mehr
Wahlberechtigung und von 25 Jahren für die Wählbarkeit sowie durch den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte beschränkten Stimmrechts gewählt werden. Die Wahl findet seit 1885 im Weg des Listenskrutiniums statt, wonach jedes Departement einen Wahlkörper bildet, welcher die nach der Bevölkerung [* 2] auf das Departement entfallende Zahl von Abgeordneten wählt. Der Senat besteht aus 300 Mitgliedern, von denen 225 von den Departements und Kolonien, 75 von der Nationalversammlung gewählt werden.
Niemand kann Senator sein, der nicht Franzose, mindestens 40 Jahre alt und im Vollbesitz der bürgerlichen und politischen Rechte ist. Die Senatoren der Departements und der Kolonien werden auf neun Jahre gewählt und alle drei Jahre zu einem Drittel erneuert. Bei Beginn der ersten Session werden die gewählten Senatoren in drei an Zahl gleich starke Serien geteilt und hierauf durch das Los die Serien bestimmt, die nach Ablauf [* 3] des ersten und zweiten Trienniums zu erneuern sind.
Die von der Nationalversammlung zu ernennenden Senatoren sind unabsetzbar. Der Senat teilt mit der Abgeordnetenkammer die Initiative bei der Abfassung der Gesetze. Jedoch müssen die Finanzgesetze vorerst der Abgeordnetenkammer vorgelegt und von ihr genehmigt werden. Der Präsident der Republik wird mit absoluter Majorität von dem Senat und der Abgeordnetenkammer, die zu einer Nationalversammlung zusammentreten, gewählt. Er wird auf sieben Jahre ernannt und kann wieder gewählt werden.
Der Präsident der Republik teilt die Initiative zur Gesetzgebung mit den Mitgliedern der beiden Kammern;
er veröffentlicht die Gesetze, sobald sie von den beiden Kammern votiert sind;
er überwacht und sichert ihre Ausführung;
er hat das Recht der Begnadigung, Amnestien können aber nur durch ein Gesetz verfügt werden;
er disponiert über die bewaffnete Macht;
er besetzt alle Zivil- und Militärämter;
er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz;
die Botschafter und Gesandten der fremden Mächte sind bei ihm beglaubigt.
Jeder Akt des Präsidenten der Republik muß von einem Minister gegengezeichnet werden. Der Präsident der Republik kann im Einverständnis mit dem Senat die Abgeordnetenkammer vor dem gesetzlichen Ablauf ihres Mandats auflösen, in welchem Fall die Wahlkollegien binnen drei Monaten zu neuen Wahlen zusammentreten sollen. Der Präsident der Republik ist nur im Fall eines Hochverrats vor dem Senat verantwortlich, welcher zu diesem Behuf, außerdem aber, um die Minister zu richten und über Attentate gegen die Sicherheit des Staats zu erkennen, als Gerichtshof zusammentreten kann.
Im Fall der Erledigung der Präsidentenwürde wegen Ablebens oder aus irgend welchen andern Gründen schreiten die beiden vereinigten Kammern unverzüglich zur Ernennung des neuen Präsidenten der Republik. In der Zwischenzeit ist der Ministerrat mit der exekutiven Gewalt betraut. Die Kammern besitzen ferner das Recht, in getrennten Versammlungen, die in einer jeden von ihnen, sei es aus eignem Antrieb, sei es auf Verlangen des Präsidenten der Republik, stattzufinden haben, zu erklären, daß sie eine Revision der Verfassung für statthaft halten.
Nachdem die beiden Kammern einzeln diesen Beschluß gefaßt haben, treten sie zu einer Nationalversammlung zusammen, um die Revision vorzunehmen. Die Beschlüsse, betreffend die gänzliche oder teilweise Revision der Verfassung, müssen von der absoluten Majorität sämtlicher Mitglieder, aus denen die Nationalversammlung zusammengesetzt ist, gefaßt werden. Den französischen Staatsbürgern sind die konstitutionellen Grundrechte des Volkes im umfassendsten Sinn gewährleistet.
Zur Vertretung und Wahrnehmung der Interessen der Departements und Arrondissements bestehen in jenen General-, in diesen Arrondissementsräte, deren Mitglieder auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden. Die Generalräte wurden durch das Gesetz vom neu organisiert. Jeder Kanton [* 4] des Departements entsendet ein Mitglied in den Generalrat; nur im Seinedepartement gehören demselben auch sämtliche Mitglieder des Munizipalrats von Paris an. [* 5] Außerdem bestehen Arrondissementsräte, deren Organisation auf den Gesetzen vom und beruht. In jeder Gemeinde bestehen ein Munizipalrat und ein Maire mit Adjunkten.
Der Munizipalrat wird, je nach der Größe der Gemeinde, aus 10-36, in Paris aus 80 auf drei Jahre gewählten Mitgliedern gebildet. Auf dieselbe Zeit werden von den Munizipalräten die Maires und Adjunkten gewählt; nur in den Städten mit mehr als 20,000 Einw. und in den Hauptorten der Departements und Arrondissements werden diese durch Dekret der Regierung ernannt. In den beiden größten Städten, Paris und Lyon, [* 6] welche 20, bez. 6 Mairien zählen, vereinigt der Departementschef die Funktionen eines Zentralmaire. Der Maire präsidiert dem Munizipalrat; er ist mit der Gemeindeverwaltung, mit der Munizipalpolizei und mit den Funktionen eines Delegierten der Regierung betraut.
Staatsverwaltung.
Die Staatsverwaltung wird in oberster Instanz von elf Ministerien besorgt. Diese sind:
1) das Ministerium der Justiz und der Kulte;
2) der auswärtigen Angelegenheiten;
3) des Innern (auch für Algerien); [* 7]
4) der Finanzen;
5) der Posten und Telegraphen; [* 8]
6) das Kriegsministerium;
7) das Ministerium der Marine und der Kolonien;
8) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts und der schönen Künste;
9) das Handelsministerium;
10) das Ackerbauministerium;
11) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Der Ministerrat tritt unter Vorsitz des Präsidenten der Republik zusammen, welcher für seine Abwesenheit oder Verhinderung einen Minister als »Vizepräsidenten des Ministerrats« delegiert. Die Minister sind solidarisch vor den Kammern für die allgemeine Politik der Regierung und individuell für ihre persönlichen Akte verantwortlich. Eine selbständige Stellung neben den Ministerien genießt der Rechnungshof.
Unter dem Präsidium des Justizministers steht der Staatsrat, welcher nach der Reorganisation durch das Gesetz vom sein Gutachten über die Entwürfe von Gesetzen und Dekreten und über die Verwaltungsreglements sowie über alle Fragen, die ihm durch den Präsidenten der Republik oder die Minister vorgelegt werden, abgibt und über Rekurse in streitigen Verwaltungssachen sowie über Annullierungsgesuche wegen Machtüberschreitung seitens der verschiedenen Verwaltungsbehörden erkennt.
Nach dem Gesetz vom werden erledigte Staatsratsstellen vom Präsidenten der Republik nach Anhörung des Ministerrats besetzt. Die also ernannten Staatsräte können nur durch ein im Ministerrat beschlossenes Dekret ihres Amtes wieder enthoben werden. Für die verschiedenen Aufgaben der Verwaltung zerfällt in die oben angeführten 87 Departements (einschließlich des Gebiets von Belfort), [* 9] diese wieder in 362 Arrondissements und 36,097 Gemeinden. In jedem Departement wird ¶
mehr
die Verwaltung vom Präfekten ausgeübt, welchem ein Präfekturrat zur Seite steht. Außerdem bestehen in den Departements Unterrichtsräte (untergeordnet den 16 akademischen Räten, s. oben), Direktoren für die Einregistrierung und die Domänen, für die direkten und für die indirekten Steuern, für die Posten, Generalschatz- und Zahlmeister, Chefingenieure für Brücken [* 11] und Chausseen und Militärkommandanten. Im Seinedepartement (mit Paris) befindet sich neben der Departementspräfektur eine Polizeipräfektur. Im Arrondissement wird die Administration von den Unterpräfekten (in jedem Arrondissement, in welchem die Departementshauptstadt gelegen ist, unmittelbar vom Präfekten) wahrgenommen, neben welchen ein Finanzeinnehmer fungiert. In den Gemeinden sind die Maires mit der öffentlichen Verwaltung beauftragt.
Rechtspflege.
Die Gerichtsverfassung Frankreichs beruht auf dem Organisationsgesetz vom worin die Trennung der richterlichen von der gesetzgebenden Gewalt, der Verwaltung von der Rechtspflege ausgesprochen, das System zweier Instanzen und der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege eingeführt worden ist. Dieses Gesetz wurde durch spätere ergänzt und weiter ausgebildet, so durch die Gesetze vom 27. Ventôse VIII, Man muß unterscheiden zwischen jurisdiction ordinaire, d. h. Gerichten, welchen im Prinzip die Entscheidung aller Arten von Rechtsstreiten zusteht, und jurisdiction extraordinaire, welche nur über die durch Gesetze ihnen ausdrücklich überwiesenen Sachen zu entscheiden haben. Zu den erstern gehören die Tribunale in den Arrondissements, sie entscheiden in Versammlung von drei Richtern (den Präsidenten eingerechnet) in Zivilsachen in letzter Instanz bis zum Betrag von 1500 Fr. bei Mobiliarklagen, bis zum Betrag von 60 Fr. jährlicher Rente bei Immobiliarklagen, dann als Chambre correctionelle über die délits (Vergehen).
Die Appellation geht an die Cours d'appel, welche in Strafsachen (als Strafappellkammer) in Versammlung von fünf und in Zivilsachen in solcher von sieben Richtern urteilen. Außerdem ist bei den Appellhöfen die Chambre d'accusation, welche über die Verweisung an die Schwurgerichte (assises) erkennt. Letztere urteilen über crimes (Verbrechen), ein Mitglied des Appellhofs präsidiert. Die juges d'attribution sind: die Friedensrichter (juges de paix), welche namentlich in allen Rechtsstreitigkeiten, bevor sie an die Tribunale gelangen, Vergleiche (conciliations) zu versuchen haben;
ferner die Handelsgerichte (tribunaux de commerce), aus drei Richtern, welche aus den Notabeln des Kaufmannsstandes und von diesen gewählt werden, gebildete Gerichte, welche bis zum Betrag von 1500 Fr. in Handelssachen entscheiden.
Die Appellation von den Friedensrichtern geht an die Tribunale erster Instanz, von den Handelsgerichten an die Appellhöfe. Nicht als höhere Instanz, sondern als besondere Einrichtung ist der Kassationshof aufzufassen. Seine Aufgabe ist, die Einheit der Rechtsprechung zu wahren, gegen lokale Gewohnheiten und Auslegungen zu schützen; daher hat er nie darüber zu befinden, ob unrichtig geurteilt sei (mal jugé), sondern nur darüber, ob wesentliche Förmlichkeiten verletzt, ob Gesetze unrichtig angewendet und ausgelegt worden seien.
Eine eigne Organisation hat in Frankreich die Staatsanwaltschaft (ministère public). Sie ist nicht nur als Anklägerin im Strafverfahren thätig, sondern hat auch die Oberaufsicht über eine Reihe von Beamten, welche zu den officiers ministeriels gezählt werden (Notare, Huissiers, Greffiers); sie wirkt vielfach bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit, z. B. Vormundschaft, Adoption etc., mit und ebenso bei der Zivilrechtspflege. In Beziehung auf diese ist sie in gewissen im Gesetz bezeichneten Fällen, z. B. bei der Klage auf Scheidung einer Ehe, bei dem Antrag auf Interdiktion, Hauptpartei, d. h. sie klagt im öffentlichen Interesse; in allen andern Fällen hat sie das Recht, Anträge (conclusions) zu stellen, in welchen sie ihre Ansicht darüber ausspricht, wie im Interesse des Gesetzes zu entscheiden sei.
Beim Kassationshof ist ein Generalprokurator mit einer Anzahl (sieben) Generaladvokaten, bei jedem Appellhof ein Generalprokurator mit zwei Generaladvokaten und einigen Substituten, bei jedem Tribunal erster Instanz ein Oberprokurator mit einigen Substituten angestellt. Im J. 1881 bestanden im ganzen 26 Appellhöfe, 87 Assisenhöfe, 359 Tribunale erster Instanz, 215 Handelsgerichte, 2865 Friedensgerichte. Gefängnisse gab es 18 für Männer (mit 13,900 Sträflingen) und 6 für Weiber (mit 2700 Sträflingen), ferner an Korrektionsanstalten 12 öffentliche und 56 private mit zusammen 9000 Korrigenden.
Die Gesetzgebung von Frankreich beruht für Zivil- und Strafrecht, Zivil- und Strafprozeß auf den unter Napoleon I. zu stande gekommenen Kodifikationen, zunächst dem am unter dem Titel: »Code civil des Français« publizierten bürgerlichen Gesetzbuch, welches später die Benennung »Code Napoleon« erhalten hat und durch eine Reihe späterer Gesetze mannigfach abgeändert worden ist. Seit ist eine bürgerliche Prozeßordnung (Code de procédure civile) eingeführt, seit ein Handelsgesetzbuch (Code de commerce), welches durch eine Reihe von spätern Gesetzen geändert und ergänzt wurde, so z. B. bezüglich der Gesellschaften durch die Gesetze vom und Vom sind eine Strafprozeßordnung (Code d'instruction criminelle) und ein Strafgesetzbuch (Code pénal) in Geltung. Auch diese beiden Gesetze haben im Lauf der Zeit mannigfache Änderungen erfahren. Diesen fünf Codes werden gewöhnlich noch ein Code forestier und Code rural beigezählt.
Finanzen.
Die französischen Staatsfinanzen, welche bis zur großen Revolution einen feudalen Charakter getragen hatten, wurden am Ende des vorigen Jahrhunderts gründlich reformiert, indem alle alten Lasten beseitigt und durch eine den neuern Staatsideen entsprechende gleichmäßige Besteuerung ersetzt wurden. Hierbei griff man zuerst zu den direkten Steuern, welche aber nicht die erwarteten reichen Erträge brachten. Dieselben warfen 1832: 257 Mill. Fr. ab und wurden 1886 nur auf 436 Mill. Fr. veranschlagt, sind also nicht in einem der Steuerkraft entsprechenden Verhältnis gestiegen.
Die direkten Steuern begreifen die folgenden Kategorien: die Grund- und Gebäudesteuer, seit 1791, zu deren Veranlagung ein Kataster bis 1850 durchgeführt wurde;
die Personal- und Mobiliarsteuer, eine gleichfalls 1791 eingeführte Repartitionssteuer;
die Thür- und Fenstersteuer, vom Jahr 1798;
die Gewerbesteuer, 1791 eingeführt, bestehend aus einer fixen Abgabe und einer proportionalen Steuer;
die taxes assimilées, umfassend die Steuer auf die unbeweglichen Güter der Toten Hand, die Bergbauabgabe, die Kutschen- und Pferdesteuer, die Eichgebühr, die Apothekersteuer, die 1871 eingeführte Billardsteuer und die Abgabe von geselligen Vereinen, gleichfalls seit 1871. Die wichtigste Rolle im französischen ¶