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Dieses durch seitlichen, von den Alpen [* 2] her wirkenden Druck entstandene Gebirge, dessen Ketten und Längsthäler deshalb einen merkwürdigen Parallelismus und Steilabsturz auf der schweizerischen, plateauartige Abdachung auf der französischen Seite zeigen, bildet bis zum Genfer See die Grenze, erstreckt sich aber bis zum Rhône-, ja wohl richtiger bis zum Isèreknie. Die höchsten Erhebungen liegen im südlichen Teil der innersten, im Mittel 1300 m hohen Kette (Crêt de la Neige 1724 m, Reculet 1720 m). Der Verkehr über diese Ketten war bei dem Mangel an Querthälern auf der französischen Seite immer ein schwieriger und ist erst in neuester Zeit erleichtert worden.
Von den Alpen, die sich als weit höherer Grenzwall an den Jura anschließen, gehören seit der Annexion Savoyens die Westalpen zum größern Teil an. Insbesondere liegen auf französischem Gebiet die Savoyer Alpen mit der kolossalen Gebirgsmasse des Montblanc (4810 m) mit gegen das Thal [* 3] von Chamonix abfallendem Nordabhang, den gegen den Genfer See sich absenkenden nördlichen Vorbergen, darunter dem Mont Buet (3109 m) und Dent du Midi (3285 m), und der westlichen Absenkung gegen das mittlere Rhônethal.
An der französisch-italienischen Grenze liegen der fahrbare Paß [* 4] des Kleinen St. Bernhard (2157 m), des Mont Cenis (2098 m) sowie die durch den Mont Fréjus mittels Tunnels führende Mont Cenis-Bahn, sodann der Paß des Mont Genèvre (1860 m). Zwischen diesen Pässen erheben sich die Grajischen Alpen, die mit ihren westlichen Berggruppen (Grands Couloirs 3861 m, Col d'Iséran 2769 m, Mont Tabor 3175 m) sowie mit ihren westlichen Vorbergen, den Grandes Rousses (3473 m) Frankreich angehören.
Zwischen den Pässen des Mont Genèvre und den durch den Col de Larche (1995 m), verbundenen Thälern der Ubaye und Stura ziehen sich vielverzweigt die Kottischen Alpen hin mit der Serpentinpyramide des Monte Viso (3845 m), dem Mont Chambeyron (3400 m) und ihrer westlichen Fortsetzung, dem mächtigen Granitstock der Pelvouxgruppe (Les Ecrins 4103 m), einem großartigen, gletscherreichen Hochgebirge mit tiefen, engen und malerischen Felsthälern, interessant für den Mineralogen und Geognosten, aber wenig bevölkert, schwer zugänglich und wenig besucht.
Noch weiter südlich folgen die Seealpen (Rocca d'Argentiera, an der italienischen Grenze, 3300 m; Mont Pelat 3053 m), welche sich gegen das Mittelmeer hin absenken und von dem fahrbaren Paß des Turin [* 5] mit Nizza [* 6] verbindenden Col di Tenda durchschnitten werden. Südwestlich dieser Kette breiten sich um die Thäler des Var und Verdon die bis 1000 m ansteigenden Kreideberge des Esterelgebirges und endlich, durch das Thal des Argens geschieden, im äußersten Süden das niedrige kristallinische Urgebirgsland der Montagnes Maures aus. Eine Reihe von niedrigern Bergzügen sind den erwähnten Hauptgruppen der Französischen Alpen westlich gegen das Rhônethal vorgelagert und bilden den Übergang zu der Ebene dieses Flusses.
Den Alpen gegenüber, deren verhältnismäßig leichte Zugänglichkeit von W. her sich am besten darin ausprägt, daß französisch sprechende Bevölkerung [* 7] auch die Thäler der östlichen Abdachung bis an ihren Ausgang in die Ebene von Piemont bewohnt, bilden die niedrigern Pyrenäen gegen Spanien [* 8] eine viel unzugänglichere Scheidewand. Sie erheben sich, namentlich von Frankreich aus gesehen, als eine gewaltige, wenig eingeschartete Mauer, von Meer zu Meer reichend, in ihrem zentralen Teil mit einer Kammhöhe von nahezu 2600 m. Im Gegensatz zu den Alpen senden sie nicht so gewaltige Ströme in die Ebene, haben wenig Seen und geringe Gletscherbildung.
Bei einer Länge von 570 km sind die Zentralpyrenäen zwischen dem Col de la Perche (1610 m) im O. und dem Paß von Canfranc (1640 m), beide einen Teil des Jahrs durch Schnee [* 9] gesperrt, auf eine Länge von 245 km ohne fahrbare Straße und nur auf beschwerlichen, höchstens für Maultiere gangbaren Pfaden von 2500 m und mehr übersteigbar. Es sind meist schmale, wie in die Felsmauer gehauene Risse (porte, puerto); der wildeste dieser Pässe, die Rolandsbresche (2804 m), dicht westlich vom Mont Perdu.
Außer den genannten höchsten Fahrstraßen gibt es nur noch wenige. Am meisten vermitteln jetzt den Verkehr die beiden unmittelbar am Meer im O. und im W. geschaffenen Eisenbahnen (die erstere seit wenigen Jahren). Vorher war der wichtigste Paß der von Perpignan nach Figueras führende Col de Pertus, nur 290 m hoch und 23 km vom Meer, den schon Hannibal überschritt, dann die breite, plateauartige Einsattelung des Col de la Perche, 1610 m hoch, aus den Thälern der Têt und Aude in das des Segre; im W. der berühmte Paß von Roncesvalles (1207 m), vorzugsweise die Völkerstraße, und noch weiter westlich der noch niedrigere (868 m) Puerto de Betale, die beide von Bayonne nach Pamplona führen.
Nur hier im W. bildet demnach der Kamm der Pyrenäen die politische, nicht auch die ethnographische Grenze. Man kann das Gebirge in drei Abteilungen zerlegen: die Ostpyrenäen, die sich mit dem Nordwestende noch vor die Zentralpyrenäen schieben und mit denselben durch einen Querriegel an den Quellen der Garonne verwachsen;
die Zentralpyrenäen von da bis zum Pic du Midi d'Ossau (2885 m) und dem Canfrancpaß;
davon westlich die Westpyrenäen.
Das gebirgsbildende Gestein der Pyrenäen gehört vorzugsweise der Silur- und Devonformation an, namentlich ist es Schiefer, in welchem sich zahlreiche größere und kleinere Granitkerne finden, die zum Teil die Gipfel des Hauptkammes bilden. Auf diese innere Zone folgen auf beiden Abhängen ziemlich regelmäßig von innen nach außen triassische (Buntsandstein), jurassische, Kreide- und tertiäre Schichten und schließlich Gerölle und Alluvium in den Ebenen.
Die höchsten Erhebungen finden sich in den Zentralpyrenäen, in denen allein sich mit ewigem Schnee bedeckte Spitzen und Gletscher finden, wenn auch nur an der niederschlagsreichen Nordseite. In der Maladettagruppe, südlich von der obersten Garonne, erheben sich (schon auf spanischem Gebiet) der Pic d'Anethou zu 3404 m und der Mont Perdu (3352 m), welchen aber der französische Vignemale (3290 m) wenig nachsteht. Die Zentralpyrenäen geben dem Adour und der Garonne den Ursprung mit vielen ihrer Zuflüsse, die von einem zentralen Punkt fächerförmig über die nördliche Abdachung hinabfließen; viele von ihnen entwickeln sich in den charakteristischen, an Kaskaden reichen Zirkusthälern; hier in den Zentralpyrenäen finden wir auch zahlreiche Mineralquellen, Thermen wie kalte Schwefel- und Eisenquellen. Der östlichste Teil der Ostpyrenäen wird als Mont Albères noch besonders unterschieden; mit dem nach N. vorgeschobenen, weithin sichtbaren Canigou (2785 m) beginnt erst die Hauptkette der Ostpyrenäen, von welcher sich der niedere Zug der Corbières bis gegen Narbonne hin vorstreckt. Die französische Seite der Pyrenäen bildet, namentlich je näher am Ozean, mit ihren grünen Weiden und Wäldern und ihren Wasserfällen einen ¶
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merkwürdigen Kontrast gegenüber den öden, kahlen Felsenhängen der spanischen Seite; aber auf beiden Seiten sind die Pyrenäen spärlich bewohnt und angebaut, selbst die Viehzucht [* 11] ist dürftig, und auch Bergbau [* 12] fehlt (s. Pyrenäen).
Wir sehen also, wenn wir einen zusammenfassenden Blick über Frankreichs Bodengestaltung werfen, daß die Ebenen, welche die einzelnen Gebirgssysteme und namentlich das zentrale Hochfrankreich von den begrenzenden Gebirgen scheiden und, miteinander in Verbindung tretend, das Land zugleich dem Mittelmeer (Rhôneebene und Languedoc), dem Ozean (Garonne- und Loirebecken) wie dem Verkehr mit dem Ozean und England (Seinebecken) erschließen, eine sehr wichtige Rolle spielen. Vom ganzen Areal Frankreichs kommen ca. 245,000 qkm auf Bergland und 285,000 qkm auf ebenes Land. Diese Ebenen sind, wenn wir von wenigen, wie der versumpften Camargue, der Sologne, der Champagne pouilleuse, den Landes, der Crau, welche aber mehr oder weniger jetzt der Kultur gewonnen werden, absehen, von wunderbarer Fruchtbarkeit, herrlich angebaut und dicht bevölkert, oft weiten Gartenlandschaften ähnlich.
Die Insel Corsica, [* 13] die wie Nizza geographisch und ethnographisch zu Italien [* 14] gehört, ist durchaus Gebirgsland, nur an der Ostseite finden sich flache Küstenebenen jüngerer Entstehung. (Genaueres s. unter Corsica.)
Wenn wir noch einen Blick auf die Geschichte der Entstehung desjenigen Teils des europäischen Festlandes werfen, der jetzt Frankreich heißt, so erlaubt uns der geologische Bau des Landes, wie er jetzt ist, nur an wenigen Punkten sichere, nicht mehr hypothetische Schlüsse auf die Verteilung von Land und Wasser und das Anwachsen des erstern. Denn wenn wir auch wissen, in welcher Zeit die sedimentären Schichten entstanden sein müssen, so können wir doch nicht bestimmen, in welcher Ausdehnung [* 15] dieselben früher vorhanden waren und seitdem wieder von den Wogen des Meers bedeckt oder durch die Meteorwasser, Gletscher etc. denudiert worden sind. Es ist durchaus noch nicht erwiesen, daß z. B. die granitischen Plateaus von Zentral- und Nordwestfrankreich, die ganz oder teilweise von jurassischen Zonen umschlossen sind, auch wirklich in der Jurazeit Inseln waren.
Dagegen ist ziemlich sicher anzunehmen, daß in der Kreidezeit Hochfrankreich bereits mit der Bretagne sowie anderseits den Vogesen, Lothringen und den Ardennen zusammenhing; denn die nordfranzösische Grünsand- und Kreideformation [* 16] des Seine-Loirebeckens, namentlich der Champagne, steht in engen Beziehungen zu den gleichalterigen englischen und deutschen Bildungen und gehört der nördlichen Kreidefacies an, während die Kreide [* 17] des Rhône- und Garonnebeckens, der Alpen und Pyrenäen zur südlichen, mediterranen Kreidefacies gehört, deren paläontologischer Habitus ein wesentlich andrer ist.
Sie zeichnet sich aus durch massige, harte Kalke und ihre mannigfaltige, großartige Entwickelung der Familie der Hippuriten, welche in der nördlichen Facies nur in seltenen Individuen auftritt. Die Meere, in welchen sich diese beiden Facies entwickelten, können daher kaum in direktem Zusammenhang gestanden haben. Bei Beginn der Tertiärzeit waren somit wohl schon die Züge Frankreichs im großen vorgezeichnet, nur drangen im N. und W. noch tiefe Golfe ein, die während dieser Zeit vorübergehend sich abschlossen und zu Süßwasserseen wurden, deren es auch mehrere (Limagne z. B.) im Innern gab.
Gegen Ende der Tertiärzeit, aber noch weit in die Quartärzeit hinein fanden die vulkanischen Eruptionen Zentralfrankreichs statt, die dem Relief desselben im wesentlichen die Züge der Jetztzeit verliehen. Daß sich die Umrisse des Landes aber noch beständig ändern, sehen wir daraus, daß die Trennung von England erst nach der Eiszeit [* 18] erfolgt sein muß, sowie daraus, daß an den Küsten der Normandie und Bretagne noch in historischer Zeit Landverlust (durch säkulare Senkung?), dagegen an der Küste von Aunis und Saintonge sowie an den Rhônemündungen und in Languedoc Landzuwachs stattgefunden hat. Die Spuren des Menschen sind in Frankreich sehr weit zurück zu verfolgen, in den Diluvialschichten von Abbeville sind Reste menschlicher Kiefer und Feuersteinwaffen, in den Höhlen von Südfrankreich andre Erzeugnisse sehr alten menschlichen Kunstfleißes gefunden worden.
Bewässerung.
Die fließenden Gewässer Frankreichs gehören einerseits dem Gebiet der Nordsee, dem Kanal [* 19] und dem Atlantischen Ozean, anderseits dem Mittelländischen Meer an. Diese beiden Wasserbecken zerfallen weiter in 42 Flußgebiete und zwar in 5 große Stromgebiete (Garonne, Loire, Seine, Rhein mit Maas und Schelde und Rhône), 8 Flußgebiete zweiten Ranges (Somme, Orne, Vilaine, Cherente, Adour, Aude, Hérault und Var) und 29 kleine Becken, welche durch Küstenflüsse gebildet werden.
Auffallend ist dabei, aber für den Verkehr wichtig, daß alle zum Ozean gehenden Flüsse [* 20] von der Mosel bis zum Adour sich mit ihren Quellen, dagegen alle zum Mittelmeer gehenden mit ihren Mündungen einander nähern, die einen also divergieren, die andern konvergieren. Häufig wird das ganze Land in die fünf oben genannten Hauptstromgebiete geteilt, indem denselben die kleinern Becken angereiht werden. Von diesen fünf Stromgebieten gehören dann die der Garonne, Loire und Seine ganz und ausschließlich an, während das des Rheins mit einem sehr kleinen Teil, das des Rhône mit dem größten Teil auf französisches Gebiet fallen.
Die zwei erstern folgen der westlichen Abdachung in den Ozean, das dritte der des Kanals, das vierte der zur Nordsee, das fünfte der südlichen Abdachung zum Mittelländischen Meer. Wir sehen somit, wie außerordentlich günstig diese großen Stromsysteme für den Binnen- wie für den äußern Verkehr angeordnet sind. Sie setzen das Binnenland mit beiden Meeren und den Rheinlandschaften im NO. in Verbindung und hängen untereinander über ihre niedern Wasserscheiden durch Kanäle zusammen.
Ein großartiges, freilich in den letzten Jahrzehnten durch das Monopol der großen Eisenbahngesellschaften zum Teil künstlich nutzlos gemachtes Kanalnetz, dessen Entwickelung noch ins 17. Jahrh. zurückreicht, bedeckt ganz Frankreich. Die Flüsse werden allerdings sämtlich in ihrem Wert dadurch beeinträchtigt, daß infolge maßloser Entwaldung ihr Wasserstand ein sehr wechselnder ist; auf sehr niedriges Wasser folgen furchtbare Überschwemmungen, namentlich im Garonne- und Loiregebiet, die Flußbetten versanden, und Seitenkanäle müssen sie ersetzen.
Der Rhône hat überdies so starkes Gefälle, daß er nur schwer zur Bergfahrt benutzt werden kann. Die Garonne (im Unterlauf Gironde, 575 km lang, wovon 468 km schiffbar sind, im Mittel 200 m breit) nimmt als Nebenflüsse auf: rechts Ariége, Tarn, Lot, Dordogne (mit Vézère und Isle, letztere mit der Dronne);
links Gers und Baise. Die Loire (1002 km lang, 822 km schiffbar), Frankreichs größter und längster Strom, empfängt als Nebenflüsse: rechts Aron, Nièvre, Maine (gebildet durch Mayenne, Sarthe und Loir) und ¶