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der Regel nach realistischer und klassischer Unterricht vereint, wird an den Lyceen (Staatsinstituten mit neun Jahreskursen) und an den Kommunalkollegien, welche von den Gemeinden mit Subvention des Staats erhalten werden, erteilt. Daneben gibt es noch freie Lehranstalten. 1881 gab es 91 Lyceen mit 46,696 und 248 Kommunalkollegien mit 39,030 Schülern, ferner ca. 800 freie Anstalten mit 78,000 Schülern. Zur Heranbildung der Lehrer bestehen eine höhere Normalschule zu Paris [* 2] und die Normalschule für den realistischen Unterricht zu Cluny. Auch der Sekundärunterricht für Mädchen, welcher seit dem Gesetz vom datiert und ein Studium von 5 Jahren, davon 3 mit durchaus obligatorischen und 2 mit teilweise fakultativen Kursen umfaßt, macht Fortschritte. Zur Ausbildung des Lehrpersonals wurde eine Anstalt in Sèvres errichtet. 1883 bestanden 2 Mädchenlyceen und 3 Kollegien.
Hochschulen sind in Frankreich die Fakultäten, von denen es 5 Kategorien gibt, nämlich die Fakultäten der Theologie, der Rechte, der Medizin, der mathematischen und Naturwissenschaften (sciences) sowie der philosophisch-historisch-philologischen Wissenschaften (lettres), welche, sofern sie Staatsanstalten sind, nicht in Universitäten vereinigt sind, sondern isoliert bestehen. Denselben werden auch die medizinischen und pharmazeutischen Spezialschulen beigezählt.
Solcher vom Staat erhaltenen Lehranstalten gibt es folgende: katholisch-theologische Fakultäten 5 (Paris, Aix, Bordeaux, [* 3] Lyon, [* 4] Rouen); [* 5]
protestantisch-theologische Fakultäten 2 (Paris, Montauban);
Rechtsfakultäten 13 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, [* 6] Aix, Caen, Dijon, [* 7] Grenoble, [* 8] Poitiers, Rennes, Toulouse, [* 9] Montpellier, [* 10] Douai);
medizinische und pharmazeutische Fakultäten 6 (Paris, Montpellier, Nancy, Bordeaux, Lille, [* 11] Lyon);
Facultés des sciences 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Clermont, Besançon, [* 12] Lille, Marseille); [* 13]
Facultés des lettres 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Aix, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Douai, Clermont, Besançon);
endlich 17 Schulen und Vorbereitungsschulen für Medizin und Pharmazie.
Diese Hochschulen hatten 1882 ein Lehrpersonal von 1184 Professoren und Dozenten und eine Frequenz von 15,526 Studierenden. Außerdem bestehen seit 1875 freie Lehranstalten für den höhern Unterricht, welche sich bei Vereinigung von 3 Fakultäten freie Universitäten nennen dürfen. Gegenwärtig bestehen die freien katholischen Universitäten zu Paris, Angers, Lyon, Lille, Toulouse. Als höhere Lehranstalten sind auch das Collège de France und die praktische Schule für höhere Studien, dann die 4 Anstalten für den höhern technischen Unterricht, nämlich die École polytechnique, École nationale des ponts et chaussées, École centrale des arts et des manufactures und École spéciale d'architecture, sämtlich Staatsinstitute mit dem Sitz in Paris, zu erwähnen.
Fach- und Speziallehranstalten bestehen: für katholische Theologie die bischöflichen Diözesanseminare und die Klosterstudien;
die Spezialschule für die lebenden orientalischen Sprachen;
die 3 Lehranstalten für Tierheilkunde;
das Conservatoire national des arts et métiers in Paris, 12 öffentliche Gewerbeschulen, 5 Kunst- und Gewerbeschulen, viele gewerbliche Fachschulen, 2 Uhrmacherschulen, eine Tabaksmanufakturschule, 3 höhere und zahlreiche mittlere Handelsschulen, 24 hydrographische Schulen;
das agronomische Nationalinstitut in Paris, die forstliche Nationalschule zu Nancy, 3 Agrikulturschulen, eine Gartenbauschule, 6 praktische und 46 niedere Ackerbauschulen nebst 55 landwirtschaftlichen Lehrstühlen, 1 Gestütschule;
die Nationalminenschule in Paris, 3 Bergschulen;
6 Nationalschulen der schönen Künste und eine Nationalschule der dekorativen Künste, ein Nationalkonservatorium für Musik und Deklamation (die beiden letztern in Paris).
Die wichtigste unter allen gelehrten Gesellschaften Frankreichs ist das Institut de France, hinsichtlich dessen wir auf den Artikel »Akademie« verweisen. Ferner gibt es in Paris eine Akademie der Arzneiwissenschaft, welche aus 11 Sektionen besteht, eine orientalische, 5 geographische und viele andre wissenschaftliche Gesellschaften. Unter den übrigen wissenschaftlichen und artistischen Anstalten verdienen Erwähnung: die Sternwarten [* 14] zu Paris (2), Marseille, Lyon, Toulouse etc.;
das Mineralienkabinett in Paris, die Naturalienkabinette in Rouen, Lyon etc., das große naturhistorische Museum zu Paris, der Jardin des plantes (bestehend aus den reichsten botanischen Gärten, einer großen Menagerie, Naturalien der drei Naturreiche, einem anatomischen Theater [* 15] und einem Laboratorium), [* 16] die botanischen Gärten in Lyon, Montpellier, Rouen, Bordeaux, Marseille, Nantes, [* 17] Angoulême, Clermont etc., das Musée national in Versailles; [* 18]
das Bureau des Longitudes etc. Entsprechend der in Frankreich herrschenden Zentralisation, findet man nur in Paris große Bibliotheken, wie die Bibliothèque Mazarin, Ste.-Geneviève und die wunderbare Nationalbibliothek, welche über 2 Mill. gedruckte Schriften und einen jährlichen Zuwachs von 15-20,000 Nummern hat.
Auch finden sich nur in Paris ansehnliche Kunstsammlungen, wie die des Louvre, des Luxembourg etc., und werden daselbst jährliche Ausstellungen (salon) abgehalten. Ebenso haben die Theater und die Presse [* 19] ihren Hauptsitz und Zentralpunkt in Paris.
Charakter und Sinnesart der Franzosen.
Den Nationalcharakter der Franzosen schildert ein Kenner wie folgt: Der Franzose nennt mit Selbstgefühl sein Volk la grande nation, und es ist groß, insofern es Sinn für das Große hat. Die Begriffe Vaterland, Ehre, Ruhm (oder richtiger gloire) haben über ein französisches Herz eine wunderbare Macht. Die Gloire besteht aber vor allem in Kriegsruhm, der den Franzosen in hohem Maß zu teil geworden ist. Sie sind ein tapferes, heldenhaftes Volk; nirgends sonst gilt es für eine so unauslöschliche Beschimpfung, ein Feiger gescholten zu werden.
Aber die Franzosen sind auch auf dem Gebiet friedlicher Entwickelung groß, eine praktische Nation, dabei jedoch weit entfernt, im Materiellen aufzugehen; vielmehr ist die französische Nation, wie sie behauptet, das Volk der Bildung, der wahren Humanität und Wissenschaft, die sie mit Anmut dem Verständnis aller nahezubringen weiß. Der Franzose ist ferner der geselligste aller Menschen; er hat bis in die untern Schichten herunter für die Kunst des Umganges eine glückliche Leichtigkeit, eine liebenswürdige Feinheit und Gewandtheit, eine anmutige Aufmerksamkeit für das schöne Geschlecht (galanterie), das in jedem Betracht eine hohe Stelle einnimmt; er ist gegen Fremde artig und gefällig. Das Savoir-faire und Savoir-vivre des Franzosen ist andern Nationen fremd. Der Franzose zeichnet sich in allen Situationen durch eine gewisse mäßige und vorteilhafte Gehaltenheit aus. Auch im Essen [* 20] und Trinken liebt er Feinheit und Maß und sieht mehr auf Qualität als auf Quantität. Diesen mannigfachen Vorzügen der Nation ¶
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gegenüber macht sich ein Fehler in lästigster Weise geltend: die überall hervortretende Eitelkeit, wohl ein Erbteil ihrer keltischen Vorfahren. Für französische und nichtfranzösische Verhältnisse hat der Franzmann verschiedene Maße. Ihrem Wesen nach ganz auf den Verstand angewiesen, sind die Franzosen ein verständiges Volk, aber ohne rechte Tiefe des Geistes und Gemüts. Keine Poesie läuft mehr Gefahr, in Phrasen aufzugehen, als die französische; keinem Volk ist der schwierige Begriff des Humors weiter entlegen.
Mit einer gewissen Oberflächlichkeit, welche alles, auch das Höchste, durch die Beinamen brillant, joli, curieux am meisten zu ehren glaubt, verbindet sich das, was Cäsar schon an den Galliern erkannte: Leichtigkeit, Lebendigkeit, Heftigkeit, aber auch die gallische Unstetigkeit und Unruhe, der gallische Wankelmut und Wechsel. Der Leichtsinn steigert sich bei dem Franzosen bis zur Frivolität, und eine spöttische Behandlung ernster, selbst religiöser Dinge, eine leichtfertige Auffassung der Moral, besonders im Verhältnis beider Geschlechter, gehören in Frankreich nicht zu den Seltenheiten.
Die schöne Litteratur kommt diesem Hang der Nation nur zu sehr entgegen. Einen vorteilhaften Gegensatz dazu bilden die gelehrten Kreise, [* 22] denen die Wissenschaft viel verdankt. Der große Gegensatz von Norden [* 23] und Süden im allgemeinen und die provinziellen Eigentümlichkeiten im besondern rufen übrigens scharf ausgeprägte Nüancen in dem geschilderten Nationalcharakter hervor. Der überfeinerte Pariser kontrastiert gewaltig mit dem frommen, aber rohen Bewohner von Poitou, der quecksilberne Gascogner mit dem plumpen Auvergner, der zweideutige Normanne mit dem treuherzigen Burgunder.
Fast noch wichtiger ist die Unterscheidung von Stadt und Land, die von Paris und Frankreich. Der französische Landmann zeigt die oben entwickelten Schattenseiten in sehr geringem Grad und hat viel Einfaches, Biederes, Tüchtiges, das sich erst im Kontakt mit den großen Städten, namentlich der Riesenkapitale, verliert. Das, was die germanischen Völker unter Ständeunterschied verstehen, kennt der Franzose der Gegenwart nicht. Die Stände früherer Jahrhunderte sind durch die Staatsumwälzungen durchaus erloschen; es gibt gesetzlich keinen Adels-, keinen Bürger- und Bauernstand mehr, wie es keinen rechtlichen Unterschied zwischen Städten und Dörfern mehr gibt.
Das französische Gesetz kennt nur einen Stand, den des Staatsbürgers. In Wirklichkeit gibt es aber Adel (der sich in den alten und neuen teilt), Klerus (le clergé), Bürger (bourgeois) und Bauern. Was die Beschäftigung der Einwohner anlangt, so lebten 1881: 49 Proz. der Bevölkerung [* 24] von der Landwirtschaft, 25 Proz. von Industrie, 10 von Handel;
2 Proz. waren beim Verkehrswesen, 1½ Proz. im öffentlichen Dienst, 4½ Proz. bei freien Berufsarten beschäftigt;
5½ Proz. lebten von Renten oder Pensionen, 2 Proz. waren ohne und ½ Proz. von unbekannter Beschäftigung.
Die ackerbauende Bevölkerung zeigt sonach eine Verminderung, da dieselbe 1851: 57, 1861 noch 53 Proz. der Gesamtbevölkerung ausmachte, wogegen die hauptsächlichste Zunahme auf die industrielle Bevölkerung entfällt.
Erwerbszweige.
Landwirtschaft.
Der Boden Frankreichs ist im allgemeinen fruchtbar und zum Teil wohlangebaut. Den reichsten und fettesten Boden haben die an Flandern und Hennegau grenzenden nördlichen Gegenden, die Gebiete der Somme und Seine, ein Teil des Flußgebiets der Loire, die Marschländer der Vendée etc. Zu den unfruchtbarsten Strichen gehören: die Champagne pouilleuse, wo kaum 10 cm Erde über der Kreide [* 25] liegen, die Gegend um Chartres, die Landes in den Ebenen am Viscayischen Meer, wo man meilenweit keine Ortschaft antrifft, leichter, dürrer Flugsand das Erdreich bedeckt oder Sümpfe sich ausbreiten.
Zwischen Bordeaux und Bayonne ist eine 150 km lange und 75 km breite Fläche, deren Einwohner sich aus ihren wie Oasen aus dem Sandmeer emporragenden wenigen Dörfern zum leichtern Fortkommen auf Stelzen bewegen. Voller Heiden, Sümpfe und Teiche sind auch die Sologne im Departement Loir-et-Cher, das 1000 qkm große Kieselland Crau in der Provence, das Kalkhügellabyrinth der Garrigues, endlich die höhern Gebirgsgegenden der Pyrenäen, Alpen, [* 26] Cevennen etc. Der produktive Boden Frankreichs beträgt 445,959 qkm oder 84,3 Proz. der Gesamtfläche.
Hinsichtlich seiner landwirtschaftlichen Benutzung zerfällt die Bodenfläche in 264,616 qkm Ackerland (50 Proz. des Areals), 73,553 qkm Grasland (Wiesen und Weiden), 21,753 qkm Weinland und 83,571 qkm Waldland. Der Kaufwert des bebauten Bodens wurde vom Ackerbauministerium im J. 1884 mit einer Ziffer von 91,584 Mill. Fr. festgestellt, wovon auf das Ackerland 57,600, auf Wiesen und Weiden 14,800, auf Weingärten 6888, auf Waldungen 6257, auf Gartenland 3829 Mill. entfallen.
Die Agrikulturproduktion Frankreichs ist bedeutend, und der Fleiß hat selbst über unfruchtbare Landstriche, wie in den Cevennen, den Landes etc., viel vermocht. Die Organe der landwirtschaftlichen Zentralverwaltung sind die sieben Generalinspektoren (neben welchen noch einer für die Veterinärschulen und einer für Corsica [* 27] funktioniert), welche jährlich den ihnen zugewiesenen Teil des Landes bereisen und den Betrieb, die Arbeiterverhältnisse, Melioration, das Vereinswesen, die Lehranstalten und Ausstellungen zu beobachten haben.
Die Landesmelioration besorgt das fast militärisch organisierte Korps der Zivilingenieure, welches dem Generaldirektor der Brücken [* 28] und Chausseen untergeordnet ist. Jedes Arrondissement hat eine Landwirtschaftskammer, es bestehen Kommissionen für Drainierungen und für Viehzucht, [* 29] ein Bureau für Lebensmittel, (1880) 958 landwirtschaftliche Vereine sowie eine Anzahl landwirtschaftlicher Lehranstalten (s. oben). Die Regierung sucht die Verbreitung guter Viehrassen durch zwei Schäfereien, zu Haut-Tingry (Pas de Calais) und zu Rambouillet, und eine große Melkerei (vacherie), zu Corbon (Calvados), in welchen jährlich Auktionen von Zuchttieren veranstaltet werden, zu heben.
Großen Wert legt man auf Ausstellungen, die zu Volksfesten werden und großen Andrang zu den Preisbewerbungen aufweisen. Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen, durch welche in der Sologne, Dombes, Brenne und auf Corsica viel geleistet worden ist, erfreuen sich besonderer Aufmerksamkeit der Regierung. Meist aber bilden sich konzessionierte Gesellschaften, denen gegenüber ein vom Präfekten ernanntes Syndikat die Interessen der Grundbesitzer vertritt. In dieser Weise sind in der Gascogne große, mit Wiederbewaldung der Höhen verbundene Arbeiten ausgeführt worden. Drainagearbeiten unterstützt der Staat durch Ausführung der Vorarbeiten, Überwachung der Ausführung und Darlehen seitens des Crédit foncier (seit 1852). Von den Kosten der Zentralverwaltung abgesehen, verwendet die Staatsregierung jetzt jährlich über 38 Mill. Fr. im Interesse der Landwirtschaft.
Die agrarischen Reformen wurden in Frankreich durch die ¶