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Paris allein jährlich für mehrere Millionen Frank konsumiert. Außer in den der Hauptstadt benachbarten Departements wird diese Zucht besonders in den Departements Aube, Marne und Ober-Marne und im S. in den Departements Ober-Garonne, Tarn und Tarn-et-Garonne betrieben.
Vgl. Settegast, Die Viehzucht Frankreichs (Berl. 1879).
Fischerei.
Von großer Bedeutung ist die Fischerei, namentlich die Seefischerei, welche sowohl an den französischen als auch an entlegenen Küsten betrieben wird und, abgesehen von ihrer kommerziellen Wichtigkeit, auch eine gute Schule für die Marine bildet. Sie beschäftigte 1884: 23,929 Fahrzeuge mit einem Tonnengehalt von 162,467 Ton. und einer Bemannung von 87,179 Personen. Der Gesamtertrag der Seefischerei belief sich auf 88 Mill. Fr. (gegen 107 Mill. im Vorjahr). Ihre Hauptzweige sind der Kabeljau-, Herings- und Sardinenfang.
Der Kabeljaufang wird an der Küste von Neufundland und Island von (1881) 525 Schiffen und 12,767 Mann, hauptsächlich von den Häfen Bordeaux, Boulogne und Dünkirchen aus, betrieben; die Ausbeute betrug 36 Mill. kg, wovon 11 Mill. aus Frankreich nach andern Ländern exportiert wurden. Nicht minder bedeutend ist der Heringsfang, welcher an den Küsten Schottlands und im Kanal betrieben wird, für welchen 1884: 763 Schiffe mit 9878 Mann ausgerüstet wurden, und dessen Ausbeute in diesem Jahr gegen 46 Mill. kg ergab.
Die wichtigsten Häfen für diesen Erwerbszweig sind Boulogne, Fécamp, Dieppe, Berck, St.-Valéry en Caux. Der Sardellen-(Sardinen-) Fang wird hauptsächlich an der Küste des Atlantischen Ozeans ausgeübt; seine Zentren bilden Concarneau, Douarnenez, Sables d'Olonne. Der Ertrag belief sich 1884 auf 412, ja 1883 sogar auf 1148 Mill. Stück im Wert von 15-20 Mill. Fr. Ein großer Teil dieser Fischgattung wird in eignen Anstalten präpariert, eingesalzen oder in Öl eingelegt, wobei zahlreiche, namentlich weibliche, Arbeitskräfte beschäftigt sind.
Außerdem werden Thunfische, Makrelen, Steinbutten, Seezungen, Rochen, Lachse, Barben, Merlen etc. an den französischen Seeküsten jährlich in einer Quantität von ca. 53 Mill. kg (1884: 67 Mill.) und einem Wert von 35 Mill. Fr. gefangen. Neben dem Fischfang ist auch die künstliche Fischzucht an einzelnen Punkten der Seeküste, insbesondere zu Arcachon, auf der Insel Oléron, zu Marennes und Concarneau, von Bedeutung. Andre Meeresprodukte sind Hummern, welche das Meer im N., und Langusten, welche es im S. liefert.
Die Hummernzucht wird insbesondere in den Bassins von Roscoff betrieben, welche durchschnittlich 30,000 Stück dieser Seetiere enthalten. Große Bedeutung hat auch der Austernfang und die künstliche Austernzucht gewonnen; der Jahresertrag derselben beläuft sich auf mehr als 530 Mill. Stück im Wert von 13,5 Mill. Fr. und verteilt sich insbesondere auf das Becken von Arcachon, die Insel Oléron, Marennes, Cancale und Auray. Die Flußfischerei ist infolge der industriellen Benutzung der Gewässer, der in dieselben geleiteten Abfallwasser der Fabriken und der vielfach irrationell betriebenen Fangmethode sehr herabgegangen. Man fängt namentlich Forellen in den Gebirgswassern der Alpen, Pyrenäen und Cevennen, Hechte und Barben insbesondere im Rhône, dann Aale, Barsche, Karpfen und Weißfische.
Forstwirtschaft.
So beträchtliche Waldungen auch das östliche Frankreich besitzt, wo die waldreichen Ardennen, Vogesen und das Juragebirge sich erstrecken, so hat das Land doch nicht hinreichend Holzbestände (weniger als die meisten europäischen Staaten), besonders da während der Revolution bei der Zerstückelung der großen adligen Güter viele schöne Waldungen verwüstet worden sind. Gegenwärtig besitzt Frankreich 83,571 qkm (15,8 Proz. des Gesamtareals) Wald und zwar nur zum geringen Teil Hochwald, meist im Privatbesitz.
Die waldreichsten Departements sind (in abnehmender Reihe) Landes, Gironde, Var, Côte d'Or, Corsica, Vogesen, Nièvre, Obere Marne. Im Durchschnitt ist etwa ⅙ des Bodens Wald, in der Bretagne jedoch nur 1/17. Dieser Holzarmut und Entblößung der Abhänge und Höhen der Berge, namentlich in den Gebieten der Loire und Garonne, sind die furchtbaren Überschwemmungen zuzuschreiben, denen man jetzt durch Wiederbewaldung entgegenzutreten sucht, wie auch erst jetzt eine geordnete Forstkultur sich Bahn zu brechen beginnt. Frankreich muß einen großen Teil seines Holzbedarfs, insbesondere Bauholz, für ca. 200 Mill. Fr. jährlich vom Ausland beziehen.
Die gewöhnlichen Waldbäume sind: Eichen, Buchen, Birken, Ulmen, Tannen, Fichten, Kiefern, Lärchen, Eschen, an feuchten Orten auch Erlen. Die Landes sind weithin mit Seestrandskiefern bewaldet worden, welche hohen Ertrag der Teergewinnung geben. Dort wird auch die Korkeiche kultiviert. Die Jagd hat, seitdem in der Revolutionszeit die Jagdgerechtigkeiten aufgehoben und an die Gemeinden übertragen wurden, an Bedeutung sehr verloren. Außer den bereits oben erwähnten Kaninchen gibt es viele Hasen und Rebhühner, dagegen wenig Hirsche, Rehe und Damwild.
Zur Zeit der Wanderung werden Wachteln, Schnepfen, Bekassinen, ferner Wildenten und andres Federwild erlegt. Wildschweine halten sich in den Bergwäldern, namentlich der Ardennen, auf. Von wilden Tieren finden sich nur noch vereinzelte Bären in den Alpen und Pyrenäen, Luchse und Murmeltiere in den Alpen, Wölfe und Füchse in den Waldgegenden. Auf die Erlegung von Wölfen sind seit 1882 Prämien von je 40-200 Fr. ausgesetzt. 1883 wurden hiernach für 1308 erlegte Wölfe 103,720 Fr. ausbezahlt.
Vgl. v. Seckendorff, Die forstlichen Verhältnisse Frankreichs (Leipz. 1879).
Bergbau und Hüttenwesen.
Was die mineralische und namentlich die metallische Produktion anlangt, so ist Frankreich hierin verhältnismäßig arm. Der wichtigste Bergbau Frankreichs ist der auf Eisen. Dem Reichtum und der Ausdehnung der Eisenbergwerke steht nur der Nachteil gegenüber, daß viele der Punkte, wo das Eisenerz gewonnen wird, von den Orten, wo sich der nötige Brennstoff vorfindet, weit entfernt sind, und daß durch diesen Umstand die Eisenproduktion nicht unbedeutend verteuert wird.
Die Erze, welche das Land selbst in 40 Departements liefert, sind braune Eisenoolithe, welche in der Juraformation der Departements Meurthe-et-Moselle und Ardèche in ausgedehnten Lagern vorkommen; ferner Bohnerze, welche sich in weiter Verbreitung finden, Brauneisensteine und brauner Glaskopf aus dem Departement Ariége und Roteisensteine aus den Pyrenäen. Außerdem bezieht Frankreich Spateisensteine von Deutschland, Eisenglanz von Elba und Magneteisen aus der Provinz Konstantine in Algerien, von den Minen von Mokta el Hadid bei Bone, welche bereits jährlich gegen 2 Mill. metr. Ztr. des besten Magneteisens mit 68 Proz. Eisen ergeben. In neuester Zeit lieferten auch Sardinien (aus den Minen von San Leone) und namentlich Spanien Eisenerze für Frankreich. Die Zahl der Bergwerke wie die der in denselben beschäftigten Arbeiter hat in den letzten
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Jahrzehnten sehr abgenommen, ebenso die Produktion, namentlich der Eisenbergwerke, dieser besonders seit Abtretung Elsaß-Lothringens. Die Gesamtzahl der 1881 im Betrieb befindlichen Erzbergwerke betrug 376, die der Arbeiter 13,707. Die Eisenbergwerke (315 mit 8623 Arbeitern) lieferten 1847: 34,637,000, 1881: 30,320,700 metr. Ztr.; die Einfuhr von Erzen aus dem Ausland ist um so mehr gestiegen und erreicht etwa die Hälfte des Bedarfs der Eisenhütten. Die Zahl der Hochöfen hat ebenfalls ab-, die Produktion jedoch durch Steigerung des Betriebes der noch vorhandenen zugenommen. Im J. 1881 bestanden 329 Eisenhütten mit 203 Hochöfen, welche über 14,410 Pferdekräfte von hydraulischen und 72,663 Pferdekräfte von Dampfmotoren verfügten und 64,134 Arbeiter beschäftigten.
Die Produktion belief sich 1883 auf 2,069,430 Ton. Roheisen. Am bedeutendsten ist die Eisenindustrie im NO. (Departement Meurthe-et-Moselle), dann in den Kohlendistrikten (Departements Nord, Pas de Calais, Saône-et-Loire, Allier, Gard). Einzelne in den Kohlendistrikten gelegene Werke stehen kaum den größten Werken Englands, Belgiens oder Deutschlands nach. Dagegen sind alle auf Holzkohlen angewiesenen Werke zurückgegangen. Was die weitere Verarbeitung des Roheisens anlangt, so wurden 1884: 877,826 T. raffiniert und zwar auch hier in überwiegendem Maß mit Steinkohlenfeuerung.
Bei der Stahlfabrikation sind die Frischfeuer fast ganz verschwunden; auch der Zement-, Guß- und Puddelstahl ist nur gering vertreten, wogegen der Bessemer- und Martin-Prozeß stetige Ausbreitung erlangten. 1884 wurden 509,516 T. Stahl erzeugt, wovon 371,432 T. auf Stahlschienen entfielen. Der Rückgang der Eisenindustrie infolge des Kriegs war nur ein momentaner, und die Ausfuhr ist in der letzten Zeit noch bedeutender gestiegen als die Einfuhr. Gegenüber dem Eisenbergbau ist die Gewinnung andrer Metalle von geringer Bedeutung. 1881 bestanden im ganzen 61 Bergbaue mit 5084 Arbeitern auf andre als Eisenerze; die Produktion hierin belief sich auf 2,088,000 metr. Ztr. Der Bleibergbau liefert jährlich gegen 200,000 metr. Ztr. metallisches Blei und Glätte, am meisten in den Departements Puy de Dôme und Lozère.
In den genannten Departements sowie in Finistère wird aus silberhaltigem Bleierz auch Silber, ca. 55,000 kg jährlich, gewonnen. Zinkerz wird in dem Departement Gard, in den Pyrenäen etc. gewonnen und im Departement Ardèche zu metallischem Zink, 185,000 metr. Ztr. jährlich, verhüttet. Aus einheimischen und ausländischen Kupfererzen wurden zu Chessy und St.-Bel bei Lyon ca. 35,000 metr. Ztr. Kupfer gewonnen. Endlich ist noch die Gewinnung von Mangan (in den Departements Saône-et-Loire, Ober-Pyrenäen, jährlich ca. 100,000 metr. Ztr.), Antimon etc. zu erwähnen. Dem Bedarf genügt die erwähnte metallische Produktion bei weitem nicht, so daß beispielsweise an Blei über 50,000, an Zink 40,000, an Kupfer 25,000 metr. T. vom Ausland eingeführt werden müssen.
Die Steinkohlenreviere Frankreichs können sich hinsichtlich ihrer Ausdehnung und Ergiebigkeit mit den englischen, nordamerikanischen und deutschen Becken zwar nicht messen; immerhin ist aber ihre Zahl eine große, ihre geographische Verbreitung eine glückliche, ihr Abbau sehr einsichtsvoll organisiert und die Verwertung des Produkts bei der hohen Entwickelung der Industrie sehr günstig. Man unterscheidet drei Hauptreviere:
1) das von Valenciennes in den Departements Nord und Pas de Calais, mit dem belgischen zusammenhängend;
2) das des zentralen Plateaus, wo Steinkohle in mehreren kleinern Becken auftritt, namentlich von St.-Etienne, Creusot, Aubin, Commentry;
3) das von Alais am Südostrand des Hochlandes. Insgesamt bedecken die Kohlenlager 5500 qkm und verteilen sich auf 41 Departements, wovon jedoch in 6 nur Braunkohlen gewonnen werden. Die Produktion steigert sich beständig und rasch, der Verbrauch aber in fast noch schnellerm Tempo. 1881 gab es im ganzen 321 Kohlenwerke mit 106,410 Arbeitern und einer Dampfkraft von 64,673 Pferdekräften. Die Produktion belief sich 1884 auf 19,624,718 metr. Ton. Steinkohle und Anthracit und 502,491 metr. T. Lignit (letzteres hauptsächlich im Becken von Le Fuveau bei Aix).
Trotz der großen Steigerung, welche die Kohlenproduktion aufweist, bedarf die französische Industrie noch bedeutender Kohlenzufuhren aus den Nachbarländern England, Belgien und Deutschland, welche 1883: 110 Mill. metr. Ztr. nach Frankreich einführten. Die Kohlenausfuhr ist gering, der Konsum betrug 1884: 30,5 Mill. metr. T. Frankreich ist außerdem sehr reich an Torfmooren, welche sich auf 31 Departements, besonders Somme, Untere Loire, Pas de Calais, Isère, Oise, Seine-et-Oise, Aisne, Nord, Marne, verteilen und eine sehr ansehnliche Ausbeute, jährlich ca. 2,5 Mill. metr. Ztr., geben. An Steinen und Erden ist Frankreich sehr reich. Es besitzt wertvolle, zu Baumaterialien trefflich geeignete Granite, Syenite (auf Corsica, in der Provence, den Alpen und Pyrenäen), Porphyr und Basalt, Marmor (in den Alpen und Pyrenäen), Kalk- und Sandsteine.
Große Schieferbrüche gibt es insbesondere im Ardennengebiet. Die Laven der Auvergne liefern gute Pflastersteine. Lithographische Steine liefern die Gegenden von Belley, Dijon und Châteauroux. Den besten Ziegelthon haben die Champagne, Bourgogne und Isle de France;
Porzellanerde findet sich bei Limoges und St.-Yrieix;
guter Pfeifenthon im Departement der Untern Seine;
Fayenceerde bei Beauvais und Montereau;
Gips (ein wichtiger Handelsartikel) besonders in der Umgegend von Paris;
treffliche Mühlsteine namentlich bei der Stadt Ferté sous Jouarre, welche dieselben bis nach Amerika ausführt.
Seit einigen Jahren werden Phosphatlager zu Zwecken der Bodenmelioration, namentlich am Südabhang des Zentralplateaus und in den nördlichen Departements, stark ausgebeutet und hat diese Produktion große wirtschaftliche Bedeutung gewonnen. Salz wird in Frankreich aus Salzseen oder -Teichen an der Meeresküste, aus Salzbergwerken und aus Salzquellen gewonnen. Der Ertrag belief sich 1881 auf 744,218 metr. T., davon 441,815 Seesalz und 302,403 Stein- und Quellsalz; er übersteigt den Bedarf, so daß jährlich eine Mehrausfuhr von über 100,000 metr. T. stattfinden kann. - Mineralquellen sind in Frankreich überaus zahlreich vorhanden.
Man zählt deren 1027 (641 warme, 386 kalte), die sich in acht natürliche Gruppen, namentlich die Pyrenäen, die Alpen, die Auvergne und die Vogesen, verteilen und als Bäder, Douchen und Trinkquellen an 331 Orten in 217 Etablissements verwendet werden; die Pyrenäengruppe allein umfaßt 426 Quellen, die in 93 Etablissements benutzt werden. Unbenutzter Mineralquellen zählt man mehr als 4000. Zu bemerken ist übrigens, daß die Mineralquellen unter Aufsicht der Regierung stehen, und daß nur mit ihrer Genehmigung eine Quelle eröffnet und deren Wasser versandt werden darf.
Industrie.
Die französische Industrie ist schon im 17. und 18. Jahrh. blühend gewesen und dankt ihren ersten Aufschwung, ebenso wie der Handel, den
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Bemühungen Colberts. Derselbe zog zahlreiche Manufakturisten ins Land, welche in Frankreich die Weberei feiner Tücher in Schwung brachten. Auch andre Industriezweige hoben sich in jener Zeit rasch. Dieser Aufschwung wurde jedoch durch die Kriege mit England und die Zurücknahme des Edikts von Nantes, infolge welcher Maßregel sich eine Menge geschickter Arbeiter nach den Niederlanden, Deutschland und England wandte, wieder gestört. Auch die Politik Ludwigs XIV. und die Zeit der Revolution und des Kaiserreichs waren der weitern Entwickelung nicht günstig.
Erst seit dem Sturz Napoleons I. begann wieder eine Zeit ruhigerer Entwickelung, und das laufende Jahrhundert war es denn auch, in welchem die französische Industrie ungeheure Fortschritte machte. Die Zahl der Dampfmaschinen hat sich beispielsweise von 14,620 mit 341,068 Pferdekräften im J. 1855 auf 40,022 mit 1,085,410 Pferdekräften im J. 1875 vermehrt. Für das Jahr 1875 wurde der Produktionswert der französischen Industrie mit jährlich nahezu 13 Milliarden Frank veranschlagt, wovon auf die Textil- und Bekleidungsindustrie 4820, auf die Nahrungsmittelindustrie 2927, auf die Baugewerke 1680, auf die Metallurgie 865, auf die chemische Industrie 750 Mill. Fr. kamen. Im Vergleich zu andern Staaten behauptet Frankreich seinen traditionellen Vorrang in den Artikeln des Geschmacks, des Kunstgewerbes und den feinen Luxusartikeln; es steht aber ferner in einer großen Zahl andrer Produkte sowie auch in der metallurgischen und Maschinenindustrie neben England und Deutschland ebenbürtig da. Auch in Frankreich ist es allerdings hauptsächlich die Großindustrie, welche den bedeutendsten Aufschwung genommen hat und die kleingewerbliche Erzeugung mehr und mehr zurückdrängt.
Immerhin aber sind es noch einige hervorragende Industriezweige, wie die Erzeugung von feinen Seidenwaren und Bändern, Spitzen, Uhren und andern Luxusartikeln, welche vorwiegend das Gebiet des kleingewerblichen Betriebes bilden. Was die Gewerbeverfassung betrifft, so wurde im J. 1791 die Gewerbefreiheit in Frankreich eingeführt und das Zunftwesen aufgehoben. Bedingung der Ausübung eines Gewerbes ist die jährliche Lösung eines Gewerbepatents. Die Staatsgewalt übt einen Einfluß auf die Industrie insofern aus, als das Verhältnis der Gewerbtreibenden zu den Hilfsarbeitern, die Beschäftigung in den Fabriken, die Anlage und der Betrieb der gefährlichen und gesundheitswidrigen Gewerbe geregelt sind.
Förderungsmittel sind: die Gewerbekammern (chambres consultatives des arts et manufactures), im ganzen 78;
die Gesellschaft zur Aufmunterung der nationalen Industrie zu Paris;
das Konservatorium der Künste und Gewerbe in Paris;
die Syndikatskammern in verschiedenen Städten.
Die Zentralverwaltung liegt im Handelsministerium, welchem der Conseil supérieur du commerce et de l'industrie zur Seite steht. Zur Austragung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen die Conseils de prudhommes. Die Zahl der bei der Industrie (nebst Bergwerken und Steinbrüchen) beschäftigten Arbeiter betrug 1881: 9,324,107, wovon auf Bergwerke und Steinbrüche 1,131,000, auf Fabriken 2,100,500 und auf die kleine Industrie 6,093,400 Personen entfielen. Die Zahl der Unternehmer beträgt insgesamt 1,100,000, die der Beamten 2,500,000. Die hauptsächlichsten Zentren der Industrie sind Paris, Lyon und Lille.
Was die einzelnen Zweige der Industrie und ihre Vertretung in Frankreich anbelangt, so sind auf dem Gebiet der Metallverarbeitung die großen Stahl- und Schienenwerke, die Blech- und Drahtwerke und Eisengießereien hervorzuheben, welche insbesondere in den Departements Loire, Saône-et-Loire, Nord, Pas de Calais, Meurthe-et-Moselle ihren Sitz haben. Die Eisenwarenindustrie liefert Messerschmiedewaren (Nogent, Langres, Thiers, Châtellerault, dann Paris für feinste Waren), Feilen (Paris, Arnay le Duc, Portillon), Nadeln (Vaise bei Lyon, Pont à Mousson, Aigle), Stahlschreibfedern (Boulogne), Blechwaren (Audincourt, Beaucourt), Lampen (rühmlichst bekannte Exportindustrie zu Paris), Schlosserwaren (Beaucourt), feuerfeste Schränke (Paris) u. a. Sehr gut entwickelt ist auch die Industrie in Kupferwaren (in Paris und den Departements Ardennen und Eure) und Blei.
Die Industrie in edlen Metallen behauptet in Hinsicht auf die Mannigfaltigkeit und geschmackvolle Ausführung der Erzeugnisse in Frankreich den ersten Rang. Paris insbesondere beherrscht mit seinen Gold-, Silber- und Juwelenarbeiten, echten und unechten Bijouterieartikeln den Weltmarkt. Der Export in diesen Artikeln hatte 1884 einen Wert von 746 Mill. Fr. Auch die Industrie in Metalllegierungen, wie Messing, namentlich aber Bronzewaren, hat in Frankreich, letztere zunächst in Paris, den höchsten Stand erreicht.
Während in der Maschinenindustrie Frankreich bis vor wenigen Dezennien ganz von England abhängig war, sind gegenwärtig die französischen Leistungen auf diesem Gebiet der englischen Konkurrenz ebenbürtig geworden. Die Hauptsitze dieser Fabrikation sind Paris (namentlich auch für Nähmaschinen), Lille, St.-Etienne, Lyon, Rouen etc. Die Industrie in Transportmitteln liefert insbesondere Wagen von leichter, gefälliger Bauart und Luxuswagen von feiner Ausstattung. Wissenschaftliche und chirurgische Instrumente werden in vorzüglicher Qualität zu Paris, Marseille, Rouen etc. hergestellt. In der Erzeugung musikalischer Instrumente steht in erster Linie; Klaviere liefern Paris und Marseille, Blasinstrumente Paris und Lyon, Geigen Paris, Lille und Mirecourt. Weltberühmt ist auch die Uhrenfabrikation von Paris (namentlich Pendeluhren), Besançon (vornehmlich Taschenuhren) u. a. O.
In der Thon- und Glaswarenindustrie leistet Frankreich Ausgezeichnetes; es steht obenan in der Erzeugung dekorierten Porzellans (Nationalmanufaktur zu Sèvres und 322 Privatetablissements, namentlich in Paris, Obervienne, Loiret, Cher, Gironde), produziert viel Steingut, Fayence und Majolikawaren (zu Paris, Beauvais, Choisy le Roi, Gien etc.) und liefert in seinen 164 Glasfabriken (namentlich in den Departements Seine, Nord, Meurthe-et-Moselle) Flaschen, Fensterglas, Hohlglas, farbige Glastafeln, Gußspiegel (St.-Gobain und die davon abhängigen Etablissements) und Glasbijouterien (insbesondere künstliche Edelsteine und Perlen).
Auf hohem Standpunkt befindet sich weiter die Möbelindustrie, besonders in Paris und Bordeaux, ferner die gleichfalls in Paris konzentrierte Erzeugung von Drechsler- und Schnitzwaren, darunter von Fächern, Kämmen und andern dergleichen Artikeln von geschmackvoller, zierlicher Form, die Erzeugung von Kinderspielwaren (in diesem Artikel allein fand 1884 ein Export von 55,6 Mill. Fr. statt), die Verfertigung von Flechtwaren, namentlich Korbgeflechten (zu Paris, Grenoble, Lyon und Vervins), von Kautschuk- und Guttaperchawaren, insbesondere Gummischuhen (zu Paris, Rouen und Langlée). In den Artikeln der Lederindustrie, namentlich Ziegen- und Handschuhleder (Annonay, Chambéry und Paris), farbigem und
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lackiertem Leder (Paris, St.-Denis, Lyon, Pont Audemer), in feinem Oberleder, dann in den verschiedenen Lederwaren ist Frankreich für den Welthandel tonangebend und treibt unter allen europäischen Staaten den größten Export (1884 einschließlich Handschuhe, für deren Herstellung Paris und Grenoble die Hauptsitze sind, und Schuhwaren für 242,4 Mill. Fr.).
Von der höchsten Bedeutung unter den französischen Industriekategorien ist die Textilindustrie, welche allein 615,000 Fabrikarbeiter beschäftigt und einen jährlichen Erzeugungswert von etwa 5 Milliarden Frank aufzuweisen hat. Von ihren einzelnen Zweigen ist vor allen die Seidenindustrie hervorzuheben, in welcher Frankreich unübertroffen dasteht. Die Produktion an roher Seide, welche im Durchschnitt 470,000 kg erreicht, bedarf einer Ergänzung durch Import von Kokons, roher und filierter Seide (1884 Mehreinfuhr im Wert von 113,4 Mill. Fr.). Die Seidenspinnerei, mit 242,605 Spindeln, ist vorzüglich in den Departements Isère, Ain, Drôme, Aube, Rhône und Oise konzentriert.
Den ersten Rang nimmt aber in der Fabrikation seidener Gewebe wegen des Geschmacks, der vollendeten technischen Ausführung und des Wertes dieser Produktion ein. Von den 63,055 Handstühlen stehen die meisten im Departement Rhône, die mechanische Weberei (14,000 Stühle) erstreckt sich auch auf die Departements Loire (namentlich in Bändern), Isère u. a. Der Wert der Ausfuhr von Seidengeweben belief sich 1884 auf 236,8 Mill. Fr. (Einfuhr 42,6). Die Schafwollmanufaktur ist seit langer Zeit einer der wichtigsten Industriezweige.
Die einheimische Wollproduktion (40 Mill. kg) reicht bei weitem nicht zur Deckung des Bedarfs aus, welcher noch bedeutende Zufuhren (1884: 174,5 Mill. kg, meist aus den La Plata-Staaten und Australien) erfordert. Die Zahl der Spindeln beträgt (1881) 3,067,459. Hauptzentren der Spinnerei, welche durch die Feinheit der Garne, speziell durch die Glätte und Mannigfaltigkeit ihrer gezwirnten und gazierten Kammgarne, ausgezeichnet ist, sind die nördlichen Departements (Nord, Marne, Ardennes, Aisne, Somme, Eure und Niederseine).
Bei der Schafwoll- und der gemischten Weberei sind 76,000 Kraft- und 55,787 Handstühle im Betrieb. In Tuch und sonstigen Streichgarngeweben haben Sedan, Elbeuf und Louviers einen Weltruf; die Kammgarnweberei und Weberei in gemischten Stoffen (Damenkleider u. dgl.) wird am schwunghaftesten in Roubaix, Tourcoing, Cateau, Lille, Reims und Rouen, die Verfertiguug ^[richtig: Verfertigung] von Shawls in Paris, Lyon und Nîmes, die Fabrikation von Teppichen in Paris, Beauvais und Aubusson, die Erzeugung von Borten, Tressen u. dgl. im Departement Loire betrieben.
Die Ausfuhr in Schafwollgeweben hatte 1884 einen Wert von 334,3 Mill. Fr. Die Baumwollindustrie hat, seit sie 1773 zuerst in Amiens eingeführt wurde, großartige Dimensionen angenommen. Sie zählt 4,8 Mill. Spindeln, welche insbesondere im Departement Niederseine um die Stadt Rouen, Nord um Lille, ferner in den Departements der Vogesen, Eure und Obersaône konzentriert sind. Der Baumwollbezug belief sich 1884 auf 139 Mill. kg, großenteils von Nordamerika, dann von Ostindien.
Bei der Baumwollweberei, welche gleichfalls in Rouen, dann in den Vogesen (Senones), Meurthe-et-Moselle, Aisne (St.-Quentin) etc. ihre Hauptsitze hat, sind 73,590 mechanische und 39,710 Handstühle im Gang. Einer der ältesten Zweige der gewerblichen Thätigkeit ist die Leinenindustrie, an welche sich die verwandte Hanf- und Jutemanufaktur angeschlossen hat. Bei der Spinnerei sind 672,823 Spindeln, vorwiegendem Departement Nord, bei der Weberei 17,619 Kraft- und 28,892 Handstühle, für Leinwand vornehmlich im Departement Nord (Lille, Cambrai, Valenciennes etc.), für Hanfgewebe in Angers und Dünkirchen, für Jutegewebe gleichfalls im nördlichen Frankreich thätig.
Die mit der Erzeugung von Garnen und Geweben in Verbindung stehende Färberei und Druckerei ist in Frankreich ebenfalls sehr entwickelt. Die Hauptsitze für die Stoffdruckerei sind die Normandie, die Vogesenthäler und Paris, für die Seidenfärberei Lyon, für die Baumwoll- und Schafwollfärberei Paris, Rouen, Roubaix, Reims etc. Noch sind als Zweige der Textilindustrie zu erwähnen: die Spitzenerzeugung, welche in den Departements Orne (Alençon), Calvados (Bayeux und Caen), Nord (Bailleul, Lille, Valenciennes), Oise (Chantilly), Vogesen (Mirecourt), Pas de Calais (Arras und Calais) etc. zahlreiche weibliche Arbeitskräfte beschäftigt und einen Weltruf besitzt;
die Weiß- und Buntstickerei (Paris und Lyon);
die Wirkwarenerzeugung, insbesondere in Seide, aber auch in Baum- und Schafwolle.
Tonangebend ist Frankreich auch in der Erzeugung von Kleidungsstücken, Wäsche, Putzartikeln, künstlichen Blumen und Schmuckfedern, mit welchen Artikeln Paris, man kann sagen, die ganze Welt versorgt (Export 1884: 174 Mill. Fr.). Auch die Erzeugung von Hüten aus Seide, Filz und andern Stoffen ist von großer Bedeutung.
Ein wichtiger Industriezweig ist ferner die Papierfabrikation; 1882 bestanden in Frankreich 527 Papierfabriken mit einem Produktionswert von 120,6 Mill. Fr. Hierher gehört auch die Erzeugung von Buntpapier (Paris), Tapeten (Paris, Lyon, Marseille), Spielkarten, Buchbinder-, Kartonagen- und Papiermaché-Artikeln. Von den Zweigen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie ist vor allen die Zuckerfabrikation zu erwähnen. 1882 standen 510 Rübenzuckerfabriken mit einer Produktion von gegen 5 Mill. metr. Ztr. und 34 Zuckerraffinerien mit einer Produktion von 3,3 Mill. metr. Ztr. im Betrieb.
Andre hierher gehörige, in in hervorragendem Maß vertretene Produktionszweige sind die Schokoladebereitung, die Erzeugung von Konditorwaren (Paris) konservierten und kandierten Früchten, getrockneten und komprimierten Gemüsen. Eine spezifisch französische Industrie ist die Schaumweinerzeugung, welche in den Departements der ehemaligen Landschaft Champagne ihre Heimat hat. Neben der Weinkultur beginnt mehr und mehr die Bierbrauerei in Frankreich, namentlich in Paris und den nördlichen Departements, Verbreitung zu finden. 1882 standen 3215 Brauereien mit einer Produktion von 8,5 Mill. hl im Betrieb.
Branntwein wird namentlich aus Rüben und Wein, neuerdings auch aus Kartoffeln und mehligen Substanzen in bedeutender Menge bereitet. Die gesamte Alkoholproduktion Frankreichs betrug 1883 über 2 Mill. hl, die meist im Land verbraucht wurden, da die Ausfuhr (265,000 hl) die Einfuhr nur um 109,000 hl überstieg. Treffliche Liköre liefern Paris, Bordeaux und Lyon, Essig die Städte Orléans, Montpellier etc. Die Tabaksfabrikation wird als Staatsmonopol in 19 großen Manufakturen betrieben. Die chemische Industrie unterhält teilweise groß eingerichtete Etablissements in Paris und Umgebung, Lyon (namentlich für Phosphorfabrikation), im Norddepartement, in Chauny (Aisne), Corbehem (Pas de Calais), Alais (Gard), Varangèville (große Sodafabrik), Montpellier und Marseille (für Weinstein und Weinsteinsäure). Die
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Parfümerieindustrie ist in Paris konzentriert und genießt weitverbreiteten Ruf (Exportwert 1884: 10,2 Mill. Fr.). Sehr bedeutend ist auch die Harzproduktion in der Gegend von Bordeaux und im Departement Landes, die Seifenfabrikation (namentlich in Marseille, in Paris und den nördlichen Departements, zusammen 357 Unternehmungen mit einem Produktionswert von 108 Mill. Fr.), die Kerzenerzeugung, die Zündhölzchenfabrikation, welche dem Staatsmonopol unterworfen und an eine Gesellschaft verpachtet ist. Endlich ist noch die Darstellung organischer und anorganischer Farben (von letztern namentlich Ultramarin, Zinkweiß, Zinnober, Anilinfarben) sowie die Erzeugung von Firnissen und Lacken (Paris) und Bleistiften (Givet) hervorzuheben.
Handel und Verkehr.
Zur Hälfte vom Meer umschlossen, zur Hälfte an die gewerbsamsten und kultiviertesten Länder Europas grenzend, durch gute Straßen, Flüsse, Kanäle und ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz mit der See verbunden, befindet sich in der günstigsten Lage, seinen Handel nach innen und außen auf das großartigste zu entfalten. Dazu kommt noch die geistige Qualität der Nation mit den Eigenschaften des Fleißes, der Rührigkeit und des Erfindungsgeistes. Der große Aufschwung des französischen Handels datiert ebenso wie die grundlegende Entwickelung der französischen Industrie aus der Zeit Colberts.
Um den Verkehr zu heben, wurde der Canal du Midi gegraben, eine Seemacht geschaffen, und bald zeigten sich die Früchte dieser Bestrebungen in raschem Aufschwung sowohl der Industrie als des Handels, der allerdings so wie jene durch die darauf folgenden Ereignisse allzu früh wieder gestört wurde. Ludwigs XIV. beständige Kriege und Verschwendung, deren Folgen sich in Hungersnöten äußerten, lähmten den Handel im 18. Jahrh. außerordentlich. Doch hatte wenigstens der Handel mit Westindien eine gewisse Blüte erlangt, ebenso der mit der Levante.
Die Zeit der Revolution und des Kaiserreichs brachte neue Störung, während deren sich das Übergewicht Englands und der Vereinigten Staaten immer mehr befestigte und nach Aufhebung der Kontinentalsperre um so auffallender hervortrat. Günstigere Zeiten begannen aber seit dem Sturz Napoleons I., indem die Regierung durch Begünstigungen jeder Art die nationale Schifffahrt und den Handel zu heben suchte. Die Schädigung, welche die Gründung des Deutschen Zollvereins brachte, suchte Frankreich durch Handels- und Schiffahrtsverträge mit andern Nationen, England, Vereinigte Staaten, Brasilien etc., abzuwenden.
Vgl. Pigonneau, Histoire du commerce de la France (1885 ff.).
Der Handel Frankreichs scheidet sich in den allgemeinen und den Spezialhandel. Unter jenem versteht man die gesamte Handelsbewegung, die Ausfuhr französischer Produkte und den Import der Erzeugnisse des Auslandes, die Durchfuhr, den Entrepotverkehr und die Wiederausfuhr; unter letzterm dagegen nur die Einfuhr für den inländischen Gebrauch und die Ausfuhr von Produkten und Fabrikaten des inländischen Bodens und der inländischen Industrie sowie von nationalisierten Waren.
Außerdem unterscheidet man innern und auswärtigen Handel. Der Umsatz des innern Handels wird beim Fehlen von ziffermäßigen Daten hierüber auf das Zehnfache des durch den Außenhandel vermittelten Verkehrs geschätzt; er ist in den größern Städten und in den Gegenden, die bei reicher Produktion von Handelsstraßen, schiffbaren Flüssen und Kanälen durchschnitten werden, von besonderer Lebhaftigkeit. Hauptgegenstände desselben sind besonders Getreide, dann Lebensmittel, Weine, Branntwein, die Bergwerksprodukte, die Kolonialprodukte, die der Fischerei etc. Der auswärtige Handel ist in den letzten Jahrzehnten wesentlich gestiegen; doch hat die Ausfuhr bereits im J. 1875, die Einfuhr im J. 1880 ihren Höhepunkt erreicht, zu dem sie sich seither nicht wieder erhob. Die letzten Jahre zeigen sogar einen erheblichen Rückgang, da z. B. 1885 im Spezialhandel die Einfuhr gegen das Vorjahr um 128 Mill., die Ausfuhr um 47 Mill. Fr. gesunken ist. Der Seehandel überwiegt den Landhandel bedeutend; er nimmt nämlich vom Einfuhr- wie vom Ausfuhrhandel zwei Drittel in Anspruch.
Das von der Zollverwaltung jährlich veröffentlichte »Tableau général du commerce« ergibt für die Jahre 1874-84 folgende Werte des allgemeinen und des Spezial-Ein- und Ausfuhrhandels in Millionen Frank:
Jahr | Allgemeiner Handel | Spezialhandel | ||
---|---|---|---|---|
Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr | |
1874 | 4423 | 4702 | 3508 | 3701 |
1875 | 4462 | 4807 | 3537 | 3873 |
1876 | 4909 | 4548 | 3988 | 3576 |
1877 | 4570 | 4371 | 3670 | 3436 |
1878 | 5089 | 4112 | 4176 | 3180 |
1879 | 5579 | 4270 | 4595 | 3231 |
1880 | 6113 | 4612 | 5033 | 3468 |
1881 | 5996 | 4724 | 4863 | 3562 |
1882 | 5962 | 4764 | 4822 | 3574 |
1883 | 5887 | 4562 | 4804 | 3452 |
1884 | 5239 | 4218 | 4344 | 3233 |
Wenn man die Waren, welche den Gegenstand des äußern Handels bilden, in die drei Kategorien der Lebensmittel, der industriellen Hilfsstoffe und der Fabrikate teilt, so entfallen auf die Lebensmittel vom Einfuhrswert 33, vom Ausfuhrswert 24 Proz., auf die industriellen Hilfsstoffe 51 Proz. der Einfuhr und 24 der Ausfuhr, auf die Fabrikate 16 Proz. der Einfuhr und 52 der Ausfuhr.
Die bedeutendsten Artikel der Einfuhr (im Spezialhandel) waren 1884: Cerealien für 360, Wein 344, Schafwolle 332, rohe Seide 269, Holz 194, rohe Häute und Pelzwerk 176, Baumwolle 170, Steinkohle 168, Vieh 151, Ölsaaten 106, Wollwaren 89, Kaffee 83, Tafelfrüchte 81, Zucker 76, Baumwollwaren 75, Flachs 64, Maschinen 60, Ölfrüchte 59 Mill. Fr.; die Hauptartikel der Ausfuhr dagegen: Schafwollwaren für 334, Wein 237, Seidenwaren 237, Seide 155, Lederwaren 131, Kurzwaren (Pariser Artikel) 119, bearbeitete Häute 110, Butter und Käse 109, Schafwolle 96, Baumwollgewebe 91, Weiß- und Konfektionswaren 75, Goldarbeiterwaren und Bijouterien 73, Branntwein und Liköre 73, rohe Häute und Felle 68, chemische Produkte 63, Metallwaren 63, Raffinadezucker 59 Mill. Fr. Der Edelmetallverkehr ergab im J. 1884 eine Einfuhr
an Gold von 127,45 Mill. Frank
an Silber von 101,00 Mill. Frank
dagegen eine Ausfuhr
an Gold von 81,90 Mill. Frank
an Silber von 46,31 Mill. Frank
im ganzen daher eine Mehreinfuhr an Gold von 45,55, an Silber von 54,69 Mill. Fr., während sich im J. 1883 umgekehrt eine Mehrausfuhr von 85 Mill. Fr. an Edelmetallen ergeben hatte.
Die Hauptverkehrsländer waren für den französischen Ein- und Ausfuhrhandel im J. 1884 (ausgedrückt in Millionen Frank des Warenwerts):
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Einfuhr aus | |
---|---|
Großbritannien | 616 |
Belgien | 463 |
Deutschland | 417 |
Italien | 369 |
Spanien | 298 |
Vereinigte Staaten | 280 |
Britisch-Indien | 231 |
Rußland | 219 |
Argentinische Republik | 196 |
Türkei | 124 |
Schweiz | 117 |
Österreich-Ungarn | 111 |
Algerien | 102 |
Andre Länder | 801 |
Ausfuhr nach | |
Großbritannien | 842 |
Belgien | 457 |
Deutschland | 328 |
Vereinigte Staaten | 275 |
Schweiz | 218 |
Italien | 172 |
Spanien | 153 |
Algerien | 147 |
Argentinische Republik | 119 |
Brasilien | 63 |
Türkei | 47 |
Niederlande | 34 |
Kolumbien | 27 |
Andre Länder | 35 |
Der Entrepotverkehr umfaßte 1884: 16,3 Mill. metr. Ztr. eingegangene Waren im Wert von 433 Mill. Fr., der Transit 2,3 Mill. metr. Ztr. im Wert von 575 Mill. Fr., mit Einschluß der Wiederausfuhr der zeitweilig nach Frankreich eingetretenen Waren 4,4 Mill. metr. Ztr. im Wert von 696 Mill. Fr.
Die Handels- und Zollpolitik in Frankreich beruht gegenwärtig auf dem im J. 1881 eingeführten neuen autonomen Zolltarif, welcher einen weitern Fortschritt in dem seit 1860 begründeten System des mäßigen Schutzzolls bedeutet. Die vor dem Jahr 1880 bestandenen Handelsverträge mit fremden Staaten sind sämtlich gekündigt, bez. nicht wieder erneuert worden. Dagegen wurden neue Verträge, welche auf der Basis des autonomen Zolltarifs bestimmt sind, den äußern Handelsverkehr Frankreichs für ein Dezennium zu regeln, mit Belgien, Großbritannien, Italien, Portugal, Schweden-Norwegen, der Schweiz, Spanien, den Niederlanden abgeschlossen, welche 1882 in Kraft getreten sind.
Auch mit Österreich-Ungarn und Serbien sind derartige Handelskonventionen abgeschlossen worden, während Deutschland, Rußland, die Türkei und Rumänien die Rechte der meistbegünstigten Nation gegenüber Frankreich genießen. Die Förderung des auswärtigen Handels und des Kolonialwesens beschäftigt seit den letzten Jahren die öffentliche Meinung Frankreichs in lebhafter Weise. Unter den darauf abzielenden Maßnahmen der Regierung sind, abgesehen von den auf Erweiterung der französischen Kolonialmacht gerichteten Unternehmungen, die Errichtung eines Informationsbüreaus im Handelsministerium, die Gründung einer Gesellschaft zur Ermunterung des französischen Exporthandels, die Errichtung von französischen Handelskammern im Ausland zu erwähnen. Da der französische Handel und namentlich der Außenhandel zum großen Teil auf dem Seeweg stattfindet, genießt die mit der Vermittelung dieses Verkehrs beschäftigte Handelsmarine die verdiente Beachtung.
Während dieselbe 1681 nur aus etwa 550 Fahrzeugen bestand, zählte sie Ende 1884: 14,414 Segelschiffe mit 522,757 Ton. und 938 Dampfer mit 511,072 T., zusammen 15,352 Fahrzeuge mit 1,033,829 T. und einer Bemannung von 89,486 Personen nebst 6813 Maschinisten und Heizern. Sie ist wohl in den letzten Jahren durch Verminderung der Segelschiffe beständig zurückgegangen und steht nicht nur England und den Vereinigten Staaten, sondern auch Norwegen, Italien und Deutschland, in Bezug auf die Dampferflotte allerdings nur den beiden erstgenannten Seestaaten nach, doch liegen jetzt Pläne vor, dieselbe bedeutend zu heben; großartige Hafenbauten sind allenthalben im Werk.
Der Seeschiffahrtsverkehr in den französischen Häfen umfaßte im J. 1884 an eingelaufenen Schiffen 101,327 mit 17,531,561 T. (davon 32,408 mit 12,765,766 T. im Verkehr mit fremden und Kolonialhäfen und bei der großen Fischerei, 68,919 mit 4,765,795 T. bei der Kabotage), an ausgelaufenen Schiffen 103,036 mit 17,951,963 T. (34,117 Schiffe mit 13,186,168 T. im auswärtigen Verkehr). Von dem Gesamttonnengehalt der im Dienste der auswärtigen Schiffahrt ein- und ausgelaufenen Schiffe (25,951,934 T.) kamen auf Segelschiffe 5,315,927, auf Dampfschiffe 20,636,007 T., auf die französische Flagge 8,919,504, auf fremde Flaggen 17,032,430 T. Die bedeutendsten Seehandelsplätze (mit Angabe des Tonnengehalts der bei der auswärtigen Schiffahrt im J. 1884 beladen ein- und ausgelaufenen Schiffe) sind:
Marseille | 5,680,897 Ton. |
Le Havre | 3,282,123 Ton. |
Bordeaux | 2,974,655 Ton. |
Dünkirchen | 1,159,606 Ton. |
Rouen | 991,882 Ton. |
Calais | 976,304 Ton. |
Boulogne | 848,847 Ton. |
Cette | 837,502 Ton. |
Dieppe | 762,716 Ton. |
St.-Nazaire | 690,515 Ton. |
Zur Unterstützung des Landverkehrs dienen die zahlreichen Messen und Märkte, welche freilich infolge der Entwickelung des modernen Verkehrswesens ihre frühere Wichtigkeit großenteils eingebüßt haben. Berühmte Messen finden namentlich statt zu Beaucaire 22. Juli, Guibray, einer Vorstadt von Falaise, 10. Aug., Caen nach Ostern, Château-Thierry, Le Landit, St.-Denis im September etc. Die wichtigsten Landhandelsplätze Frankreichs sind: Paris, Lyon, Lille, Montpellier, Nantes, Nîmes, Rouen, Rennes, Toulouse, St.-Etienne, Beaucaire, Aix, Carcassonne, Béziers, Nancy, Perpignan, Orléans, Tours, Troyes etc.
Der Straßenbau hat seit der Revolution von 1789 und neuerdings unter dem zweiten Kaiserreich und der gegenwärtigen Staatsform einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Länge sämtlicher Straßen beträgt (1881) 665,211 km; davon sind 37,313 km Landes- oder Nationalstraßen, welche hauptsächlich von Paris nach den Grenzen und nach den bedeutendsten Seeplätzen führen (größtenteils makadamisiert), 34,913 km Departementalstraßen und 592,985 km Vizinalwege. Frankreich ist verhältnismäßig reich an Wasserstraßen; dieselben hatten 1881 eine Ausdehnung von 16,265 km, wovon auf die schiffbaren Flüsse 8546, auf die flößbaren Wasserläufe 2961 und auf die Kanäle 4758 km kamen.
Die natürlichen Wasserstraßen verteilen sich hauptsächlich auf das Becken der Loire mit ihren Nebenflüssen (1657 km), der Garonne (1656 km), des Rhône (1447 km) und der Seine (1203 km). Die bedeutendsten Kanäle sind: der Ostkanal mit seinen beiden Linien von der belgischen Grenze bis Troussey und von Toul nach Pont sur Saône nebst Abzweigungen (373 km), der Kanal von Nantes nach Brest (360 km), der Canal du Midi (279 km), der Kanal von Berry mit der Hauptlinie von Montluçon nach Marseille les Aubigny und der Zweiglinie von Fontblisse nach Noyers (261 km), der Kanal von Burgund (242 km), der Marne-Rheinkanal (210 km), der Seitenkanal der Loire (206 km), der Seitenkanal der Garonne (204 km), der Rhône-Rheinkanal (190 km), der Nivernaiskanal (178 km), der Kanal der Somme (156 km), der Canal du Centre (130 km), der Kanal des Ourcq (108 km), der Ardennenkanal (100 km). Sehr entwickelt ist das Kanalwesen im Departement Nord, welches eine ganze Reihe meist kleinerer künstlicher Wasserstraßen besitzt, auf denen sich der reiche Verkehr dieses Departements, abgesehen von dem Eisenbahntransport, bewegt. Die Verbesserung der Wege für die Binnenschiffahrt bildete einen Teil des großen von der französischen Regierung seit 1877 in Ausführung genommenen Arbeitsprogramms, und ein Kostenbetrag von 1 Milliarde Frank wurde für Neuherstellung oder
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Verbesserung von im ganzen 10,000 km Wasserstraßen veranschlagt. Namentlich soll auch die Verbindung zwischen dem Kanal und dem Mittelmeer verbessert und auf mindestens 2 m vertieft werden. Die große Wichtigkeit der Wasserstraßen erhellt aus dem kolossalen auf denselben bewegten Verkehr. Der Schiffahrtsverkehr auf allen Wasserstraßen belief sich nämlich 1881 auf 2174,5 Mill. Tonnenkilometer (hiervon 1027,3 auf den Flüssen und 1147,2 auf den Kanälen) und zeigt eine ziemlich konstante Zunahme. Die wichtigsten Artikel dieses Verkehrs sind: mineralische Brennstoffe, Baumaterialien, Bodenprodukte und Lebensmittel, Metalle und Metallwaren und Holz.
Vgl. Schlichting, Über die Wasserstraßen Frankreichs (Berl. 1880).
Das französische Eisenbahnnetz hatte eine Länge von 29,379 km. Die erste Eisenbahn in Frankreich war die 1828 eröffnete Linie St.-Etienne-Andrezieux; 1842 zählte man 599, 1850: 5008, 1860: 9441, 1870: 17,446 km. Von der obigen Länge der Eisenbahnen im J. 1884 kamen auf das Staatsbahnnetz 2091 km, auf die konzessionierten Privatbahnen 27,274 km (und zwar auf die Nordbahn 2069, Est 2811, Ouest 3147, Paris-Orléans 4359, Paris-Lyon-Méditerranée 6470, Midi 2338, Pariser Gürtelbahn 85, kleinere Gesellschaften 1041 km), ferner auf nicht konzessionierte Privatbahnen 14 km. Außerdem bestanden 228 km Industriebahnen und 1631 km Lokalbahnen.
Seit 1871 hat der Staat große Kosten für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes aufgewendet; doch vermochte sich das System des Staatsbahnbetriebs in Frankreich nicht Eingang zu verschaffen, es wurden vielmehr neue Übereinkommen mit den großen Privatgesellschaften abgeschlossen, welche den Betrieb der vom Staat gebauten Linien, den Ausbau der noch zur Vervollständigung des Netzes fehlenden Linien und das Tarifwesen betreffen. Der Verkehr auf den französischen Eisenbahnen belief sich 1882 auf 204,76 Mill. beförderte Personen und bei der Güterbeförderung auf 10,937 Mill. Tonnenkilometer.
Die Betriebseinnahmen bezifferten sich auf 1116, die Ausgaben auf 581, das verwendete Anlagekapital Ende 1882 auf 11,538 Mill. Fr. Auch die Pferdeeisenbahnen, von denen die erste im J. 1854 vom Louvre nach Sèvres angelegt wurde, haben sich in den letzten Jahren (seit 1873) rasch entwickelt, so daß 1881 über 708 km solcher Bahnen in 25 Städten (davon 252 km allein in Paris) bestanden. Das Post- und Telegraphenwesen, dessen Verwaltung vereinigt ist, zählte 1883: 6486 Postanstalten, 4791 Staats- und 2732 Privat-Telegraphenanstalten mit 77,410 km Telegraphenlinien u. 241,138 km Drähten.
Das gemeinsame Personal belief sich auf 53,299 Köpfe. Der Verkehr bezifferte sich mit 1383 Mill. Stück Briefpostsendungen und 25 Mill. Depeschen. Die gemeinsamen Betriebseinnahmen betrugen 161,7, die Ausgaben 130,2 Mill. Fr. Unter den Banken und Kreditinstituten nimmt den ersten Rang ein die im J. 1800 errichtete Bank von Frankreich, welche das ausschließliche Recht der Notenemission besitzt, ihren Sitz zu Paris und in den Departements 94 Sukkursalen hat. Die Gesamtzahl der auf Aktien begründeten Banken und Kreditanstalten beträgt 86, wovon 7 für den landwirtschaftlichen Kredit. Ihr Nominalkapital beläuft sich gegenwärtig auf 2593,96 Mill. Fr., das eingezahlte Kapital auf 1376,36 Mill. Fr. Hierzu kommen noch 10 Banken für die auswärtigen Besitzungen mit einem Nominalkapital von 139,6 und einem eingezahlten Kapital von 73,8 Mill. Fr. Die bedeutendsten französischen Bankanstalten sind mit ihrem eingezahlten Grundkapital:
Bank von Frankreich | 182.5 Mill. Frank |
Crédit foncier | 104.0 Mill. Frank |
Crédit Lyonnais | 100.0 Mill. Frank |
Comptoir d'escompte | 80.0 Mill. Frank |
Banque de Paris et des Pays-Bas | 62.5 Mill. Frank |
Société générale | 60.0 Mill. Frank |
Société financière de Paris | 52.0 Mill. Frank |
Société financière Lyonnaise | 50.0 Mill. Frank |
Crédit mobilier | 40.0 Mill. Frank |
Sparkassen bestanden 1882 in Frankreich 545 mit einer Anzahl von 4,321,427 Einlagen im Betrag von 1745,75 Mill. Fr. Hierzu kommen noch Postsparkassen mit (1885) 7000 Einlagen im Betrag von 147,6 Mill. Fr. 1882 beliefen sich die Einzahlungen in sämtlichen Sparkassen (mit Einschluß der Postsparkassen) auf 809 Mill. Fr. Das Sparkassenwesen hat namentlich in den letzten Jahren in Frankreich bedeutende Entwickelung genommen. Großen Anklang hat auch die Institution der Schulsparkassen gefunden, welche als Filialen der eigentlichen Sparkassen fungieren. Das Maß- und Gewichtssystem Frankreichs ist das 1800 eingeführte, auf einem Naturmaß (Meridianmessung) beruhende und jetzt von fast ganz Europa und andern Staaten angenommene Dezimalmaß (s. d.) mit dem Meter, d. h. dem zehnmillionsten Teil des Erdquadranten, als Grundmaß (100 m = 109,32 engl. Yards, 140,55 russ. Arschinen oder 328,12 engl., 318,62 rhein., 342,63 bayr. und 333⅓ schweizer. oder bad. Fuß; 7408 m = 1 geographische Meile).
Flächenmaß: der Ar (100 qm) = 7,05 rhein. QRuten; der Hektar (100 Ar) = 3,91662 preuß. Morgen.
Körpermaß: der Stère oder Kubikmeter. Flüssigkeits- und Getreidemaß: das Liter (100 Lit. [Hektoliter] = 1,82 preuß. oder 2,22 bayr. Scheffel, 1,62 Wiener Metzen, 22,39 engl. Quarters, ferner = 1,45 preuß. oder 1,46 bayr. Eimer, 66,66 badische oder schweizer. Maß).
Gewicht: das Gramm (1000 g [Kilogramm] = 2 deutsche Zollpfund, 2,2 engl. oder 2,44 russ. Pfd.).
Das Münzsystem hat dieselbe Grundlage wie die Maße und Gewichte; 5 g Silber bei einer Feinheit von 90 Proz. bilden den Frank à 100 Centimes. Die Goldmünze, das 20-Frankstück, ist der 155. Teil eines Kilogramms und enthält ebenfalls 10 Proz. Kupfer.
Wir schließen hier eine summarische Übersicht der Wohlthätigkeitsanstalten an, welche in Frankreich eine reiche Entwickelung genommen haben. 1881 gab es in ganz Frankreich 14,033 Bureaux de bienfaisance, welche über mehr als 48 Mill. Fr. Einnahmen verfügten und 1,450,000 Personen unterstützten. Spitäler gab es 1636 mit 166,381 Betten, an Irrenhäusern eine Nationalanstalt (Charenton), 46 Departementsanstalten, 14 Spitalabteilungen und 42 Privatanstalten, zusammen mit 48,813 Pfleglingen. Ferner gibt es 42 Leihanstalten (monts-de-piété), 6970 wechselseitige Unterstützungsanstalten (caisses de secours mutuel) mit 1,490,355 Mitgliedern und 5052 Kinderbewahranstalten mit 644,384 eingeschriebenen Kindern.
Staatsverfassung.
Die Staatsverfassung Frankreichs ist seit der Beseitigung des Kaisertums eine repräsentativ-republikanische und wurde durch mehrere seither promulgierte Gesetze, insbesondere durch die Gesetze vom 28. Febr., 15. Juli, 12. Aug. und geordnet. Die gesetzgebende Gewalt wird von zwei Versammlungen geübt, der Kammer der Abgeordneten und dem Senat. Die erstere zählt 565 Mitglieder (worunter 6 aus Algerien und 10 aus den Kolonien), welche auf Grund des allgemeinen, durch das Gesetz vom ausgesprochenen, nur durch das Alter von 21 Jahren für die
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Wahlberechtigung und von 25 Jahren für die Wählbarkeit sowie durch den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte beschränkten Stimmrechts gewählt werden. Die Wahl findet seit 1885 im Weg des Listenskrutiniums statt, wonach jedes Departement einen Wahlkörper bildet, welcher die nach der Bevölkerung auf das Departement entfallende Zahl von Abgeordneten wählt. Der Senat besteht aus 300 Mitgliedern, von denen 225 von den Departements und Kolonien, 75 von der Nationalversammlung gewählt werden.
Niemand kann Senator sein, der nicht Franzose, mindestens 40 Jahre alt und im Vollbesitz der bürgerlichen und politischen Rechte ist. Die Senatoren der Departements und der Kolonien werden auf neun Jahre gewählt und alle drei Jahre zu einem Drittel erneuert. Bei Beginn der ersten Session werden die gewählten Senatoren in drei an Zahl gleich starke Serien geteilt und hierauf durch das Los die Serien bestimmt, die nach Ablauf des ersten und zweiten Trienniums zu erneuern sind.
Die von der Nationalversammlung zu ernennenden Senatoren sind unabsetzbar. Der Senat teilt mit der Abgeordnetenkammer die Initiative bei der Abfassung der Gesetze. Jedoch müssen die Finanzgesetze vorerst der Abgeordnetenkammer vorgelegt und von ihr genehmigt werden. Der Präsident der Republik wird mit absoluter Majorität von dem Senat und der Abgeordnetenkammer, die zu einer Nationalversammlung zusammentreten, gewählt. Er wird auf sieben Jahre ernannt und kann wieder gewählt werden.
Der Präsident der Republik teilt die Initiative zur Gesetzgebung mit den Mitgliedern der beiden Kammern;
er veröffentlicht die Gesetze, sobald sie von den beiden Kammern votiert sind;
er überwacht und sichert ihre Ausführung;
er hat das Recht der Begnadigung, Amnestien können aber nur durch ein Gesetz verfügt werden;
er disponiert über die bewaffnete Macht;
er besetzt alle Zivil- und Militärämter;
er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz;
die Botschafter und Gesandten der fremden Mächte sind bei ihm beglaubigt.
Jeder Akt des Präsidenten der Republik muß von einem Minister gegengezeichnet werden. Der Präsident der Republik kann im Einverständnis mit dem Senat die Abgeordnetenkammer vor dem gesetzlichen Ablauf ihres Mandats auflösen, in welchem Fall die Wahlkollegien binnen drei Monaten zu neuen Wahlen zusammentreten sollen. Der Präsident der Republik ist nur im Fall eines Hochverrats vor dem Senat verantwortlich, welcher zu diesem Behuf, außerdem aber, um die Minister zu richten und über Attentate gegen die Sicherheit des Staats zu erkennen, als Gerichtshof zusammentreten kann.
Im Fall der Erledigung der Präsidentenwürde wegen Ablebens oder aus irgend welchen andern Gründen schreiten die beiden vereinigten Kammern unverzüglich zur Ernennung des neuen Präsidenten der Republik. In der Zwischenzeit ist der Ministerrat mit der exekutiven Gewalt betraut. Die Kammern besitzen ferner das Recht, in getrennten Versammlungen, die in einer jeden von ihnen, sei es aus eignem Antrieb, sei es auf Verlangen des Präsidenten der Republik, stattzufinden haben, zu erklären, daß sie eine Revision der Verfassung für statthaft halten.
Nachdem die beiden Kammern einzeln diesen Beschluß gefaßt haben, treten sie zu einer Nationalversammlung zusammen, um die Revision vorzunehmen. Die Beschlüsse, betreffend die gänzliche oder teilweise Revision der Verfassung, müssen von der absoluten Majorität sämtlicher Mitglieder, aus denen die Nationalversammlung zusammengesetzt ist, gefaßt werden. Den französischen Staatsbürgern sind die konstitutionellen Grundrechte des Volkes im umfassendsten Sinn gewährleistet.
Zur Vertretung und Wahrnehmung der Interessen der Departements und Arrondissements bestehen in jenen General-, in diesen Arrondissementsräte, deren Mitglieder auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden. Die Generalräte wurden durch das Gesetz vom neu organisiert. Jeder Kanton des Departements entsendet ein Mitglied in den Generalrat; nur im Seinedepartement gehören demselben auch sämtliche Mitglieder des Munizipalrats von Paris an. Außerdem bestehen Arrondissementsräte, deren Organisation auf den Gesetzen vom und beruht. In jeder Gemeinde bestehen ein Munizipalrat und ein Maire mit Adjunkten.
Der Munizipalrat wird, je nach der Größe der Gemeinde, aus 10-36, in Paris aus 80 auf drei Jahre gewählten Mitgliedern gebildet. Auf dieselbe Zeit werden von den Munizipalräten die Maires und Adjunkten gewählt; nur in den Städten mit mehr als 20,000 Einw. und in den Hauptorten der Departements und Arrondissements werden diese durch Dekret der Regierung ernannt. In den beiden größten Städten, Paris und Lyon, welche 20, bez. 6 Mairien zählen, vereinigt der Departementschef die Funktionen eines Zentralmaire. Der Maire präsidiert dem Munizipalrat; er ist mit der Gemeindeverwaltung, mit der Munizipalpolizei und mit den Funktionen eines Delegierten der Regierung betraut.
Staatsverwaltung.
Die Staatsverwaltung wird in oberster Instanz von elf Ministerien besorgt. Diese sind:
1) das Ministerium der Justiz und der Kulte;
2) der auswärtigen Angelegenheiten;
3) des Innern (auch für Algerien);
4) der Finanzen;
5) der Posten und Telegraphen;
6) das Kriegsministerium;
7) das Ministerium der Marine und der Kolonien;
8) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts und der schönen Künste;
9) das Handelsministerium;
10) das Ackerbauministerium;
11) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Der Ministerrat tritt unter Vorsitz des Präsidenten der Republik zusammen, welcher für seine Abwesenheit oder Verhinderung einen Minister als »Vizepräsidenten des Ministerrats« delegiert. Die Minister sind solidarisch vor den Kammern für die allgemeine Politik der Regierung und individuell für ihre persönlichen Akte verantwortlich. Eine selbständige Stellung neben den Ministerien genießt der Rechnungshof.
Unter dem Präsidium des Justizministers steht der Staatsrat, welcher nach der Reorganisation durch das Gesetz vom sein Gutachten über die Entwürfe von Gesetzen und Dekreten und über die Verwaltungsreglements sowie über alle Fragen, die ihm durch den Präsidenten der Republik oder die Minister vorgelegt werden, abgibt und über Rekurse in streitigen Verwaltungssachen sowie über Annullierungsgesuche wegen Machtüberschreitung seitens der verschiedenen Verwaltungsbehörden erkennt.
Nach dem Gesetz vom werden erledigte Staatsratsstellen vom Präsidenten der Republik nach Anhörung des Ministerrats besetzt. Die also ernannten Staatsräte können nur durch ein im Ministerrat beschlossenes Dekret ihres Amtes wieder enthoben werden. Für die verschiedenen Aufgaben der Verwaltung zerfällt in die oben angeführten 87 Departements (einschließlich des Gebiets von Belfort), diese wieder in 362 Arrondissements und 36,097 Gemeinden. In jedem Departement wird
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die Verwaltung vom Präfekten ausgeübt, welchem ein Präfekturrat zur Seite steht. Außerdem bestehen in den Departements Unterrichtsräte (untergeordnet den 16 akademischen Räten, s. oben), Direktoren für die Einregistrierung und die Domänen, für die direkten und für die indirekten Steuern, für die Posten, Generalschatz- und Zahlmeister, Chefingenieure für Brücken und Chausseen und Militärkommandanten. Im Seinedepartement (mit Paris) befindet sich neben der Departementspräfektur eine Polizeipräfektur. Im Arrondissement wird die Administration von den Unterpräfekten (in jedem Arrondissement, in welchem die Departementshauptstadt gelegen ist, unmittelbar vom Präfekten) wahrgenommen, neben welchen ein Finanzeinnehmer fungiert. In den Gemeinden sind die Maires mit der öffentlichen Verwaltung beauftragt.
Rechtspflege.
Die Gerichtsverfassung Frankreichs beruht auf dem Organisationsgesetz vom worin die Trennung der richterlichen von der gesetzgebenden Gewalt, der Verwaltung von der Rechtspflege ausgesprochen, das System zweier Instanzen und der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege eingeführt worden ist. Dieses Gesetz wurde durch spätere ergänzt und weiter ausgebildet, so durch die Gesetze vom 27. Ventôse VIII, Man muß unterscheiden zwischen jurisdiction ordinaire, d. h. Gerichten, welchen im Prinzip die Entscheidung aller Arten von Rechtsstreiten zusteht, und jurisdiction extraordinaire, welche nur über die durch Gesetze ihnen ausdrücklich überwiesenen Sachen zu entscheiden haben. Zu den erstern gehören die Tribunale in den Arrondissements, sie entscheiden in Versammlung von drei Richtern (den Präsidenten eingerechnet) in Zivilsachen in letzter Instanz bis zum Betrag von 1500 Fr. bei Mobiliarklagen, bis zum Betrag von 60 Fr. jährlicher Rente bei Immobiliarklagen, dann als Chambre correctionelle über die délits (Vergehen).
Die Appellation geht an die Cours d'appel, welche in Strafsachen (als Strafappellkammer) in Versammlung von fünf und in Zivilsachen in solcher von sieben Richtern urteilen. Außerdem ist bei den Appellhöfen die Chambre d'accusation, welche über die Verweisung an die Schwurgerichte (assises) erkennt. Letztere urteilen über crimes (Verbrechen), ein Mitglied des Appellhofs präsidiert. Die juges d'attribution sind: die Friedensrichter (juges de paix), welche namentlich in allen Rechtsstreitigkeiten, bevor sie an die Tribunale gelangen, Vergleiche (conciliations) zu versuchen haben;
ferner die Handelsgerichte (tribunaux de commerce), aus drei Richtern, welche aus den Notabeln des Kaufmannsstandes und von diesen gewählt werden, gebildete Gerichte, welche bis zum Betrag von 1500 Fr. in Handelssachen entscheiden.
Die Appellation von den Friedensrichtern geht an die Tribunale erster Instanz, von den Handelsgerichten an die Appellhöfe. Nicht als höhere Instanz, sondern als besondere Einrichtung ist der Kassationshof aufzufassen. Seine Aufgabe ist, die Einheit der Rechtsprechung zu wahren, gegen lokale Gewohnheiten und Auslegungen zu schützen; daher hat er nie darüber zu befinden, ob unrichtig geurteilt sei (mal jugé), sondern nur darüber, ob wesentliche Förmlichkeiten verletzt, ob Gesetze unrichtig angewendet und ausgelegt worden seien.
Eine eigne Organisation hat in Frankreich die Staatsanwaltschaft (ministère public). Sie ist nicht nur als Anklägerin im Strafverfahren thätig, sondern hat auch die Oberaufsicht über eine Reihe von Beamten, welche zu den officiers ministeriels gezählt werden (Notare, Huissiers, Greffiers); sie wirkt vielfach bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit, z. B. Vormundschaft, Adoption etc., mit und ebenso bei der Zivilrechtspflege. In Beziehung auf diese ist sie in gewissen im Gesetz bezeichneten Fällen, z. B. bei der Klage auf Scheidung einer Ehe, bei dem Antrag auf Interdiktion, Hauptpartei, d. h. sie klagt im öffentlichen Interesse; in allen andern Fällen hat sie das Recht, Anträge (conclusions) zu stellen, in welchen sie ihre Ansicht darüber ausspricht, wie im Interesse des Gesetzes zu entscheiden sei.
Beim Kassationshof ist ein Generalprokurator mit einer Anzahl (sieben) Generaladvokaten, bei jedem Appellhof ein Generalprokurator mit zwei Generaladvokaten und einigen Substituten, bei jedem Tribunal erster Instanz ein Oberprokurator mit einigen Substituten angestellt. Im J. 1881 bestanden im ganzen 26 Appellhöfe, 87 Assisenhöfe, 359 Tribunale erster Instanz, 215 Handelsgerichte, 2865 Friedensgerichte. Gefängnisse gab es 18 für Männer (mit 13,900 Sträflingen) und 6 für Weiber (mit 2700 Sträflingen), ferner an Korrektionsanstalten 12 öffentliche und 56 private mit zusammen 9000 Korrigenden.
Die Gesetzgebung von Frankreich beruht für Zivil- und Strafrecht, Zivil- und Strafprozeß auf den unter Napoleon I. zu stande gekommenen Kodifikationen, zunächst dem am unter dem Titel: »Code civil des Français« publizierten bürgerlichen Gesetzbuch, welches später die Benennung »Code Napoleon« erhalten hat und durch eine Reihe späterer Gesetze mannigfach abgeändert worden ist. Seit ist eine bürgerliche Prozeßordnung (Code de procédure civile) eingeführt, seit ein Handelsgesetzbuch (Code de commerce), welches durch eine Reihe von spätern Gesetzen geändert und ergänzt wurde, so z. B. bezüglich der Gesellschaften durch die Gesetze vom und Vom sind eine Strafprozeßordnung (Code d'instruction criminelle) und ein Strafgesetzbuch (Code pénal) in Geltung. Auch diese beiden Gesetze haben im Lauf der Zeit mannigfache Änderungen erfahren. Diesen fünf Codes werden gewöhnlich noch ein Code forestier und Code rural beigezählt.
Finanzen.
Die französischen Staatsfinanzen, welche bis zur großen Revolution einen feudalen Charakter getragen hatten, wurden am Ende des vorigen Jahrhunderts gründlich reformiert, indem alle alten Lasten beseitigt und durch eine den neuern Staatsideen entsprechende gleichmäßige Besteuerung ersetzt wurden. Hierbei griff man zuerst zu den direkten Steuern, welche aber nicht die erwarteten reichen Erträge brachten. Dieselben warfen 1832: 257 Mill. Fr. ab und wurden 1886 nur auf 436 Mill. Fr. veranschlagt, sind also nicht in einem der Steuerkraft entsprechenden Verhältnis gestiegen.
Die direkten Steuern begreifen die folgenden Kategorien: die Grund- und Gebäudesteuer, seit 1791, zu deren Veranlagung ein Kataster bis 1850 durchgeführt wurde;
die Personal- und Mobiliarsteuer, eine gleichfalls 1791 eingeführte Repartitionssteuer;
die Thür- und Fenstersteuer, vom Jahr 1798;
die Gewerbesteuer, 1791 eingeführt, bestehend aus einer fixen Abgabe und einer proportionalen Steuer;
die taxes assimilées, umfassend die Steuer auf die unbeweglichen Güter der Toten Hand, die Bergbauabgabe, die Kutschen- und Pferdesteuer, die Eichgebühr, die Apothekersteuer, die 1871 eingeführte Billardsteuer und die Abgabe von geselligen Vereinen, gleichfalls seit 1871. Die wichtigste Rolle im französischen
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Staatshaushalt spielen die indirekten Steuern. Zu denselben sind zu rechnen: die Akten- und Besitzwechselabgaben und zwar die Einregistrierungsabgabe, deren Grundlage 1790 geschaffen wurde, die Steuer auf Wertpapiere, die Erbschaftssteuer, die Gerichtssporteln und Hypothekengebühren und die Stempelabgaben, für welch letztere 1798 die Basis gelegt wurde;
ferner die Konsumtionssteuer, umfassend die innern Verbrauchssteuern, unter welchen die Getränkesteuer (auf Branntwein, Wein und Bier) mit ihrem hohen Steuerfuß nebst der Zuckersteuer (1880 ermäßigt) und Salzsteuer (1806 wieder eingeführt), die Transportsteuern (1797 für Personenbeförderung, 1803 für Warentransport, seither auch für Eisenbahnbeförderung eingeführt), die Abgabe für Gold- und Silberkontrolle, die Steuer für Wachs- und Stearinkerzen (seit 1873), auf Öl (1873), Essig und Dynamit (seit 1875), die Papiersteuer (seit 1871), die Spielkartensteuer (von 1812, seitdem erhöht) eine wichtige Rolle spielen.
Aufgehoben wurden inzwischen die Steuern auf Seife, auf Zichorien, die Schiffahrtsgebühr auf Flüssen und Kanälen, die Brücken- und Wegegelder. Zu den indirekten Steuern gehören ferner die Zölle, welche seit 1881 nach einem erhöhten Tarif erhoben werden, zum Teil ausgesprochene Finanzzölle; die Monopole auf Tabak (schon frühzeitig ins Leben gerufen, 1790 aufgehoben, 1810 wieder eingeführt), auf Schießpulver (seit 1796) und Streichhölzer (seit 1872); die Gebühren der Post und des Telegraphen.
Die Domanialeinnahmen weisen verhältnismäßig geringe Erträge auf; der Kapitalswert der französischen Staatsgüter wird auf 38,6 Mill. Fr. geschätzt. Die französischen Staatsausgaben sind in neuerer Zeit gewaltig angewachsen. Einen erheblichen Prozentsatz machen die Zinsen der Staatsschuld aus, die meist in der Form ewiger Renten aufgenommen ist. Die Revolution hatte mit den vorgefundenen Schulden ziemlich aufgeräumt; nur ein Drittel der ehemaligen Schulden wurde mit 38,6 Mill. Fr. in das »große Buch der öffentlichen Schuld« eingetragen und bildet die Grundlage der heutigen Schuld, deren Zinsenerfordernis 1886 aus 706,1 Mill. Fr. konsolidierter Rente, 429,5 Mill. Fr. Interessen rückzahlbarer Kapitalien, 198,1 Mill. Fr. als Schuld auf Lebenszeit (Pensionen) besteht, zusammen also einen Jahresbetrag von 1333,7 Mill. Fr. umfaßt. Außer der öffentlichen Schuld weisen die höchsten Beträge die Ausgaben für das Kriegswesen, die Marine und die Kolonien, die Verkehrsmittel, die Erhebungskosten und das Unterrichtswesen auf. In den letzten Jahren haben sich die Schulden Frankreichs nicht vermehrt; dagegen wurden seit 1877 Steuererleichterungen im Betrag von 260 Mill. Fr. vorgenommen. Das Budget für 1886 belief sich in den Einnahmen und in den Ausgaben auf folgende Beträge:
Staatseinnahmen: | . | |
---|---|---|
Direkte Steuern | 400118100 | Frank |
Assimilierte Taxen | 27449680 | - |
Direkte Steuern u. Taxen von Algerien | 8631166 | - |
Ertrag der Domänen und Forsten | 53412494 | - |
Einregistrierung | 523605200 | - |
Stempel | 160091700 | - |
Zölle | 340881300 | - |
Indirekte Abgaben | 1184694100 | - |
Posten und Telegraphen | 165575200 | - |
Mobliareinkommensteuer | 47887000 | - |
Einnahme der Universitäten | 4635778 | - |
Strafgelder | 9265032 | - |
Gehaltsabzüge | 32757920 | - |
Verschiedene Erträge | 57082390 | - |
Summe der ordentl. Staatseinnahmen: | 3016087060 | Frank |
Staatsausgaben: | . | |
öffentliche Schuld | 1333750653 | Frank |
Bezüge des Präsidenten | 1200000 | - |
Ehrenlegion | 10247061 | - |
Gesetzgebender Körper | 12003260 | - |
Ministerium der Finanzen | 19035000 | - |
Ministerium der Justiz | 38102800 | - |
Ministerium des Äußern | 14163900 | - |
Ministerium des Innern | 66850339 | - |
Posten und Telegraphen | 136236115 | - |
Kriegswesen | 574758438 | - |
Marine und Kolonien | 237687262 | - |
Unterricht, schöne Künste und Kulte | 192157273 | - |
Handelsministerium | 20753582 | - |
Ackerbauministerium | 23686470 | - |
öffentliche Arbeiten | 113893867 | - |
Regie-, Betriebs- und Erhebungskosten | 201148676 | - |
Ausfälle und Rückzahlungen | 19799340 | - |
Summa der ordentl. Staatsausgaben: | 3015474036 | Frank |
Übrigens zeigt weder das Staatsbudget noch die Staatsschuld den vollen Umfang der öffentlichen Lasten; es kommen noch das Spezial- (Departements-) Budget mit 472 Mill. Einnahmen und dem gleichen Betrag von Ausgaben, dann die Budgets der einzelnen Gemeinden in Betracht.
Vgl. v. Kaufmann, Die Finanzen Frankreichs (Leipz. 1882).
Heerwesen.
Die andauernden Kriege unter Ludwig XIV. führten zur Errichtung einer stehenden Armee durch Louvois, welche im J. 1670, außer den Garden, bereits 60 Regimenter Infanterie und 82 Regimenter Kavallerie, zusammen 138,000 Mann, zählte. 1752 war die Infanterie auf 114 Regimenter angewachsen, welche sich durch Werbung ergänzten. Die höhern Kommandostellen wurden fast ausschließlich vom Hofadel besetzt, alle übrigen Offizierstellen vom Landadel. Diese Armee ging in der Revolution unter.
Nach mehreren erfolglosen Reorganisationsversuchen wurde im Sommer 1791 die Aufbringung einer Armee durch Konskription angeordnet. Ihr folgte 1793 die Bildung einer Armee von 300,000 Mann durch Aushebung und 23. Aug. d. J. ein Gesetz, welches das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, ohne Stellvertretung, aussprach (»levée en masse«). Dieses Prinzip wurde von Napoleon durch Gesetz vom welches die Stellvertretung bedingungsweise gestattete, durchbrochen. Er begünstigte außerdem die Kapitulanten und Freiwilligen.
Die Restauration von 1814 hob die allgemeine Wehrpflicht unter Einführung der Werbung wieder auf, doch wurde diese noch im Werden begriffene Organisation durch den rückkehrenden Napoleon wieder beseitigt. Nach der Niederwerfung des letztern und wechselnden Verhältnissen regelte das Gesetz vom das Ersatzwesen in der Weise, wie es in seinen Grundzügen bis nach dem Krieg von 1870-71 Geltung behielt. Die Dienstzeit wurde auf 7 Jahre festgesetzt, Stellvertretung blieb in Kraft.
Ein Gesetz von 1838 bestimmte die Altersgrenzen in den Chargen aktiver Offiziere. Höhere Truppenverbände bestanden, ausgenommen bei der Garde, im Frieden nicht. Die Armee war territorial in sieben Marschallate, welche die Aufsicht über die in ihrem Bereich dislozierten Truppen führten, geteilt. Das Kriegsministerium verkehrte direkt mit den Regimentern. Die Erfolge Preußens im Feldzug 1866 ließen die Schwächen dieser Organisation erkennen. Bevor jedoch die Reorganisation nach dem Gesetz vom durch Marschall Niel durchgeführt werden konnte, brach der Krieg von 1870 aus. Die in demselben gemachten Erfahrungen ließen die Notwendigkeit einer
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durchgreifenden Neuorganisation erkennen, welche durch das Rekrutierungsgesetz vom das Organisationsgesetz vom und das Kadregesetz vom geregelt wurde. Das Rekrutierungsgesetz bestimmt: Jeder Franzose ist zum persönlichen Kriegsdienst verpflichtet und kann, sofern er nicht völlig dienstuntauglich ist, vom 20. bis 40. Lebensjahr zum aktiven Heer und zur Reserve einberufen werden. Die Stellvertretung ist aufgehoben, jedoch ist eine Dienstbefreiung unter gewissen Bedingungen gesetzlich gestattet.
Die Dienstpflicht in der aktiven Armee dauert 5, in der Reserve 4, in der Territorialarmee 5, bei deren Reserve 6 Jahre. Von den Ersatzmannschaften brauchen indes nach einjährigem Dienst nur so viele bei den Fahnen zurückbehalten zu werden, wie der Kriegsminister jährlich bestimmt. Die Bevorzugung bestimmt das Los. Können die nach einem Jahr zu entlassenden Leute nicht lesen und schreiben, so müssen sie ein Jahr weiterdienen; anderseits können Leute der ersten Losklasse auch nach einem halben Jahr schon entlassen werden.
Hiernach dient die erste Losklasse (I. portion) 5, die zweite Losklasse (II. portion) ½, 1 oder 2 Jahre bei der Fahne. Hierdurch ist die allgemeine Wehrpflicht im Prinzip sehr beschränkt, der Willkür der Vorgesetzten ein weiter Spielraum gelassen. Der einjährig-freiwillige Eintritt ist unter vielen modifizierenden Bedingungen gestattet, welche mit dazu beigetragen haben, diese Einrichtung so mißliebig zu machen, daß ihre Beseitigung wahrscheinlich ist. Seit Jahren ist ein neues Rekrutierungsgesetz auf Grundlage einer dreijährigen aktiven Dienstzeit beraten, aber noch nicht vom Parlament angenommen worden.
[Organisation der Arme.]
Der Präsident der Republik ist Chef der Armee und besetzt die Offizierstellen. Das Recht der Kriegserklärung und der direkten Einwirkung auf die Armee besitzt er nicht. Diese wird durch den Kriegsminister vermittelt, welcher, anders wie in Deutschland, in den innern Dienst einzugreifen befugt ist. Das Kriegsministerium besteht aus den Kabinetten des Ministers und des Unterstaatssekretärs, dem Großen Generalstab, den Direktionen der Kontrolle, des innern Dienstes, der Infanterie, Kavallerie, Artillerie, des Genies, des Sanitätsdienstes, der Heeresverwaltung und der Direktion für Pulver und Salpeter.
Außerdem sind dem Kriegsminister noch 17 Komitees und Kommissionen für Heeresfragen beigegeben. Die Generalität zählt etatmäßig 5 Marschälle, 100 Divisions- und 200 Brigadegenerale; 19 Divisionsgenerale (Rang der Generalleutnants) sind Korpskommandeure, dürfen aber nach dem Gesetz nur 3 Jahre das Kommando desselben Korps behalten und treten dann zu einer Division zurück. Die Charge »General der Infanterie oder Kavallerie« besteht in Frankreich nicht. Brigadegenerale sind Generalmajore.
Der Generalstab (corps d'état major) bei den Truppen soll aus 40 Obersten, 40 Oberstleutnants, 120 Majoren und 200 Hauptleuten bestehen. Beim Generalstab werden eine Anzahl (im J. 1884 deren 251) Offiziere aller Chargen der Reserve geführt, welche im Krieg als Ordonnanzoffiziere Verwendung finden. Der Militärintendanz und dem Kontrollkorps, organisiert durch das Heeresverwaltungsgesetz vom sind unterstellt die Verwaltung bei der Artillerie, dem Genie, die Intendanz der Pulver- und Salpeterfabriken.
Prinzip der Verwaltungsorganisation ist die Teilung in Direktion, Verwaltung und Amtsführung und in Kontrolle; erstere würde etwa unsern Intendanturen, die Verwaltung unsern Garnisonverwaltungen, Proviantämtern etc. entsprechen. Bei den Artillerie- und Geniedirektionen sind Zeug- u. Genieoffiziere u. Geniebeamte angestellt. Das Militärintendanzkorps besteht aus 7 Generalintendanten (Generalleutnants), 30 Militärintendanten (Generalmajore), 300 Unterintendanten (Obersten bis Majore), 50 Adjoints (Hauptleute), Summa 387 Offizieren, welche sich aus Offizieren aller Waffen und Verwaltungsoffizieren ergänzen.
Letztere entsprechen den deutschen Garnisonverwaltungs-, Proviant- und Lazarettbeamten in fünf Rangstufen mit zusammen 1065 Verwaltungsoffizieren. Das Militärsanitätskorps besteht aus Ärzten und Pharmazeuten, beide im Rang vom Unterleutnant bis zum Generalleutnant, und zwar 1300 Ärzten und 185 Pharmazeuten. Das Kontrollkorps der Militärverwaltung besteht aus 20 Generalkontrolleuren (Divisions- und Brigadegenerale), 60 Kontrolleuren und Adjoints (Obersten bis Majore).
[Heereseinteilung.]
Nach dem Organisationsgesetz vom ist in 18 Regionen geteilt, deren jede einem Armeekorps der aktiven Armee entspricht; Algerien bildet den Bezirk des 19. Korps. Jedes Armeekorps besteht aus 2 Infanteriedivisionen à 2 Brigaden zu je 2 Regimentern, einer Kavalleriebrigade à 2 Regimenter, einer Artilleriebrigade à 2 Regimenter, einem Geniebataillon, einer Traineskadron, einem Generalstab und den Verwaltungsbranchen. Die Infanteriedivisionen und -Brigaden führen fortlaufende Nummern durch die Armee, die Kavallerie- und Artilleriebrigaden die der Armeekorps.
Jeder Korpsbezirk ist in 8 Subdivisionen, zusammen 144, unsern Landwehrbezirkskommandos entsprechend, mit einem oder mehreren Rekrutierungsbüreaus eingeteilt. Die Generalkommandos haben ihre Quartiere in: 1. Lille, 2. Amiens, 3. Rouen, 4. Le Mans, 5. Orléans, 6. Lager von Châlons, 7. Besançon, 8. Bourges, 9. Tours, 10. Rennes, 11. Nantes, 12. Limoges, 13. Clermont, 14. Lyon, 15. Marseille, 16. Montpellier, 17. Toulouse, 18. Bordeaux, 19. Algier. Die nicht den Armeekorps zugeteilte Kavallerie ist in 5 Kavalleriedivisionen à 3 Brigaden zu je 2 Regimentern derselben Waffengattung (Kürassiere, Husaren etc.) formiert. Die 1. Kavalleriedivision steht in Paris, die 2. in Lunéville, 4. in Meaux, 5. in Melun, 6. in Lyon (die 3. ist noch nicht formiert); im ganzen sind 75 Eskadrons nahe der deutschen Grenze disloziert. Zu jeder Kavalleriedivision gehören 3 Batterien reitende Artillerie. Durch Dekret vom sind eine dem Kriegsministerium direkt unterstellte Kolonialarmee sowie ein Korps von Spezialtruppen für Afrika formiert worden.
[Die Truppen.]
Der Truppenetat ist normiert durch das Kadregesetz vom Zum stehenden Heer gehören:
1) Die Gendarmerie, beritten und zu Fuß, welche in viel näherer Beziehung zur Armee steht als in Deutschland; sie besteht aus der Garde républicaine, den Legionen für die Departements des Innern, für Afrika, die Kolonien und aus der mobilen Legion von Versailles, im ganzen 27,650 Mann mit 14,500 Pferden.
2) Infanterie. 144 Linienregimenter zu 4 Bataillonen à 4 Kompanien und 2 Depotkompanien pro Regiment. Jedes Regiment zählt 73 Offiziere, 380 Unteroffiziere, 1188 Mann und 16 Pferde. Gesamtstärke der Infanterie 576 Bataillone, 288 Depotkompanien, 10,512 Offiziere, 54,720 Unteroffiziere, 171,072 Mann, 230 Pferde. Ferner 30 Jägerbataillone à 4 aktive und 1 Depotkompanie, in einer Stärke von 660 Offizieren, 4200 Unteroffizieren, 13,380 Mann und 138 Pferden. 1 Regiment zu 2 Bataillonen Sappeurs-Pompiers in
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Paris.
3) Kavallerie. 12 Regimenter Kürassiere, 26 Dragoner, 20 Chasseurs und 12 Husaren, Summa 70 Regimenter zu 5 Eskadrons, von denen l Depot, mit zusammen 3150 Offizieren, 12,150 Unteroffizieren, 42,700 Mann, 51,800 Pferden.
4) Die Artillerie besteht aus 16 Fußartilleriebataillonen à 6 Kompanien, 38 Feldartillerieregimentern in 19 Brigaden (das erste Regiment jeder Brigade besteht aus 12 fahrenden, 2 Depot-, das zweite aus 8 fahrenden, 3 reitenden und 2 Depotbatterien), 2 Pontonierregimentern (in Frankreich nach alter Überlieferung zur Artillerie gehörend), jedes zu 14 Kompanien, 10 Artilleriehandwerker- und 3 Feuerwerkerkompanien, zusammen 69,672 Köpfe (einschließlich 3352 Offiziere, 1170 Artilleriezeugpersonal etc.), 31,144 Pferde stark, wovon 13,104 Köpfe, 480 Pferde auf die Fußartillerie kommen. Bei der Fuß- (Festungs-) Artillerie besteht kein Regimentsverband. Die Feldbatterien haben im Frieden die volle Bespannung für 6 Geschütze. Die Feldartillerie zählt demnach im Frieden 437 Batterien mit 2622 bespannten Geschützen. Zur Feldartillerie gehören ferner 57 Artillerie-Trainkompanien.
5) Genietruppen. Es bestehen 4 Regimenter Sappeurs-Mineurs à 5 Bataillone zu je 4 Kompanien und 1 Depot. Zu jedem Regiment gehören außerdem 1 Eisenbahnarbeiter- und 1 Eisenbahnbetriebskompanie. Die 4 Regimenter haben eine Stärke von 428 Offizieren, 10,364 Mann und 552 Pferden. Die 4 Eisenbahnarbeiterkompanien bilden den Stamm für 8 Eisenbahnbausektionen, zu welchen die sechs großen Bahngesellschaften: West-, Nord-, Ost-, Süd-, Orléans- und Paris-Lyon-Mittelmeerlinie gesetzlich das Personal zu stellen haben, im ganzen etwa 13,000 Mann.
6) Train. Der gesamte Armeetrain besteht aus 20 Eskadrons zu je 3 Feldkompanien in einer Gesamtstärke von 11,000 Mann. Der Train eines Armeekorps teilt sich in: a) den leichten Train, dessen erste Staffel mit 21 Wagen und 4 Maultieren zum Transport von Werkzeug, Schanzzeug, 38 Maultieren für Medikamente, 217 Maultieren in 3 Sektionen für Verbandzeug und Verwundetentransport, die zweite Staffel mit 180 Wagen für die Bagage der Truppen; b) den Train ordinaire, bestehend aus 4 Artillerie-, 2 Infanteriemunitions-, 4 Proviantkolonnen, 1 Telegraphen-, 3 Post- und Kassenabteilungen; c) den schweren Train, 5 Proviantkolonnen mit Furage, Lebensmitteln, Munition etc. Der Train eines Armeekorps umfaßt 1759 Fahrzeuge, 5142 Zugpferde, 266 Maultiere. Hinzutreten soll noch pro Armeekorps 1 Pontontrain aus 38 Fahrzeugen, 250 Pferden.
7) Die Kolonialarmee. Für die kolonialen Operationen Frankreichs, welche in Nordafrika und Ostasien immer größere Ausdehnungen angenommen haben, reichten das in Afrika dislozierte 19. Armeekorps sowie die Marinetruppen nicht mehr aus. Es war dies Veranlassung zur Organisation einer Kolonialarmee und von Spezialtruppen für Afrika. Die Kolonialarmee besteht aus 8 Regimentern Marine-Infanterie, 1 Regiment anamitischer, 3 Regimentern tongkingesischer Tirailleure, 1 Regiment Tirailleure vom Senegal, 2 Kompanien Sipahis von Indien, 2 Kompanien Disziplinartruppen, 2 Regimentern Artillerie zu je 3 fahrenden, 11 Fußbatterien, 1 Kompanie Handwerker, 1 Kompanie Fahrer. Die Spezialtruppen von Afrika bestehen aus 4 Regimentern Zuaven, 4 Regimentern algerischer Tirailleure, 2 Regimentern Fremdenlegion, 4 Disziplinarkompanien, 4 Regimentern Chasseurs d'Afrique, 4 Regimentern Spahis, 3 Kompanien Remontereiter, 4 Bataillonen Artillerie, jedes aus 1 Fuß-, 1 fahrenden, 2 Gebirgsbatterien, 1 Pontonierdetachement bestehend, 4 Geniekompanien, 4 Traineskadrons à 4 Kompanien und 10 Sektionen Verwaltungstruppen.
8) Sanitätswesen. Es bestehen 83 Militärlazarette, für welche 1884 ein Personal von 1189 Ärzten und 152 Pharmazeuten vorhanden war. Außerdem sind für den Sanitätsdienst in den Lazaretten 25 Sektionen Infirmiers, Krankenträger und Arbeiter vorhanden. Für den Sanitätsdienst im Feld ist ein Reglement vom erlassen worden, welches sich im allgemeinen an das deutsche anlehnt. Der Sanitätsdienst zerfällt hiernach a) in den Dienst bei den Truppen auf dem Marsch und im Gefecht, bei den Ambulanzen (4 pro Armeekorps) und in den in den Feldhospitälern, deren Zahl nach Bedarf bestimmt wird; b) im Rücken der Armee und zwar in den immobilen Feldhospitälern, in den permanenten Militärlazaretten sowie in den Hospitälern der Gesellschaft für freiwillige Krankenpflege, der Gemeinden, auf den Bahnhöfen, in den Evakuationszügen und in den Rekonvaleszentendepots.
9) Die Territorialarmee (eine Art Landwehr) umfaßt alle Dienstpflichtigen, die der aktiven Armee oder deren Reserve nicht angehören. Die Reserve der Territorialarmee (eine Art Landsturm) umfaßt die Altersklassen vom 34. bis 40. Lebensjahr und wird nur dann einberufen, wenn die vorhandenen Streitmittel nicht mehr ausreichen. Das Offizierkorps der Territorialarmee besteht aus verabschiedeten Offizieren der aktiven Armee, die noch dienstpflichtig oder dienstfähig sind; aus Einjährig-Freiwilligen und Unteroffizieren der Reserve, die eine Prüfung bestehen und vom Präsidenten der Republik ernannt werden. In jeder Subdivision wird 1 Regiment Infanterie, in jedem Armeekorpsbezirk 1 Kavallerie- und 1 Artillerieregiment, 1 Geniebataillon und 1 Traineskadron formiert. Im ganzen inkl. Algerien 145 Infanterieregimenter à 3 Bataillone, 8 Zuavenbataillone, 1 Bataillon Jäger, 144 Eskadrons Kavallerie, 364 Batterien Artillerie, 52 Kompanien Genie, 18 Traineskadrons. Es können der Territorialarmee ferner zugezählt werden: 32 Bataillone Douaniers (23,000 Mann), 67 Kompanien und 23 Sektionen Forstbeamte (4279 Mann) sowie 2 Bataillone freiwilliger Artillerie (Lille und Valenciennes, 700 Mann). Die Territorialarmee berechnet sich auf eine Stärke von 637,000 Mann.
Die Friedensstärke des Heers beträgt 25,754 Offiziere, 491,916 Mann. Die Kriegsstärke der Feldarmee ist 620,000 Mann Infanterie, 42,500 Kavallerie, 79,600 Artillerie, 12,500 Mann Genie: Summa 754,600 Mann mit ca. 121,000 Pferden und 2622 Geschützen in 23 Armeekorps. Die Besatzungs- und Feldreservetruppe würde sich zusammensetzen aus 180,000 Mann für den Feldkrieg verwendbare Mannschaften der Territorialarmee mit etwa 48 Eskadrons und 54 Feldbatterien, ferner 420,000 weniger ausgebildete der Territorialarmee mit 100 Eskadrons und 90 Feldbatterien sowie 190 Kompanien Linienfußartillerie, zusammen 638,600 Mann mit 684 Feldgeschützen und 148 Eskadrons. An Depottruppen bleiben in Frankreich zurück etwa 96,000 Mann, so daß die Gesamtstärke der mobilen Armee etwa 1,489,000 Mann mit 3486 Feldgeschützen betragen würde, wobei die Reserve der Territorialarmee (Landsturm) unberücksichtigt geblieben ist.
[Heeresergänzung.]
Das Rekrutenkontingent für die Landarmee betrug im J. 1884: 147,235 Mann, von denen 105,335 der ersten Portion, 41,900 Mann der zweiten Portion angehörten. 7206 Mann wurden der Seearmee überwiesen. Auch das
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Offizierkorps ist von der allgemeinen Heeresreorganisation nicht unberührt geblieben. Das seit Jahren in Beratung befindliche Avancementsgesetz hat noch nicht die Bestätigung erhalten, da der häufige Wechsel der Kriegsminister auch auf dieses Gesetz nicht ohne Einfluß geblieben ist. Im allgemeinen lehnt sich dasselbe an das bezügliche Gesetz von 1832 an. Die Ergänzung des Offizierkorps findet im Frieden zu ⅔ aus den Schulen, zu ⅓ aus Unteroffizieren statt.
Letztere müssen mindestens zwei Jahre in der Truppe aktiv gedient, eine Militärschule besucht und die vorgeschriebene Prüfung bestanden haben. Der Beförderung zum Offizier muß die Wahl vorangehen. Das Avancement zu den höhern Chargen ist von dem Bestehen wissenschaftlicher Prüfungen abhängig. ⅓ in der Hauptmannscharge werden nach der Anciennität, ⅔ nach Wahl besetzt (au choix). Die Beförderung zu höhern Chargen, vom Bataillonschef an aufwärts, findet nur nach Wahl, zum Obersten und General auf Qualifikationsurteil des Conseil supérieur de la guerre statt.
Bei Unfähigkeit zur Weiterbeförderung werden Leutnants und Hauptleute nach 25jähriger Dienstzeit ex officio verabschiedet. Die Unteroffiziere ergänzen sich aus der Truppe sowie aus den Militärvorbereitungsschulen. Auch für sie gilt die Bestimmung, daß niemand in einen höhern Grad befördert werden darf, der nicht die Qualifikation dazu besitzt. Korporale und Brigadiers (den Obergefreiten unsrer Artillerie entsprechend, Korporale bei den Fuß-, Brigadiers bei den berittenen Truppen) dürfen nach viermonatlicher Dienstzeit schon zu Unteroffizieren befördert werden. Die Schwierigkeit der Erhaltung eines Stammes älterer Unteroffiziere führte zu dem Rengagementsgesetz vom welches die Altersgrenze für Unteroffiziere auf 47 Jahre festsetzt und das Rengagement durch Solderhöhung, Verbesserung in den Wohnungs- und Eheschließungsverhältnissen sowie durch Zivilversorgung erleichtern soll.
[Militärschulen.]
Das Militärerziehungs- und Bildungswesen ist seit dem Krieg von 1870/71 außerordentlich gefördert worden; die Ansprüche sind in jeder Beziehung gesteigert, die deutsche Sprache ist obligatorischer Unterrichtsgegenstand auf allen höhern Lehranstalten geworden. Für die Ausbildung der nicht aus dem Unteroffizierstand hervorgehenden Offiziere sorgen: a) das Militärprytaneum zu La Flêche; es hat 500 Zöglinge außer den Pensionären, meist Söhne unbemittelter Offiziere; Lehrplan etwa der eines Realgymnasiums; b) die Militärschule zu St.-Cyr für Infanterie und Kavallerie, 800 Zöglinge, Kursus zwei Jahre, etwa den deutschen Kriegsschulen entsprechend; c) die polytechnische Schule zu Paris; d) die höhere Kriegsschule (École supérieure de guerre), Generalstabsschule, etwa der deutschen Kriegsakademie entsprechend, in Paris; e) die École d'application de l'artillerie et du génie zu Fontainebleau zur fachlichen Ausbildung von Artillerie- und Ingenieuroffizieren, Kursus zwei Jahre; f) die Reitschule zu Saumur, mit welcher eine Tierarzneischule verbunden ist; g) die Unteroffizierschule in St.-Maixent zur Ausbildung von Unteroffizieren für die Beförderung zum Offizier; einjähriger Kursus, 500 Zöglinge; h) durch Gesetz vom ist die Institution der Soldatenkinder bei den Truppen (enfants de troupe) aufgehoben und sind 6 Militärvorbereitungsschulen zu Pézénas, Bagnol sur Cèze, Montreuil sur Mer, Bayeux, Allais und Billaume, mit 5000 Zöglingen, Kursus fünf Jahre vom 13.-18. Jahr, errichtet worden; i) die Administrationsschule zu Vincennes zur Ausbildung von Administrationsoffizieren aus Unteroffizieren, Kursus zehn Monate, Besuch obligatorisch; k) die Normalschule für Gymnastik zu Joinville le Pont; l) die Normalschießschule im Lager von Châlons und 4 Regionalschießschulen in den Lagern von Châlons, Ruchard, Valbonne und Blidah; m) eine Zentralschule für Kriegsfeuerwerkerei zu Bourges. Es bestehen ferner bei allen Regimentern Regiments- und bei der Artillerie Brigadeschulen zur Ausbildung von Mannschaften und Unteroffizieren.
Uniformierung. Infanterie: dunkelblauer Dolman mit krapprotem Kragen, dunkelblauen Kragenpatten mit aufgenähter Regimentsnummer, Käppi aus dunkelblauem Tuch mit Regimentsnummer, Gradabzeichen auf jedem Ärmel, rote Beinkleider. Kavallerie: Kürassier dunkelblauer Waffenrock, Dragoner dunkelblauer, Jäger und Chasseur himmelblauer Dolman, Dragoner weißer, Jäger roter, Husar himmelblauer, Chasseur d'Afrique gelber Kragen. Artillerie: dunkelblauer Dolman mit schwarzem Kragen;
Fußartillerie dunkelblaue Kragenpatten, blaues Käppi mit roter Granate.
[Bewaffnung.]
Die Infanterie ist mit dem Gewehr M/74, System Gras (s. Handfeuerwaffen), bewaffnet, die Jägerbataillone haben neuerdings ein Repetiergewehr erhalten; die Marineinfanterie führt das Repetiergewehr System Gras-Kropatscheck. Offiziere und Feldwebel führen einen Revolver. Der Infanterist trägt 78 Patronen bei sich. Kavallerie: Dragoner, Husaren und Jäger haben den Gras-Karabiner M/74, die Kürassiere sowie die Unteroffiziere und Trompeter der andern Kavallerie den Revolver M/73, Dragoner und Kürassiere einen geraden, Husaren und Jäger einen gekrümmten Säbel mit Messingkorb.
Die Kürassiere tragen einen Küraß. Artillerie: Die fahrenden Batterien der Feldartillerie haben 90 mm, die reitenden 80 mm Geschütze, die Gebirgsbatterien solche von 7 cm Kaliber. Von den frühern Feldgeschützen von 95 mm Kaliber erhält jedes Armeekorps 2 Batterien als Positionsartillerie. Die Fußmannschaften der Feldartillerie und die Fußartillerie sind mit dem Gras-Karabiner M/74 ausgerüstet, die berittenen Mannschaften der Feldartillerie mit dem Revolver.
Werkstätten und Fabriken. Geschützgießereien bestehen in Bourges für die Landartillerie und in Ruelle (Charente) für die Marine. Artilleriewerkstätten gibt es zu Mézières, Rennes, Besançon, Nevers und Toulouse; Feuerwerkslaboratorien in Bourges und Sevran-Livry bei Paris; letzteres vorzugsweise für Marine. Mit dem Laboratorium in Bourges ist die pyrotechnische Schule verbunden. Pulverfabriken bestehen in Le Bouchet, Le Rigault, St.-Chamas (Rhônemündungen), Angoulême, Esquerdes (Pas de Calais), St.-Médard (Gironde), St.-Ponce (Ardennen), Pont du Buis (Finistère), Sévran und Toulouse;
Salpeterraffinerien zu Paris, Lille, Bordeaux und Marseille;
eine Fabrik für Schießwolle in Moulin blanc, Filiale der Pulverfabrik Pont du Buis;
eine Dynamitfabrik zu Vonges (Côte d'Or).
Gewehrfabriken gibt es zu Paris, Vincennes, St.-Etienne, Maubeuge, Château le Rôle.
[Festungen.]
Die 1871 eingesetzte Landesverteidigungskommission stellte folgende Grundsätze für die zur Sicherung des Landes gegen eine feindliche Invasion zu ergreifenden Maßnahmen auf:
1) Paris ist durch einen zweiten, so weit vorgeschobenen Gürtel von Forts zu umgeben, daß es durch ihn vor einem Bombardement, womöglich vor einer Einschließung gesichert wird;
2) die wichtigen Festungen sind, entsprechend der Tragweite der heutigen