mehr
Geschichte.
Florenz, das alte Florentia, wurde als römische Militärkolonie von Sulla angelegt und blühte so rasch auf, daß es schon im 4. Jahrh. n. Chr. Hauptstadt der Provinz Tuscia und Sitz eines Bischofs war. Von dem Ostgotenkönig Totilas zerstört, erhob es sich allmählich wieder aus seinen Trümmern und hatte unter der Herrschaft der Langobarden und Franken eigne Grafen. In den Kämpfen zwischen Guelfen und Ghibellinen stand Florenz [* 2] gewöhnlich auf seiten der erstern. Daher erklärte Kaiser Friedrich I. alle Edelleute, deren Herrschaften dem florentinischen Gebiet einverleibt worden waren, wieder für reichsfrei und entzog auch der Stadt manches andre usurpierte Recht.
In dem Bund, welchen die toscanischen Städte 1198 gegen Philipp von Schwaben schlossen, stand Florenz schon als Republik an der Spitze. Die von diesem Bund 1199 beschlossene Podestatenregierung scheint in Florenz erst 1207 bleibend eingeführt worden zu sein, auch übertrug man hier dem Podesta bloß die Rechtspflege; die Administration der Stadt nebst der politischen Gewalt behielten die sechs Konsuln und ein städtischer Rat von 100 angesehenen Bürgern. Nun erhob sich Florenz trotz des Zwiespalts unter den Adelsfaktionen ^[richtig: Adelsfraktionen] immer mächtiger und unterwarf sich während der Abwesenheit der deutschen Könige wieder einen Teil des benachbarten Landadels.
Auch ging es aus wiederholten Fehden mit Pisa, [* 3] Siena, Pistoja u. a. siegreich hervor. Als Kaiser Friedrich II. die Ghibellinen, besonders die Uberti, in Florenz gegen die Guelfen unterstützte, beteiligte sich zum erstenmal auch das niedere Volk an den Fehden des Adels. Im Oktober 1250 erhoben sich die Einwohner von Florenz, erklärten die Gewalt des Podesta und der andern Behörden für erloschen und konstituierten sich als eine militärisch eingerichtete Eidgenossenschaft des Volkes (popolo).
An der Spitze stand ein Hauptmann des Volkes (capitano del popolo), ihm zur Seite als beratendes Kollegium 12 Volksälteste (anziani del popolo), je 2 aus jedem der 6 Quartiere (sestieri), in welche die Stadt geteilt wurde. Die ganze Eidgenossenschaft ward in 20 Kriegshaufen oder Fahnen (gonfaloni), mit je einem Bannerherrn (gonfaloniere) an der Spitze, und die Einwohner des Gebiets in 96 Kirchspiele (pivieri) geteilt, die ebenfalls bewaffnete Haufen zu stellen hatten.
Den Adel nannte man nun im Gegensatz zur Eidgenossenschaft des Volkes »die Großen« (i grandi). Wiewohl man dieselben im übrigen unangefochten ließ, meinten sie sich doch durch Zusammenwohnen in förmlich befestigten Quartieren sichern zu müssen. Nach Friedrichs II. Tode (Dezember 1250) gestand der Popolo den Guelfen die Rückkehr zu, die im Januar 1251 erfolgte, und Volksregiment und Adel erkannten nun wieder einen Podesta als gemeinschaftliche höhere Behörde an. Die Guelfen gewannen jetzt das Übergewicht, so daß die vertriebenen Ghibellinen 1260 von Siena aus sich an Manfred, Friedrichs II. Sohn, um Hilfe wandten.
Mit Hilfe einer von demselben gesandten deutschen Söldnerschar wurden die Guelfen bei Montaperto geschlagen, worauf die Ghibellinen wieder das Regiment in Florenz erhielten. Sie erkannten Manfred als König an und nahmen den Grafen von San Severino als seinen Statthalter auf; zugleich schloß Florenz mit Pisa und Siena einen Bund gegen die Guelfen. Aber 1266 errangen letztere durch Karl von Anjous Sieg über Manfred wieder die Oberhand, und die Ghibellinen wurden abermals vertrieben (1267), erhielten indes 1278 die Erlaubnis zur Rückkehr.
Statt der 12 Männer, welche während der zehn Jahre von König Karls von Anjou Signorie dem Vikar desselben als nächste Räte beigeordnet waren, wurden nun deren 14, nämlich 8 Guelfen und 6 Ghibellinen, erwählt, deren Regiment je zwei Monate dauerte; doch wurde dies Regiment vom Volk schon 1282 wieder beseitigt, indem die innern Angelegenheiten so geordnet wurden, daß alle Gewalt den 7 höhern Zünften (dem sogen. popolo grasso gegenüber dem popolo minuto, den 5 niedern Zünften) zufiel, die nun 3 Prioren der 3 vornehmsten Zünfte an die Spitze des Staats stellten; der Adel behielt aber seine Macht, indem er sich in die obern Zünfte aufnehmen ließ.
Eine weitere Verfassungsreform in demokratischem Sinn versuchte Giano della Bella, der, obwohl Sprößling eines altadligen Geschlechts, doch den frevelhaften Egoismus verabscheute, mit welchem die großen Adelsfraktionen in gegenseitigen wütenden Kämpfen ohne Rücksicht auf das Wohl des Gemeinwesens nach der Herrschaft über die Stadt, dem Besitz der höchsten Ämter und der Exemtion von allen bürgerlichen Lasten strebten. Seine Bestrebungen gingen auf eine gleichmäßige Verteilung der Rechte und Pflichten nach dem Muster antiker Timokratien hinaus. Zu diesem Zweck erließ er 1292 die Ordonnanzen der Gerechtigkeit, deren Ausführung ein Gonfaloniere della Giustizia mit außerordentlichen Vollmachten zu überwachen hatte.
Unter seiner Leitung blühte Florenz auf, dehnte seine Herrschaft über ein weites Gebiet aus und wurde um so mächtiger, je mehr die adligen Territorien und kleinen Munizipien ihre Hoheitsrechte und Regalien dem Vorort abtreten mußten. Dies bildete zugleich eine zweite reiche Einkommensauelle für das Gemeinwesen, die von einem aus der Mitte der Popolanen (Patrizier und Zünfte) erwählten besondern Capitano trefflich ausgenutzt wurde. Der Einfluß des dem Adel tödlich verhaßten Giano begann indes zu wanken, als die reichen Popolanen, neidisch auf des Mannes Macht und Ansehen, sich mit den ihre Fehden vertagenden Adelsfraktionen zu seinem Sturz verbanden.
Vermittelst falscher Anklagen wußten sie seine Verbannung zu erwirken, und Giano verließ 1294 heimlich und gegen den Willen des ihm mit Leib und Seele ergebenen niedern Volkes, um neuen Unruhen vorzubeugen, die Stadt. Hierdurch kühner gemacht, erschienen plötzlich die Edelleute mit den bewaffneten Scharen ihrer Hintersassen vom Land und ihrer Hausgenossen aus der Stadt und forderten die Aufhebung der gegen den Adel gerichteten Gesetze. Da aber sofort alles Volk unter die Waffen [* 4] trat, stand der Adel von seinen Forderungen ab. Die meisten ärmern adligen Geschlechter und Linien trieben seitdem bürgerliche Gewerbe und traten in die Zünfte des Popolo grasso, dessen einflußreichste Familien, wie die Mancini, Magalotti, Altoviti, Peruzzi, Acciajuoli, Cerretani etc., von nun an eine faktische Nobilität in der Stadt erlangten, während die Granden ohne Einfluß blieben.
Nun erhoben sich wieder zwei mächtige Parteien gegeneinander, die der Neri (Schwarzen) und Bianchi (Weißen); an der Spitze jener, die guelfisch gesinnt waren, standen die Donati und an der der letztern die Cerchi, welche die ghibellinische Sache vertraten. Beide Parteien bekämpften sich bis aufs Blut. Um dem Zwist eine Ende zu machen, verbannten die Prioren einige hervorragende Parteihäupter aus der Stadt. Bald aber riefen die Neri unter dem Vorwand, daß einem Haupte der Bianchi die Rückkehr verstattet worden sei, den Grafen Karl von Valois, den Bruder des Königs Philipp IV. ¶
mehr
von Frankreich, der eben für das folgende Jahr mit Karl II. von Neapel [* 6] eine gemeinsame Unternehmung gegen Sizilien [* 7] plante, von Anagni aus zu Hilfe und kehrten mit ihm in die Stadt zurück Treulos seinem beim Einzug geleisteten Eid, sich jedes Eingriffs in die Verfassung zu enthalten, gab Valois den Neri das Heft wieder in die Hände. Der nach seinem Abzug eintretenden Reaktion, die mit einer Verbannung aller hervorragenden Weißen begann, erlag auch 1302 Dante, der, den Bianchi zugethan, gleich seinen Parteigenossen fortan »darbend die Welt durchwandern« mußte.
Die hierauf von den Schwarzen vorgenommene Verfassungsrevision führte zur Einrichtung einer neuen obersten Exekutivbehörde mit guelfischer Färbung. An die Spitze der Signori (der Prioren) trat neben dem Podesta und dem Gonfaloniere della Giustizia, der sich aus einem Führer des Volkes gegen den Adel ganz in einen Vorsitzenden der Prioren, d. h. in den Leiter der Politik, Gesetzgebung und Verwaltung der Stadt, verwandelt hatte, ein neuer Beamter, der, meist aus den Reihen der Schwarzen hervorgehend, so in parteiisch modifizierter Weise den ursprünglichen Beruf des Bannerherrn der Justiz unter dem Namen eines Executore degli Ordini della giustizia wahrnehmen sollte (1307). Die Hoffnung der Ghibellinen (Weißen) wuchs wieder mit dem Erscheinen des Kaisers Heinrich VII. in Italien. [* 8] Diesem verweigerte Florenz, das inzwischen das Haupt der guelfischen Partei Mittelitaliens geworden war, natürlich den Gehorsam, wofür es zwar vom Kaiser mit den schärfsten Ausdrücken in Bann und Acht des Reichs gethan wurde (1312); doch starb Heinrich im folgenden Jahr, als er sich eben zur Bezwingung des Hauptes der Rebellen anschickte.
Mittlerweile hatte sich die Stadt, durch die drohende Gefahr geschreckt, in den Schutz König Roberts von Neapel begeben (1313), der sie zunächst als »Rektor, Befehlshaber und Herr von Florenz« durch einen Vikar bis 1321 verwalten ließ. Durch den Ghibellinen Castruccio Castracani hart bedrängt, übertrugen sodann die Florentiner [* 9] die Signorie ihrer Stadt dem Herzog Karl von Kalabrien, König Roberts Sohn, auf zehn Jahre. Derselbe nahm sie an, starb aber schon worauf ihm sein bisheriger Stellvertreter, Walther von Brienne, Herzog von Athen, [* 10] folgte, welcher seinen ständigen Sitz nach Florenz verlegte und deutlich seine dynastischen Absichten kundgab.
Die großen Vorteile, welche die Familien des Popolo grasso aus dem Bund mit Neapel zogen, entschädigten für den Verlust der Freiheit. Walther benutzte aber geschickt den Haß der niedern Zünfte und die Eifersucht des Adels gegen den Popolo grasso, um seine Popularität zu vermehren. Wirklich wurde er 1342 auf Lebenszeit zum Oberherrn gewählt. Doch rief sein tyrannisches Regiment bald einen Aufstand hervor, der ihn zur Flucht nötigte (Juli 1343). Durch diese innern Unruhen ermutigt, erhoben sich die Florenz unterworfenen Städte Toscanas: Arezzo, Castiglione, Pistoja, Volterra, Colle, San Gimignano etc., und Florenz, machtlos, sie mit bewaffneter Hand [* 11] wieder zu unterwerfen, sah sich genötigt, ihre Selbständigkeit anzuerkennen. Doch kehrten sie alle bald darauf freiwillig in das vorige wenig drückende Abhängigkeitsverhältnis zu Florenz zurück. Auch den deutschen Kaisern gegenüber behauptete die Stadt fortan so gut wie völlige Unabhängigkeit; dieselben mußten sich mit der Leistung des Lehnseides und der Zahlung einer Jahresquote in barem Geld begnügen und erkannten im übrigen die Autonomie der Kommune bereitwillig an.
Florenz hätte sich seitdem völlig ungestört und frei entwickeln können, wenn diese Entwickelung nicht noch einigermaßen durch die überschüssige Kraft [* 12] einzelner Adelsfraktionen einer, das Streben des niedern Volkes nach größerer Teilnahme am Regiment anderseits beeinträchtigt worden wäre. Zunächst errang der Popolo minuto durch einen Volksaufstand im September 1343 einen Anteil an der Regierung, während die mächtigsten Geschlechter verbannt und der Adel ganz aus dem Regiment verdrängt wurde; doch allmählich bekamen die reichen guelfischen Familien wieder die Oberhand und bildeten eine Oligarchie, die sich durch die Vertreibung der ghibellinisch Gesinnten und ein durchgebildetes Denunziationssystem, das sogen. »Ammonieren« oder Verwarnen mißliebiger Bürger, in ihrer Stellung behauptete.
Eine von Bartolommeo de' Medici 1360 angestiftete Verschwörung wurde unterdrückt, andern Bewegungen durch Ammonieren vorgebeugt. Erst 1378 brach trotz der Ammonitionen oder vielmehr wegen des damit getriebenen Mißbrauchs, der vom Volk durchschaut wurde, eine Revolution der Ciompi (des Popolo minuto) aus, welche, geführt von einem der Ihrigen, Michele Lando, eine demokratische Verfassungsreform erzwangen. Doch bald ward das Volk des tyrannisch-eifersüchtigen Regiments seines frühern Leiters überdrüssig, der durch sein unkluges Verhalten der guelfischen Oligarchenpartei die Restauration der alten Verfassung selbst erleichterte und 1382 seinen Übermut mit der Verbannung büßte.
Nach außen hatte Florenz um diese Zeit mehrfache Gefahren zu bestehen. Ein gefährlicher Feind war der Herzog Galeazzo Visconti von Mailand, [* 13] von welchem es zum Glück 1402 durch dessen Tod befreit wurde. Galeazzos Nachfolger Gabriele Visconti verkaufte 1405 die unter seiner Herrschaft stehende Stadt Pisa an die Florentiner um 200,000 Goldgulden, doch mußte die Stadt 1406 erst mit Gewalt unterworfen werden. Gegen den König Wladislaw von Ungarn [* 14] und Neapel war Florenz ebenfalls glücklich, und einige Verluste im Kampf mit Mailand und Genua [* 15] waren nicht erheblich.
Unter den Adelsfamilien, welche durch Popularität und Einfluß beim niedern Volk mächtig waren, trat mehr und mehr die der Medici hervor. Zwar wurde diese durch die Oligarchie wiederholt verdrängt; allein Giovanni de' Medici, welcher als glücklicher Bankier zur Zeit des Konstanzer Konzils sich großen Reichtum erwarb und in den innern Angelegenheiten, besonders bei der gerechtern Ordnung der Besteuerung, großen Einfluß ausübte, erhob sein Geschlecht zum unbestrittenen Prinzipat.
Damit beginnt für Florenz das sogen. Mediceische Zeitalter, eine Zeit hoher Blüte [* 16] und großen Glanze. Im Gegensatz zu der bisher oft erobernden Politik des Freistaats verfolgten die Medici eine friedliche Politik; sie waren zwar auf Erhaltung der Hegemonie über die toscanischen Städte bedacht, vor allem aber pflegten sie Handel und Industrie, Kunst und Wissenschaft, um Florenz zum Mittelpunkt der italienischen Kultur zu erheben. Nach dem Tod Giovannis de' Medici 1429 vollendete sein Sohn Cosimo dessen Werk; er sprengte die bestehende Oligarchie, erweiterte den Kreis [* 17] der regierenden Familien und schuf so eine breitere demokratische Basis. Er veränderte zu diesem Zweck die Wahlart der Beamten und führte statt des bisherigen Loses eine Wahl-Balie ein, d. h. einen zur Vornahme der Wahlen mit diktatorischer Gewalt bekleideten Ausschuß. Eine Verschwörung gegen Cosimos Sohn Pietro de' Medici (1464-69) unter Luca Pitti wurde entdeckt und unterdrückt. ¶