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gegenüber macht sich ein Fehler in lästigster Weise geltend: die überall hervortretende Eitelkeit, wohl ein Erbteil ihrer keltischen Vorfahren. Für französische und nichtfranzösische Verhältnisse hat der Franzmann verschiedene Maße. Ihrem Wesen nach ganz auf den Verstand angewiesen, sind die Franzosen ein verständiges Volk, aber ohne rechte Tiefe des Geistes und Gemüts. Keine Poesie läuft mehr Gefahr, in Phrasen aufzugehen, als die französische; keinem Volk ist der schwierige Begriff des Humors weiter entlegen.
Mit einer gewissen Oberflächlichkeit, welche alles, auch das Höchste, durch die Beinamen brillant, joli, curieux am meisten zu ehren glaubt, verbindet sich das, was Cäsar schon an den Galliern erkannte: Leichtigkeit, Lebendigkeit, Heftigkeit, aber auch die gallische Unstetigkeit und Unruhe, der gallische Wankelmut und Wechsel. Der Leichtsinn steigert sich bei dem Franzosen bis zur Frivolität, und eine spöttische Behandlung ernster, selbst religiöser Dinge, eine leichtfertige Auffassung der Moral, besonders im Verhältnis beider Geschlechter, gehören in Frankreich nicht zu den Seltenheiten.
Die schöne Litteratur kommt diesem Hang der Nation nur zu sehr entgegen. Einen vorteilhaften Gegensatz dazu bilden die gelehrten Kreise, [* 2] denen die Wissenschaft viel verdankt. Der große Gegensatz von Norden [* 3] und Süden im allgemeinen und die provinziellen Eigentümlichkeiten im besondern rufen übrigens scharf ausgeprägte Nüancen in dem geschilderten Nationalcharakter hervor. Der überfeinerte Pariser kontrastiert gewaltig mit dem frommen, aber rohen Bewohner von Poitou, der quecksilberne Gascogner mit dem plumpen Auvergner, der zweideutige Normanne mit dem treuherzigen Burgunder.
Fast noch wichtiger ist die Unterscheidung von Stadt und Land, die von Paris [* 4] und Frankreich. Der französische Landmann zeigt die oben entwickelten Schattenseiten in sehr geringem Grad und hat viel Einfaches, Biederes, Tüchtiges, das sich erst im Kontakt mit den großen Städten, namentlich der Riesenkapitale, verliert. Das, was die germanischen Völker unter Ständeunterschied verstehen, kennt der Franzose der Gegenwart nicht. Die Stände früherer Jahrhunderte sind durch die Staatsumwälzungen durchaus erloschen; es gibt gesetzlich keinen Adels-, keinen Bürger- und Bauernstand mehr, wie es keinen rechtlichen Unterschied zwischen Städten und Dörfern mehr gibt.
Das französische Gesetz kennt nur einen Stand, den des Staatsbürgers. In Wirklichkeit gibt es aber Adel (der sich in den alten und neuen teilt), Klerus (le clergé), Bürger (bourgeois) und Bauern. Was die Beschäftigung der Einwohner anlangt, so lebten 1881: 49 Proz. der Bevölkerung [* 5] von der Landwirtschaft, 25 Proz. von Industrie, 10 von Handel;
2 Proz. waren beim Verkehrswesen, 1½ Proz. im öffentlichen Dienst, 4½ Proz. bei freien Berufsarten beschäftigt;
5½ Proz. lebten von Renten oder Pensionen, 2 Proz. waren ohne und ½ Proz. von unbekannter Beschäftigung.
Die ackerbauende Bevölkerung zeigt sonach eine Verminderung, da dieselbe 1851: 57, 1861 noch 53 Proz. der Gesamtbevölkerung ausmachte, wogegen die hauptsächlichste Zunahme auf die industrielle Bevölkerung entfällt.
Erwerbszweige.
Landwirtschaft.
Der Boden Frankreichs ist im allgemeinen fruchtbar und zum Teil wohlangebaut. Den reichsten und fettesten Boden haben die an Flandern und Hennegau grenzenden nördlichen Gegenden, die Gebiete der Somme und Seine, ein Teil des Flußgebiets der Loire, die Marschländer der Vendée etc. Zu den unfruchtbarsten Strichen gehören: die Champagne pouilleuse, wo kaum 10 cm Erde über der Kreide [* 6] liegen, die Gegend um Chartres, die Landes in den Ebenen am Viscayischen Meer, wo man meilenweit keine Ortschaft antrifft, leichter, dürrer Flugsand das Erdreich bedeckt oder Sümpfe sich ausbreiten.
Zwischen Bordeaux [* 7] und Bayonne ist eine 150 km lange und 75 km breite Fläche, deren Einwohner sich aus ihren wie Oasen aus dem Sandmeer emporragenden wenigen Dörfern zum leichtern Fortkommen auf Stelzen bewegen. Voller Heiden, Sümpfe und Teiche sind auch die Sologne im Departement Loir-et-Cher, das 1000 qkm große Kieselland Crau in der Provence, das Kalkhügellabyrinth der Garrigues, endlich die höhern Gebirgsgegenden der Pyrenäen, Alpen, [* 8] Cevennen etc. Der produktive Boden Frankreichs beträgt 445,959 qkm oder 84,3 Proz. der Gesamtfläche.
Hinsichtlich seiner landwirtschaftlichen Benutzung zerfällt die Bodenfläche in 264,616 qkm Ackerland (50 Proz. des Areals), 73,553 qkm Grasland (Wiesen und Weiden), 21,753 qkm Weinland und 83,571 qkm Waldland. Der Kaufwert des bebauten Bodens wurde vom Ackerbauministerium im J. 1884 mit einer Ziffer von 91,584 Mill. Fr. festgestellt, wovon auf das Ackerland 57,600, auf Wiesen und Weiden 14,800, auf Weingärten 6888, auf Waldungen 6257, auf Gartenland 3829 Mill. entfallen.
Die Agrikulturproduktion Frankreichs ist bedeutend, und der Fleiß hat selbst über unfruchtbare Landstriche, wie in den Cevennen, den Landes etc., viel vermocht. Die Organe der landwirtschaftlichen Zentralverwaltung sind die sieben Generalinspektoren (neben welchen noch einer für die Veterinärschulen und einer für Corsica [* 9] funktioniert), welche jährlich den ihnen zugewiesenen Teil des Landes bereisen und den Betrieb, die Arbeiterverhältnisse, Melioration, das Vereinswesen, die Lehranstalten und Ausstellungen zu beobachten haben.
Die Landesmelioration besorgt das fast militärisch organisierte Korps der Zivilingenieure, welches dem Generaldirektor der Brücken [* 10] und Chausseen untergeordnet ist. Jedes Arrondissement hat eine Landwirtschaftskammer, es bestehen Kommissionen für Drainierungen und für Viehzucht, [* 11] ein Bureau für Lebensmittel, (1880) 958 landwirtschaftliche Vereine sowie eine Anzahl landwirtschaftlicher Lehranstalten (s. oben). Die Regierung sucht die Verbreitung guter Viehrassen durch zwei Schäfereien, zu Haut-Tingry (Pas de Calais) und zu Rambouillet, und eine große Melkerei (vacherie), zu Corbon (Calvados), in welchen jährlich Auktionen von Zuchttieren veranstaltet werden, zu heben.
Großen Wert legt man auf Ausstellungen, die zu Volksfesten werden und großen Andrang zu den Preisbewerbungen aufweisen. Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen, durch welche in der Sologne, Dombes, Brenne und auf Corsica viel geleistet worden ist, erfreuen sich besonderer Aufmerksamkeit der Regierung. Meist aber bilden sich konzessionierte Gesellschaften, denen gegenüber ein vom Präfekten ernanntes Syndikat die Interessen der Grundbesitzer vertritt. In dieser Weise sind in der Gascogne große, mit Wiederbewaldung der Höhen verbundene Arbeiten ausgeführt worden. Drainagearbeiten unterstützt der Staat durch Ausführung der Vorarbeiten, Überwachung der Ausführung und Darlehen seitens des Crédit foncier (seit 1852). Von den Kosten der Zentralverwaltung abgesehen, verwendet die Staatsregierung jetzt jährlich über 38 Mill. Fr. im Interesse der Landwirtschaft.
Die agrarischen Reformen wurden in Frankreich durch die ¶
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Revolution am Ende des vorigen Jahrhunderts durchgeführt. Die gutsherrlichen Rechte wurden großenteils ohne Entschädigung aufgehoben. Unvollkommen ist die französische Agrargesetzgebung rücksichtlich der Umlegung und Zusammenlegung der zerstreuten Parzellen, und dieser Umstand ist ein Hauptgrund für die große Zerstückelung des Bodens. Dazu trägt außerdem das gesetzliche Prinzip der gleichen Erbteilung bei. Von der gesamten kultivierten Bodenfläche wird die Hälfte vom Eigentümer, die andre teils von Pachtern (fermiers, namentlich in den nördlichen und östlichen Departements), teils von Meiern, welche den halben Bruttoertrag beziehen (métayers, besonders in Zentralfrankreich), bebaut.
Die große Zerstückelung des Grund und Bodens hat in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, die Lage der Landwirtschaft in Frankreich ungünstig zu gestalten. Die Zahl der Grundeigentümer, welche Viehzucht nicht mehr oder nur ungenügend betreiben können, wird immer größer. Anderseits sind die Arbeitslöhne wie auch die Steuern und Transportspesen relativ hoch und herrscht an Kapital und Kredit vielfach Mangel. Infolge dieser Verhältnisse ist Frankreich nicht mehr im stande, Getreide [* 13] und Fleisch in einer für den heimischen Konsum genügenden Menge zu produzieren, vielmehr auf fremde Einfuhr angewiesen.
Mit seinen hohen Erzeugungskosten muß es das Herabgehen der vom Weltmarkt diktierten Preise mitmachen, wobei der landwirtschaftliche Betrieb immer weniger gewinnbringend wird. Um diesen ungünstigen Verhältnissen teilweise entgegenzuwirken und namentlich das beständige Fallen der [* 14] Preise landwirtschaftlicher Produkte aufzuhalten, entschloß man sich auch in Frankreich zu Agrarzöllen. Mit dem Gesetz vom wurde der Einfuhrzoll auf Getreide und Mehl, [* 15] Schlachtvieh und Fleisch beträchtlich erhöht. Hand [* 16] in Hand damit sollen auch andre Schutzmaßregeln zu gunsten der Landwirtschaft gehen, wie Förderung des agrikolen Unterrichts und Kredits, Regelung der Pachtverhältnisse behufs Anbahnung besserer Kulturmethoden u. dgl.
Die wichtigsten Produkte des Ackerbaues und deren Erträgnisse im Durchschnitt der letzten zehn Jahre sind:
Weizen | 100800000 | Hektol. | Mais | 9580000 | Hektol. |
Roggen | 25084000 | " | Buchweizen | 9574000 | " |
Mengkorn | 6631000 | " | Hirse | 576000 | " |
Gerste | 18129000 | " | Kartoffeln | 124362000 | " |
Hafer | 71728000 | " | Hülsenfrüchte | 4416000 | " |
Der Cerealienertrag hat sich im vergangenen halben Jahrhundert wesentlich gesteigert. Pro Hektar betrug beispielsweise der Weizenertrag in der Periode 1815-35: 11,57, dagegen 1856-76: 14,58 hl. Ebenso hat sich der Ertrag an Roggen von 10,50 auf 13,35, an Gerste [* 17] von 13,31 auf 18,06, an Hafer [* 18] von 16 auf 22,33, an Kartoffeln von 83,35 auf 100,57 hl gesteigert. Sehr ergiebig ist der Getreidebau in den nördlichen und östlichen Departements, in welchen sich fast überall ein sehr fetter Boden vorfindet. Weizen ist die herrschende Brotfrucht Frankreichs; nur in wenigen Departements, hauptsächlich im französischen Zentralplateau, tritt an seine Stelle der Roggen. Für Gerste sind die Hauptsitze die Departements Manche, Mayenne, Eure-et-Loir, Sarthe, Somme, Pas de Calais. Hafer wird am stärksten in den nördlichen und mittlern, Mais in den südlichen Landesteilen, Buchweizen in der Bretagne und der nordwestlichen Normandie gebaut.
Die wichtigsten Industriepflanzen [* 19] und deren durchschnittlicher Ertrag sind: Zuckerrüben, womit 1884: 505,000 Hektar bepflanzt waren, 116,230,000 metr. Ztr. (namentlich in den nördlichen Departements Nord, Aisne, Somme, Pas de Calais u. a.);
Hopfen [* 20] 44,000 metr. Ztr. (in den Departements Nord, Côte d'Or, Meurthe-et-Moselle);
Tabak [* 21] 145,400 metr. Ztr. (auf 13,280 Hektar, vorzüglich im Departement Dordogne);
Flachs 462,000 metr. Ztr. (in ausgezeichneter Qualität in den nördlichen Departements Nord, Pas de Calais, Manche, Côtes du Nord sowie auch in einigen südlichen gebirgigen Departements, wie Niederpyrenäen, Gers, gebaut);
Hanf 579,000 metr. Ztr. (in einem großen Teil Frankreichs, am stärksten in den Departements Maine-et-Loire und Sarthe, angebaut).
Unter den Ölpflanzen bildet vornehmlich Raps den Gegenstand einer wichtigen Kultur in vielen Departements des Landes (Ölertrag 300,000 metr. Ztr.), während der Olivenbau (1165 qkm Anbaufläche und 198,000 metr. Ztr. Ölertrag) auf einige südliche Departements (Rhônemündungen, Var, Seealpen, Gard etc.) beschränkt ist. Zichorien bauen die Departements Nord und Pas de Calais in Menge; Trüffeln liefern die Departements Corrèze, Lot, Aveyron und Dordogne (die Périgueuxtrüffeln sind weltberühmt), Champignons besonders die mittlern und südlichen Departements.
Von Handelsgewächsen baut man außerdem: Koriander, Senf (Dijon), [* 22] spanischen Pfeffer, Meerfenchel, Kardendisteln, Sodapflanzen, Kardamome. Blumenreich sind besonders die Provence und Languedoc. Sehr interessant sind die Blumenmärkte in Marseille [* 23] und Paris, und berühmt ist die Blumenkultur von Caen und Lille. [* 24] Äpfel und Birnen sind besonders in der Normandie und Bretagne wichtig für die Ciderbereitung, welche durchschnittlich 12 Mill. hl ergibt; die Kastanie als Nahrungsmittel [* 25] in Dordogne, Ardèche, Corrèze und mehreren andern Departements, namentlich in Zentralfrankreich (4785 qkm Anbaufläche, 6,834,000 hl Ertrag).
Der Maulbeerbaum gedeiht in 8-10 Departements des Südostens (besonders in Gard, Ardèche, Vaucluse, Drôme) und bedeckt eine Fläche von 45,000 Hektar. Die Pflaume ist ein wichtiger Handelsgegenstand in den Departements Indre-et-Loire, Lot-et-Garonne, Var. Aprikosen, Kirschen (von Montmorency), Pfirsiche (von Montreuil) werden besonders um Paris gebaut, während in der Provence Orangen, Zitronen, Feigen, Mandeln, Pistazien, Kapern gedeihen. Im S. wächst auch der Johannisbrotbaum, dessen Früchte als Viehfutter dienen. Trauben (Tafeltrauben), mehr als 100 Arten, liefert ausgezeichnet Fontainebleau (für mehrere Millionen Frank).
Weinbau.
Der Wein ist ein Hauptprodukt des Landes und Frankreich das weinreichste Land auf der ganzen Erde. Nur zehn Departements sind ganz ohne Weinbau. Das Zentrum und der Südwesten von Frankreich sind die Hauptsitze des Weinbaues, welcher 1884: 2,040,759 Hektar Anbaufläche in Anspruch nahm und in diesem Jahr einen Ertrag von 34,780,726 hl lieferte. Die weinreichsten Departements sind: Unter-Charente, Hérault, Gironde, Charente und Aude. Man unterscheidet im ganzen mehr als 1400 Varietäten von Reben. Zu den feinsten Sorten gehören die von Oberburgund und Côte d'Or, von Médoc und Grave im Bordelais, von der Côte Rôtie am Rhône, von der Champagne etc.; zu den ordinären die von Mâconnais und Beaujolais, Untermédoc, Unterburgund, der Franche-Comté, Languedoc, Roussillon etc. Die berühmtesten Likörweine kommen von Rivesaltes und Grenache (im Roussillon), Frontignan und Lunel (im Languedoc). Den besten Franzwein liefern Angoumois (nämlich den Kognak, Jarnac und Angoulême), die ¶