Verödung der großen
Kahlschläge, die schlechte
Beschaffenheit der uniformen jüngern Bestände, die rasch sich mehrenden
Insektenschäden, welche als
Folgen der großen Kahlhiebe angesehen werden, hinwiesen. Die Forstwirtschaft der neuesten Zeit kehrt um zum
Vorverjüngungsbetrieb, zum gemischten Bestand mit möglichst reich entwickeltem Blattvermögen und möglichst großer Bestrahlungs-
(Atmungs-)
Fläche; sie strebt nach dem intensiven, streng lokalisierten Betrieb der kleinsten
Fläche und
hat sich von der Herrschaft der schablonisierenden Generalregeln losgerungen.
Mehr und mehr gewinnt
sie den wahren volkswirtschaftlichen
Boden und damit ihre wahrhaft rationelle Gestaltung. Daß die ein
Gewerbe sei und insofern teilnehme an dem
Streben nach der höchstenRente (höchsten
Unternehmergewinn,
höchsten
Bodenrente), haben die Forstwirte der neuesten Zeit erkannt, ohne jedoch den finanziellen
Gesichtspunkten eine ausschließliche
Herrschaft einzuräumen. Über Hauptbetriebsarten der Forstwirtschaft s.
Betriebsarten.
die Gesamtheit der staatlichen Maßregeln zur Beseitigung der Hindernisse der Waldwirtschaft
und zur
Förderung derselben, ein Teil der
Forstpolizei bei Auffassung der letztern im weitern
Sinn (s.
Forstpolizei).
Werden diese Wissenszweige in dem durch die forstlichen
Zwecke begrenzten
Umfang aufgefaßt, so pflegt man dies durch den Zusatz
»Forst«
[* 2] anzudeuten
(Forstbotanik,
Forstzoologie, Forstmathematik, Forstvermessung etc.). Die Forstwissenschaft ist
eine angewandte
Wissenschaft. Aus der Anwendung der Grundwissenschaften auf das Forstwesen ergeben sich
die forstlichen
Haupt- oder
Fachwissenschaften. Das noch nicht völlig durchgebildete
System derselben läßt sich folgendermaßen
gliedern:
I. Forstwirtschaftslehre.
1) ForstlicheProduktionslehre: a) Waldbaulehre; b) Forstschutzlehre; c) Forstnutzungslehre.
Nebenwissenschaften, die in keinem notwendigen Zusammenhang mit den forstlichen
Fachwissenschaften stehen, aber von den Forstleuten
in der
Regel gekannt sein müssen, sind Rechtskunde und Baukunde.
Die Geschichte der Forstwissenschaft geht kaum um 1½
Jahrhundert zurück. Solange das
Holz
[* 3] im Überfluß vorhanden war (s.
Forstwirtschaft),
fehlte es an jedem
Motiv, die Forstwirtschaftslehre systematisch zu gestalten und
wissenschaftlich zu
begründen. Auch dann, als seit dem 16. und 17. Jahrh. der traurige Zustand vieler
Forsten, die
Furcht vor Holzmangel zu einer
rationellern Gestaltung der Waldbenutzung mahnten, entwickelte sich nur ganz langsam eine wissenschaftliche Behandlung der
auf einer ziemlich rohen
Empirie beruhenden Forstwirtschaftslehre.
Die mit dem Wirtschaftsvollzug betrauten
Jäger vermochten nichts weiter, als auf dem Weg der praktischen
Beobachtung gewisse
Regeln für die
Wirtschaft abzuleiten, welche sie oft genug in unberechtigter
Weise generalisierten und dadurch
ihres ganzen
Wertes beraubten. Auch als seit 1760
Forstschulen entstanden, richteten sie ihre Thätigkeit zunächst lediglich
auf die Erlernung des praktischen, handwerksmäßigen Wirtschaftsvollzugs. Der erste
Versuch, das gesamte
forstliche
Wissen zu sammeln und systematisch zu ordnen, ging von Nichtforstleuten, von kameralistisch gebildeten
Polyhistoren
aus, von denen unter den Verwaltungsbeamten v.
Moser
(»Grundsätze der Forstökonomie«, 1757),
v.
Brocke (»Wahre
Gründe der physikalischen und experimentalischen allgemeinen Forstwissenschaft«, 1768-75),
unter den kameralistisch gebildeten Universitätslehrern, welche seit 1770 auf den meisten deutschen
Hochschulen Forstwissenschaft lehrten,
Suckow
(Professor an der Kameralhochschule zu
Lautern, Verfasser einer
»ÖkonomischenBotanik«, 1777),
Jung-Stilling (Verfasser
eines »Lehrbuches der Forstwissenschaft«, 1781),
Nau (Verfasser einer »Anleitung zur deutschen Forstwissenschaft«, 1790),
Walther (Verfasser mehrerer wertvoller forstbotanischer
Schriften und eines »Lehrbuches der Forstwissenschaft«, 1795)
und Trunk in Freiburg
[* 4] (»Forstlehrbuch«, 1788) die bedeutendsten sind. Durch die
voraufgeführten
Arbeiten der
Kameralisten fand die Forstwirtschaftslehre die erste systematische Gestaltung; ihr wissenschaftlichen
Inhalt und eine exakte Begründung zu verleihen, waren diese gänzlich außerhalb der praktischen
Wirtschaft stehenden
Männer
unfähig. Zu dieser
Arbeit waren vielmehr die Berufsforstwirte bestimmt, aber vor 1790 wenig geeignet,
da ihnen eine tiefere wissenschaftliche
Bildung mangelte.
Zunächst schien es auch vor allem wichtig, in den praktischen Wirtschaftsbetrieb größere
Ordnung und Übersichtlichkeit
zu bringen. Eine
Reihe von
Systemen der
Forsteinrichtung entstand, und auch die mathematische Seite der Forstwissenschaft machte rasche Fortschritte.
Auf diesem Gebiet haben Öttelt in
Thüringen (Verfasser einer ihrer Zeit bedeutenden
Schrift: »Beweis, daß die
Mathesis bei
dem Forstwesen unentbehrliche
Dienste
[* 5] thut«, 1765-68),
v. Wedell in
Schlesien,
[* 6]
Hennert in der
MarkBrandenburg
[* 7] (Verfasser einer
»Anweisung zur
Taxation der
Forsten«, 1791) Bedeutendes geleistet. Es entstanden rasch eine
Reihe vonForstschulen,
und seit 1795 gab
Bechstein auf seiner Privatforstschule zu
Waltershausen (später
Dreißigacker) dem
Studium der Forstwissenschaft die schulgerechte
methodische Form und encyklopädische Vollständigkeit; aber es fehlte noch immer die volle Beteiligung der praktischen Forstwirte
an diesen Bestrebungen, es fehlte der Mann, der die Waldwirtschaft aus den
Bahnen des
Handwerks hinüberführte
zu rationeller Übung, der den Scholastizismus, in welchen die Forstwissenschaft zu versinken drohte, überwand und
beide dem
Streben nach einem exakten
Ausbau der
Wissenschaft vom
Walde dienstbar machte.
Einen bedeutenden
Schritt vorwärts wurde die junge in dieser
Richtungdurch G.L.HartigundCotta am Anfang des 19. Jahrh.
geführt. Beide, praktisch begabt, naturwissenschaftlich und mathematisch gebildet, sind die
Reformatoren
der
¶
mehr
Forstwirtschaft und Forstwissenschaft geworden. Aber die Gesamtverhältnisse jener Zeit, die geringe Entwickelung der Naturwissenschaften,
die geringe Bildung der meisten Forstbeamten versagten ihnen die Krönung des Werkes, dessen Fundament sie legten. Über die
Zusammenstellung schulgerechter Generalregeln, deren naturwissenschaftliche Begründung sie der Zukunft überlassen mußten,
sind beide nicht weit emporgestiegen. Ja, eine gewisse doktrinäre Schulrichtung (vollkommen geeignet
für die damaligen Praktiker), eine gewisse dogmatische Gebundenheit ist zur Signatur, namentlich der Hartigschen Epoche, geworden.
Gegen diese Regelgerechtigkeit und Gebundenheit trat Fr. Pfeil seit 1816 energisch auf. Autodidakt, mit scharfem und besonders
kritischem Verstand ausgestattet, ist er der Begründer einer Richtung in der Forstwissenschaft geworden, welche die Berechtigung
der Schulregeln leugnet und alle wirtschaftlichen Maßregeln aus der freien Beurteilung der konkreten örtlichen Verhältnisse
herleitet. Gleichzeitig hat Pfeil zuerst die allgemein wirtschaftlichen Grundlagen der Forstwirtschaft klar erfaßt.
Reum in Tharandt (»Forstbotanik«, 2. Aufl., Dresd. 1828) u. a. waren auf diesem Weg weiter vorgeschritten;
Hundeshagen und Th. Hartig haben sodann auf diesem Gebiet mit Erfolg weiter gearbeitet. Die übrigen, dem
Gebiet der Naturwissenschaften angehörigen forstlichen Grundwissenschaften fanden erst seit 1830 eine wahrhaft wissenschaftliche
Bearbeitung, die Entomologie durch Th. Hartig und in hervorragender Weise durch Ratzeburg (»Forstinsekten«, Berl. 1839-44, 3 Bde.),
K. Grebe.
Viel früher waren die mathematischen Grundlagen der Forstwissenschaft zu einem gewissen Abschluß gekommen. Die Arbeiten von Späth in Altdorf
(»Handbuch der Forstwissenschaft«, Nürnb.
1801-1805),
von Paulsen und Hundeshagen
(Formelmethoden) sind hier besonders zu nennen. Die mathematische Forstwissenschaft fand später in König (»Handbuch
der Forstmathematik«, 5. Aufl. von Grebe, Gotha
[* 11] 1864), Preßler, K. und G. Heyer namhafte Vertreter. So sehr zur Zeit
noch die Ansichten über die Ziele des forstwissenschaftlichen Strebens auseinander gehen, so viele Probleme noch zu lösen bleiben,
so verschieden die Wege sind, welche man geht, um ihre Lösung zu finden: darin sind alle einig, daß die Forstwissenschaft sich zu ihrem
fernern Aufbau der Methode des exakten Versuchs zu bedienen hat, und daß die in neuerer Zeit durchgeführte
Organisation des forstlichen Versuchswesens in Deutschland
[* 12] in erster Linie dazu berufen ist, der wissenschaftlichen Forschung
wichtiges Materia- ^[Druckfehler, richtig: Material] zu liefern.
die forstliche Statik, in neuerer
Zeit von K. Heyer, Preßler in Tharandt, besonders aber von G. Heyer zum Gegenstand eingehender Studien gemacht,
wird einst mit Hilfe reichen statistischen Materials zur Erhellung der volkswirtschaftlichen Grundlagen
der Forstwirtschaft
beitragen, und die von ihr auszubauende Theorie der forstlichen Reinertragslehre (einst in ihrer Bedeutung schon von Pfeil
gewürdigt, von Hundeshagen in ihren Grundzügen aufgestellt, wenngleich ihr wissenschaftlicher Ausbau
diesen Männern nicht gelang) wird einst wichtige Direktiven geben.
Die in neuerer Zeit mit Lehrkräften und Lehrmitteln reich
ausgestatteten forstlichen Unterrichtsanstalten arbeiten, wenngleich auf verschiedenen Wegen (Forstakademie, Universität),
an der Fortbildung und Vertiefung der Forstwissenschaft. Auch in der Wirtschaft ist ein reges wissenschaftliches Leben
vielerorts eingekehrt, wozu Zeitschriften und zahlreiche Vereine reiche Anregung geben. Die Forstgeschichte, d. h. die geschichtliche
Darstellung der Rechtsverhältnisse des Waldes (namentlich des Waldeigentums), der Waldwirtschaft, der und Forstpolitik, wurde
besonders bearbeitet durch Bernhardt, Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und in Deutschland (Berl. 1872-75, 3 Bde.);