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Flechtenthallus. Bei dem geschichteten (heteromeren) Thallus unterscheidet man auf dem Durchschnitt [* 1] (Fig. 6) die Rindenschicht, welche aus innig verflochtenen Pilzhyphen besteht und daher ein scheinbares Parenchym darstellt (a a); die Gonidienschicht (gonimische Schicht), welche unterhalb der Rindenschicht liegt, und in welcher außer Hyphen, die von der Rinden- zur Markschicht verlaufen, die Gonidien und die chlorophyllhaltigen Algenzellen enthalten sind (g); endlich die Markschicht, ein wiederum nur aus Pilzhyphen bestehendes, meist lockeres, lufthaltiges Gewebe [* 2] (m), welches im strauchartigen Thallus den innern, im laub- und krustenartigen den untern, dem Substrat anliegenden Teil ausmacht.
An der Unterseite des laubartigen Thallus befinden sich die Haftfasern, dickere oder dünnere Hyphenbündel (r r), welche mit ihren Enden in das Substrat eindringen und dadurch den Thallus befestigen. Das Wachstum des geschichteten Thallus erfolgt durch Zunahme an den Spitzen, bez. an den Rändern und beruht im allgemeinen darauf, daß hier die Hyphen sich verlängern und durch Verzweigung neue zwischen sich erzeugen; die Gonidien sind hier nur als isolierte Zellen oder Zellengruppen zwischen die Hyphen eingestreut, gleichsam wie fremde Bestandteile nisten sie zwischen denselben und vermehren sich nur entsprechend der Zunahme des Thallus.
Bei den Flechten mit ungeschichtetem (homöomerem) Thallus sind die Gonidien nicht auf eine besondere Schicht beschränkt, sondern, mit den Hyphen gemengt, gleichmäßig im ganzen Thallus verbreitet [* 1] (Fig. 7 I). Hierher gehört der Thallus der Gallertflechten, welcher blattartige, meist unregelmäßig krause Gestalt und gallertartige Beschaffenheit besitzt. Seine Gonidien [* 1] (Fig. 7 II) entsprechen genau gewissen Algengattungen, zumal dem Nostoc; auch rührt die gallertartige Substanz dieser Flechten, wie bei Nostoc etc., von den aufgequollenen Membranen derselben her, und ihre Vermehrung bedingt hier allein das Wachstum der Flechte, während die Hyphen den untergeordneten Bestandteil ausmachen, indem sie nur nach allen Richtungen hin in der Gallerte der Gonidien wuchern.
Bei den Fadenflechten (Byssacei) besteht die Gonidienunterlage aus einer sich verzweigenden Fadenalge, die von zarten Fäden, den Pilzhyphen, umflochten wird, so z. B. bei Ephebe und dem aus Baumrinde in Südamerika [* 3] lebenden Coenogonium. Noch merkwürdiger sind die Verhältnisse bei einigen rindenbewohnenden Graphideen, wie Graphis scripta Ach. und Arthronia vulgaris Ach., bei welchen zwei durchaus verschiedene Lebensstadien nacheinander auftreten. Zuerst entwickelt sich ein unter der Baumrinde wachsender gonidienloser Thallus von Pilzhyphen, der sich zentrifugal aus-
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Strauchförmiger Thallus der Renntierflechte (Cladonia [* 4] rangiferina). - Fig. 2. a Laubförmiger Thallus von Obryzum corniculatum; b stark vergrößerte Sporen; c Apothecien. - Fig. 3. Laubförmiger Thallus der Schildflechte (Parmelia conspersa). - Fig. 4. Säulchenflechte (Cladonia fimbriata) mit Podetien;
a ohne, b mit Apothecien. - Fig. 5. a Krustenartiger Thallus der Schriftflechte (Graphis scripta);
b schwach vergrößert;
c Spore, 1000fach vergrößert.
Flechten (Fortpflanzun

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Seite 6.352.Fig. 6. Durchschnitt durch den geschichteten Thallus einer Laubflechte (Sticta fuliginosa), 500fach vergrößert.] ¶
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breitet; im zweiten Stadium wandern dann in diesen Pilzthallus Algenfäden der Gattung Chroolepus durch die Rindenschichten ein, und dann erst ist die Flechte zur Fruktifikation befähigt. Eine andre Arthronia-Art (A. epipasta Körb.) ist sogar zeitlebens gonidienlos und enthält keine Spur von algenartigen Elementen. Dieselbe bleibt also beständig ein echter saprophytischer Pilz, [* 6] während die vorher genannte Art zuerst saprophytischer Pilz, dann auf einwandernden Algen [* 7] wachsender Parasit ist. Die meisten übrigen Flechten, die ohne Algen sich nicht entwickeln können, sind zeitlebens Parasiten.
Die Fortpflanzungsorgane der Flechten (Fruchtlager, Apothecien) enthalten in großer Anzahl die Sporenschläuche (asci), in denen die Sporen erzeugt werden. Sie treten aber in zwei verschiedenen Formen auf, und man unterscheidet danach die in gymnokarpe und angiokarpe. Die Apothecien der gymnokarpen Flechten sind den Fruchtkörpern der Diskomyceten unter den Pilzen (s. d.) gleichende, meist runde, schüssel-, bisweilen auch knopfförmige, gewöhnlich eigentümlich gefärbte Gebilde, welche in der Regel in großer Anzahl auf dem Thallus vorkommen, bei den strauchförmigen Flechten die Ränder oder Spitzen [* 5] (Fig. 4b), bei den laub- und krustenförmigen die Oberseite des Thallus einnehmen [* 5] (Fig. 2 u. 3). Die Apothecien der Graphideen haben längliche bis strichförmige Gestalt, denen von Hysterium unter den Diskomyceten analog [* 5] (Fig. 5 b). Die meist gefärbte, außen frei liegende Scheibe des Apotheciums wird gebildet von der Hymeniumschicht [* 5] (Fig. 8 h); unter derselben befindet sich eine aus feinen Hyphen bestehende Schicht (Excipulum y); oft ist die Scheibe von Thallusmasse (t t) rings umwallt (r Rinde-, g Gonidien-, m Markschicht).
Die Hymeniumschicht besteht aus den dicht gedrängt stehenden Sporenschläuchen [* 5] (Fig. 9; 1 und 2 Sporenschläuche mit beinahe reifen Sporen) und den zwischen diesen vorkommenden fadenförmigen Paraphysen, die mit ihren gefärbten Spitzen (p) etwas über die Sporenschläuche herausragen. Letztere sind, wie bei den Diskomyceten, schlauch- oder keulenförmige Zellen, in denen sich durch freie Zellbildung meist je acht Sporen erzeugen. Die Apothecien der an giokarpen Flechten sind runde Behälter, welche dem Thallus eingesenkt sind und nur mit dem an ihrem Scheitel befindlichen Mündungskanal frei liegen. Sie gleichen den Perithecien der Pyrenomyceten unter den Pilzen (s. d.) auch darin, daß ihr schwarzes Gehäuse einen farblosen Kern umschließt, welcher aus Sporenschläuchen und Paraphysen besteht, die aus der Innenwand des Apotheciums entspringen. Bei den meisten Flechten werden in jedem Sporenschlauch je acht Sporen gebildet, die nach erlangter Reife herausgeschleudert werden. - Bei zahlreichen Flechten hat man noch ein zweites Fruchtorgan, die sogen. Spermogonien, den gleichnamigen Organen bei den Pilzen durchaus gleiche Gebilde, gefunden, die sehr kleine, im Thallus eingesenkte Behälter darstellen, deren Mündungskanal als punktförmige, dunkle Papille oberflächlich sichtbar ist. In demselben werden zahlreiche Spermatien erzeugt, von denen ebensowenig wie bei den Pilzen eine Keimung und Weiterentwickelung bekannt ist, in denen man aber neuerdings die befruchtenden männlichen Elemente erkannt hat, durch welche gewisse weibliche Zellen zur ersten Anlage eines Apotheciums angeregt werden. Nach Beobachtungen von Stahl an Gallertflechten (Collema) entsteht bei denselben [* 5] (Fig. 10) die erste Anlage der Fruktifikationsorgane, das Karpogon, als spiralig gekrümmter Hyphenast (Askogon), der sich in einen geraden cylindrischen Teil, die Trichogyne, fortsetzt [* 5] (Fig. 10 B); letzterer wächst gegen die Thallusoberfläche und ragt zuletzt mit klebriger Spitze über dieselbe hervor [* 5] (Fig. 10 A bei a). Die in den Spermogonien erzeugten männlichen Zellen gelangen durch Vermittelung von Wasser zu den Trichogynespitzen, haften an denselben fest [* 5] (Fig. 10 C) und werden durch eine kurze
[* 5] ^[Abb.: Fig. 7 I. Längsschnitt durch den ungeschichteten Thallus einer Gallertflechte (Mallotium Hildenbrandii).
Fig. 7 II. Stück desselben, welches die Hyphen und die nostocartigen Gonidien a zeigt.
Fig. 8. Senkrechter Durchschnitt eines Apotheciums von Hagenia ciliaris, 60fach vergrößert.
Fig. 9. Apothecium von Hagenia ciliaris, 500fach vergrößert.] ¶