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nach Frankreich wird zum Teil durch die geringe Dichtigkeit der Bevölkerung, durch die Höhe der Löhne und die große Menge der unternommenen öffentlichen Arbeiten erklärlich. - Über die Sprache der Franzosen s. Französische Sprache. Außer derselben und ihren Mundarten werden in Frankreich noch gesprochen das Italienische, das Spanische und zwar der katalonische Dialekt, das Baskische, das Bretonische (le Breizad, mit vier Mundarten, der gälischen Sprache in Schottland verwandt), das Wallonische, das Deutsche und das Vlämische.
Religion.
Nach dem Religionsbekenntnis wurde die Bevölkerung Frankreichs zuletzt 1872 erhoben und verteilte sich hiernach folgendermaßen: Katholiken 35,387,703 (98 Proz.), Protestanten 580,757 (1,6 Proz., davon 467,531 Reformierte, 80,117 Lutheraner und 33,109 protestantische Sektierer), Israeliten 49,439 (0,14 Proz.), andre Kulte nebst Konfessionslosen 85,022 (0,26 Proz.). Das französische öffentliche Recht erkennt, dem 1789 proklamierten Grundsatz zufolge, die Unabhängigkeit der Kulte an; es beschützt dieselben in ihren Äußerungen, unterwirft sie aber der Aufsicht der Regierung insoweit, als die geistliche Gewalt nicht in die weltliche eingreifen darf. Zu diesem Zweck ist ein Weg der Abhilfe beim Staatsrat offen gelassen unter dem Namen des Recours comme d'abus.
Die Diener der Religion werden vom Staat besoldet. Alles dies gilt übrigens nur von den drei anerkannten Religionen (katholische, protestantische, israelitische), während sich die Gesetzgebung um die andern nicht kümmert. In der römisch-katholischen Kirche wird die oberste Leitung der geistlichen Angelegenheiten in Frankreich von 17 Erzbischöfen (darunter 5 Kardinälen) und unter diesen von 70 Bischöfen wahrgenommen. Beide werden vom Präsidenten der Republik ernannt und erhalten vom Papste die kanonische Bestätigung; ihre Bullen müssen vor ihrer Veröffentlichung dem Staatsrat vorgelegt werden.
Erzbischöfliche Sitze sind: Paris, Cambrai, Lyon, Rouen, Sens, Reims, Tours, Bourges, Albi, Bordeaux, Auch, Toulouse, Aix, Besançon, Avignon, Rennes, Chambéry. Man zählt 182 Generalvikare, 737 Domherren, 3381 Pfarrer, 39,158 Pfarrverweser und Vikare, insgesamt 54,827 Kleriker. Ordensgeistliche gab es 1880: 30,287 in 416 Orden und 127,753 Nonnen in 3798 Kongregationen. Hiervon wurden durch Dekret vom Jahr 1880: 384 männliche Orden (mit 7444 Mitgliedern) darunter der Jesuitenorden, und 602 weibliche Ordenshäuser (mit 14,003 Nonnen) als der gesetzlichen Autorisation entbehrend aufgelöst.
In der protestantischen Kirche ist das Kirchenregiment der Generalsynode für jedes der beiden Bekenntnisse, dem Zentralrat reformierter, dem Oberkonsistorium und dem Direktorium Augsburgischer Konfession in Paris, unter diesen den Bezirkssynoden, den beiden lutherischen Inspektionen, den Konsistorien und Presbyterialräten überwiesen. Die Lutheraner, hauptsächlich in den Departements Doubs, Seine, Obersaône wohnhaft, haben (1881) 63, die Reformierten (Calvinisten), die besonders im SW. Frankreichs, zwischen dem Rhône und den Pyrenäen, am meisten konzentriert im Departement Gard wohnen, 620 Pastoren. Protestantische Seminare bestehen in Paris und Montauban. Von den Israeliten wohnten 24,319 im Departement Seine. Der israelitische Kultus steht unter der obern Leitung eines Zentralkonsistoriums zu Paris, dem die Konsistorien, die Oberrabbiner, Rabbiner und Kantoren untergeordnet sind.
Bildung und Unterricht.
Auf dem Gebiet des Unterrichtswesens erfreut sich seit den letzten Jahren das lange vernachlässigte Volksschulwesen regen Interesses und eifriger Pflege. Vor der Revolution war der Volksunterricht absichtlich niedergehalten worden, die Revolution, die Kriege des Kaiserreichs und das System der Bourbonen ließen keine Entwickelung zu. Unter der Juliregierung wurden wohl für das Unterrichtswesen rühmliche Anstrengungen gemacht, so daß es 1840 im ganzen 33,099 Gemeindeschulen gab, während immer noch 4196 Gemeinden ohne Schulen blieben.
Durch das Gesetz vom wurde dagegen ebenso wie der Sekundär-, auch der Primärunterricht dem Einfluß des Klerus unterworfen, in dessen Händen noch jetzt die Hälfte aller Schulkinder ist. Durch das Gesetz vom wurde der Primärunterricht für obligatorisch erklärt und somit der Schulzwang, der bis dahin in Frankreich nicht bestanden hatte, eingeführt. Jede Gemeinde von 500 Einw. ist nunmehr gehalten, eine Knaben- und eine Mädchenvolksschule zu erhalten; jedes Departement muß zwei Normalschulen zur Ausbildung der Volksschullehrer, bez. -Lehrerinnen haben.
An den Volksschulen darf kein Lehrer ohne Tauglichkeitszeugnis fungieren, sofern ihm mit Rücksicht auf sein Alter und seine Dienstjahre kein gesetzlicher Dispens zu statten kommt. Durch das Gesetz vom wurde der Elementarunterricht für unentgeltlich erklärt. Parallel mit diesen legislativen Maßregeln lief eine bedeutende Erhöhung des vom Staat für das Volksschulwesen zu leistenden Aufwandes. Während 1877 der Staat von den Kosten des Volksschulwesens an 78½ Mill. Fr. 12½ Mill. trug, ist dieser Anteil 1882 bei einem Gesamtaufwand von 102 Mill. auf 68 Mill. gestiegen. Einschließlich der Kosten der Normalschulen und der Schulinspektion aber beliefen sich die Totalkosten des Volksschulwesens 1882 auf 132 Mill. Fr., wovon 87½ auf den Staat, 17½ auf die Departements und 27 auf die Gemeinden entfielen.
Das öffentliche Unterrichtswesen steht unter der Leitung eines eignen Ministers. Diesem zur Seite steht ein oberer Unterrichtsrat (Conseil supérieur de l'instruction publique), und diesem sind Generalinspektoren untergeordnet, welche alle Teile des öffentlichen Unterrichts zu überwachen haben. In den Departements bilden die 16 Akademien, an deren Spitze ein Rektor steht, die Unterrichtsbehörden. Normalschulen zur Ausbildung der Volksschullehrer gab es 1882: 81 für männliche und 40 für weibliche Kandidaten. Es ist dafür gesorgt, daß die nach dem Gesetz noch fehlenden Normalschulen in den nächsten Jahren errichtet werden.
Elementarschulen gab es 1882: 75,635, davon 62,997 öffentliche und 12,638 Privatschulen, und zwar 56,210 unter weltlicher und 19,425 unter geistlicher Leitung, mit zusammen 58,137 Lehrern und 66,828 Lehrerinnen und 5,341,211 eingeschriebenen Schulkindern. Immerhin gab es noch ca. 1,870,000 Kinder im Alter von 4-16 Jahren, welche die Schule nicht besuchten. Auch ist die Zahl derer, die weder lesen noch schreiben können, noch immer eine sehr große; sie wurde bei der Volkszählung von 1872 bei den Personen von 6-20 Jahren mit 24 Proz., bei denen über 20 Jahre mit 33⅓ Proz. erhoben. Bei der Rekrutenaushebung ergab sich als Anzahl derjenigen, welche weder lesen noch schreiben konnten, 1882: 13, 1877: 15, dagegen 1865: 24, 1855: 32 und 1835: 45 Proz., so daß immerhin eine erfreuliche Besserung in diesem traurigen Zustand zu Tage tritt.
Der mittlere oder Sekundärunterricht, und zwar
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der Regel nach realistischer und klassischer Unterricht vereint, wird an den Lyceen (Staatsinstituten mit neun Jahreskursen) und an den Kommunalkollegien, welche von den Gemeinden mit Subvention des Staats erhalten werden, erteilt. Daneben gibt es noch freie Lehranstalten. 1881 gab es 91 Lyceen mit 46,696 und 248 Kommunalkollegien mit 39,030 Schülern, ferner ca. 800 freie Anstalten mit 78,000 Schülern. Zur Heranbildung der Lehrer bestehen eine höhere Normalschule zu Paris und die Normalschule für den realistischen Unterricht zu Cluny. Auch der Sekundärunterricht für Mädchen, welcher seit dem Gesetz vom datiert und ein Studium von 5 Jahren, davon 3 mit durchaus obligatorischen und 2 mit teilweise fakultativen Kursen umfaßt, macht Fortschritte. Zur Ausbildung des Lehrpersonals wurde eine Anstalt in Sèvres errichtet. 1883 bestanden 2 Mädchenlyceen und 3 Kollegien.
Hochschulen sind in Frankreich die Fakultäten, von denen es 5 Kategorien gibt, nämlich die Fakultäten der Theologie, der Rechte, der Medizin, der mathematischen und Naturwissenschaften (sciences) sowie der philosophisch-historisch-philologischen Wissenschaften (lettres), welche, sofern sie Staatsanstalten sind, nicht in Universitäten vereinigt sind, sondern isoliert bestehen. Denselben werden auch die medizinischen und pharmazeutischen Spezialschulen beigezählt.
Solcher vom Staat erhaltenen Lehranstalten gibt es folgende: katholisch-theologische Fakultäten 5 (Paris, Aix, Bordeaux, Lyon, Rouen);
protestantisch-theologische Fakultäten 2 (Paris, Montauban);
Rechtsfakultäten 13 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Aix, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Douai);
medizinische und pharmazeutische Fakultäten 6 (Paris, Montpellier, Nancy, Bordeaux, Lille, Lyon);
Facultés des sciences 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Clermont, Besançon, Lille, Marseille);
Facultés des lettres 15 (Paris, Bordeaux, Lyon, Nancy, Aix, Caen, Dijon, Grenoble, Poitiers, Rennes, Toulouse, Montpellier, Douai, Clermont, Besançon);
endlich 17 Schulen und Vorbereitungsschulen für Medizin und Pharmazie.
Diese Hochschulen hatten 1882 ein Lehrpersonal von 1184 Professoren und Dozenten und eine Frequenz von 15,526 Studierenden. Außerdem bestehen seit 1875 freie Lehranstalten für den höhern Unterricht, welche sich bei Vereinigung von 3 Fakultäten freie Universitäten nennen dürfen. Gegenwärtig bestehen die freien katholischen Universitäten zu Paris, Angers, Lyon, Lille, Toulouse. Als höhere Lehranstalten sind auch das Collège de France und die praktische Schule für höhere Studien, dann die 4 Anstalten für den höhern technischen Unterricht, nämlich die École polytechnique, École nationale des ponts et chaussées, École centrale des arts et des manufactures und École spéciale d'architecture, sämtlich Staatsinstitute mit dem Sitz in Paris, zu erwähnen.
Fach- und Speziallehranstalten bestehen: für katholische Theologie die bischöflichen Diözesanseminare und die Klosterstudien;
die Spezialschule für die lebenden orientalischen Sprachen;
die 3 Lehranstalten für Tierheilkunde;
das Conservatoire national des arts et métiers in Paris, 12 öffentliche Gewerbeschulen, 5 Kunst- und Gewerbeschulen, viele gewerbliche Fachschulen, 2 Uhrmacherschulen, eine Tabaksmanufakturschule, 3 höhere und zahlreiche mittlere Handelsschulen, 24 hydrographische Schulen;
das agronomische Nationalinstitut in Paris, die forstliche Nationalschule zu Nancy, 3 Agrikulturschulen, eine Gartenbauschule, 6 praktische und 46 niedere Ackerbauschulen nebst 55 landwirtschaftlichen Lehrstühlen, 1 Gestütschule;
die Nationalminenschule in Paris, 3 Bergschulen;
6 Nationalschulen der schönen Künste und eine Nationalschule der dekorativen Künste, ein Nationalkonservatorium für Musik und Deklamation (die beiden letztern in Paris).
Die wichtigste unter allen gelehrten Gesellschaften Frankreichs ist das Institut de France, hinsichtlich dessen wir auf den Artikel »Akademie« verweisen. Ferner gibt es in Paris eine Akademie der Arzneiwissenschaft, welche aus 11 Sektionen besteht, eine orientalische, 5 geographische und viele andre wissenschaftliche Gesellschaften. Unter den übrigen wissenschaftlichen und artistischen Anstalten verdienen Erwähnung: die Sternwarten zu Paris (2), Marseille, Lyon, Toulouse etc.;
das Mineralienkabinett in Paris, die Naturalienkabinette in Rouen, Lyon etc., das große naturhistorische Museum zu Paris, der Jardin des plantes (bestehend aus den reichsten botanischen Gärten, einer großen Menagerie, Naturalien der drei Naturreiche, einem anatomischen Theater und einem Laboratorium), die botanischen Gärten in Lyon, Montpellier, Rouen, Bordeaux, Marseille, Nantes, Angoulême, Clermont etc., das Musée national in Versailles;
das Bureau des Longitudes etc. Entsprechend der in Frankreich herrschenden Zentralisation, findet man nur in Paris große Bibliotheken, wie die Bibliothèque Mazarin, Ste.-Geneviève und die wunderbare Nationalbibliothek, welche über 2 Mill. gedruckte Schriften und einen jährlichen Zuwachs von 15-20,000 Nummern hat.
Auch finden sich nur in Paris ansehnliche Kunstsammlungen, wie die des Louvre, des Luxembourg etc., und werden daselbst jährliche Ausstellungen (salon) abgehalten. Ebenso haben die Theater und die Presse ihren Hauptsitz und Zentralpunkt in Paris.
Charakter und Sinnesart der Franzosen.
Den Nationalcharakter der Franzosen schildert ein Kenner wie folgt: Der Franzose nennt mit Selbstgefühl sein Volk la grande nation, und es ist groß, insofern es Sinn für das Große hat. Die Begriffe Vaterland, Ehre, Ruhm (oder richtiger gloire) haben über ein französisches Herz eine wunderbare Macht. Die Gloire besteht aber vor allem in Kriegsruhm, der den Franzosen in hohem Maß zu teil geworden ist. Sie sind ein tapferes, heldenhaftes Volk; nirgends sonst gilt es für eine so unauslöschliche Beschimpfung, ein Feiger gescholten zu werden.
Aber die Franzosen sind auch auf dem Gebiet friedlicher Entwickelung groß, eine praktische Nation, dabei jedoch weit entfernt, im Materiellen aufzugehen; vielmehr ist die französische Nation, wie sie behauptet, das Volk der Bildung, der wahren Humanität und Wissenschaft, die sie mit Anmut dem Verständnis aller nahezubringen weiß. Der Franzose ist ferner der geselligste aller Menschen; er hat bis in die untern Schichten herunter für die Kunst des Umganges eine glückliche Leichtigkeit, eine liebenswürdige Feinheit und Gewandtheit, eine anmutige Aufmerksamkeit für das schöne Geschlecht (galanterie), das in jedem Betracht eine hohe Stelle einnimmt; er ist gegen Fremde artig und gefällig. Das Savoir-faire und Savoir-vivre des Franzosen ist andern Nationen fremd. Der Franzose zeichnet sich in allen Situationen durch eine gewisse mäßige und vorteilhafte Gehaltenheit aus. Auch im Essen und Trinken liebt er Feinheit und Maß und sieht mehr auf Qualität als auf Quantität. Diesen mannigfachen Vorzügen der Nation
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gegenüber macht sich ein Fehler in lästigster Weise geltend: die überall hervortretende Eitelkeit, wohl ein Erbteil ihrer keltischen Vorfahren. Für französische und nichtfranzösische Verhältnisse hat der Franzmann verschiedene Maße. Ihrem Wesen nach ganz auf den Verstand angewiesen, sind die Franzosen ein verständiges Volk, aber ohne rechte Tiefe des Geistes und Gemüts. Keine Poesie läuft mehr Gefahr, in Phrasen aufzugehen, als die französische; keinem Volk ist der schwierige Begriff des Humors weiter entlegen.
Mit einer gewissen Oberflächlichkeit, welche alles, auch das Höchste, durch die Beinamen brillant, joli, curieux am meisten zu ehren glaubt, verbindet sich das, was Cäsar schon an den Galliern erkannte: Leichtigkeit, Lebendigkeit, Heftigkeit, aber auch die gallische Unstetigkeit und Unruhe, der gallische Wankelmut und Wechsel. Der Leichtsinn steigert sich bei dem Franzosen bis zur Frivolität, und eine spöttische Behandlung ernster, selbst religiöser Dinge, eine leichtfertige Auffassung der Moral, besonders im Verhältnis beider Geschlechter, gehören in Frankreich nicht zu den Seltenheiten.
Die schöne Litteratur kommt diesem Hang der Nation nur zu sehr entgegen. Einen vorteilhaften Gegensatz dazu bilden die gelehrten Kreise, denen die Wissenschaft viel verdankt. Der große Gegensatz von Norden und Süden im allgemeinen und die provinziellen Eigentümlichkeiten im besondern rufen übrigens scharf ausgeprägte Nüancen in dem geschilderten Nationalcharakter hervor. Der überfeinerte Pariser kontrastiert gewaltig mit dem frommen, aber rohen Bewohner von Poitou, der quecksilberne Gascogner mit dem plumpen Auvergner, der zweideutige Normanne mit dem treuherzigen Burgunder.
Fast noch wichtiger ist die Unterscheidung von Stadt und Land, die von Paris und Frankreich. Der französische Landmann zeigt die oben entwickelten Schattenseiten in sehr geringem Grad und hat viel Einfaches, Biederes, Tüchtiges, das sich erst im Kontakt mit den großen Städten, namentlich der Riesenkapitale, verliert. Das, was die germanischen Völker unter Ständeunterschied verstehen, kennt der Franzose der Gegenwart nicht. Die Stände früherer Jahrhunderte sind durch die Staatsumwälzungen durchaus erloschen; es gibt gesetzlich keinen Adels-, keinen Bürger- und Bauernstand mehr, wie es keinen rechtlichen Unterschied zwischen Städten und Dörfern mehr gibt.
Das französische Gesetz kennt nur einen Stand, den des Staatsbürgers. In Wirklichkeit gibt es aber Adel (der sich in den alten und neuen teilt), Klerus (le clergé), Bürger (bourgeois) und Bauern. Was die Beschäftigung der Einwohner anlangt, so lebten 1881: 49 Proz. der Bevölkerung von der Landwirtschaft, 25 Proz. von Industrie, 10 von Handel;
2 Proz. waren beim Verkehrswesen, 1½ Proz. im öffentlichen Dienst, 4½ Proz. bei freien Berufsarten beschäftigt;
5½ Proz. lebten von Renten oder Pensionen, 2 Proz. waren ohne und ½ Proz. von unbekannter Beschäftigung.
Die ackerbauende Bevölkerung zeigt sonach eine Verminderung, da dieselbe 1851: 57, 1861 noch 53 Proz. der Gesamtbevölkerung ausmachte, wogegen die hauptsächlichste Zunahme auf die industrielle Bevölkerung entfällt.
Erwerbszweige.
Landwirtschaft.
Der Boden Frankreichs ist im allgemeinen fruchtbar und zum Teil wohlangebaut. Den reichsten und fettesten Boden haben die an Flandern und Hennegau grenzenden nördlichen Gegenden, die Gebiete der Somme und Seine, ein Teil des Flußgebiets der Loire, die Marschländer der Vendée etc. Zu den unfruchtbarsten Strichen gehören: die Champagne pouilleuse, wo kaum 10 cm Erde über der Kreide liegen, die Gegend um Chartres, die Landes in den Ebenen am Viscayischen Meer, wo man meilenweit keine Ortschaft antrifft, leichter, dürrer Flugsand das Erdreich bedeckt oder Sümpfe sich ausbreiten.
Zwischen Bordeaux und Bayonne ist eine 150 km lange und 75 km breite Fläche, deren Einwohner sich aus ihren wie Oasen aus dem Sandmeer emporragenden wenigen Dörfern zum leichtern Fortkommen auf Stelzen bewegen. Voller Heiden, Sümpfe und Teiche sind auch die Sologne im Departement Loir-et-Cher, das 1000 qkm große Kieselland Crau in der Provence, das Kalkhügellabyrinth der Garrigues, endlich die höhern Gebirgsgegenden der Pyrenäen, Alpen, Cevennen etc. Der produktive Boden Frankreichs beträgt 445,959 qkm oder 84,3 Proz. der Gesamtfläche.
Hinsichtlich seiner landwirtschaftlichen Benutzung zerfällt die Bodenfläche in 264,616 qkm Ackerland (50 Proz. des Areals), 73,553 qkm Grasland (Wiesen und Weiden), 21,753 qkm Weinland und 83,571 qkm Waldland. Der Kaufwert des bebauten Bodens wurde vom Ackerbauministerium im J. 1884 mit einer Ziffer von 91,584 Mill. Fr. festgestellt, wovon auf das Ackerland 57,600, auf Wiesen und Weiden 14,800, auf Weingärten 6888, auf Waldungen 6257, auf Gartenland 3829 Mill. entfallen.
Die Agrikulturproduktion Frankreichs ist bedeutend, und der Fleiß hat selbst über unfruchtbare Landstriche, wie in den Cevennen, den Landes etc., viel vermocht. Die Organe der landwirtschaftlichen Zentralverwaltung sind die sieben Generalinspektoren (neben welchen noch einer für die Veterinärschulen und einer für Corsica funktioniert), welche jährlich den ihnen zugewiesenen Teil des Landes bereisen und den Betrieb, die Arbeiterverhältnisse, Melioration, das Vereinswesen, die Lehranstalten und Ausstellungen zu beobachten haben.
Die Landesmelioration besorgt das fast militärisch organisierte Korps der Zivilingenieure, welches dem Generaldirektor der Brücken und Chausseen untergeordnet ist. Jedes Arrondissement hat eine Landwirtschaftskammer, es bestehen Kommissionen für Drainierungen und für Viehzucht, ein Bureau für Lebensmittel, (1880) 958 landwirtschaftliche Vereine sowie eine Anzahl landwirtschaftlicher Lehranstalten (s. oben). Die Regierung sucht die Verbreitung guter Viehrassen durch zwei Schäfereien, zu Haut-Tingry (Pas de Calais) und zu Rambouillet, und eine große Melkerei (vacherie), zu Corbon (Calvados), in welchen jährlich Auktionen von Zuchttieren veranstaltet werden, zu heben.
Großen Wert legt man auf Ausstellungen, die zu Volksfesten werden und großen Andrang zu den Preisbewerbungen aufweisen. Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen, durch welche in der Sologne, Dombes, Brenne und auf Corsica viel geleistet worden ist, erfreuen sich besonderer Aufmerksamkeit der Regierung. Meist aber bilden sich konzessionierte Gesellschaften, denen gegenüber ein vom Präfekten ernanntes Syndikat die Interessen der Grundbesitzer vertritt. In dieser Weise sind in der Gascogne große, mit Wiederbewaldung der Höhen verbundene Arbeiten ausgeführt worden. Drainagearbeiten unterstützt der Staat durch Ausführung der Vorarbeiten, Überwachung der Ausführung und Darlehen seitens des Crédit foncier (seit 1852). Von den Kosten der Zentralverwaltung abgesehen, verwendet die Staatsregierung jetzt jährlich über 38 Mill. Fr. im Interesse der Landwirtschaft.
Die agrarischen Reformen wurden in Frankreich durch die
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Revolution am Ende des vorigen Jahrhunderts durchgeführt. Die gutsherrlichen Rechte wurden großenteils ohne Entschädigung aufgehoben. Unvollkommen ist die französische Agrargesetzgebung rücksichtlich der Umlegung und Zusammenlegung der zerstreuten Parzellen, und dieser Umstand ist ein Hauptgrund für die große Zerstückelung des Bodens. Dazu trägt außerdem das gesetzliche Prinzip der gleichen Erbteilung bei. Von der gesamten kultivierten Bodenfläche wird die Hälfte vom Eigentümer, die andre teils von Pachtern (fermiers, namentlich in den nördlichen und östlichen Departements), teils von Meiern, welche den halben Bruttoertrag beziehen (métayers, besonders in Zentralfrankreich), bebaut.
Die große Zerstückelung des Grund und Bodens hat in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, die Lage der Landwirtschaft in Frankreich ungünstig zu gestalten. Die Zahl der Grundeigentümer, welche Viehzucht nicht mehr oder nur ungenügend betreiben können, wird immer größer. Anderseits sind die Arbeitslöhne wie auch die Steuern und Transportspesen relativ hoch und herrscht an Kapital und Kredit vielfach Mangel. Infolge dieser Verhältnisse ist Frankreich nicht mehr im stande, Getreide und Fleisch in einer für den heimischen Konsum genügenden Menge zu produzieren, vielmehr auf fremde Einfuhr angewiesen.
Mit seinen hohen Erzeugungskosten muß es das Herabgehen der vom Weltmarkt diktierten Preise mitmachen, wobei der landwirtschaftliche Betrieb immer weniger gewinnbringend wird. Um diesen ungünstigen Verhältnissen teilweise entgegenzuwirken und namentlich das beständige Fallen der Preise landwirtschaftlicher Produkte aufzuhalten, entschloß man sich auch in Frankreich zu Agrarzöllen. Mit dem Gesetz vom wurde der Einfuhrzoll auf Getreide und Mehl, Schlachtvieh und Fleisch beträchtlich erhöht. Hand in Hand damit sollen auch andre Schutzmaßregeln zu gunsten der Landwirtschaft gehen, wie Förderung des agrikolen Unterrichts und Kredits, Regelung der Pachtverhältnisse behufs Anbahnung besserer Kulturmethoden u. dgl.
Die wichtigsten Produkte des Ackerbaues und deren Erträgnisse im Durchschnitt der letzten zehn Jahre sind:
Weizen | 100800000 | Hektol. | Mais | 9580000 | Hektol. |
Roggen | 25084000 | " | Buchweizen | 9574000 | " |
Mengkorn | 6631000 | " | Hirse | 576000 | " |
Gerste | 18129000 | " | Kartoffeln | 124362000 | " |
Hafer | 71728000 | " | Hülsenfrüchte | 4416000 | " |
Der Cerealienertrag hat sich im vergangenen halben Jahrhundert wesentlich gesteigert. Pro Hektar betrug beispielsweise der Weizenertrag in der Periode 1815-35: 11,57, dagegen 1856-76: 14,58 hl. Ebenso hat sich der Ertrag an Roggen von 10,50 auf 13,35, an Gerste von 13,31 auf 18,06, an Hafer von 16 auf 22,33, an Kartoffeln von 83,35 auf 100,57 hl gesteigert. Sehr ergiebig ist der Getreidebau in den nördlichen und östlichen Departements, in welchen sich fast überall ein sehr fetter Boden vorfindet. Weizen ist die herrschende Brotfrucht Frankreichs; nur in wenigen Departements, hauptsächlich im französischen Zentralplateau, tritt an seine Stelle der Roggen. Für Gerste sind die Hauptsitze die Departements Manche, Mayenne, Eure-et-Loir, Sarthe, Somme, Pas de Calais. Hafer wird am stärksten in den nördlichen und mittlern, Mais in den südlichen Landesteilen, Buchweizen in der Bretagne und der nordwestlichen Normandie gebaut.
Die wichtigsten Industriepflanzen und deren durchschnittlicher Ertrag sind: Zuckerrüben, womit 1884: 505,000 Hektar bepflanzt waren, 116,230,000 metr. Ztr. (namentlich in den nördlichen Departements Nord, Aisne, Somme, Pas de Calais u. a.);
Hopfen 44,000 metr. Ztr. (in den Departements Nord, Côte d'Or, Meurthe-et-Moselle);
Tabak 145,400 metr. Ztr. (auf 13,280 Hektar, vorzüglich im Departement Dordogne);
Flachs 462,000 metr. Ztr. (in ausgezeichneter Qualität in den nördlichen Departements Nord, Pas de Calais, Manche, Côtes du Nord sowie auch in einigen südlichen gebirgigen Departements, wie Niederpyrenäen, Gers, gebaut);
Hanf 579,000 metr. Ztr. (in einem großen Teil Frankreichs, am stärksten in den Departements Maine-et-Loire und Sarthe, angebaut).
Unter den Ölpflanzen bildet vornehmlich Raps den Gegenstand einer wichtigen Kultur in vielen Departements des Landes (Ölertrag 300,000 metr. Ztr.), während der Olivenbau (1165 qkm Anbaufläche und 198,000 metr. Ztr. Ölertrag) auf einige südliche Departements (Rhônemündungen, Var, Seealpen, Gard etc.) beschränkt ist. Zichorien bauen die Departements Nord und Pas de Calais in Menge; Trüffeln liefern die Departements Corrèze, Lot, Aveyron und Dordogne (die Périgueuxtrüffeln sind weltberühmt), Champignons besonders die mittlern und südlichen Departements.
Von Handelsgewächsen baut man außerdem: Koriander, Senf (Dijon), spanischen Pfeffer, Meerfenchel, Kardendisteln, Sodapflanzen, Kardamome. Blumenreich sind besonders die Provence und Languedoc. Sehr interessant sind die Blumenmärkte in Marseille und Paris, und berühmt ist die Blumenkultur von Caen und Lille. Äpfel und Birnen sind besonders in der Normandie und Bretagne wichtig für die Ciderbereitung, welche durchschnittlich 12 Mill. hl ergibt; die Kastanie als Nahrungsmittel in Dordogne, Ardèche, Corrèze und mehreren andern Departements, namentlich in Zentralfrankreich (4785 qkm Anbaufläche, 6,834,000 hl Ertrag).
Der Maulbeerbaum gedeiht in 8-10 Departements des Südostens (besonders in Gard, Ardèche, Vaucluse, Drôme) und bedeckt eine Fläche von 45,000 Hektar. Die Pflaume ist ein wichtiger Handelsgegenstand in den Departements Indre-et-Loire, Lot-et-Garonne, Var. Aprikosen, Kirschen (von Montmorency), Pfirsiche (von Montreuil) werden besonders um Paris gebaut, während in der Provence Orangen, Zitronen, Feigen, Mandeln, Pistazien, Kapern gedeihen. Im S. wächst auch der Johannisbrotbaum, dessen Früchte als Viehfutter dienen. Trauben (Tafeltrauben), mehr als 100 Arten, liefert ausgezeichnet Fontainebleau (für mehrere Millionen Frank).
Weinbau.
Der Wein ist ein Hauptprodukt des Landes und Frankreich das weinreichste Land auf der ganzen Erde. Nur zehn Departements sind ganz ohne Weinbau. Das Zentrum und der Südwesten von Frankreich sind die Hauptsitze des Weinbaues, welcher 1884: 2,040,759 Hektar Anbaufläche in Anspruch nahm und in diesem Jahr einen Ertrag von 34,780,726 hl lieferte. Die weinreichsten Departements sind: Unter-Charente, Hérault, Gironde, Charente und Aude. Man unterscheidet im ganzen mehr als 1400 Varietäten von Reben. Zu den feinsten Sorten gehören die von Oberburgund und Côte d'Or, von Médoc und Grave im Bordelais, von der Côte Rôtie am Rhône, von der Champagne etc.; zu den ordinären die von Mâconnais und Beaujolais, Untermédoc, Unterburgund, der Franche-Comté, Languedoc, Roussillon etc. Die berühmtesten Likörweine kommen von Rivesaltes und Grenache (im Roussillon), Frontignan und Lunel (im Languedoc). Den besten Franzwein liefern Angoumois (nämlich den Kognak, Jarnac und Angoulême), die
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Departements Hérault, Aude und Gard (Weinspiritus) und das Armagnac. Die Statistik des Weinbaues reicht bis 1788 zurück, wo die mit Reben bepflanzte Fläche 15,677 qkm betrug. Dieselbe stieg bis 1849 auf 21,930 qkm, der Ertrag 1850 bis auf 45 Mill. hl. Infolge der Ausbreitung des Oidiums unterlag der Weinbau in den 50er Jahren bedeutenden Schwankungen (1854 nur 10,8 Mill. hl Ertrag), bis von 1861 an wieder eine sich fortwährend steigernde Zunahme eintrat, welche 1869 ihren Höhepunkt mit 26,432 qkm Anbaufläche und 70 Mill. hl Ertrag erreichte.
Seit 1869 hat die Ausbreitung der Phylloxera dem Weinbau großen Schaden zugefügt, so daß der Ertrag in einzelnen der letzten Jahre selbst unter 30 Mill. hl sank. Der Ausfall mußte durch Import von Wein aus Spanien und Italien (jährlich mehr als 7 Mill. hl) gedeckt werden. Ein Vergleich zwischen der Ausfuhr und Einfuhr von Wein in Frankreich ergibt für das Jahrzehnt 1874-83, daß die Menge der eingeführten Weine um beinahe 10 Mill. hl größer als die der ausgeführten war, daß sie aber im Preis um 605 Mill. Fr. hinter letztern zurückstanden.
Viehzucht.
Das Grasland besteht in Frankreich zu ⅔ aus natürlichen Wiesen und Weiden und zu ⅓ aus künstlichen Wiesen (mit Klee- und Luzernebepflanzung). Am reichsten an natürlichen Wiesen sind die Normandie, die untern Bergpartien der Auvergne und Lothringens; künstliche finden sich besonders in Flandern und der Picardie. Die Anger (pâtures und pâtis), die Heiden und Steppen, welche als Viehweide dienen (⅛ des Bodens), gehören ganz den bergigen Gegenden des Südens an. Im ganzen steht das Wiesland trotz der Entwickelung der künstlichen Wiesenkultur noch immer in einem Mißverhältnis zum Kulturland, da auf 4 Hektar von letzterm nur 1 Hektar Wiese kommt, während zur Erzielung eines genügenden Viehstandes die Menge des Wieslandes doppelt so groß sein müßte.
Damit hängt es zusammen, daß die Viehzucht im allgemeinen nicht dem Bedürfnis entspricht; noch jetzt muß ein bedeutender Teil des Bedarfs an Schlachtvieh und Haustieren aus dem Ausland bezogen werden. Besonders nachteilig erscheint das Mißverhältnis des Viehstandes zum Grundbesitz, da sich bei der großen Ausdehnung des Ackerlandes Mangel an ausreichendem Dungstoff ergibt, der nur unvollkommen durch Einfuhr aus dem Ausland behoben werden kann. Nach der letzten Erhebung betrug der Viehstand Frankreichs im J. 1881:
Pferde | 2909193 | Stück | Schafe | 22301504 | Stück |
Maultiere | 273896 | " | Schweine | 5638884 | " |
Esel | 388704 | " | Ziegen | 1466657 | " |
Rinder | 11576190 | " |
Die Pferdezucht wird vorzüglich im N. und NW. Frankreichs betrieben. Die geschätztesten Rassen sind die normännischen (Reit- und Wagenpferde), die der Perche, Bretagne und der Ardennen (Zugpferde), die des Limousin, von Flandern und Burgund. Für die ausdauerndsten Pferde gelten die von Morbihan und Calvados. Man sucht neuerdings die einheimischen Rassen durch Kreuzung mit ausländischen, namentlich mit reinem englischen Blut, zu verbessern. Hauptplätze für den Pferdehandel sind Fécamp und Fauville en Caux, wo jährlich bedeutende Märkte gehalten werden.
Die Maultier- und Eselzucht wird besonders in den südlichen Gebirgsdepartements betrieben. Die kräftigste Rasse von Eseln ist die von Poitou, wo man Hengste für 3-4000 Fr. verkauft. Die Rindviehzucht wird am besten in den grasreichen Gegenden betrieben, so in den an der Meeresküste gelegenen Departements und in den von Weiden bedeckten Höhen der Pyrenäen, des Jura, der Vogesen, in den Bergen von Limousin und Morvan. Es gibt im ganzen etwa 20 Rassen. Sehr rationell wird die Milch- und Buttererzeugung betrieben, von letzterer werden auch größere Quantitäten exportiert.
Die Produktion von Käse, welche die größte Mannigfaltigkeit aufweist, genügt gleichwohl nicht dem heimischen Konsum. Ebenso genügt die Produktion von Schlachtvieh und Fleisch nicht dem Bedarf des Landes. Die Schafzucht findet durch Klima und natürliche Beschaffenheit des Bodens in den bergigen Gegenden mit trocknerm Klima des mittlern und südlichen Frankreich treffliche Unterstützung. Insbesondere ist sie in den östlichen Pyrenäen, dem Zentralplateau, den Ebenen von Berry, Orléanais, der Champagne und der östlichen Picardie stark vertreten.
Dennoch ist die Zahl der Schafe in Abnahme begriffen, und es kommen auf 1000 Einw. nur etwa 600 Schafe. Verfeinerten Rassen gehören von den 22,3 Mill. nur 2,6 Mill. Stück an. Die Schafhaltung wird eben in Frankreich mehr durch Fleisch- als durch Wollgewinnung nutzbar gemacht. Die Schafwollproduktion hat sich in den letzten Jahren wesentlich verringert und beträgt jährlich ca. 40 Mill. kg. Sowohl an Schafen (namentlich an Hämmeln und Lämmern) als an Wolle findet jährlich ein kolossaler Import statt.
Die Schweinezucht ist ziemlich gleichmäßig über das französische Gebiet verbreitet; den größten Stand weisen die Departements des südlichen Zentralfrankreich auf. Man unterscheidet drei Rassen. Durch Kreuzung mit kochinchinesischen Ebern hat sich auch eine Gattung verbreitet, die sich durch große Fruchtbarkeit und besondere Anlage zum Fettwerden auszeichnet. Wurst- und Speckbereitung sind in den Departements der Untern Pyrenäen, Meurthe-et-Moselle, Maas, Aube und Marne wichtig.
Die Ziegenzucht ist hauptsächlich auf die gebirgigen Departements des Rhônebeckens und Corsicas beschränkt. In großem Flor und von wachsender wirtschaftlicher Bedeutung ist die Federviehzucht, welche ca. 60 Mill. Stück umfaßt. Gute Hühnerrassen sind die von Caux, die bei Barbezieux, La Flèche und besonders bei Le Mans ausgezeichnet gemästet werden, ferner die von Crèvecoeur, die Kochinchina- und Brahmaputrahühner, welche, mit den gewöhnlichen Rassen gekreuzt, diese bedeutend veredelt haben. Es werden jährlich etwa 500 Mill. Eier nach England ausgeführt. Graue Gänse zieht man viel im Languedoc und an der obern Garonne, Enten besonders in der untern Normandie und im Languedoc. Berühmt sind die Entenleberpasteten von Toulouse.
Die Bienenzucht bildet in manchen Gegenden, namentlich in der Bretagne, eine nicht unerhebliche Erwerbsquelle der Landwirtschaft. 1881 gab es gegen 1,670,000 Bienenstöcke, welche eine Produktion von 8,6 Mill. kg Honig und 2,6 Mill. kg Wachs lieferten. Der beste Honig kommt von Narbonne und Crèvecoeur. Seidenwürmer zieht man besonders in der Region der Olive, namentlich an deren Polargrenze, so in den Departements Gard, Ardèche, Drôme, Vaucluse; der Gesamtertrag an Kokons betrug im J. 1881 (einem Mitteljahr) 9,254,800 kg, woraus ca. 470,000 kg Rohseide gewonnen wurden. Er ist 1884 auf 6,256,968 kg zurückgegangen. Der erste Sitz der Seidengewinnung war Tours, wo man bereits im 15. Jahrh. Maulbeerbäume angepflanzt hatte; erst im 17. Jahrh. verbreitete sie sich von da nach dem Süden. Nicht zu vergessen ist endlich die Zucht von Kaninchen (lapins), von denen die Stadt
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Paris allein jährlich für mehrere Millionen Frank konsumiert. Außer in den der Hauptstadt benachbarten Departements wird diese Zucht besonders in den Departements Aube, Marne und Ober-Marne und im S. in den Departements Ober-Garonne, Tarn und Tarn-et-Garonne betrieben.
Vgl. Settegast, Die Viehzucht Frankreichs (Berl. 1879).
Fischerei.
Von großer Bedeutung ist die Fischerei, namentlich die Seefischerei, welche sowohl an den französischen als auch an entlegenen Küsten betrieben wird und, abgesehen von ihrer kommerziellen Wichtigkeit, auch eine gute Schule für die Marine bildet. Sie beschäftigte 1884: 23,929 Fahrzeuge mit einem Tonnengehalt von 162,467 Ton. und einer Bemannung von 87,179 Personen. Der Gesamtertrag der Seefischerei belief sich auf 88 Mill. Fr. (gegen 107 Mill. im Vorjahr). Ihre Hauptzweige sind der Kabeljau-, Herings- und Sardinenfang.
Der Kabeljaufang wird an der Küste von Neufundland und Island von (1881) 525 Schiffen und 12,767 Mann, hauptsächlich von den Häfen Bordeaux, Boulogne und Dünkirchen aus, betrieben; die Ausbeute betrug 36 Mill. kg, wovon 11 Mill. aus Frankreich nach andern Ländern exportiert wurden. Nicht minder bedeutend ist der Heringsfang, welcher an den Küsten Schottlands und im Kanal betrieben wird, für welchen 1884: 763 Schiffe mit 9878 Mann ausgerüstet wurden, und dessen Ausbeute in diesem Jahr gegen 46 Mill. kg ergab.
Die wichtigsten Häfen für diesen Erwerbszweig sind Boulogne, Fécamp, Dieppe, Berck, St.-Valéry en Caux. Der Sardellen-(Sardinen-) Fang wird hauptsächlich an der Küste des Atlantischen Ozeans ausgeübt; seine Zentren bilden Concarneau, Douarnenez, Sables d'Olonne. Der Ertrag belief sich 1884 auf 412, ja 1883 sogar auf 1148 Mill. Stück im Wert von 15-20 Mill. Fr. Ein großer Teil dieser Fischgattung wird in eignen Anstalten präpariert, eingesalzen oder in Öl eingelegt, wobei zahlreiche, namentlich weibliche, Arbeitskräfte beschäftigt sind.
Außerdem werden Thunfische, Makrelen, Steinbutten, Seezungen, Rochen, Lachse, Barben, Merlen etc. an den französischen Seeküsten jährlich in einer Quantität von ca. 53 Mill. kg (1884: 67 Mill.) und einem Wert von 35 Mill. Fr. gefangen. Neben dem Fischfang ist auch die künstliche Fischzucht an einzelnen Punkten der Seeküste, insbesondere zu Arcachon, auf der Insel Oléron, zu Marennes und Concarneau, von Bedeutung. Andre Meeresprodukte sind Hummern, welche das Meer im N., und Langusten, welche es im S. liefert.
Die Hummernzucht wird insbesondere in den Bassins von Roscoff betrieben, welche durchschnittlich 30,000 Stück dieser Seetiere enthalten. Große Bedeutung hat auch der Austernfang und die künstliche Austernzucht gewonnen; der Jahresertrag derselben beläuft sich auf mehr als 530 Mill. Stück im Wert von 13,5 Mill. Fr. und verteilt sich insbesondere auf das Becken von Arcachon, die Insel Oléron, Marennes, Cancale und Auray. Die Flußfischerei ist infolge der industriellen Benutzung der Gewässer, der in dieselben geleiteten Abfallwasser der Fabriken und der vielfach irrationell betriebenen Fangmethode sehr herabgegangen. Man fängt namentlich Forellen in den Gebirgswassern der Alpen, Pyrenäen und Cevennen, Hechte und Barben insbesondere im Rhône, dann Aale, Barsche, Karpfen und Weißfische.
Forstwirtschaft.
So beträchtliche Waldungen auch das östliche Frankreich besitzt, wo die waldreichen Ardennen, Vogesen und das Juragebirge sich erstrecken, so hat das Land doch nicht hinreichend Holzbestände (weniger als die meisten europäischen Staaten), besonders da während der Revolution bei der Zerstückelung der großen adligen Güter viele schöne Waldungen verwüstet worden sind. Gegenwärtig besitzt Frankreich 83,571 qkm (15,8 Proz. des Gesamtareals) Wald und zwar nur zum geringen Teil Hochwald, meist im Privatbesitz.
Die waldreichsten Departements sind (in abnehmender Reihe) Landes, Gironde, Var, Côte d'Or, Corsica, Vogesen, Nièvre, Obere Marne. Im Durchschnitt ist etwa ⅙ des Bodens Wald, in der Bretagne jedoch nur 1/17. Dieser Holzarmut und Entblößung der Abhänge und Höhen der Berge, namentlich in den Gebieten der Loire und Garonne, sind die furchtbaren Überschwemmungen zuzuschreiben, denen man jetzt durch Wiederbewaldung entgegenzutreten sucht, wie auch erst jetzt eine geordnete Forstkultur sich Bahn zu brechen beginnt. Frankreich muß einen großen Teil seines Holzbedarfs, insbesondere Bauholz, für ca. 200 Mill. Fr. jährlich vom Ausland beziehen.
Die gewöhnlichen Waldbäume sind: Eichen, Buchen, Birken, Ulmen, Tannen, Fichten, Kiefern, Lärchen, Eschen, an feuchten Orten auch Erlen. Die Landes sind weithin mit Seestrandskiefern bewaldet worden, welche hohen Ertrag der Teergewinnung geben. Dort wird auch die Korkeiche kultiviert. Die Jagd hat, seitdem in der Revolutionszeit die Jagdgerechtigkeiten aufgehoben und an die Gemeinden übertragen wurden, an Bedeutung sehr verloren. Außer den bereits oben erwähnten Kaninchen gibt es viele Hasen und Rebhühner, dagegen wenig Hirsche, Rehe und Damwild.
Zur Zeit der Wanderung werden Wachteln, Schnepfen, Bekassinen, ferner Wildenten und andres Federwild erlegt. Wildschweine halten sich in den Bergwäldern, namentlich der Ardennen, auf. Von wilden Tieren finden sich nur noch vereinzelte Bären in den Alpen und Pyrenäen, Luchse und Murmeltiere in den Alpen, Wölfe und Füchse in den Waldgegenden. Auf die Erlegung von Wölfen sind seit 1882 Prämien von je 40-200 Fr. ausgesetzt. 1883 wurden hiernach für 1308 erlegte Wölfe 103,720 Fr. ausbezahlt.
Vgl. v. Seckendorff, Die forstlichen Verhältnisse Frankreichs (Leipz. 1879).
Bergbau und Hüttenwesen.
Was die mineralische und namentlich die metallische Produktion anlangt, so ist Frankreich hierin verhältnismäßig arm. Der wichtigste Bergbau Frankreichs ist der auf Eisen. Dem Reichtum und der Ausdehnung der Eisenbergwerke steht nur der Nachteil gegenüber, daß viele der Punkte, wo das Eisenerz gewonnen wird, von den Orten, wo sich der nötige Brennstoff vorfindet, weit entfernt sind, und daß durch diesen Umstand die Eisenproduktion nicht unbedeutend verteuert wird.
Die Erze, welche das Land selbst in 40 Departements liefert, sind braune Eisenoolithe, welche in der Juraformation der Departements Meurthe-et-Moselle und Ardèche in ausgedehnten Lagern vorkommen; ferner Bohnerze, welche sich in weiter Verbreitung finden, Brauneisensteine und brauner Glaskopf aus dem Departement Ariége und Roteisensteine aus den Pyrenäen. Außerdem bezieht Frankreich Spateisensteine von Deutschland, Eisenglanz von Elba und Magneteisen aus der Provinz Konstantine in Algerien, von den Minen von Mokta el Hadid bei Bone, welche bereits jährlich gegen 2 Mill. metr. Ztr. des besten Magneteisens mit 68 Proz. Eisen ergeben. In neuester Zeit lieferten auch Sardinien (aus den Minen von San Leone) und namentlich Spanien Eisenerze für Frankreich. Die Zahl der Bergwerke wie die der in denselben beschäftigten Arbeiter hat in den letzten
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Jahrzehnten sehr abgenommen, ebenso die Produktion, namentlich der Eisenbergwerke, dieser besonders seit Abtretung Elsaß-Lothringens. Die Gesamtzahl der 1881 im Betrieb befindlichen Erzbergwerke betrug 376, die der Arbeiter 13,707. Die Eisenbergwerke (315 mit 8623 Arbeitern) lieferten 1847: 34,637,000, 1881: 30,320,700 metr. Ztr.; die Einfuhr von Erzen aus dem Ausland ist um so mehr gestiegen und erreicht etwa die Hälfte des Bedarfs der Eisenhütten. Die Zahl der Hochöfen hat ebenfalls ab-, die Produktion jedoch durch Steigerung des Betriebes der noch vorhandenen zugenommen. Im J. 1881 bestanden 329 Eisenhütten mit 203 Hochöfen, welche über 14,410 Pferdekräfte von hydraulischen und 72,663 Pferdekräfte von Dampfmotoren verfügten und 64,134 Arbeiter beschäftigten.
Die Produktion belief sich 1883 auf 2,069,430 Ton. Roheisen. Am bedeutendsten ist die Eisenindustrie im NO. (Departement Meurthe-et-Moselle), dann in den Kohlendistrikten (Departements Nord, Pas de Calais, Saône-et-Loire, Allier, Gard). Einzelne in den Kohlendistrikten gelegene Werke stehen kaum den größten Werken Englands, Belgiens oder Deutschlands nach. Dagegen sind alle auf Holzkohlen angewiesenen Werke zurückgegangen. Was die weitere Verarbeitung des Roheisens anlangt, so wurden 1884: 877,826 T. raffiniert und zwar auch hier in überwiegendem Maß mit Steinkohlenfeuerung.
Bei der Stahlfabrikation sind die Frischfeuer fast ganz verschwunden; auch der Zement-, Guß- und Puddelstahl ist nur gering vertreten, wogegen der Bessemer- und Martin-Prozeß stetige Ausbreitung erlangten. 1884 wurden 509,516 T. Stahl erzeugt, wovon 371,432 T. auf Stahlschienen entfielen. Der Rückgang der Eisenindustrie infolge des Kriegs war nur ein momentaner, und die Ausfuhr ist in der letzten Zeit noch bedeutender gestiegen als die Einfuhr. Gegenüber dem Eisenbergbau ist die Gewinnung andrer Metalle von geringer Bedeutung. 1881 bestanden im ganzen 61 Bergbaue mit 5084 Arbeitern auf andre als Eisenerze; die Produktion hierin belief sich auf 2,088,000 metr. Ztr. Der Bleibergbau liefert jährlich gegen 200,000 metr. Ztr. metallisches Blei und Glätte, am meisten in den Departements Puy de Dôme und Lozère.
In den genannten Departements sowie in Finistère wird aus silberhaltigem Bleierz auch Silber, ca. 55,000 kg jährlich, gewonnen. Zinkerz wird in dem Departement Gard, in den Pyrenäen etc. gewonnen und im Departement Ardèche zu metallischem Zink, 185,000 metr. Ztr. jährlich, verhüttet. Aus einheimischen und ausländischen Kupfererzen wurden zu Chessy und St.-Bel bei Lyon ca. 35,000 metr. Ztr. Kupfer gewonnen. Endlich ist noch die Gewinnung von Mangan (in den Departements Saône-et-Loire, Ober-Pyrenäen, jährlich ca. 100,000 metr. Ztr.), Antimon etc. zu erwähnen. Dem Bedarf genügt die erwähnte metallische Produktion bei weitem nicht, so daß beispielsweise an Blei über 50,000, an Zink 40,000, an Kupfer 25,000 metr. T. vom Ausland eingeführt werden müssen.
Die Steinkohlenreviere Frankreichs können sich hinsichtlich ihrer Ausdehnung und Ergiebigkeit mit den englischen, nordamerikanischen und deutschen Becken zwar nicht messen; immerhin ist aber ihre Zahl eine große, ihre geographische Verbreitung eine glückliche, ihr Abbau sehr einsichtsvoll organisiert und die Verwertung des Produkts bei der hohen Entwickelung der Industrie sehr günstig. Man unterscheidet drei Hauptreviere:
1) das von Valenciennes in den Departements Nord und Pas de Calais, mit dem belgischen zusammenhängend;
2) das des zentralen Plateaus, wo Steinkohle in mehreren kleinern Becken auftritt, namentlich von St.-Etienne, Creusot, Aubin, Commentry;
3) das von Alais am Südostrand des Hochlandes. Insgesamt bedecken die Kohlenlager 5500 qkm und verteilen sich auf 41 Departements, wovon jedoch in 6 nur Braunkohlen gewonnen werden. Die Produktion steigert sich beständig und rasch, der Verbrauch aber in fast noch schnellerm Tempo. 1881 gab es im ganzen 321 Kohlenwerke mit 106,410 Arbeitern und einer Dampfkraft von 64,673 Pferdekräften. Die Produktion belief sich 1884 auf 19,624,718 metr. Ton. Steinkohle und Anthracit und 502,491 metr. T. Lignit (letzteres hauptsächlich im Becken von Le Fuveau bei Aix).
Trotz der großen Steigerung, welche die Kohlenproduktion aufweist, bedarf die französische Industrie noch bedeutender Kohlenzufuhren aus den Nachbarländern England, Belgien und Deutschland, welche 1883: 110 Mill. metr. Ztr. nach Frankreich einführten. Die Kohlenausfuhr ist gering, der Konsum betrug 1884: 30,5 Mill. metr. T. Frankreich ist außerdem sehr reich an Torfmooren, welche sich auf 31 Departements, besonders Somme, Untere Loire, Pas de Calais, Isère, Oise, Seine-et-Oise, Aisne, Nord, Marne, verteilen und eine sehr ansehnliche Ausbeute, jährlich ca. 2,5 Mill. metr. Ztr., geben. An Steinen und Erden ist Frankreich sehr reich. Es besitzt wertvolle, zu Baumaterialien trefflich geeignete Granite, Syenite (auf Corsica, in der Provence, den Alpen und Pyrenäen), Porphyr und Basalt, Marmor (in den Alpen und Pyrenäen), Kalk- und Sandsteine.
Große Schieferbrüche gibt es insbesondere im Ardennengebiet. Die Laven der Auvergne liefern gute Pflastersteine. Lithographische Steine liefern die Gegenden von Belley, Dijon und Châteauroux. Den besten Ziegelthon haben die Champagne, Bourgogne und Isle de France;
Porzellanerde findet sich bei Limoges und St.-Yrieix;
guter Pfeifenthon im Departement der Untern Seine;
Fayenceerde bei Beauvais und Montereau;
Gips (ein wichtiger Handelsartikel) besonders in der Umgegend von Paris;
treffliche Mühlsteine namentlich bei der Stadt Ferté sous Jouarre, welche dieselben bis nach Amerika ausführt.
Seit einigen Jahren werden Phosphatlager zu Zwecken der Bodenmelioration, namentlich am Südabhang des Zentralplateaus und in den nördlichen Departements, stark ausgebeutet und hat diese Produktion große wirtschaftliche Bedeutung gewonnen. Salz wird in Frankreich aus Salzseen oder -Teichen an der Meeresküste, aus Salzbergwerken und aus Salzquellen gewonnen. Der Ertrag belief sich 1881 auf 744,218 metr. T., davon 441,815 Seesalz und 302,403 Stein- und Quellsalz; er übersteigt den Bedarf, so daß jährlich eine Mehrausfuhr von über 100,000 metr. T. stattfinden kann. - Mineralquellen sind in Frankreich überaus zahlreich vorhanden.
Man zählt deren 1027 (641 warme, 386 kalte), die sich in acht natürliche Gruppen, namentlich die Pyrenäen, die Alpen, die Auvergne und die Vogesen, verteilen und als Bäder, Douchen und Trinkquellen an 331 Orten in 217 Etablissements verwendet werden; die Pyrenäengruppe allein umfaßt 426 Quellen, die in 93 Etablissements benutzt werden. Unbenutzter Mineralquellen zählt man mehr als 4000. Zu bemerken ist übrigens, daß die Mineralquellen unter Aufsicht der Regierung stehen, und daß nur mit ihrer Genehmigung eine Quelle eröffnet und deren Wasser versandt werden darf.
Industrie.
Die französische Industrie ist schon im 17. und 18. Jahrh. blühend gewesen und dankt ihren ersten Aufschwung, ebenso wie der Handel, den
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Bemühungen Colberts. Derselbe zog zahlreiche Manufakturisten ins Land, welche in Frankreich die Weberei feiner Tücher in Schwung brachten. Auch andre Industriezweige hoben sich in jener Zeit rasch. Dieser Aufschwung wurde jedoch durch die Kriege mit England und die Zurücknahme des Edikts von Nantes, infolge welcher Maßregel sich eine Menge geschickter Arbeiter nach den Niederlanden, Deutschland und England wandte, wieder gestört. Auch die Politik Ludwigs XIV. und die Zeit der Revolution und des Kaiserreichs waren der weitern Entwickelung nicht günstig.
Erst seit dem Sturz Napoleons I. begann wieder eine Zeit ruhigerer Entwickelung, und das laufende Jahrhundert war es denn auch, in welchem die französische Industrie ungeheure Fortschritte machte. Die Zahl der Dampfmaschinen hat sich beispielsweise von 14,620 mit 341,068 Pferdekräften im J. 1855 auf 40,022 mit 1,085,410 Pferdekräften im J. 1875 vermehrt. Für das Jahr 1875 wurde der Produktionswert der französischen Industrie mit jährlich nahezu 13 Milliarden Frank veranschlagt, wovon auf die Textil- und Bekleidungsindustrie 4820, auf die Nahrungsmittelindustrie 2927, auf die Baugewerke 1680, auf die Metallurgie 865, auf die chemische Industrie 750 Mill. Fr. kamen. Im Vergleich zu andern Staaten behauptet Frankreich seinen traditionellen Vorrang in den Artikeln des Geschmacks, des Kunstgewerbes und den feinen Luxusartikeln; es steht aber ferner in einer großen Zahl andrer Produkte sowie auch in der metallurgischen und Maschinenindustrie neben England und Deutschland ebenbürtig da. Auch in Frankreich ist es allerdings hauptsächlich die Großindustrie, welche den bedeutendsten Aufschwung genommen hat und die kleingewerbliche Erzeugung mehr und mehr zurückdrängt.
Immerhin aber sind es noch einige hervorragende Industriezweige, wie die Erzeugung von feinen Seidenwaren und Bändern, Spitzen, Uhren und andern Luxusartikeln, welche vorwiegend das Gebiet des kleingewerblichen Betriebes bilden. Was die Gewerbeverfassung betrifft, so wurde im J. 1791 die Gewerbefreiheit in Frankreich eingeführt und das Zunftwesen aufgehoben. Bedingung der Ausübung eines Gewerbes ist die jährliche Lösung eines Gewerbepatents. Die Staatsgewalt übt einen Einfluß auf die Industrie insofern aus, als das Verhältnis der Gewerbtreibenden zu den Hilfsarbeitern, die Beschäftigung in den Fabriken, die Anlage und der Betrieb der gefährlichen und gesundheitswidrigen Gewerbe geregelt sind.
Förderungsmittel sind: die Gewerbekammern (chambres consultatives des arts et manufactures), im ganzen 78;
die Gesellschaft zur Aufmunterung der nationalen Industrie zu Paris;
das Konservatorium der Künste und Gewerbe in Paris;
die Syndikatskammern in verschiedenen Städten.
Die Zentralverwaltung liegt im Handelsministerium, welchem der Conseil supérieur du commerce et de l'industrie zur Seite steht. Zur Austragung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen die Conseils de prudhommes. Die Zahl der bei der Industrie (nebst Bergwerken und Steinbrüchen) beschäftigten Arbeiter betrug 1881: 9,324,107, wovon auf Bergwerke und Steinbrüche 1,131,000, auf Fabriken 2,100,500 und auf die kleine Industrie 6,093,400 Personen entfielen. Die Zahl der Unternehmer beträgt insgesamt 1,100,000, die der Beamten 2,500,000. Die hauptsächlichsten Zentren der Industrie sind Paris, Lyon und Lille.
Was die einzelnen Zweige der Industrie und ihre Vertretung in Frankreich anbelangt, so sind auf dem Gebiet der Metallverarbeitung die großen Stahl- und Schienenwerke, die Blech- und Drahtwerke und Eisengießereien hervorzuheben, welche insbesondere in den Departements Loire, Saône-et-Loire, Nord, Pas de Calais, Meurthe-et-Moselle ihren Sitz haben. Die Eisenwarenindustrie liefert Messerschmiedewaren (Nogent, Langres, Thiers, Châtellerault, dann Paris für feinste Waren), Feilen (Paris, Arnay le Duc, Portillon), Nadeln (Vaise bei Lyon, Pont à Mousson, Aigle), Stahlschreibfedern (Boulogne), Blechwaren (Audincourt, Beaucourt), Lampen (rühmlichst bekannte Exportindustrie zu Paris), Schlosserwaren (Beaucourt), feuerfeste Schränke (Paris) u. a. Sehr gut entwickelt ist auch die Industrie in Kupferwaren (in Paris und den Departements Ardennen und Eure) und Blei.
Die Industrie in edlen Metallen behauptet in Hinsicht auf die Mannigfaltigkeit und geschmackvolle Ausführung der Erzeugnisse in Frankreich den ersten Rang. Paris insbesondere beherrscht mit seinen Gold-, Silber- und Juwelenarbeiten, echten und unechten Bijouterieartikeln den Weltmarkt. Der Export in diesen Artikeln hatte 1884 einen Wert von 746 Mill. Fr. Auch die Industrie in Metalllegierungen, wie Messing, namentlich aber Bronzewaren, hat in Frankreich, letztere zunächst in Paris, den höchsten Stand erreicht.
Während in der Maschinenindustrie Frankreich bis vor wenigen Dezennien ganz von England abhängig war, sind gegenwärtig die französischen Leistungen auf diesem Gebiet der englischen Konkurrenz ebenbürtig geworden. Die Hauptsitze dieser Fabrikation sind Paris (namentlich auch für Nähmaschinen), Lille, St.-Etienne, Lyon, Rouen etc. Die Industrie in Transportmitteln liefert insbesondere Wagen von leichter, gefälliger Bauart und Luxuswagen von feiner Ausstattung. Wissenschaftliche und chirurgische Instrumente werden in vorzüglicher Qualität zu Paris, Marseille, Rouen etc. hergestellt. In der Erzeugung musikalischer Instrumente steht in erster Linie; Klaviere liefern Paris und Marseille, Blasinstrumente Paris und Lyon, Geigen Paris, Lille und Mirecourt. Weltberühmt ist auch die Uhrenfabrikation von Paris (namentlich Pendeluhren), Besançon (vornehmlich Taschenuhren) u. a. O.
In der Thon- und Glaswarenindustrie leistet Frankreich Ausgezeichnetes; es steht obenan in der Erzeugung dekorierten Porzellans (Nationalmanufaktur zu Sèvres und 322 Privatetablissements, namentlich in Paris, Obervienne, Loiret, Cher, Gironde), produziert viel Steingut, Fayence und Majolikawaren (zu Paris, Beauvais, Choisy le Roi, Gien etc.) und liefert in seinen 164 Glasfabriken (namentlich in den Departements Seine, Nord, Meurthe-et-Moselle) Flaschen, Fensterglas, Hohlglas, farbige Glastafeln, Gußspiegel (St.-Gobain und die davon abhängigen Etablissements) und Glasbijouterien (insbesondere künstliche Edelsteine und Perlen).
Auf hohem Standpunkt befindet sich weiter die Möbelindustrie, besonders in Paris und Bordeaux, ferner die gleichfalls in Paris konzentrierte Erzeugung von Drechsler- und Schnitzwaren, darunter von Fächern, Kämmen und andern dergleichen Artikeln von geschmackvoller, zierlicher Form, die Erzeugung von Kinderspielwaren (in diesem Artikel allein fand 1884 ein Export von 55,6 Mill. Fr. statt), die Verfertigung von Flechtwaren, namentlich Korbgeflechten (zu Paris, Grenoble, Lyon und Vervins), von Kautschuk- und Guttaperchawaren, insbesondere Gummischuhen (zu Paris, Rouen und Langlée). In den Artikeln der Lederindustrie, namentlich Ziegen- und Handschuhleder (Annonay, Chambéry und Paris), farbigem und
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lackiertem Leder (Paris, St.-Denis, Lyon, Pont Audemer), in feinem Oberleder, dann in den verschiedenen Lederwaren ist Frankreich für den Welthandel tonangebend und treibt unter allen europäischen Staaten den größten Export (1884 einschließlich Handschuhe, für deren Herstellung Paris und Grenoble die Hauptsitze sind, und Schuhwaren für 242,4 Mill. Fr.).
Von der höchsten Bedeutung unter den französischen Industriekategorien ist die Textilindustrie, welche allein 615,000 Fabrikarbeiter beschäftigt und einen jährlichen Erzeugungswert von etwa 5 Milliarden Frank aufzuweisen hat. Von ihren einzelnen Zweigen ist vor allen die Seidenindustrie hervorzuheben, in welcher Frankreich unübertroffen dasteht. Die Produktion an roher Seide, welche im Durchschnitt 470,000 kg erreicht, bedarf einer Ergänzung durch Import von Kokons, roher und filierter Seide (1884 Mehreinfuhr im Wert von 113,4 Mill. Fr.). Die Seidenspinnerei, mit 242,605 Spindeln, ist vorzüglich in den Departements Isère, Ain, Drôme, Aube, Rhône und Oise konzentriert.
Den ersten Rang nimmt aber in der Fabrikation seidener Gewebe wegen des Geschmacks, der vollendeten technischen Ausführung und des Wertes dieser Produktion ein. Von den 63,055 Handstühlen stehen die meisten im Departement Rhône, die mechanische Weberei (14,000 Stühle) erstreckt sich auch auf die Departements Loire (namentlich in Bändern), Isère u. a. Der Wert der Ausfuhr von Seidengeweben belief sich 1884 auf 236,8 Mill. Fr. (Einfuhr 42,6). Die Schafwollmanufaktur ist seit langer Zeit einer der wichtigsten Industriezweige.
Die einheimische Wollproduktion (40 Mill. kg) reicht bei weitem nicht zur Deckung des Bedarfs aus, welcher noch bedeutende Zufuhren (1884: 174,5 Mill. kg, meist aus den La Plata-Staaten und Australien) erfordert. Die Zahl der Spindeln beträgt (1881) 3,067,459. Hauptzentren der Spinnerei, welche durch die Feinheit der Garne, speziell durch die Glätte und Mannigfaltigkeit ihrer gezwirnten und gazierten Kammgarne, ausgezeichnet ist, sind die nördlichen Departements (Nord, Marne, Ardennes, Aisne, Somme, Eure und Niederseine).
Bei der Schafwoll- und der gemischten Weberei sind 76,000 Kraft- und 55,787 Handstühle im Betrieb. In Tuch und sonstigen Streichgarngeweben haben Sedan, Elbeuf und Louviers einen Weltruf; die Kammgarnweberei und Weberei in gemischten Stoffen (Damenkleider u. dgl.) wird am schwunghaftesten in Roubaix, Tourcoing, Cateau, Lille, Reims und Rouen, die Verfertiguug ^[richtig: Verfertigung] von Shawls in Paris, Lyon und Nîmes, die Fabrikation von Teppichen in Paris, Beauvais und Aubusson, die Erzeugung von Borten, Tressen u. dgl. im Departement Loire betrieben.
Die Ausfuhr in Schafwollgeweben hatte 1884 einen Wert von 334,3 Mill. Fr. Die Baumwollindustrie hat, seit sie 1773 zuerst in Amiens eingeführt wurde, großartige Dimensionen angenommen. Sie zählt 4,8 Mill. Spindeln, welche insbesondere im Departement Niederseine um die Stadt Rouen, Nord um Lille, ferner in den Departements der Vogesen, Eure und Obersaône konzentriert sind. Der Baumwollbezug belief sich 1884 auf 139 Mill. kg, großenteils von Nordamerika, dann von Ostindien.
Bei der Baumwollweberei, welche gleichfalls in Rouen, dann in den Vogesen (Senones), Meurthe-et-Moselle, Aisne (St.-Quentin) etc. ihre Hauptsitze hat, sind 73,590 mechanische und 39,710 Handstühle im Gang. Einer der ältesten Zweige der gewerblichen Thätigkeit ist die Leinenindustrie, an welche sich die verwandte Hanf- und Jutemanufaktur angeschlossen hat. Bei der Spinnerei sind 672,823 Spindeln, vorwiegendem Departement Nord, bei der Weberei 17,619 Kraft- und 28,892 Handstühle, für Leinwand vornehmlich im Departement Nord (Lille, Cambrai, Valenciennes etc.), für Hanfgewebe in Angers und Dünkirchen, für Jutegewebe gleichfalls im nördlichen Frankreich thätig.
Die mit der Erzeugung von Garnen und Geweben in Verbindung stehende Färberei und Druckerei ist in Frankreich ebenfalls sehr entwickelt. Die Hauptsitze für die Stoffdruckerei sind die Normandie, die Vogesenthäler und Paris, für die Seidenfärberei Lyon, für die Baumwoll- und Schafwollfärberei Paris, Rouen, Roubaix, Reims etc. Noch sind als Zweige der Textilindustrie zu erwähnen: die Spitzenerzeugung, welche in den Departements Orne (Alençon), Calvados (Bayeux und Caen), Nord (Bailleul, Lille, Valenciennes), Oise (Chantilly), Vogesen (Mirecourt), Pas de Calais (Arras und Calais) etc. zahlreiche weibliche Arbeitskräfte beschäftigt und einen Weltruf besitzt;
die Weiß- und Buntstickerei (Paris und Lyon);
die Wirkwarenerzeugung, insbesondere in Seide, aber auch in Baum- und Schafwolle.
Tonangebend ist Frankreich auch in der Erzeugung von Kleidungsstücken, Wäsche, Putzartikeln, künstlichen Blumen und Schmuckfedern, mit welchen Artikeln Paris, man kann sagen, die ganze Welt versorgt (Export 1884: 174 Mill. Fr.). Auch die Erzeugung von Hüten aus Seide, Filz und andern Stoffen ist von großer Bedeutung.
Ein wichtiger Industriezweig ist ferner die Papierfabrikation; 1882 bestanden in Frankreich 527 Papierfabriken mit einem Produktionswert von 120,6 Mill. Fr. Hierher gehört auch die Erzeugung von Buntpapier (Paris), Tapeten (Paris, Lyon, Marseille), Spielkarten, Buchbinder-, Kartonagen- und Papiermaché-Artikeln. Von den Zweigen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie ist vor allen die Zuckerfabrikation zu erwähnen. 1882 standen 510 Rübenzuckerfabriken mit einer Produktion von gegen 5 Mill. metr. Ztr. und 34 Zuckerraffinerien mit einer Produktion von 3,3 Mill. metr. Ztr. im Betrieb.
Andre hierher gehörige, in in hervorragendem Maß vertretene Produktionszweige sind die Schokoladebereitung, die Erzeugung von Konditorwaren (Paris) konservierten und kandierten Früchten, getrockneten und komprimierten Gemüsen. Eine spezifisch französische Industrie ist die Schaumweinerzeugung, welche in den Departements der ehemaligen Landschaft Champagne ihre Heimat hat. Neben der Weinkultur beginnt mehr und mehr die Bierbrauerei in Frankreich, namentlich in Paris und den nördlichen Departements, Verbreitung zu finden. 1882 standen 3215 Brauereien mit einer Produktion von 8,5 Mill. hl im Betrieb.
Branntwein wird namentlich aus Rüben und Wein, neuerdings auch aus Kartoffeln und mehligen Substanzen in bedeutender Menge bereitet. Die gesamte Alkoholproduktion Frankreichs betrug 1883 über 2 Mill. hl, die meist im Land verbraucht wurden, da die Ausfuhr (265,000 hl) die Einfuhr nur um 109,000 hl überstieg. Treffliche Liköre liefern Paris, Bordeaux und Lyon, Essig die Städte Orléans, Montpellier etc. Die Tabaksfabrikation wird als Staatsmonopol in 19 großen Manufakturen betrieben. Die chemische Industrie unterhält teilweise groß eingerichtete Etablissements in Paris und Umgebung, Lyon (namentlich für Phosphorfabrikation), im Norddepartement, in Chauny (Aisne), Corbehem (Pas de Calais), Alais (Gard), Varangèville (große Sodafabrik), Montpellier und Marseille (für Weinstein und Weinsteinsäure). Die
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Parfümerieindustrie ist in Paris konzentriert und genießt weitverbreiteten Ruf (Exportwert 1884: 10,2 Mill. Fr.). Sehr bedeutend ist auch die Harzproduktion in der Gegend von Bordeaux und im Departement Landes, die Seifenfabrikation (namentlich in Marseille, in Paris und den nördlichen Departements, zusammen 357 Unternehmungen mit einem Produktionswert von 108 Mill. Fr.), die Kerzenerzeugung, die Zündhölzchenfabrikation, welche dem Staatsmonopol unterworfen und an eine Gesellschaft verpachtet ist. Endlich ist noch die Darstellung organischer und anorganischer Farben (von letztern namentlich Ultramarin, Zinkweiß, Zinnober, Anilinfarben) sowie die Erzeugung von Firnissen und Lacken (Paris) und Bleistiften (Givet) hervorzuheben.
Handel und Verkehr.
Zur Hälfte vom Meer umschlossen, zur Hälfte an die gewerbsamsten und kultiviertesten Länder Europas grenzend, durch gute Straßen, Flüsse, Kanäle und ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz mit der See verbunden, befindet sich in der günstigsten Lage, seinen Handel nach innen und außen auf das großartigste zu entfalten. Dazu kommt noch die geistige Qualität der Nation mit den Eigenschaften des Fleißes, der Rührigkeit und des Erfindungsgeistes. Der große Aufschwung des französischen Handels datiert ebenso wie die grundlegende Entwickelung der französischen Industrie aus der Zeit Colberts.
Um den Verkehr zu heben, wurde der Canal du Midi gegraben, eine Seemacht geschaffen, und bald zeigten sich die Früchte dieser Bestrebungen in raschem Aufschwung sowohl der Industrie als des Handels, der allerdings so wie jene durch die darauf folgenden Ereignisse allzu früh wieder gestört wurde. Ludwigs XIV. beständige Kriege und Verschwendung, deren Folgen sich in Hungersnöten äußerten, lähmten den Handel im 18. Jahrh. außerordentlich. Doch hatte wenigstens der Handel mit Westindien eine gewisse Blüte erlangt, ebenso der mit der Levante.
Die Zeit der Revolution und des Kaiserreichs brachte neue Störung, während deren sich das Übergewicht Englands und der Vereinigten Staaten immer mehr befestigte und nach Aufhebung der Kontinentalsperre um so auffallender hervortrat. Günstigere Zeiten begannen aber seit dem Sturz Napoleons I., indem die Regierung durch Begünstigungen jeder Art die nationale Schifffahrt und den Handel zu heben suchte. Die Schädigung, welche die Gründung des Deutschen Zollvereins brachte, suchte Frankreich durch Handels- und Schiffahrtsverträge mit andern Nationen, England, Vereinigte Staaten, Brasilien etc., abzuwenden.
Vgl. Pigonneau, Histoire du commerce de la France (1885 ff.).
Der Handel Frankreichs scheidet sich in den allgemeinen und den Spezialhandel. Unter jenem versteht man die gesamte Handelsbewegung, die Ausfuhr französischer Produkte und den Import der Erzeugnisse des Auslandes, die Durchfuhr, den Entrepotverkehr und die Wiederausfuhr; unter letzterm dagegen nur die Einfuhr für den inländischen Gebrauch und die Ausfuhr von Produkten und Fabrikaten des inländischen Bodens und der inländischen Industrie sowie von nationalisierten Waren.
Außerdem unterscheidet man innern und auswärtigen Handel. Der Umsatz des innern Handels wird beim Fehlen von ziffermäßigen Daten hierüber auf das Zehnfache des durch den Außenhandel vermittelten Verkehrs geschätzt; er ist in den größern Städten und in den Gegenden, die bei reicher Produktion von Handelsstraßen, schiffbaren Flüssen und Kanälen durchschnitten werden, von besonderer Lebhaftigkeit. Hauptgegenstände desselben sind besonders Getreide, dann Lebensmittel, Weine, Branntwein, die Bergwerksprodukte, die Kolonialprodukte, die der Fischerei etc. Der auswärtige Handel ist in den letzten Jahrzehnten wesentlich gestiegen; doch hat die Ausfuhr bereits im J. 1875, die Einfuhr im J. 1880 ihren Höhepunkt erreicht, zu dem sie sich seither nicht wieder erhob. Die letzten Jahre zeigen sogar einen erheblichen Rückgang, da z. B. 1885 im Spezialhandel die Einfuhr gegen das Vorjahr um 128 Mill., die Ausfuhr um 47 Mill. Fr. gesunken ist. Der Seehandel überwiegt den Landhandel bedeutend; er nimmt nämlich vom Einfuhr- wie vom Ausfuhrhandel zwei Drittel in Anspruch.
Das von der Zollverwaltung jährlich veröffentlichte »Tableau général du commerce« ergibt für die Jahre 1874-84 folgende Werte des allgemeinen und des Spezial-Ein- und Ausfuhrhandels in Millionen Frank:
Jahr | Allgemeiner Handel | Spezialhandel | ||
---|---|---|---|---|
Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr | |
1874 | 4423 | 4702 | 3508 | 3701 |
1875 | 4462 | 4807 | 3537 | 3873 |
1876 | 4909 | 4548 | 3988 | 3576 |
1877 | 4570 | 4371 | 3670 | 3436 |
1878 | 5089 | 4112 | 4176 | 3180 |
1879 | 5579 | 4270 | 4595 | 3231 |
1880 | 6113 | 4612 | 5033 | 3468 |
1881 | 5996 | 4724 | 4863 | 3562 |
1882 | 5962 | 4764 | 4822 | 3574 |
1883 | 5887 | 4562 | 4804 | 3452 |
1884 | 5239 | 4218 | 4344 | 3233 |
Wenn man die Waren, welche den Gegenstand des äußern Handels bilden, in die drei Kategorien der Lebensmittel, der industriellen Hilfsstoffe und der Fabrikate teilt, so entfallen auf die Lebensmittel vom Einfuhrswert 33, vom Ausfuhrswert 24 Proz., auf die industriellen Hilfsstoffe 51 Proz. der Einfuhr und 24 der Ausfuhr, auf die Fabrikate 16 Proz. der Einfuhr und 52 der Ausfuhr.
Die bedeutendsten Artikel der Einfuhr (im Spezialhandel) waren 1884: Cerealien für 360, Wein 344, Schafwolle 332, rohe Seide 269, Holz 194, rohe Häute und Pelzwerk 176, Baumwolle 170, Steinkohle 168, Vieh 151, Ölsaaten 106, Wollwaren 89, Kaffee 83, Tafelfrüchte 81, Zucker 76, Baumwollwaren 75, Flachs 64, Maschinen 60, Ölfrüchte 59 Mill. Fr.; die Hauptartikel der Ausfuhr dagegen: Schafwollwaren für 334, Wein 237, Seidenwaren 237, Seide 155, Lederwaren 131, Kurzwaren (Pariser Artikel) 119, bearbeitete Häute 110, Butter und Käse 109, Schafwolle 96, Baumwollgewebe 91, Weiß- und Konfektionswaren 75, Goldarbeiterwaren und Bijouterien 73, Branntwein und Liköre 73, rohe Häute und Felle 68, chemische Produkte 63, Metallwaren 63, Raffinadezucker 59 Mill. Fr. Der Edelmetallverkehr ergab im J. 1884 eine Einfuhr
an Gold von 127,45 Mill. Frank
an Silber von 101,00 Mill. Frank
dagegen eine Ausfuhr
an Gold von 81,90 Mill. Frank
an Silber von 46,31 Mill. Frank
im ganzen daher eine Mehreinfuhr an Gold von 45,55, an Silber von 54,69 Mill. Fr., während sich im J. 1883 umgekehrt eine Mehrausfuhr von 85 Mill. Fr. an Edelmetallen ergeben hatte.
Die Hauptverkehrsländer waren für den französischen Ein- und Ausfuhrhandel im J. 1884 (ausgedrückt in Millionen Frank des Warenwerts):
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Einfuhr aus | |
---|---|
Großbritannien | 616 |
Belgien | 463 |
Deutschland | 417 |
Italien | 369 |
Spanien | 298 |
Vereinigte Staaten | 280 |
Britisch-Indien | 231 |
Rußland | 219 |
Argentinische Republik | 196 |
Türkei | 124 |
Schweiz | 117 |
Österreich-Ungarn | 111 |
Algerien | 102 |
Andre Länder | 801 |
Ausfuhr nach | |
Großbritannien | 842 |
Belgien | 457 |
Deutschland | 328 |
Vereinigte Staaten | 275 |
Schweiz | 218 |
Italien | 172 |
Spanien | 153 |
Algerien | 147 |
Argentinische Republik | 119 |
Brasilien | 63 |
Türkei | 47 |
Niederlande | 34 |
Kolumbien | 27 |
Andre Länder | 35 |
Der Entrepotverkehr umfaßte 1884: 16,3 Mill. metr. Ztr. eingegangene Waren im Wert von 433 Mill. Fr., der Transit 2,3 Mill. metr. Ztr. im Wert von 575 Mill. Fr., mit Einschluß der Wiederausfuhr der zeitweilig nach Frankreich eingetretenen Waren 4,4 Mill. metr. Ztr. im Wert von 696 Mill. Fr.
Die Handels- und Zollpolitik in Frankreich beruht gegenwärtig auf dem im J. 1881 eingeführten neuen autonomen Zolltarif, welcher einen weitern Fortschritt in dem seit 1860 begründeten System des mäßigen Schutzzolls bedeutet. Die vor dem Jahr 1880 bestandenen Handelsverträge mit fremden Staaten sind sämtlich gekündigt, bez. nicht wieder erneuert worden. Dagegen wurden neue Verträge, welche auf der Basis des autonomen Zolltarifs bestimmt sind, den äußern Handelsverkehr Frankreichs für ein Dezennium zu regeln, mit Belgien, Großbritannien, Italien, Portugal, Schweden-Norwegen, der Schweiz, Spanien, den Niederlanden abgeschlossen, welche 1882 in Kraft getreten sind.
Auch mit Österreich-Ungarn und Serbien sind derartige Handelskonventionen abgeschlossen worden, während Deutschland, Rußland, die Türkei und Rumänien die Rechte der meistbegünstigten Nation gegenüber Frankreich genießen. Die Förderung des auswärtigen Handels und des Kolonialwesens beschäftigt seit den letzten Jahren die öffentliche Meinung Frankreichs in lebhafter Weise. Unter den darauf abzielenden Maßnahmen der Regierung sind, abgesehen von den auf Erweiterung der französischen Kolonialmacht gerichteten Unternehmungen, die Errichtung eines Informationsbüreaus im Handelsministerium, die Gründung einer Gesellschaft zur Ermunterung des französischen Exporthandels, die Errichtung von französischen Handelskammern im Ausland zu erwähnen. Da der französische Handel und namentlich der Außenhandel zum großen Teil auf dem Seeweg stattfindet, genießt die mit der Vermittelung dieses Verkehrs beschäftigte Handelsmarine die verdiente Beachtung.
Während dieselbe 1681 nur aus etwa 550 Fahrzeugen bestand, zählte sie Ende 1884: 14,414 Segelschiffe mit 522,757 Ton. und 938 Dampfer mit 511,072 T., zusammen 15,352 Fahrzeuge mit 1,033,829 T. und einer Bemannung von 89,486 Personen nebst 6813 Maschinisten und Heizern. Sie ist wohl in den letzten Jahren durch Verminderung der Segelschiffe beständig zurückgegangen und steht nicht nur England und den Vereinigten Staaten, sondern auch Norwegen, Italien und Deutschland, in Bezug auf die Dampferflotte allerdings nur den beiden erstgenannten Seestaaten nach, doch liegen jetzt Pläne vor, dieselbe bedeutend zu heben; großartige Hafenbauten sind allenthalben im Werk.
Der Seeschiffahrtsverkehr in den französischen Häfen umfaßte im J. 1884 an eingelaufenen Schiffen 101,327 mit 17,531,561 T. (davon 32,408 mit 12,765,766 T. im Verkehr mit fremden und Kolonialhäfen und bei der großen Fischerei, 68,919 mit 4,765,795 T. bei der Kabotage), an ausgelaufenen Schiffen 103,036 mit 17,951,963 T. (34,117 Schiffe mit 13,186,168 T. im auswärtigen Verkehr). Von dem Gesamttonnengehalt der im Dienste der auswärtigen Schiffahrt ein- und ausgelaufenen Schiffe (25,951,934 T.) kamen auf Segelschiffe 5,315,927, auf Dampfschiffe 20,636,007 T., auf die französische Flagge 8,919,504, auf fremde Flaggen 17,032,430 T. Die bedeutendsten Seehandelsplätze (mit Angabe des Tonnengehalts der bei der auswärtigen Schiffahrt im J. 1884 beladen ein- und ausgelaufenen Schiffe) sind:
Marseille | 5,680,897 Ton. |
Le Havre | 3,282,123 Ton. |
Bordeaux | 2,974,655 Ton. |
Dünkirchen | 1,159,606 Ton. |
Rouen | 991,882 Ton. |
Calais | 976,304 Ton. |
Boulogne | 848,847 Ton. |
Cette | 837,502 Ton. |
Dieppe | 762,716 Ton. |
St.-Nazaire | 690,515 Ton. |
Zur Unterstützung des Landverkehrs dienen die zahlreichen Messen und Märkte, welche freilich infolge der Entwickelung des modernen Verkehrswesens ihre frühere Wichtigkeit großenteils eingebüßt haben. Berühmte Messen finden namentlich statt zu Beaucaire 22. Juli, Guibray, einer Vorstadt von Falaise, 10. Aug., Caen nach Ostern, Château-Thierry, Le Landit, St.-Denis im September etc. Die wichtigsten Landhandelsplätze Frankreichs sind: Paris, Lyon, Lille, Montpellier, Nantes, Nîmes, Rouen, Rennes, Toulouse, St.-Etienne, Beaucaire, Aix, Carcassonne, Béziers, Nancy, Perpignan, Orléans, Tours, Troyes etc.
Der Straßenbau hat seit der Revolution von 1789 und neuerdings unter dem zweiten Kaiserreich und der gegenwärtigen Staatsform einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Länge sämtlicher Straßen beträgt (1881) 665,211 km; davon sind 37,313 km Landes- oder Nationalstraßen, welche hauptsächlich von Paris nach den Grenzen und nach den bedeutendsten Seeplätzen führen (größtenteils makadamisiert), 34,913 km Departementalstraßen und 592,985 km Vizinalwege. Frankreich ist verhältnismäßig reich an Wasserstraßen; dieselben hatten 1881 eine Ausdehnung von 16,265 km, wovon auf die schiffbaren Flüsse 8546, auf die flößbaren Wasserläufe 2961 und auf die Kanäle 4758 km kamen.
Die natürlichen Wasserstraßen verteilen sich hauptsächlich auf das Becken der Loire mit ihren Nebenflüssen (1657 km), der Garonne (1656 km), des Rhône (1447 km) und der Seine (1203 km). Die bedeutendsten Kanäle sind: der Ostkanal mit seinen beiden Linien von der belgischen Grenze bis Troussey und von Toul nach Pont sur Saône nebst Abzweigungen (373 km), der Kanal von Nantes nach Brest (360 km), der Canal du Midi (279 km), der Kanal von Berry mit der Hauptlinie von Montluçon nach Marseille les Aubigny und der Zweiglinie von Fontblisse nach Noyers (261 km), der Kanal von Burgund (242 km), der Marne-Rheinkanal (210 km), der Seitenkanal der Loire (206 km), der Seitenkanal der Garonne (204 km), der Rhône-Rheinkanal (190 km), der Nivernaiskanal (178 km), der Kanal der Somme (156 km), der Canal du Centre (130 km), der Kanal des Ourcq (108 km), der Ardennenkanal (100 km). Sehr entwickelt ist das Kanalwesen im Departement Nord, welches eine ganze Reihe meist kleinerer künstlicher Wasserstraßen besitzt, auf denen sich der reiche Verkehr dieses Departements, abgesehen von dem Eisenbahntransport, bewegt. Die Verbesserung der Wege für die Binnenschiffahrt bildete einen Teil des großen von der französischen Regierung seit 1877 in Ausführung genommenen Arbeitsprogramms, und ein Kostenbetrag von 1 Milliarde Frank wurde für Neuherstellung oder
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Verbesserung von im ganzen 10,000 km Wasserstraßen veranschlagt. Namentlich soll auch die Verbindung zwischen dem Kanal und dem Mittelmeer verbessert und auf mindestens 2 m vertieft werden. Die große Wichtigkeit der Wasserstraßen erhellt aus dem kolossalen auf denselben bewegten Verkehr. Der Schiffahrtsverkehr auf allen Wasserstraßen belief sich nämlich 1881 auf 2174,5 Mill. Tonnenkilometer (hiervon 1027,3 auf den Flüssen und 1147,2 auf den Kanälen) und zeigt eine ziemlich konstante Zunahme. Die wichtigsten Artikel dieses Verkehrs sind: mineralische Brennstoffe, Baumaterialien, Bodenprodukte und Lebensmittel, Metalle und Metallwaren und Holz.
Vgl. Schlichting, Über die Wasserstraßen Frankreichs (Berl. 1880).
Das französische Eisenbahnnetz hatte eine Länge von 29,379 km. Die erste Eisenbahn in Frankreich war die 1828 eröffnete Linie St.-Etienne-Andrezieux; 1842 zählte man 599, 1850: 5008, 1860: 9441, 1870: 17,446 km. Von der obigen Länge der Eisenbahnen im J. 1884 kamen auf das Staatsbahnnetz 2091 km, auf die konzessionierten Privatbahnen 27,274 km (und zwar auf die Nordbahn 2069, Est 2811, Ouest 3147, Paris-Orléans 4359, Paris-Lyon-Méditerranée 6470, Midi 2338, Pariser Gürtelbahn 85, kleinere Gesellschaften 1041 km), ferner auf nicht konzessionierte Privatbahnen 14 km. Außerdem bestanden 228 km Industriebahnen und 1631 km Lokalbahnen.
Seit 1871 hat der Staat große Kosten für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes aufgewendet; doch vermochte sich das System des Staatsbahnbetriebs in Frankreich nicht Eingang zu verschaffen, es wurden vielmehr neue Übereinkommen mit den großen Privatgesellschaften abgeschlossen, welche den Betrieb der vom Staat gebauten Linien, den Ausbau der noch zur Vervollständigung des Netzes fehlenden Linien und das Tarifwesen betreffen. Der Verkehr auf den französischen Eisenbahnen belief sich 1882 auf 204,76 Mill. beförderte Personen und bei der Güterbeförderung auf 10,937 Mill. Tonnenkilometer.
Die Betriebseinnahmen bezifferten sich auf 1116, die Ausgaben auf 581, das verwendete Anlagekapital Ende 1882 auf 11,538 Mill. Fr. Auch die Pferdeeisenbahnen, von denen die erste im J. 1854 vom Louvre nach Sèvres angelegt wurde, haben sich in den letzten Jahren (seit 1873) rasch entwickelt, so daß 1881 über 708 km solcher Bahnen in 25 Städten (davon 252 km allein in Paris) bestanden. Das Post- und Telegraphenwesen, dessen Verwaltung vereinigt ist, zählte 1883: 6486 Postanstalten, 4791 Staats- und 2732 Privat-Telegraphenanstalten mit 77,410 km Telegraphenlinien u. 241,138 km Drähten.
Das gemeinsame Personal belief sich auf 53,299 Köpfe. Der Verkehr bezifferte sich mit 1383 Mill. Stück Briefpostsendungen und 25 Mill. Depeschen. Die gemeinsamen Betriebseinnahmen betrugen 161,7, die Ausgaben 130,2 Mill. Fr. Unter den Banken und Kreditinstituten nimmt den ersten Rang ein die im J. 1800 errichtete Bank von Frankreich, welche das ausschließliche Recht der Notenemission besitzt, ihren Sitz zu Paris und in den Departements 94 Sukkursalen hat. Die Gesamtzahl der auf Aktien begründeten Banken und Kreditanstalten beträgt 86, wovon 7 für den landwirtschaftlichen Kredit. Ihr Nominalkapital beläuft sich gegenwärtig auf 2593,96 Mill. Fr., das eingezahlte Kapital auf 1376,36 Mill. Fr. Hierzu kommen noch 10 Banken für die auswärtigen Besitzungen mit einem Nominalkapital von 139,6 und einem eingezahlten Kapital von 73,8 Mill. Fr. Die bedeutendsten französischen Bankanstalten sind mit ihrem eingezahlten Grundkapital:
Bank von Frankreich | 182.5 Mill. Frank |
Crédit foncier | 104.0 Mill. Frank |
Crédit Lyonnais | 100.0 Mill. Frank |
Comptoir d'escompte | 80.0 Mill. Frank |
Banque de Paris et des Pays-Bas | 62.5 Mill. Frank |
Société générale | 60.0 Mill. Frank |
Société financière de Paris | 52.0 Mill. Frank |
Société financière Lyonnaise | 50.0 Mill. Frank |
Crédit mobilier | 40.0 Mill. Frank |
Sparkassen bestanden 1882 in Frankreich 545 mit einer Anzahl von 4,321,427 Einlagen im Betrag von 1745,75 Mill. Fr. Hierzu kommen noch Postsparkassen mit (1885) 7000 Einlagen im Betrag von 147,6 Mill. Fr. 1882 beliefen sich die Einzahlungen in sämtlichen Sparkassen (mit Einschluß der Postsparkassen) auf 809 Mill. Fr. Das Sparkassenwesen hat namentlich in den letzten Jahren in Frankreich bedeutende Entwickelung genommen. Großen Anklang hat auch die Institution der Schulsparkassen gefunden, welche als Filialen der eigentlichen Sparkassen fungieren. Das Maß- und Gewichtssystem Frankreichs ist das 1800 eingeführte, auf einem Naturmaß (Meridianmessung) beruhende und jetzt von fast ganz Europa und andern Staaten angenommene Dezimalmaß (s. d.) mit dem Meter, d. h. dem zehnmillionsten Teil des Erdquadranten, als Grundmaß (100 m = 109,32 engl. Yards, 140,55 russ. Arschinen oder 328,12 engl., 318,62 rhein., 342,63 bayr. und 333⅓ schweizer. oder bad. Fuß; 7408 m = 1 geographische Meile).
Flächenmaß: der Ar (100 qm) = 7,05 rhein. QRuten; der Hektar (100 Ar) = 3,91662 preuß. Morgen.
Körpermaß: der Stère oder Kubikmeter. Flüssigkeits- und Getreidemaß: das Liter (100 Lit. [Hektoliter] = 1,82 preuß. oder 2,22 bayr. Scheffel, 1,62 Wiener Metzen, 22,39 engl. Quarters, ferner = 1,45 preuß. oder 1,46 bayr. Eimer, 66,66 badische oder schweizer. Maß).
Gewicht: das Gramm (1000 g [Kilogramm] = 2 deutsche Zollpfund, 2,2 engl. oder 2,44 russ. Pfd.).
Das Münzsystem hat dieselbe Grundlage wie die Maße und Gewichte; 5 g Silber bei einer Feinheit von 90 Proz. bilden den Frank à 100 Centimes. Die Goldmünze, das 20-Frankstück, ist der 155. Teil eines Kilogramms und enthält ebenfalls 10 Proz. Kupfer.
Wir schließen hier eine summarische Übersicht der Wohlthätigkeitsanstalten an, welche in Frankreich eine reiche Entwickelung genommen haben. 1881 gab es in ganz Frankreich 14,033 Bureaux de bienfaisance, welche über mehr als 48 Mill. Fr. Einnahmen verfügten und 1,450,000 Personen unterstützten. Spitäler gab es 1636 mit 166,381 Betten, an Irrenhäusern eine Nationalanstalt (Charenton), 46 Departementsanstalten, 14 Spitalabteilungen und 42 Privatanstalten, zusammen mit 48,813 Pfleglingen. Ferner gibt es 42 Leihanstalten (monts-de-piété), 6970 wechselseitige Unterstützungsanstalten (caisses de secours mutuel) mit 1,490,355 Mitgliedern und 5052 Kinderbewahranstalten mit 644,384 eingeschriebenen Kindern.
Staatsverfassung.
Die Staatsverfassung Frankreichs ist seit der Beseitigung des Kaisertums eine repräsentativ-republikanische und wurde durch mehrere seither promulgierte Gesetze, insbesondere durch die Gesetze vom 28. Febr., 15. Juli, 12. Aug. und geordnet. Die gesetzgebende Gewalt wird von zwei Versammlungen geübt, der Kammer der Abgeordneten und dem Senat. Die erstere zählt 565 Mitglieder (worunter 6 aus Algerien und 10 aus den Kolonien), welche auf Grund des allgemeinen, durch das Gesetz vom ausgesprochenen, nur durch das Alter von 21 Jahren für die
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Wahlberechtigung und von 25 Jahren für die Wählbarkeit sowie durch den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte beschränkten Stimmrechts gewählt werden. Die Wahl findet seit 1885 im Weg des Listenskrutiniums statt, wonach jedes Departement einen Wahlkörper bildet, welcher die nach der Bevölkerung auf das Departement entfallende Zahl von Abgeordneten wählt. Der Senat besteht aus 300 Mitgliedern, von denen 225 von den Departements und Kolonien, 75 von der Nationalversammlung gewählt werden.
Niemand kann Senator sein, der nicht Franzose, mindestens 40 Jahre alt und im Vollbesitz der bürgerlichen und politischen Rechte ist. Die Senatoren der Departements und der Kolonien werden auf neun Jahre gewählt und alle drei Jahre zu einem Drittel erneuert. Bei Beginn der ersten Session werden die gewählten Senatoren in drei an Zahl gleich starke Serien geteilt und hierauf durch das Los die Serien bestimmt, die nach Ablauf des ersten und zweiten Trienniums zu erneuern sind.
Die von der Nationalversammlung zu ernennenden Senatoren sind unabsetzbar. Der Senat teilt mit der Abgeordnetenkammer die Initiative bei der Abfassung der Gesetze. Jedoch müssen die Finanzgesetze vorerst der Abgeordnetenkammer vorgelegt und von ihr genehmigt werden. Der Präsident der Republik wird mit absoluter Majorität von dem Senat und der Abgeordnetenkammer, die zu einer Nationalversammlung zusammentreten, gewählt. Er wird auf sieben Jahre ernannt und kann wieder gewählt werden.
Der Präsident der Republik teilt die Initiative zur Gesetzgebung mit den Mitgliedern der beiden Kammern;
er veröffentlicht die Gesetze, sobald sie von den beiden Kammern votiert sind;
er überwacht und sichert ihre Ausführung;
er hat das Recht der Begnadigung, Amnestien können aber nur durch ein Gesetz verfügt werden;
er disponiert über die bewaffnete Macht;
er besetzt alle Zivil- und Militärämter;
er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz;
die Botschafter und Gesandten der fremden Mächte sind bei ihm beglaubigt.
Jeder Akt des Präsidenten der Republik muß von einem Minister gegengezeichnet werden. Der Präsident der Republik kann im Einverständnis mit dem Senat die Abgeordnetenkammer vor dem gesetzlichen Ablauf ihres Mandats auflösen, in welchem Fall die Wahlkollegien binnen drei Monaten zu neuen Wahlen zusammentreten sollen. Der Präsident der Republik ist nur im Fall eines Hochverrats vor dem Senat verantwortlich, welcher zu diesem Behuf, außerdem aber, um die Minister zu richten und über Attentate gegen die Sicherheit des Staats zu erkennen, als Gerichtshof zusammentreten kann.
Im Fall der Erledigung der Präsidentenwürde wegen Ablebens oder aus irgend welchen andern Gründen schreiten die beiden vereinigten Kammern unverzüglich zur Ernennung des neuen Präsidenten der Republik. In der Zwischenzeit ist der Ministerrat mit der exekutiven Gewalt betraut. Die Kammern besitzen ferner das Recht, in getrennten Versammlungen, die in einer jeden von ihnen, sei es aus eignem Antrieb, sei es auf Verlangen des Präsidenten der Republik, stattzufinden haben, zu erklären, daß sie eine Revision der Verfassung für statthaft halten.
Nachdem die beiden Kammern einzeln diesen Beschluß gefaßt haben, treten sie zu einer Nationalversammlung zusammen, um die Revision vorzunehmen. Die Beschlüsse, betreffend die gänzliche oder teilweise Revision der Verfassung, müssen von der absoluten Majorität sämtlicher Mitglieder, aus denen die Nationalversammlung zusammengesetzt ist, gefaßt werden. Den französischen Staatsbürgern sind die konstitutionellen Grundrechte des Volkes im umfassendsten Sinn gewährleistet.
Zur Vertretung und Wahrnehmung der Interessen der Departements und Arrondissements bestehen in jenen General-, in diesen Arrondissementsräte, deren Mitglieder auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden. Die Generalräte wurden durch das Gesetz vom neu organisiert. Jeder Kanton des Departements entsendet ein Mitglied in den Generalrat; nur im Seinedepartement gehören demselben auch sämtliche Mitglieder des Munizipalrats von Paris an. Außerdem bestehen Arrondissementsräte, deren Organisation auf den Gesetzen vom und beruht. In jeder Gemeinde bestehen ein Munizipalrat und ein Maire mit Adjunkten.
Der Munizipalrat wird, je nach der Größe der Gemeinde, aus 10-36, in Paris aus 80 auf drei Jahre gewählten Mitgliedern gebildet. Auf dieselbe Zeit werden von den Munizipalräten die Maires und Adjunkten gewählt; nur in den Städten mit mehr als 20,000 Einw. und in den Hauptorten der Departements und Arrondissements werden diese durch Dekret der Regierung ernannt. In den beiden größten Städten, Paris und Lyon, welche 20, bez. 6 Mairien zählen, vereinigt der Departementschef die Funktionen eines Zentralmaire. Der Maire präsidiert dem Munizipalrat; er ist mit der Gemeindeverwaltung, mit der Munizipalpolizei und mit den Funktionen eines Delegierten der Regierung betraut.
Staatsverwaltung.
Die Staatsverwaltung wird in oberster Instanz von elf Ministerien besorgt. Diese sind:
1) das Ministerium der Justiz und der Kulte;
2) der auswärtigen Angelegenheiten;
3) des Innern (auch für Algerien);
4) der Finanzen;
5) der Posten und Telegraphen;
6) das Kriegsministerium;
7) das Ministerium der Marine und der Kolonien;
8) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts und der schönen Künste;
9) das Handelsministerium;
10) das Ackerbauministerium;
11) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Der Ministerrat tritt unter Vorsitz des Präsidenten der Republik zusammen, welcher für seine Abwesenheit oder Verhinderung einen Minister als »Vizepräsidenten des Ministerrats« delegiert. Die Minister sind solidarisch vor den Kammern für die allgemeine Politik der Regierung und individuell für ihre persönlichen Akte verantwortlich. Eine selbständige Stellung neben den Ministerien genießt der Rechnungshof.
Unter dem Präsidium des Justizministers steht der Staatsrat, welcher nach der Reorganisation durch das Gesetz vom sein Gutachten über die Entwürfe von Gesetzen und Dekreten und über die Verwaltungsreglements sowie über alle Fragen, die ihm durch den Präsidenten der Republik oder die Minister vorgelegt werden, abgibt und über Rekurse in streitigen Verwaltungssachen sowie über Annullierungsgesuche wegen Machtüberschreitung seitens der verschiedenen Verwaltungsbehörden erkennt.
Nach dem Gesetz vom werden erledigte Staatsratsstellen vom Präsidenten der Republik nach Anhörung des Ministerrats besetzt. Die also ernannten Staatsräte können nur durch ein im Ministerrat beschlossenes Dekret ihres Amtes wieder enthoben werden. Für die verschiedenen Aufgaben der Verwaltung zerfällt in die oben angeführten 87 Departements (einschließlich des Gebiets von Belfort), diese wieder in 362 Arrondissements und 36,097 Gemeinden. In jedem Departement wird