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Parfümerieindustrie ist in Paris [* 2] konzentriert und genießt weitverbreiteten Ruf (Exportwert 1884: 10,2 Mill. Fr.). Sehr bedeutend ist auch die Harzproduktion in der Gegend von Bordeaux [* 3] und im Departement Landes, die Seifenfabrikation (namentlich in Marseille, [* 4] in Paris und den nördlichen Departements, zusammen 357 Unternehmungen mit einem Produktionswert von 108 Mill. Fr.), die Kerzenerzeugung, die Zündhölzchenfabrikation, welche dem Staatsmonopol unterworfen und an eine Gesellschaft verpachtet ist. Endlich ist noch die Darstellung organischer und anorganischer Farben (von letztern namentlich Ultramarin, Zinkweiß, Zinnober, [* 5] Anilinfarben) sowie die Erzeugung von Firnissen und Lacken (Paris) und Bleistiften (Givet) hervorzuheben.
Handel und Verkehr.
Zur Hälfte vom Meer umschlossen, zur Hälfte an die gewerbsamsten und kultiviertesten Länder Europas grenzend, durch gute Straßen, Flüsse, [* 6] Kanäle und ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz mit der See verbunden, befindet sich in der günstigsten Lage, seinen Handel nach innen und außen auf das großartigste zu entfalten. Dazu kommt noch die geistige Qualität der Nation mit den Eigenschaften des Fleißes, der Rührigkeit und des Erfindungsgeistes. Der große Aufschwung des französischen Handels datiert ebenso wie die grundlegende Entwickelung der französischen Industrie aus der Zeit Colberts.
Um den Verkehr zu heben, wurde der Canal du Midi gegraben, eine Seemacht geschaffen, und bald zeigten sich die Früchte dieser Bestrebungen in raschem Aufschwung sowohl der Industrie als des Handels, der allerdings so wie jene durch die darauf folgenden Ereignisse allzu früh wieder gestört wurde. Ludwigs XIV. beständige Kriege und Verschwendung, deren Folgen sich in Hungersnöten äußerten, lähmten den Handel im 18. Jahrh. außerordentlich. Doch hatte wenigstens der Handel mit Westindien [* 7] eine gewisse Blüte [* 8] erlangt, ebenso der mit der Levante.
Die Zeit der Revolution und des Kaiserreichs brachte neue Störung, während deren sich das Übergewicht Englands und der Vereinigten Staaten [* 9] immer mehr befestigte und nach Aufhebung der Kontinentalsperre um so auffallender hervortrat. Günstigere Zeiten begannen aber seit dem Sturz Napoleons I., indem die Regierung durch Begünstigungen jeder Art die nationale Schifffahrt und den Handel zu heben suchte. Die Schädigung, welche die Gründung des Deutschen Zollvereins brachte, suchte Frankreich durch Handels- und Schiffahrtsverträge mit andern Nationen, England, Vereinigte Staaten, Brasilien [* 10] etc., abzuwenden.
Vgl. Pigonneau, Histoire du commerce de la France (1885 ff.).
Der Handel Frankreichs scheidet sich in den allgemeinen und den Spezialhandel. Unter jenem versteht man die gesamte Handelsbewegung, die Ausfuhr französischer Produkte und den Import der Erzeugnisse des Auslandes, die Durchfuhr, den Entrepotverkehr und die Wiederausfuhr; unter letzterm dagegen nur die Einfuhr für den inländischen Gebrauch und die Ausfuhr von Produkten und Fabrikaten des inländischen Bodens und der inländischen Industrie sowie von nationalisierten Waren.
Außerdem unterscheidet man innern und auswärtigen Handel. Der Umsatz des innern Handels wird beim Fehlen von ziffermäßigen Daten hierüber auf das Zehnfache des durch den Außenhandel vermittelten Verkehrs geschätzt; er ist in den größern Städten und in den Gegenden, die bei reicher Produktion von Handelsstraßen, schiffbaren Flüssen und Kanälen durchschnitten werden, von besonderer Lebhaftigkeit. Hauptgegenstände desselben sind besonders Getreide, [* 11] dann Lebensmittel, Weine, Branntwein, die Bergwerksprodukte, die Kolonialprodukte, die der Fischerei [* 12] etc. Der auswärtige Handel ist in den letzten Jahrzehnten wesentlich gestiegen; doch hat die Ausfuhr bereits im J. 1875, die Einfuhr im J. 1880 ihren Höhepunkt erreicht, zu dem sie sich seither nicht wieder erhob. Die letzten Jahre zeigen sogar einen erheblichen Rückgang, da z. B. 1885 im Spezialhandel die Einfuhr gegen das Vorjahr um 128 Mill., die Ausfuhr um 47 Mill. Fr. gesunken ist. Der Seehandel überwiegt den Landhandel bedeutend; er nimmt nämlich vom Einfuhr- wie vom Ausfuhrhandel zwei Drittel in Anspruch.
Das von der Zollverwaltung jährlich veröffentlichte »Tableau général du commerce« ergibt für die Jahre 1874-84 folgende Werte des allgemeinen und des Spezial-Ein- und Ausfuhrhandels in Millionen Frank:
Jahr | Allgemeiner Handel | Spezialhandel | ||
---|---|---|---|---|
Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr | |
1874 | 4423 | 4702 | 3508 | 3701 |
1875 | 4462 | 4807 | 3537 | 3873 |
1876 | 4909 | 4548 | 3988 | 3576 |
1877 | 4570 | 4371 | 3670 | 3436 |
1878 | 5089 | 4112 | 4176 | 3180 |
1879 | 5579 | 4270 | 4595 | 3231 |
1880 | 6113 | 4612 | 5033 | 3468 |
1881 | 5996 | 4724 | 4863 | 3562 |
1882 | 5962 | 4764 | 4822 | 3574 |
1883 | 5887 | 4562 | 4804 | 3452 |
1884 | 5239 | 4218 | 4344 | 3233 |
Wenn man die Waren, welche den Gegenstand des äußern Handels bilden, in die drei Kategorien der Lebensmittel, der industriellen Hilfsstoffe und der Fabrikate teilt, so entfallen auf die Lebensmittel vom Einfuhrswert 33, vom Ausfuhrswert 24 Proz., auf die industriellen Hilfsstoffe 51 Proz. der Einfuhr und 24 der Ausfuhr, auf die Fabrikate 16 Proz. der Einfuhr und 52 der Ausfuhr.
Die bedeutendsten Artikel der Einfuhr (im Spezialhandel) waren 1884: Cerealien für 360, Wein 344, Schafwolle 332, rohe Seide [* 13] 269, Holz [* 14] 194, rohe Häute und Pelzwerk [* 15] 176, Baumwolle [* 16] 170, Steinkohle 168, Vieh 151, Ölsaaten 106, Wollwaren 89, Kaffee 83, Tafelfrüchte 81, Zucker [* 17] 76, Baumwollwaren 75, Flachs 64, Maschinen 60, Ölfrüchte 59 Mill. Fr.; die Hauptartikel der Ausfuhr dagegen: Schafwollwaren für 334, Wein 237, Seidenwaren 237, Seide 155, Lederwaren 131, Kurzwaren (Pariser Artikel) 119, bearbeitete Häute 110, Butter und Käse 109, Schafwolle 96, Baumwollgewebe 91, Weiß- und Konfektionswaren 75, Goldarbeiterwaren und Bijouterien 73, Branntwein und Liköre 73, rohe Häute und Felle 68, chemische Produkte 63, Metallwaren 63, Raffinadezucker 59 Mill. Fr. Der Edelmetallverkehr ergab im J. 1884 eine Einfuhr
an Gold [* 18] von 127,45 Mill. Frank
an Silber von 101,00 Mill. Frank
an Silber von 46,31 Mill. Frank
im ganzen daher eine Mehreinfuhr an Gold von 45,55, an Silber von 54,69 Mill. Fr., während sich im J. 1883 umgekehrt eine Mehrausfuhr von 85 Mill. Fr. an Edelmetallen ergeben hatte.
Die Hauptverkehrsländer waren für den französischen Ein- und Ausfuhrhandel im J. 1884 (ausgedrückt in Millionen Frank des Warenwerts): ¶
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Einfuhr aus | |
---|---|
Großbritannien | 616 |
Belgien | 463 |
Deutschland | 417 |
Italien | 369 |
Spanien | 298 |
Vereinigte Staaten | 280 |
Britisch-Indien | 231 |
Rußland | 219 |
Argentinische Republik | 196 |
Türkei | 124 |
Schweiz | 117 |
Österreich-Ungarn | 111 |
Algerien | 102 |
Andre Länder | 801 |
Ausfuhr nach | |
Großbritannien | 842 |
Belgien | 457 |
Deutschland | 328 |
Vereinigte Staaten | 275 |
Schweiz | 218 |
Italien | 172 |
Spanien | 153 |
Algerien | 147 |
Argentinische Republik | 119 |
Brasilien | 63 |
Türkei | 47 |
Niederlande | 34 |
Kolumbien | 27 |
Andre Länder | 35 |
Der Entrepotverkehr umfaßte 1884: 16,3 Mill. metr. Ztr. eingegangene Waren im Wert von 433 Mill. Fr., der Transit 2,3 Mill. metr. Ztr. im Wert von 575 Mill. Fr., mit Einschluß der Wiederausfuhr der zeitweilig nach Frankreich eingetretenen Waren 4,4 Mill. metr. Ztr. im Wert von 696 Mill. Fr.
Die Handels- und Zollpolitik in Frankreich beruht gegenwärtig auf dem im J. 1881 eingeführten neuen autonomen Zolltarif, welcher einen weitern Fortschritt in dem seit 1860 begründeten System des mäßigen Schutzzolls bedeutet. Die vor dem Jahr 1880 bestandenen Handelsverträge mit fremden Staaten sind sämtlich gekündigt, bez. nicht wieder erneuert worden. Dagegen wurden neue Verträge, welche auf der Basis des autonomen Zolltarifs bestimmt sind, den äußern Handelsverkehr Frankreichs für ein Dezennium zu regeln, mit Belgien, [* 20] Großbritannien, [* 21] Italien, [* 22] Portugal, [* 23] Schweden-Norwegen, der Schweiz, [* 24] Spanien, den Niederlanden abgeschlossen, welche 1882 in Kraft [* 25] getreten sind.
Auch mit Österreich-Ungarn [* 26] und Serbien [* 27] sind derartige Handelskonventionen abgeschlossen worden, während Deutschland, [* 28] Rußland, die Türkei [* 29] und Rumänien die Rechte der meistbegünstigten Nation gegenüber Frankreich genießen. Die Förderung des auswärtigen Handels und des Kolonialwesens beschäftigt seit den letzten Jahren die öffentliche Meinung Frankreichs in lebhafter Weise. Unter den darauf abzielenden Maßnahmen der Regierung sind, abgesehen von den auf Erweiterung der französischen Kolonialmacht gerichteten Unternehmungen, die Errichtung eines Informationsbüreaus im Handelsministerium, die Gründung einer Gesellschaft zur Ermunterung des französischen Exporthandels, die Errichtung von französischen Handelskammern im Ausland zu erwähnen. Da der französische Handel und namentlich der Außenhandel zum großen Teil auf dem Seeweg stattfindet, genießt die mit der Vermittelung dieses Verkehrs beschäftigte Handelsmarine die verdiente Beachtung.
Während dieselbe 1681 nur aus etwa 550 Fahrzeugen bestand, zählte sie Ende 1884: 14,414 Segelschiffe mit 522,757 Ton. und 938 Dampfer mit 511,072 T., zusammen 15,352 Fahrzeuge mit 1,033,829 T. und einer Bemannung von 89,486 Personen nebst 6813 Maschinisten und Heizern. Sie ist wohl in den letzten Jahren durch Verminderung der Segelschiffe beständig zurückgegangen und steht nicht nur England und den Vereinigten Staaten, sondern auch Norwegen, [* 30] Italien und Deutschland, in Bezug auf die Dampferflotte allerdings nur den beiden erstgenannten Seestaaten nach, doch liegen jetzt Pläne vor, dieselbe bedeutend zu heben; großartige Hafenbauten sind allenthalben im Werk.
Der Seeschiffahrtsverkehr in den französischen Häfen umfaßte im J. 1884 an eingelaufenen Schiffen 101,327 mit 17,531,561 T. (davon 32,408 mit 12,765,766 T. im Verkehr mit fremden und Kolonialhäfen und bei der großen Fischerei, 68,919 mit 4,765,795 T. bei der Kabotage), an ausgelaufenen Schiffen 103,036 mit 17,951,963 T. (34,117 Schiffe [* 31] mit 13,186,168 T. im auswärtigen Verkehr). Von dem Gesamttonnengehalt der im Dienste [* 32] der auswärtigen Schiffahrt ein- und ausgelaufenen Schiffe (25,951,934 T.) kamen auf Segelschiffe 5,315,927, auf Dampfschiffe 20,636,007 T., auf die französische Flagge 8,919,504, auf fremde Flaggen [* 33] 17,032,430 T. Die bedeutendsten Seehandelsplätze (mit Angabe des Tonnengehalts der bei der auswärtigen Schiffahrt im J. 1884 beladen ein- und ausgelaufenen Schiffe) sind:
Marseille | 5,680,897 Ton. |
Le Havre | 3,282,123 Ton. |
Bordeaux | 2,974,655 Ton. |
Dünkirchen | 1,159,606 Ton. |
Rouen | 991,882 Ton. |
Calais | 976,304 Ton. |
Boulogne | 848,847 Ton. |
Cette | 837,502 Ton. |
Dieppe | 762,716 Ton. |
St.-Nazaire | 690,515 Ton. |
Zur Unterstützung des Landverkehrs dienen die zahlreichen Messen und Märkte, welche freilich infolge der Entwickelung des modernen Verkehrswesens ihre frühere Wichtigkeit großenteils eingebüßt haben. Berühmte Messen finden namentlich statt zu Beaucaire 22. Juli, Guibray, einer Vorstadt von Falaise, 10. Aug., Caen nach Ostern, Château-Thierry, Le [* 34] Landit, St.-Denis im September etc. Die wichtigsten Landhandelsplätze Frankreichs sind: Paris, Lyon, [* 35] Lille, [* 36] Montpellier, [* 37] Nantes, [* 38] Nîmes, Rouen, [* 39] Rennes, Toulouse, [* 40] St.-Etienne, Beaucaire, Aix, Carcassonne, Béziers, Nancy, [* 41] Perpignan, Orléans, [* 42] Tours, [* 43] Troyes etc.
Der Straßenbau hat seit der Revolution von 1789 und neuerdings unter dem zweiten Kaiserreich und der gegenwärtigen Staatsform einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Länge sämtlicher Straßen beträgt (1881) 665,211 km; davon sind 37,313 km Landes- oder Nationalstraßen, welche hauptsächlich von Paris nach den Grenzen [* 44] und nach den bedeutendsten Seeplätzen führen (größtenteils makadamisiert), 34,913 km Departementalstraßen und 592,985 km Vizinalwege. Frankreich ist verhältnismäßig reich an Wasserstraßen; dieselben hatten 1881 eine Ausdehnung [* 45] von 16,265 km, wovon auf die schiffbaren Flüsse 8546, auf die flößbaren Wasserläufe 2961 und auf die Kanäle 4758 km kamen.
Die natürlichen Wasserstraßen verteilen sich hauptsächlich auf das Becken der Loire mit ihren Nebenflüssen (1657 km), der Garonne (1656 km), des Rhône (1447 km) und der Seine (1203 km). Die bedeutendsten Kanäle sind: der Ostkanal mit seinen beiden Linien von der belgischen Grenze bis Troussey und von Toul [* 46] nach Pont sur Saône nebst Abzweigungen (373 km), der Kanal [* 47] von Nantes nach Brest (360 km), der Canal du Midi (279 km), der Kanal von Berry mit der Hauptlinie von Montluçon nach Marseille les Aubigny und der Zweiglinie von Fontblisse nach Noyers (261 km), der Kanal von Burgund (242 km), der Marne-Rheinkanal (210 km), der Seitenkanal der Loire (206 km), der Seitenkanal der Garonne (204 km), der Rhône-Rheinkanal (190 km), der Nivernaiskanal (178 km), der Kanal der Somme (156 km), der Canal du Centre (130 km), der Kanal des Ourcq (108 km), der Ardennenkanal (100 km). Sehr entwickelt ist das Kanalwesen im Departement Nord, welches eine ganze Reihe meist kleinerer künstlicher Wasserstraßen besitzt, auf denen sich der reiche Verkehr dieses Departements, abgesehen von dem Eisenbahntransport, bewegt. Die Verbesserung der Wege für die Binnenschiffahrt bildete einen Teil des großen von der französischen Regierung seit 1877 in Ausführung genommenen Arbeitsprogramms, und ein Kostenbetrag von 1 Milliarde Frank wurde für Neuherstellung oder ¶