegenwart (Leipz. 1873);
Dussieux, L'armée en France, histoire et organisation (1884, 3 Bde.);
v. Busse, Die Heere der französischen Republik 1870-71 (Hannov. 1874);
Duc d'Aumale, Les institutions militaires de la France (Brüss. 1867);
Vinoy, L'armée française (Par. 1873);
»Frankreichs Kriegsbereitschaft, eine Studie« (3. Aufl., Berl. 1884);
»Die Befestigung und Verteidigung der deutsch-französischen Grenze« (das. 1879);
»Frankreichs Landesbefestigung« (Bd. 88 des »Archivs für die Artillerie- und Ingenieuroffiziere des deutschen Reichsheers«, das. 1881);
Obermair, Die Befestigungen Frankreichs (das. 1886);
»Registrande des Großen Generalstabs« (das. 1875 ff.);
v. Löbell, Jahresberichte (das. 1874 ff.);
Chassériau, Précis historique de la marine française (1876);
J. Delabarre ^[richtig: Jules Delarbre], La marine militaire de la France, organisation et administration (1877);
v. Kronenfels, Das schwimmende Flottenmaterial der Seemächte (Wien [* 31] 1881);
Derselbe, Die Kriegsschiffbauten 1881-82 (das. 1883).
Kolonien.
Die außereuropäischen Besitzungen der Krone Frankreich waren vor der Revolution von 1789 weit ansehnlicher als jetzt. Die bedeutendste derselben ist jetzt Algerien [* 32] (s. d.) mit einem Flächeninhalt von 667,065 qkm (12,115 QM.) und (1881) 3,310,412 Einw. Eigentliche Kolonien (unter dem Marineministerium stehend) sind in Asien: [* 33] Ponditscherri, Tschandarnagar, Karikal, Mahé und Janaon in Indien mit 508 qkm (9,24 QM.) und (1882) 273,283 Einw., das französische Kochinchina mit 59,800 qkm (1086 QM.) und (1882) 1,642,185 Einw., Kambodscha mit 83,860 qkm (1523 QM.) und 1,500,000 Einw. und Tongking mit 90,000 qkm (1634 QM.) und 9 Mill. Einwohnern;
in Afrika: [* 34] Senegal und Gabun mit 700,000 qkm (12,710 QM.) und 4 Mill. Einw., Obok mit 10,000 qkm (181 QM.) und (1884) 22,370 Einw., die Insel Réunion mit 2512 qkm (45,6 QM.) und (1882) 170,518 Einw., die Inseln Mayotta, Nossi Bé und Ste.-Marie mit 824 qkm (14,9 QM.) und (1882) 28,726 Einw.;
in Amerika: [* 35] St.-Pierre und Miquelon mit 235 qkm (4,3 QM.) und (1882) 5554 Einw., Martinique und Guadeloupe mit Dependenzen mit 2858 qkm (51,9 QM.) und (1882) 364,884 Einw., Französisch-Guayana mit 121,414 qkm (2205 QM.) und (1882) 24,656 Einw.;
in Ozeanien: [* 36] Neukaledonien [* 37] und Dependenzen mit 19,950 qkm (362 QM.) und (1884) 60,703 Einw. und Tahiti [* 38] nebst Dependenzen mit 3658 qkm (66 QM.) und (1884) 25,050 Einw. Schutzstaaten sind in Asien: das Königreich Anam mit 275,300 qkm (5000 QM.) und 6,045,000 Einw.;
in Afrika: Tunis mit 116,348 qkm (2113 QM.) und 1,500,000 Einw. Die auswärtigen Besitzungen Frankreichs (s. Karte »Kolonien«) [* 39] beziffern sich sonach:
Besitzungen | QKilom. | QMeilen | Einwohner |
---|---|---|---|
Algerien | 667065 | 12115 | 3310412 |
Kolonien | 1096010 | 19903 | 17117929 |
Schutzstaaten | 391648 | 7113 | 7545000 |
Zusammen: | 2154723 | 39131 | 27973341 |
Die Nationalfarben und die Flagge Frankreichs sind Weiß, Rot und Blau (Trikolore). Die Oriflamme (s. Fahne) dient seit Karl VII. nicht mehr als Reichspanier. Das alte bourbonische Wappen [* 40] bildeten zwei zusammengeschobene Schilde, auf dem rechten blauen drei goldene Lilien. [* 41] Während der Revolution wichen die drei Lilien dem gallischen Hahn [* 42] und unter Napoleon I. dem goldenen, auf Blitzen fahrenden Adler; [* 43] mit der Restauration kehrten sie zurück, wurden aber nach der Julirevolution abgeschafft. Napoleon III. brachte den Adler wieder ins Wappen zurück. Gegenwärtig enthält das Wappen eine die Republik darstellende allegorische [* 26] Figur. Der einzige Orden [* 44] in Frankreich ist der Orden der Ehrenlegion (s. d.). S. die Tafeln »Flaggen«, [* 45] »Orden«, »Wappen«.
Litteratur.
Vgl. für die Geographie: »Dictionnaire topographique de la France« (auf Veranlassung des Unterrichtsministeriums herausgegeben; jedes Departement bildet einen Band, [* 46] 1861 ff.);
Gindre de Mancy, Nouveau dictionnaire complet des communes de la France, etc. (5. Ausg. 1874);
Joanne, Dictionnaire géographique, administratif etc. de la France (3. Aufl. 1886);
Derselbe, Géographies départementales de la France (87 Bdchn.);
Maltebrun, La France et ses colonies (Par. 1857);
Derselbe, La France illustrée (neue Ausg. 1879 ff.);
Cortambert, Géographie physique et politique de la France (zuletzt 1886);
Reclus, La France (1877, Bd. 2 der »Géographie universelle«);
Levasseur, Précis de la géographie de la France et de ses colonies (1886);
Heuzé, La France agricole (mit 46 Karten, 1875, offiziell);
Hillebrand, und die Franzosen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (3. Aufl., Berl. 1879);
Hellwald, in Wort und Bild (Leipz. 1884 ff.);
Vignon, Les colonies françaises (1885);
Rambaud, La France coloniale (das. 1886);
Lebon, Das Staatsrecht der französischen Republik (Freiburg [* 47] 1886);
Voisin-Bey, Die Seehäfen Frankreichs (deutsch, Leipz. 1886);
die offizielle »Statistique de la France«; »Annuaire statistique de la France« (seit 1878);
Block, Dictionnaire de l'administration française (2. Aufl. 1875-79, mit jährlichen Supplementen) und den jährlich erscheinenden »Almanach national« (Staatshandbuch).
Kartenwerke (Spezialkarten): Cassini, Carte topographique de la France (1:86,400, Par. 1744-1793, in 182 Bl.);
»Carte de la France« (1:80,000, das. 1818-82, in 267 Bl.; offiziell vom Depot de la guerre);
seit 1881 wird eine neue Ausgabe dieser ¶