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Offizierkorps ist von der allgemeinen Heeresreorganisation nicht unberührt geblieben. Das seit Jahren in Beratung befindliche Avancementsgesetz hat noch nicht die Bestätigung erhalten, da der häufige Wechsel der Kriegsminister auch auf dieses Gesetz nicht ohne Einfluß geblieben ist. Im allgemeinen lehnt sich dasselbe an das bezügliche Gesetz von 1832 an. Die Ergänzung des Offizierkorps findet im Frieden zu ⅔ aus den Schulen, zu ⅓ aus Unteroffizieren statt.
Letztere müssen mindestens zwei Jahre in der Truppe aktiv gedient, eine Militärschule besucht und die vorgeschriebene Prüfung bestanden haben. Der Beförderung zum Offizier muß die Wahl vorangehen. Das Avancement zu den höhern Chargen ist von dem Bestehen wissenschaftlicher Prüfungen abhängig. ⅓ in der Hauptmannscharge werden nach der Anciennität, ⅔ nach Wahl besetzt (au choix). Die Beförderung zu höhern Chargen, vom Bataillonschef an aufwärts, findet nur nach Wahl, zum Obersten und General auf Qualifikationsurteil des Conseil supérieur de la guerre statt.
Bei Unfähigkeit zur Weiterbeförderung werden Leutnants und Hauptleute nach 25jähriger Dienstzeit ex officio verabschiedet. Die Unteroffiziere ergänzen sich aus der Truppe sowie aus den Militärvorbereitungsschulen. Auch für sie gilt die Bestimmung, daß niemand in einen höhern Grad befördert werden darf, der nicht die Qualifikation dazu besitzt. Korporale und Brigadiers (den Obergefreiten unsrer Artillerie entsprechend, Korporale bei den Fuß-, Brigadiers bei den berittenen Truppen) dürfen nach viermonatlicher Dienstzeit schon zu Unteroffizieren befördert werden. Die Schwierigkeit der Erhaltung eines Stammes älterer Unteroffiziere führte zu dem Rengagementsgesetz vom welches die Altersgrenze für Unteroffiziere auf 47 Jahre festsetzt und das Rengagement durch Solderhöhung, Verbesserung in den Wohnungs- und Eheschließungsverhältnissen sowie durch Zivilversorgung erleichtern soll.
Lager (militärisch)

* 3
Lager.[Militärschulen.]
Das Militärerziehungs- und Bildungswesen ist seit dem Krieg von 1870/71 außerordentlich gefördert worden; die Ansprüche sind in jeder Beziehung gesteigert, die deutsche Sprache ist obligatorischer Unterrichtsgegenstand auf allen höhern Lehranstalten geworden. Für die Ausbildung der nicht aus dem Unteroffizierstand hervorgehenden Offiziere sorgen: a) das Militärprytaneum zu La Flêche; es hat 500 Zöglinge außer den Pensionären, meist Söhne unbemittelter Offiziere; Lehrplan etwa der eines Realgymnasiums; b) die Militärschule zu St.-Cyr für Infanterie und Kavallerie, 800 Zöglinge, Kursus zwei Jahre, etwa den deutschen Kriegsschulen entsprechend; c) die polytechnische Schule zu Paris; [* 2] d) die höhere Kriegsschule (École supérieure de guerre), Generalstabsschule, etwa der deutschen Kriegsakademie entsprechend, in Paris; e) die École d'application de l'artillerie et du génie zu Fontainebleau zur fachlichen Ausbildung von Artillerie- und Ingenieuroffizieren, Kursus zwei Jahre; f) die Reitschule zu Saumur, mit welcher eine Tierarzneischule verbunden ist; g) die Unteroffizierschule in St.-Maixent zur Ausbildung von Unteroffizieren für die Beförderung zum Offizier; einjähriger Kursus, 500 Zöglinge; h) durch Gesetz vom ist die Institution der Soldatenkinder bei den Truppen (enfants de troupe) aufgehoben und sind 6 Militärvorbereitungsschulen zu Pézénas, Bagnol sur Cèze, Montreuil sur Mer, Bayeux, Allais und Billaume, mit 5000 Zöglingen, Kursus fünf Jahre vom 13.-18. Jahr, errichtet worden; i) die Administrationsschule zu Vincennes zur Ausbildung von Administrationsoffizieren aus Unteroffizieren, Kursus zehn Monate, Besuch obligatorisch; k) die Normalschule für Gymnastik zu Joinville le Pont; l) die Normalschießschule im Lager [* 3] von Châlons und 4 Regionalschießschulen in den Lagern von Châlons, Ruchard, Valbonne und Blidah; m) eine Zentralschule für Kriegsfeuerwerkerei zu Bourges. Es bestehen ferner bei allen Regimentern Regiments- und bei der Artillerie Brigadeschulen zur Ausbildung von Mannschaften und Unteroffizieren.
Uniformierung. Infanterie: dunkelblauer Dolman mit krapprotem Kragen, dunkelblauen Kragenpatten mit aufgenähter Regimentsnummer, Käppi aus dunkelblauem Tuch mit Regimentsnummer, Gradabzeichen auf jedem Ärmel, rote Beinkleider. Kavallerie: Kürassier dunkelblauer Waffenrock, Dragoner dunkelblauer, Jäger und Chasseur himmelblauer Dolman, Dragoner weißer, Jäger roter, Husar himmelblauer, Chasseur d'Afrique gelber Kragen. Artillerie: dunkelblauer Dolman mit schwarzem Kragen;
Fußartillerie dunkelblaue Kragenpatten, blaues Käppi mit roter Granate.
[Bewaffnung.]
Die Infanterie ist mit dem Gewehr M/74, System Gras (s. Handfeuerwaffen), [* 4] bewaffnet, die Jägerbataillone haben neuerdings ein Repetiergewehr erhalten; die Marineinfanterie führt das Repetiergewehr System Gras-Kropatscheck. Offiziere und Feldwebel führen einen Revolver. [* 5] Der Infanterist trägt 78 Patronen bei sich. Kavallerie: Dragoner, Husaren und Jäger haben den Gras-Karabiner M/74, die Kürassiere sowie die Unteroffiziere und Trompeter der andern Kavallerie den Revolver M/73, Dragoner und Kürassiere einen geraden, Husaren und Jäger einen gekrümmten Säbel mit Messingkorb.
Geschütze I

* 6
Geschütze.Die Kürassiere tragen einen Küraß. Artillerie: Die fahrenden Batterien der Feldartillerie haben 90 mm, die reitenden 80 mm Geschütze, [* 6] die Gebirgsbatterien solche von 7 cm Kaliber. Von den frühern Feldgeschützen von 95 mm Kaliber erhält jedes Armeekorps 2 Batterien als Positionsartillerie. Die Fußmannschaften der Feldartillerie und die Fußartillerie sind mit dem Gras-Karabiner M/74 ausgerüstet, die berittenen Mannschaften der Feldartillerie mit dem Revolver.
Werkstätten und Fabriken. Geschützgießereien bestehen in Bourges für die Landartillerie und in Ruelle (Charente) für die Marine. Artilleriewerkstätten gibt es zu Mézières, Rennes, Besançon, [* 7] Nevers und Toulouse; [* 8] Feuerwerkslaboratorien in Bourges und Sevran-Livry bei Paris; letzteres vorzugsweise für Marine. Mit dem Laboratorium [* 9] in Bourges ist die pyrotechnische Schule verbunden. Pulverfabriken bestehen in Le [* 10] Bouchet, Le Rigault, St.-Chamas (Rhônemündungen), Angoulême, Esquerdes (Pas de Calais), St.-Médard (Gironde), St.-Ponce (Ardennen), Pont du Buis (Finistère), Sévran und Toulouse;
Salpeterraffinerien zu Paris, Lille, [* 11] Bordeaux [* 12] und Marseille; [* 13]
eine Fabrik für Schießwolle in Moulin blanc, Filiale der Pulverfabrik Pont du Buis;
eine Dynamitfabrik zu Vonges (Côte d'Or).
Gewehrfabriken gibt es zu Paris, Vincennes, St.-Etienne, Maubeuge, Château le Rôle.
[Festungen.]
Die 1871 eingesetzte Landesverteidigungskommission stellte folgende Grundsätze für die zur Sicherung des Landes gegen eine feindliche Invasion zu ergreifenden Maßnahmen auf:
1) Paris ist durch einen zweiten, so weit vorgeschobenen Gürtel [* 14] von Forts zu umgeben, daß es durch ihn vor einem Bombardement, womöglich vor einer Einschließung gesichert wird;
Frankreich (Festungen,

* 15
Seite 6.537.2) die wichtigen Festungen sind, entsprechend der Tragweite der heutigen ¶
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Belagerungsgeschütze, durch detachierte Forts zu verstärken;
3) gegen eine Invasion von O. muß ein neues Befestigungssystem geschaffen werden. Aus den Erfahrungen des Kriegs 1870/71 hatte man die Überzeugung gewonnen, daß es der französischen Heeresverwaltung nicht gelingen werde, Vorkehrungen zu treffen, welche eine gleich schnelle Mobilisierung der Armee gewährleisten, wie sie in Deutschland [* 16] 1870 zur Ausführung kam und bei einem künftigen Krieg ohne Zweifel noch exakter zur Ausführung kommen wird. Danach ist zu erwarten, daß deutsche Heeresmassen die Grenze Frankreichs überschreiten werden, bevor die französische Armee ihnen schlagfertig entgegentreten kann.
Schweiz

* 18
Schweiz.Hieraus folgt die Notwendigkeit, die Offensivkraft des Landes durch geeignete Defensivmittel, also durch Befestigungen, zu unterstützen. Dieser Zweck wird erreicht, wenn die Befestigungen die über die Grenze führenden Heerstraßen, vorzugsweise die Eisenbahnlinien, sperren und somit die Lebensadern unterbinden, welche der Invasionsarmee aus dem Heimatsland Lebens- und Streitmittel und Ersatz aller Art zuführen. Aus diesen Erwägungen ging die Anlage der Sperrforts (s. Festung, [* 17] S. 186) nahe der Landesgrenze gegenüber Deutschland, der Schweiz [* 18] und Italien [* 19] hervor.
Bei Verdun [* 20] beginnend, zieht sich die Kette derselben, nur hinter den Vogesen südlich Toul [* 21] bis Epinal eine Lücke zeigend, ununterbrochen fortlaufend bis zur Schweizer Grenze hin. Dieser gegenüber wie auch gegen Italien sind, durch den Charakter des Gebirges bedingt, nur die wichtigen Pässe gesperrt. Als Stützpunkte für die Sperrfortkette dienen die mit Forts umgebenen Festungen Verdun, Toul, Epinal, Belfort, [* 22] Besançon, Lyon, [* 23] Briançon. Man hofft den Feind vor den Sperrforts so lange aufzuhalten, bis die französische Armee ihre Konzentration hinter der obern Mosel vollendet hat.
Belgien und Luxemburg

* 26
Belgien.Sollte aber dem Feind ein vorzeitiger Durchbruch gelingen und die Armee von ihm zurückgedrängt werden, so soll sie hinter einem zweiten Gürtel von Festungen, im S. auf dem Plateau von Langres, geschützt durch die mit Forts umgebenen Festungen Langres, Dijon, [* 24] Besançon, Grenoble, [* 25] Aufnahmestellung finden. Sollte aber eine feindliche Armee durch Belgien [* 26] den Einbruch versuchen, so sollen hier die großen Festungen Lille, Douai, Valenciennes, Maubeuge, Cambrai sowie die Sperrfestung Givet und das Sperrfort bei Hirson den Durchbruch aufhalten.
Ist derselbe dennoch gelungen, so bietet der Festungsgürtel Reims [* 27] (Reims ohne Hauptwall, Fortgürtel 60 km), Soissons, La Fère bis Amiens, [* 28] dazwischen Sperrforts bei Péronne, Ham, Lyon (großartige Fortfestung), eine zweite Barriere. Das Zentrum des Landesverteidigungssystems bildet Paris selbst. Die alte Stadtumwallung mit ihren 94 Bastionen von ca. 33 km Umfang ist stehen geblieben; ebenso bestehen noch die aus der Belagerung von 1870/71 bekannten Forts, deren Unzulänglichkeit sich erwiesen hat.
Weit vor dieselben hinaus ist ein Gürtel von Forts, von denen mehrere kleinen Festungen gleichen, erbaut worden. Der Raum hinter ihnen bietet Armeen Unterkunft. Diese aus 7 Forts erster, 14 zweiter Ordnung sowie 40 Redouten und Batterien bestehende Befestigungslinie (s. Karte bei Paris) hat eine Länge von 124 km, von N. nach S. einen Durchmesser von 34, von O. nach W. von 45 km und umschließt einen Flächenraum von etwa 1200 qkm. Die großen Forts (Palaiseau, Villeneuve, Chelles, Vaujours, Ecouen, Cormeilles und St.-Cyr) haben eine Besatzung von je 1200 Mann und eine Armierung von 60 schweren Geschützen. Frankreich hat 159 Festungen mit etwa 300 Forts, 400 Batterien, 20 Küstenforts [* 29] und 120 Küstenbatterien. [* 30]
Der Verwendung von Brieftauben für Kriegszwecke wird viel Aufmerksamkeit zugewendet. In Paris und Langres sind Zentralstationen, in Mézières, Verdun, Toul, Belfort, Besançon und Lyon Filialstationen für Brieftauben errichtet. Eine Luftschiffahrtsschule ist in Chalais bei Meudon unweit Paris und eine zweite 1885 in Grenoble errichtet. Den Armeen werden Luftschiffertrains für den Gebrauch des Ballon [* 31] captif beigegeben.
Poel - Pola

* 33
Pola.[Die französische Kriegsmarine.]
Die Stärke [* 32] des schwimmenden Materials der französischen Marine Mitte 1885 ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich (zusammengestellt nach dem »Almanach für die k. k. Kriegsmarine«, Pola [* 33] 1885).
Schiffsart | Fertig | Im Bau | Zusammen |
---|---|---|---|
A. Panzerschiffe¹: | |||
1) Geschwader- (Schlacht-) Schiffe | 27 | 6 | 33 |
2) Gepanzerte Kreuzer | 9 | 3 | 12 |
3) Gepanzerte Küstenverteidiger | 6 | - | 6 |
4) Panzerkanonenboote | 1 | 7 | 8 |
5) Schwimmende Panzerbatterien | 7 | - | 7 |
Zusammen: | 50 | 16 | 66 |
B. Torpedofahrzeuge²: | |||
1) Torpedokreuzer (1260 Ton. Deplacement) | - | 4 | 4 |
2) Torpedo-Avisos (321 Ton. Deplacement) | - | 8 | 8 |
3) Hochsee-Torpedoboote | - | 3 | 3 |
4) Torpedoboote (44 Ton. Depl.) I. Klasse | 18 | - | 18 |
5) Torpedoboote (31-14 T. Depl.) II. u. III. Kl. | 60 | - | 60 |
6) Torpedodepot- und Übungsschiff mit 4 Booten | 1 | - | 1 |
Zusammen: | 79 | 15 | 94 |
C. Kreuzer³: | |||
1) Gedeckte Kreuzer | 11 | 1 | 12 |
2) Glattdeckskreuzer | 40 | - | 40 |
Zusammen: | 51 | 1 | 52 |
D. Avisos: | |||
1) Schraubenavisos | 21 | 4 | 25 |
2) Radavisos | 30 | - | 30 |
3) Transportaviso | 11 | 4 | 15 |
Zusammen: | 62 | 8 | 70 |
E. Kanonenboote: | |||
1) Kanonenboote I. Klasse | 25 | 3 | 28 |
2) Kanonenschaluppen | 37 | - | 37 |
3) Zerlegbare Kanonenschaluppen4 | 14 | - | 14 |
Zusammen: | 76 | 3 | 79 |
Frankreich Transportfahrzeuge: | |||
1) Schraubenschiffe | 30 | 2 | 32 |
2) Segelschiffe | 21 | - | 21 |
Zusammen: | 51 | 2 | 53 |
Insgesamt: | 369 | 45 | 414 |
¹ Sämtliche Schlachtschiffe führen Fischtorpedos, die gepanzerten Kreuzer 2 Schlepptorpedos. Beide Schiffsklassen führen je 2 Torpedoboote, die Küstenverteidiger je ein Torpedoboot an Deck. Die stärksten dieser Schiffe, [* 34] Formidable und Admiral Baudin, von je 11,441 To. Deplacement, 55 cm größter Panzerstärke, sind armiert mit je drei 37 cm Hinterladerkanonen von 75 Ton. Gewicht. - ² Die Torpedokreuzer haben je 5, die Avisos je 2 Überwasserlancierapparate. - ³ Sämtliche Kreuzer führen 2 Schlepptorpedos, die gedeckten je 2, die Glattdeckskreuzer je ein Auslegetorpedoboot an Bord.-
4 Die zerlegbaren Kanonenschaluppen wurden zum Gebrauch auf Flüssen für den Krieg in Tongking [* 35] gebaut. Außer den in vorstehender Tabelle Aufgeführten Schiffen sind noch mehr als 200 Segelschiffe für den Hafendienst, als Werkstätten-, Lazarett- etc. Schiffe, vorhanden.
Ludwig XIV. hinterließ 1715 eine Flotte von 150 Segeln, welche, von kleinern Schiffen abgesehen, bis 1779 auf 89 Linienschiffe und 60 Fregatten wuchs. Bei Beginn der Revolution waren 81 Linienschiffe, ¶