Verödung der großen Kahlschläge, die schlechte Beschaffenheit der uniformen jüngern Bestände, die rasch sich mehrenden
Insektenschäden, welche als Folgen der großen Kahlhiebe angesehen werden, hinwiesen. Die Forstwirtschaft der neuesten Zeit kehrt um zum
Vorverjüngungsbetrieb, zum gemischten Bestand mit möglichst reich entwickeltem Blattvermögen und möglichst großer Bestrahlungs-
(Atmungs-) Fläche; sie strebt nach dem intensiven, streng lokalisierten Betrieb der kleinsten Fläche und
hat sich von der Herrschaft der schablonisierenden Generalregeln losgerungen.
Mehr und mehr gewinnt sie den wahren volkswirtschaftlichen Boden und damit ihre wahrhaft rationelle Gestaltung. Daß die ein
Gewerbe sei und insofern teilnehme an dem Streben nach der höchsten Rente (höchsten Unternehmergewinn,
höchsten Bodenrente), haben die Forstwirte der neuesten Zeit erkannt, ohne jedoch den finanziellen Gesichtspunkten eine ausschließliche
Herrschaft einzuräumen. Über Hauptbetriebsarten der Forstwirtschaft s. Betriebsarten.
die Gesamtheit der staatlichen Maßregeln zur Beseitigung der Hindernisse der Waldwirtschaft
und zur Förderung derselben, ein Teil der Forstpolizei bei Auffassung der letztern im weitern Sinn (s.
Forstpolizei).
Gegenstände der Forstwirtschaftspflege sind: Ablösung der Waldservituten, Bildung von Waldgenossenschaften, Förderung der Waldwirtschaft
durch Abgabe von Pflanzen an Privatwaldbesitzer, Begünstigung des forstlichen Vereinswesens, Unterstützung der Waldkultur durch
Geldzuschüsse, Aufnahme von Privatwaldungen in den Verwaltungs- und Schutzverband der Staatsforsten auf Antrag der Waldeigentümer
etc.
die Gesamtheit der systematisch geordneten Kenntnisse, welche sich auf das
Forstwesen beziehen. Einen Teil jener Kenntnisse empfängt die Forstwissenschaft von andern Wissenschaften, und sie begründet ihre Schlußfolgerungen
durch diese Wissenszweige, welche man daher die forstlichen Grundwissenschaften nennt. Als solche sind anzusehen die Naturwissenschaften:
Physik, Chemie, Mineralogie, Geognosie, Bodenkunde, Meteorologie und Klimalehre, dann Botanik und Zoologie, ferner
Mathematik, Volkswirtschaftslehre, Staatswissenschaft.
Werden diese Wissenszweige in dem durch die forstlichen Zwecke begrenzten Umfang aufgefaßt, so pflegt man dies durch den Zusatz
»Forst« anzudeuten (Forstbotanik, Forstzoologie, Forstmathematik, Forstvermessung etc.). Die Forstwissenschaft ist
eine angewandte Wissenschaft. Aus der Anwendung der Grundwissenschaften auf das Forstwesen ergeben sich
die forstlichen Haupt- oder Fachwissenschaften. Das noch nicht völlig durchgebildete System derselben läßt sich folgendermaßen
gliedern:
I. Forstwirtschaftslehre.
1) Forstliche Produktionslehre: a) Waldbaulehre; b) Forstschutzlehre; c) Forstnutzungslehre.
2) Forstliche Betriebslehre: a) Waldwert- und Rentabilitätslehre; b) Forsteinrichtungslehre.
Nebenwissenschaften, die in keinem notwendigen Zusammenhang mit den forstlichen Fachwissenschaften stehen, aber von den Forstleuten
in der Regel gekannt sein müssen, sind Rechtskunde und Baukunde.
Die Geschichte der Forstwissenschaft geht kaum um 1½ Jahrhundert zurück. Solange das Holz im Überfluß vorhanden war (s. Forstwirtschaft),
fehlte es an jedem Motiv, die Forstwirtschaftslehre systematisch zu gestalten und
wissenschaftlich zu
begründen. Auch dann, als seit dem 16. und 17. Jahrh. der traurige Zustand vieler Forsten, die Furcht vor Holzmangel zu einer
rationellern Gestaltung der Waldbenutzung mahnten, entwickelte sich nur ganz langsam eine wissenschaftliche Behandlung der
auf einer ziemlich rohen Empirie beruhenden Forstwirtschaftslehre.
Die mit dem Wirtschaftsvollzug betrauten Jäger vermochten nichts weiter, als auf dem Weg der praktischen
Beobachtung gewisse Regeln für die Wirtschaft abzuleiten, welche sie oft genug in unberechtigter Weise generalisierten und dadurch
ihres ganzen Wertes beraubten. Auch als seit 1760 Forstschulen entstanden, richteten sie ihre Thätigkeit zunächst lediglich
auf die Erlernung des praktischen, handwerksmäßigen Wirtschaftsvollzugs. Der erste Versuch, das gesamte
forstliche Wissen zu sammeln und systematisch zu ordnen, ging von Nichtforstleuten, von kameralistisch gebildeten Polyhistoren
aus, von denen unter den Verwaltungsbeamten v. Moser (»Grundsätze der Forstökonomie«, 1757),
Stahl (»Onomatologia forestalis«,
1772),
v. Brocke (»Wahre Gründe der physikalischen und experimentalischen allgemeinen Forstwissenschaft«, 1768-75),
unter den kameralistisch gebildeten Universitätslehrern, welche seit 1770 auf den meisten deutschen Hochschulen Forstwissenschaft lehrten,
Suckow (Professor an der Kameralhochschule zu Lautern, Verfasser einer »Ökonomischen Botanik«, 1777),
Jung-Stilling (Verfasser
eines »Lehrbuches der Forstwissenschaft«, 1781),
Nau (Verfasser einer »Anleitung zur deutschen Forstwissenschaft«, 1790),
Walther (Verfasser mehrerer wertvoller forstbotanischer Schriften und eines »Lehrbuches der Forstwissenschaft«, 1795)
und Trunk in Freiburg
(»Forstlehrbuch«, 1788) die bedeutendsten sind. Durch die
voraufgeführten Arbeiten der Kameralisten fand die Forstwirtschaftslehre die erste systematische Gestaltung; ihr wissenschaftlichen
Inhalt und eine exakte Begründung zu verleihen, waren diese gänzlich außerhalb der praktischen Wirtschaft stehenden Männer
unfähig. Zu dieser Arbeit waren vielmehr die Berufsforstwirte bestimmt, aber vor 1790 wenig geeignet,
da ihnen eine tiefere wissenschaftliche Bildung mangelte.
Zunächst schien es auch vor allem wichtig, in den praktischen Wirtschaftsbetrieb größere Ordnung und Übersichtlichkeit
zu bringen. Eine Reihe von Systemen der Forsteinrichtung entstand, und auch die mathematische Seite der Forstwissenschaft machte rasche Fortschritte.
Auf diesem Gebiet haben Öttelt in Thüringen (Verfasser einer ihrer Zeit bedeutenden Schrift: »Beweis, daß die Mathesis bei
dem Forstwesen unentbehrliche Dienste thut«, 1765-68),
v. Wedell in Schlesien, Hennert in der Mark Brandenburg (Verfasser einer
»Anweisung zur Taxation der Forsten«, 1791) Bedeutendes geleistet. Es entstanden rasch eine Reihe von Forstschulen,
und seit 1795 gab Bechstein auf seiner Privatforstschule zu Waltershausen (später Dreißigacker) dem Studium der Forstwissenschaft die schulgerechte
methodische Form und encyklopädische Vollständigkeit; aber es fehlte noch immer die volle Beteiligung der praktischen Forstwirte
an diesen Bestrebungen, es fehlte der Mann, der die Waldwirtschaft aus den Bahnen des Handwerks hinüberführte
zu rationeller Übung, der den Scholastizismus, in welchen die Forstwissenschaft zu versinken drohte, überwand und
beide dem Streben nach einem exakten Ausbau der Wissenschaft vom Walde dienstbar machte.
Einen bedeutenden Schritt vorwärts wurde die junge in dieser Richtung durch G.L. Hartig und Cotta am Anfang des 19. Jahrh.
geführt. Beide, praktisch begabt, naturwissenschaftlich und mathematisch gebildet, sind die Reformatoren
der
mehr
Forstwirtschaft und Forstwissenschaft geworden. Aber die Gesamtverhältnisse jener Zeit, die geringe Entwickelung der Naturwissenschaften,
die geringe Bildung der meisten Forstbeamten versagten ihnen die Krönung des Werkes, dessen Fundament sie legten. Über die
Zusammenstellung schulgerechter Generalregeln, deren naturwissenschaftliche Begründung sie der Zukunft überlassen mußten,
sind beide nicht weit emporgestiegen. Ja, eine gewisse doktrinäre Schulrichtung (vollkommen geeignet
für die damaligen Praktiker), eine gewisse dogmatische Gebundenheit ist zur Signatur, namentlich der Hartigschen Epoche, geworden.
Gegen diese Regelgerechtigkeit und Gebundenheit trat Fr. Pfeil seit 1816 energisch auf. Autodidakt, mit scharfem und besonders
kritischem Verstand ausgestattet, ist er der Begründer einer Richtung in der Forstwissenschaft geworden, welche die Berechtigung
der Schulregeln leugnet und alle wirtschaftlichen Maßregeln aus der freien Beurteilung der konkreten örtlichen Verhältnisse
herleitet. Gleichzeitig hat Pfeil zuerst die allgemein wirtschaftlichen Grundlagen der Forstwirtschaft klar erfaßt.
Der rasche Aufschwung, welchen seit 1820 die Naturwissenschaften nahmen, wirkte mächtig mit zu der Vertiefung der Forstwissenschaft. Auf
dem forstbotanischen Gebiet hatten schon Walther und Burgsdorff vor Hartig und Cotta nicht Unbedeutendes geleistet, und Bechstein
in Dreißigacker (»Forstbotanik«, 5. Aufl. von Behlen, Erfurt 1842),
Borckhausen (»Handbuch der Forstbotanik und Forsttechnologie«,
Gieß. 1800-1803),
Reum in Tharandt (»Forstbotanik«, 2. Aufl., Dresd. 1828) u. a. waren auf diesem Weg weiter vorgeschritten;
Hundeshagen und Th. Hartig haben sodann auf diesem Gebiet mit Erfolg weiter gearbeitet. Die übrigen, dem
Gebiet der Naturwissenschaften angehörigen forstlichen Grundwissenschaften fanden erst seit 1830 eine wahrhaft wissenschaftliche
Bearbeitung, die Entomologie durch Th. Hartig und in hervorragender Weise durch Ratzeburg (»Forstinsekten«, Berl. 1839-44, 3 Bde.),
die Bodenkunde durch Hundeshagen, Senft (»Lehrbuch der Gebirgs- und Bodenkunde«, Jena 1847, 2 Bde.),
K. Grebe.
Viel früher waren die mathematischen Grundlagen der Forstwissenschaft zu einem gewissen Abschluß gekommen. Die Arbeiten von Späth in Altdorf
(»Handbuch der Forstwissenschaft«, Nürnb.
1801-1805),
Däzel (»Über die zweckmäßigste Methode, große Waldungen auszumessen und zu berechnen«, Münch. 1799), die Methoden
der Forsteinrichtung von G.L. Hartig und Cotta (die sogen. Fachwerksmethoden, s. Forsteinrichtung),
von Paulsen und Hundeshagen
(Formelmethoden) sind hier besonders zu nennen. Die mathematische Forstwissenschaft fand später in König (»Handbuch
der Forstmathematik«, 5. Aufl. von Grebe, Gotha 1864), Preßler, K. und G. Heyer namhafte Vertreter. So sehr zur Zeit
noch die Ansichten über die Ziele des forstwissenschaftlichen Strebens auseinander gehen, so viele Probleme noch zu lösen bleiben,
so verschieden die Wege sind, welche man geht, um ihre Lösung zu finden: darin sind alle einig, daß die Forstwissenschaft sich zu ihrem
fernern Aufbau der Methode des exakten Versuchs zu bedienen hat, und daß die in neuerer Zeit durchgeführte
Organisation des forstlichen Versuchswesens in Deutschland in erster Linie dazu berufen ist, der wissenschaftlichen Forschung
wichtiges Materia- ^[Druckfehler, richtig: Material] zu liefern.
Noch bleibt vieles zu thun: die Forststatistik harrt ihrer festen Gestaltung im Deutschen Reich;
die forstliche Statik, in neuerer
Zeit von K. Heyer, Preßler in Tharandt, besonders aber von G. Heyer zum Gegenstand eingehender Studien gemacht,
wird einst mit Hilfe reichen statistischen Materials zur Erhellung der volkswirtschaftlichen Grundlagen
der Forstwirtschaft
beitragen, und die von ihr auszubauende Theorie der forstlichen Reinertragslehre (einst in ihrer Bedeutung schon von Pfeil
gewürdigt, von Hundeshagen in ihren Grundzügen aufgestellt, wenngleich ihr wissenschaftlicher Ausbau
diesen Männern nicht gelang) wird einst wichtige Direktiven geben.
Die in neuerer Zeit mit Lehrkräften und Lehrmitteln reich
ausgestatteten forstlichen Unterrichtsanstalten arbeiten, wenngleich auf verschiedenen Wegen (Forstakademie, Universität),
an der Fortbildung und Vertiefung der Forstwissenschaft. Auch in der Wirtschaft ist ein reges wissenschaftliches Leben
vielerorts eingekehrt, wozu Zeitschriften und zahlreiche Vereine reiche Anregung geben. Die Forstgeschichte, d. h. die geschichtliche
Darstellung der Rechtsverhältnisse des Waldes (namentlich des Waldeigentums), der Waldwirtschaft, der und Forstpolitik, wurde
besonders bearbeitet durch Bernhardt, Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und in Deutschland (Berl. 1872-75, 3 Bde.);
Roth, Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland (das. 1879);
v. Berg, Geschichte der deutschen
Wälder bis zum Schluß des Mittelalters (Dresd. 1871);
Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft seit dem 16. Jahrhundert (Münch. 1865);
Schwappach, Grundriß der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands (Berl. 1883), und dessen größeres »Handbuch
der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands« (das. 1885 ff.).
Vgl. Heß, Encyklopädie u. Methodologie der
Forstwissenschaft (Nördling. 1885 ff.).