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nach Frankreich wird zum Teil durch die geringe Dichtigkeit der Bevölkerung, [* 2] durch die Höhe der Löhne und die große Menge der unternommenen öffentlichen Arbeiten erklärlich. - Über die Sprache [* 3] der Franzosen s. Französische Sprache. Außer derselben und ihren Mundarten werden in Frankreich noch gesprochen das Italienische, das Spanische [* 4] und zwar der katalonische Dialekt, das Baskische, das Bretonische (le Breizad, mit vier Mundarten, der gälischen Sprache in Schottland verwandt), das Wallonische, das Deutsche [* 5] und das Vlämische.
Religion.
Nach dem Religionsbekenntnis wurde die Bevölkerung Frankreichs zuletzt 1872 erhoben und verteilte sich hiernach folgendermaßen: Katholiken 35,387,703 (98 Proz.), Protestanten 580,757 (1,6 Proz., davon 467,531 Reformierte, 80,117 Lutheraner und 33,109 protestantische Sektierer), Israeliten 49,439 (0,14 Proz.), andre Kulte nebst Konfessionslosen 85,022 (0,26 Proz.). Das französische öffentliche Recht erkennt, dem 1789 proklamierten Grundsatz zufolge, die Unabhängigkeit der Kulte an; es beschützt dieselben in ihren Äußerungen, unterwirft sie aber der Aufsicht der Regierung insoweit, als die geistliche Gewalt nicht in die weltliche eingreifen darf. Zu diesem Zweck ist ein Weg der Abhilfe beim Staatsrat offen gelassen unter dem Namen des Recours comme d'abus.
Die Diener der Religion werden vom Staat besoldet. Alles dies gilt übrigens nur von den drei anerkannten Religionen (katholische, protestantische, israelitische), während sich die Gesetzgebung um die andern nicht kümmert. In der römisch-katholischen Kirche wird die oberste Leitung der geistlichen Angelegenheiten in Frankreich von 17 Erzbischöfen (darunter 5 Kardinälen) und unter diesen von 70 Bischöfen wahrgenommen. Beide werden vom Präsidenten der Republik ernannt und erhalten vom Papste die kanonische Bestätigung; ihre Bullen müssen vor ihrer Veröffentlichung dem Staatsrat vorgelegt werden.
Erzbischöfliche Sitze sind: Paris, [* 6] Cambrai, Lyon, [* 7] Rouen, [* 8] Sens, Reims, [* 9] Tours, [* 10] Bourges, Albi, Bordeaux, [* 11] Auch, Toulouse, [* 12] Aix, Besançon, [* 13] Avignon, Rennes, Chambéry. Man zählt 182 Generalvikare, 737 Domherren, 3381 Pfarrer, 39,158 Pfarrverweser und Vikare, insgesamt 54,827 Kleriker. Ordensgeistliche gab es 1880: 30,287 in 416 Orden [* 14] und 127,753 Nonnen in 3798 Kongregationen. Hiervon wurden durch Dekret vom Jahr 1880: 384 männliche Orden (mit 7444 Mitgliedern) darunter der Jesuitenorden, und 602 weibliche Ordenshäuser (mit 14,003 Nonnen) als der gesetzlichen Autorisation entbehrend aufgelöst.
In der protestantischen Kirche ist das Kirchenregiment der Generalsynode für jedes der beiden Bekenntnisse, dem Zentralrat reformierter, dem Oberkonsistorium und dem Direktorium Augsburgischer Konfession in Paris, unter diesen den Bezirkssynoden, den beiden lutherischen Inspektionen, den Konsistorien und Presbyterialräten überwiesen. Die Lutheraner, hauptsächlich in den Departements Doubs, Seine, Obersaône wohnhaft, haben (1881) 63, die Reformierten (Calvinisten), die besonders im SW. Frankreichs, zwischen dem Rhône und den Pyrenäen, am meisten konzentriert im Departement Gard wohnen, 620 Pastoren. Protestantische Seminare bestehen in Paris und Montauban. Von den Israeliten wohnten 24,319 im Departement Seine. Der israelitische Kultus steht unter der obern Leitung eines Zentralkonsistoriums zu Paris, dem die Konsistorien, die Oberrabbiner, Rabbiner und Kantoren untergeordnet sind.
Bildung und Unterricht.
Auf dem Gebiet des Unterrichtswesens erfreut sich seit den letzten Jahren das lange vernachlässigte Volksschulwesen regen Interesses und eifriger Pflege. Vor der Revolution war der Volksunterricht absichtlich niedergehalten worden, die Revolution, die Kriege des Kaiserreichs und das System der Bourbonen ließen keine Entwickelung zu. Unter der Juliregierung wurden wohl für das Unterrichtswesen rühmliche Anstrengungen gemacht, so daß es 1840 im ganzen 33,099 Gemeindeschulen gab, während immer noch 4196 Gemeinden ohne Schulen blieben.
Durch das Gesetz vom wurde dagegen ebenso wie der Sekundär-, auch der Primärunterricht dem Einfluß des Klerus unterworfen, in dessen Händen noch jetzt die Hälfte aller Schulkinder ist. Durch das Gesetz vom wurde der Primärunterricht für obligatorisch erklärt und somit der Schulzwang, der bis dahin in Frankreich nicht bestanden hatte, eingeführt. Jede Gemeinde von 500 Einw. ist nunmehr gehalten, eine Knaben- und eine Mädchenvolksschule zu erhalten; jedes Departement muß zwei Normalschulen zur Ausbildung der Volksschullehrer, bez. -Lehrerinnen haben.
An den Volksschulen darf kein Lehrer ohne Tauglichkeitszeugnis fungieren, sofern ihm mit Rücksicht auf sein Alter und seine Dienstjahre kein gesetzlicher Dispens zu statten kommt. Durch das Gesetz vom wurde der Elementarunterricht für unentgeltlich erklärt. Parallel [* 15] mit diesen legislativen Maßregeln lief eine bedeutende Erhöhung des vom Staat für das Volksschulwesen zu leistenden Aufwandes. Während 1877 der Staat von den Kosten des Volksschulwesens an 78½ Mill. Fr. 12½ Mill. trug, ist dieser Anteil 1882 bei einem Gesamtaufwand von 102 Mill. auf 68 Mill. gestiegen. Einschließlich der Kosten der Normalschulen und der Schulinspektion aber beliefen sich die Totalkosten des Volksschulwesens 1882 auf 132 Mill. Fr., wovon 87½ auf den Staat, 17½ auf die Departements und 27 auf die Gemeinden entfielen.
Das öffentliche Unterrichtswesen steht unter der Leitung eines eignen Ministers. Diesem zur Seite steht ein oberer Unterrichtsrat (Conseil supérieur de l'instruction publique), und diesem sind Generalinspektoren untergeordnet, welche alle Teile des öffentlichen Unterrichts zu überwachen haben. In den Departements bilden die 16 Akademien, an deren Spitze ein Rektor steht, die Unterrichtsbehörden. Normalschulen zur Ausbildung der Volksschullehrer gab es 1882: 81 für männliche und 40 für weibliche Kandidaten. Es ist dafür gesorgt, daß die nach dem Gesetz noch fehlenden Normalschulen in den nächsten Jahren errichtet werden.
Elementarschulen gab es 1882: 75,635, davon 62,997 öffentliche und 12,638 Privatschulen, und zwar 56,210 unter weltlicher und 19,425 unter geistlicher Leitung, mit zusammen 58,137 Lehrern und 66,828 Lehrerinnen und 5,341,211 eingeschriebenen Schulkindern. Immerhin gab es noch ca. 1,870,000 Kinder im Alter von 4-16 Jahren, welche die Schule nicht besuchten. Auch ist die Zahl derer, die weder lesen noch schreiben können, noch immer eine sehr große; sie wurde bei der Volkszählung von 1872 bei den Personen von 6-20 Jahren mit 24 Proz., bei denen über 20 Jahre mit 33⅓ Proz. erhoben. Bei der Rekrutenaushebung ergab sich als Anzahl derjenigen, welche weder lesen noch schreiben konnten, 1882: 13, 1877: 15, dagegen 1865: 24, 1855: 32 und 1835: 45 Proz., so daß immerhin eine erfreuliche Besserung in diesem traurigen Zustand zu Tage tritt.
Der mittlere oder Sekundärunterricht, und zwar ¶
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der Regel nach realistischer und klassischer Unterricht vereint, wird an den Lyceen (Staatsinstituten mit neun Jahreskursen) und an den Kommunalkollegien, welche von den Gemeinden mit Subvention des Staats erhalten werden, erteilt. Daneben gibt es noch freie Lehranstalten. 1881 gab es 91 Lyceen mit 46,696 und 248 Kommunalkollegien mit 39,030 Schülern, ferner ca. 800 freie Anstalten mit 78,000 Schülern. Zur Heranbildung der Lehrer bestehen eine höhere Normalschule zu Paris und die Normalschule für den realistischen Unterricht zu Cluny. Auch der Sekundärunterricht für Mädchen, welcher seit dem Gesetz vom datiert und ein Studium von 5 Jahren, davon 3 mit durchaus obligatorischen und 2 mit teilweise fakultativen Kursen umfaßt, macht Fortschritte. Zur Ausbildung des Lehrpersonals wurde eine Anstalt in Sèvres errichtet. 1883 bestanden 2 Mädchenlyceen und 3 Kollegien.
Hochschulen sind in Frankreich die Fakultäten, von denen es 5 Kategorien gibt, nämlich die Fakultäten der Theologie, der Rechte, der Medizin, der mathematischen und Naturwissenschaften (sciences) sowie der philosophisch-historisch-philologischen Wissenschaften (lettres), welche, sofern sie Staatsanstalten sind, nicht in Universitäten vereinigt sind, sondern isoliert bestehen. Denselben werden auch die medizinischen und pharmazeutischen Spezialschulen beigezählt.
Solcher vom Staat erhaltenen Lehranstalten gibt es folgende: katholisch-theologische Fakultäten 5 (Paris, Aix, Bordeaux, Lyon, Rouen);
protestantisch-theologische Fakultäten 2 (Paris, Montauban);
Rechtsfakultäten 13 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, [* 17] Aix, Caen, Dijon, [* 18] Grenoble, [* 19] Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, [* 20] Douai);
medizinische und pharmazeutische Fakultäten 6 (Paris, Montpellier, Nancy, Bordeaux, Lille, [* 21] Lyon);
Facultés des sciences 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Clermont, Besançon, Lille, Marseille); [* 22]
Facultés des lettres 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Aix, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Douai, Clermont, Besançon);
endlich 17 Schulen und Vorbereitungsschulen für Medizin und Pharmazie.
Diese Hochschulen hatten 1882 ein Lehrpersonal von 1184 Professoren und Dozenten und eine Frequenz von 15,526 Studierenden. Außerdem bestehen seit 1875 freie Lehranstalten für den höhern Unterricht, welche sich bei Vereinigung von 3 Fakultäten freie Universitäten nennen dürfen. Gegenwärtig bestehen die freien katholischen Universitäten zu Paris, Angers, Lyon, Lille, Toulouse. Als höhere Lehranstalten sind auch das Collège de France und die praktische Schule für höhere Studien, dann die 4 Anstalten für den höhern technischen Unterricht, nämlich die École polytechnique, École nationale des ponts et chaussées, École centrale des arts et des manufactures und École spéciale d'architecture, sämtlich Staatsinstitute mit dem Sitz in Paris, zu erwähnen.
Fach- und Speziallehranstalten bestehen: für katholische Theologie die bischöflichen Diözesanseminare und die Klosterstudien;
die Spezialschule für die lebenden orientalischen Sprachen;
die 3 Lehranstalten für Tierheilkunde;
das Conservatoire national des arts et métiers in Paris, 12 öffentliche Gewerbeschulen, 5 Kunst- und Gewerbeschulen, viele gewerbliche Fachschulen, 2 Uhrmacherschulen, eine Tabaksmanufakturschule, 3 höhere und zahlreiche mittlere Handelsschulen, 24 hydrographische Schulen;
das agronomische Nationalinstitut in Paris, die forstliche Nationalschule zu Nancy, 3 Agrikulturschulen, eine Gartenbauschule, 6 praktische und 46 niedere Ackerbauschulen nebst 55 landwirtschaftlichen Lehrstühlen, 1 Gestütschule;
die Nationalminenschule in Paris, 3 Bergschulen;
6 Nationalschulen der schönen Künste und eine Nationalschule der dekorativen Künste, ein Nationalkonservatorium für Musik und Deklamation (die beiden letztern in Paris).
Die wichtigste unter allen gelehrten Gesellschaften Frankreichs ist das Institut de France, hinsichtlich dessen wir auf den Artikel »Akademie« verweisen. Ferner gibt es in Paris eine Akademie der Arzneiwissenschaft, welche aus 11 Sektionen besteht, eine orientalische, 5 geographische und viele andre wissenschaftliche Gesellschaften. Unter den übrigen wissenschaftlichen und artistischen Anstalten verdienen Erwähnung: die Sternwarten [* 23] zu Paris (2), Marseille, Lyon, Toulouse etc.;
das Mineralienkabinett in Paris, die Naturalienkabinette in Rouen, Lyon etc., das große naturhistorische Museum zu Paris, der Jardin des plantes (bestehend aus den reichsten botanischen Gärten, einer großen Menagerie, Naturalien der drei Naturreiche, einem anatomischen Theater [* 24] und einem Laboratorium), [* 25] die botanischen Gärten in Lyon, Montpellier, Rouen, Bordeaux, Marseille, Nantes, [* 26] Angoulême, Clermont etc., das Musée national in Versailles; [* 27]
das Bureau des Longitudes etc. Entsprechend der in Frankreich herrschenden Zentralisation, findet man nur in Paris große Bibliotheken, wie die Bibliothèque Mazarin, Ste.-Geneviève und die wunderbare Nationalbibliothek, welche über 2 Mill. gedruckte Schriften und einen jährlichen Zuwachs von 15-20,000 Nummern hat.
Auch finden sich nur in Paris ansehnliche Kunstsammlungen, wie die des Louvre, des Luxembourg etc., und werden daselbst jährliche Ausstellungen (salon) abgehalten. Ebenso haben die Theater und die Presse [* 28] ihren Hauptsitz und Zentralpunkt in Paris.
Charakter und Sinnesart der Franzosen.
Den Nationalcharakter der Franzosen schildert ein Kenner wie folgt: Der Franzose nennt mit Selbstgefühl sein Volk la grande nation, und es ist groß, insofern es Sinn für das Große hat. Die Begriffe Vaterland, Ehre, Ruhm (oder richtiger gloire) haben über ein französisches Herz eine wunderbare Macht. Die Gloire besteht aber vor allem in Kriegsruhm, der den Franzosen in hohem Maß zu teil geworden ist. Sie sind ein tapferes, heldenhaftes Volk; nirgends sonst gilt es für eine so unauslöschliche Beschimpfung, ein Feiger gescholten zu werden.
Aber die Franzosen sind auch auf dem Gebiet friedlicher Entwickelung groß, eine praktische Nation, dabei jedoch weit entfernt, im Materiellen aufzugehen; vielmehr ist die französische Nation, wie sie behauptet, das Volk der Bildung, der wahren Humanität und Wissenschaft, die sie mit Anmut dem Verständnis aller nahezubringen weiß. Der Franzose ist ferner der geselligste aller Menschen; er hat bis in die untern Schichten herunter für die Kunst des Umganges eine glückliche Leichtigkeit, eine liebenswürdige Feinheit und Gewandtheit, eine anmutige Aufmerksamkeit für das schöne Geschlecht (galanterie), das in jedem Betracht eine hohe Stelle einnimmt; er ist gegen Fremde artig und gefällig. Das Savoir-faire und Savoir-vivre des Franzosen ist andern Nationen fremd. Der Franzose zeichnet sich in allen Situationen durch eine gewisse mäßige und vorteilhafte Gehaltenheit aus. Auch im Essen [* 29] und Trinken liebt er Feinheit und Maß und sieht mehr auf Qualität als auf Quantität. Diesen mannigfachen Vorzügen der Nation ¶