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Brügge mit Ostende [* 2] und Nieuport verbindet, und einem andern Kanal, [* 3] der von Gent [* 4] nach der Schelde (Terneuzen) führt, durchschnitten. Längs der Küste zieht sich eine zum Teil mit Fichtenwald bedeckte Reihe von 16-20 m hohen und 1300-2000 m breiten Sanddünen hin. Das Klima [* 5] ist unbeständig und erzeugt sehr häufig Wechselfieber. Die Einwohner, deren Zahl Ende 1884: 714,785 (221 auf 1 qkm) betrug, stehen auf einer etwas höhern Bildungsstufe als in Ostflandern. Die Kanäle und das die Äcker und Wiesen umschließende Laubholz und Heckengewächs mildern den einförmigen Charakter der flachen Landschaft und geben ihr das Ansehen eines Gartens. 42,2 Proz. des Bodens bestehen aus Sand, 36,3 aus Lehm, 21,4 Proz. sind Polders.
Hopfen (Pflanze) [unko
![Bild 59.349: Hopfen (Pflanze) [unkorrigiert] Bild 59.349: Hopfen (Pflanze) [unkorrigiert]](/meyers/thumb/59/59_0349.jpeg)
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Hopfen.Der Getreidebau ist ergiebig, dennoch sind Kartoffeln die Hauptnahrung des Landmanns. Der Flachs gerät vortrefflich, besonders um Courtrai und Menin, ebenso der Hopfen [* 6] (um Poperinghe) und Tabak. [* 7] 1880 zählte man 29,736 Pferde, [* 8] 185,888 Stück Rindvieh, 22,944 Schafe, [* 9] 86,931 Schweine. [* 10] Der treffliche Wieswachs fördert eine vorzügliche Rindviehzucht, besonders um Furnes; viel Butter (besonders von Dixmuyden) wird ausgeführt. Bedeutend ist auch die Geflügelzucht (Kapaune von Brügge).
Die Strandbewohner treiben starke Fischerei, [* 11] besonders um Ostende (hier Austernzucht), Nieuport, Blankenberghe und La Panne. Den Holzmangel ersetzt Torf. Garnspinnerei, Leinwandweberei und Bleicherei sind auch hier die Hauptgegenstände der Industrie; ferner Damastweberei, Spitzenklöppelei, Fabrikation von Woll- und Baumwollwaren, Bierbrauerei, [* 12] Branntweinbrennerei, Gerberei, Färberei, Seifensiederei, Salzraffinerie, Schiffbau etc. Der Handel ist wegen der günstigen Lage der Provinz an der See bedeutender als in Ostflandern; insbesondere ist Ostende in dieser Beziehung ein wichtiger Platz geworden. Die Ausfuhr besteht in Getreide, [* 13] besonders Weizen und Roggen, Hülsenfrüchten, Vieh, Butter, Leinwand, Zwirn, Spitzen, Tabak, Hopfen, Leder, Rüböl, Baumwollfabrikaten etc. Westflandern zerfällt in die acht Arrondissements: Brügge, Ostende, Ypern, Furnes, Courtrai, Rousselaere (Roulers), Thielt und Dixmuyden. Die Hauptstadt ist Brügge.
Verdikt - Verdun

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Verdun.[Geschichte.]
in ältester Zeit von belgischen Stämmen, Morinern, Atrebaten und Menapiern, bewohnt, gehörte nach deren Unterwerfung durch Cäsar zu der römischen Provinz Belgica secunda. Nachdem das Land unter die Herrschaft der Franken gekommen war, bildete die Lys, ein Nebenfluß der Schelde, die Grenze zwischen Neustrien und Austrasien, und auch nach der Teilung von Verdun [* 14] 843 ward noch lange der nördliche und südwestliche Teil Flanderns, obschon vorzugsweise deutsch, zu Frankreich, der südöstliche aber, obschon vorzugsweise welsch, zum Deutschen Reiche gerechnet.
Die Benennung Flandern kommt seit dem 7. Jahrh. vor und umfaßte ursprünglich nur das Gebiet von Brügge und Sluys (municipium flandrense), dessen Grafen den Namen Flandern gegen das Ende des 9. Jahrh. auch über den nordfranzösischen Küstenstrich, den sie als Mark zur Beschützung gegen die Normannen erhielten, und später auch über einige angrenzende deutsche Besitzungen ausdehnten. Der erste jener Markgrafen ist Balduin I., Eisenarm, ein französischer Ritter, welcher die Tochter Kaiser Karls des Kahlen, Judith, entführte, aber dennoch 862 von demselben jene neugeschaffene Mark als Lehen erhielt und so den Grund zur Größe seines Hauses legte. Er starb 879. Sein Sohn Balduin II., der Kahle (879-918), befestigte Brügge, Ypern und St.-Omer gegen die Normannen. Dessen Sohn Arnulf I. (918-966) nahm seinen Sohn Balduin III. (der die ersten Webereien in Flandern einführte) und nach dessen Tod seinen Enkel Arnulf II. (gest. 989) zum Mitregenten an. Des letztern Sohn Balduin IV., Schönbart (989-1036), riß 1006 Valenciennes, eine Stadt des Deutschen Reichs, an sich, wurde daher von Kaiser Heinrich II. bekriegt, erhielt aber durch Vertrag 1007 Valenciennes, Stadt und Burggrafschaft Gent, Walcheren und die zeeländischen Inseln (das sogen. Reichsflandern) von Kaiser Heinrich II. zu Lehen.
Arrangement - Arrazzi

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Arras.Sein Sohn Balduin V., der Fromme (1036-67), führte mehrere Kriege gegen Kaiser Heinrich III., welcher der Machterweiterung der Markgrafen Einhalt thun wollte, behauptete sich jedoch, besiegte die Friesen und vermehrte seine Besitzungen durch Erwerbung der zum Herzogtum Niederlothringen gehörigen deutschen Gebiete zwischen der Schelde und Dender (des Landes Aalst), Tournais, der Hoheit über das Bistum Cambrai, welchem die Grafschaft Flandern bis zur Gründung des neuen Bistums Arras [* 15] in kirchlicher Hinsicht unterstellt war, und der Grafschaft Hennegau.
Nach seinem Tod erhielt sein jüngerer Sohn, Robert I., der Friese, [* 16] die Länder an der Mündung des Rheins und der Waal und die zeeländischen Inseln, während die Hauptländer, und Hennegau, an den Erstgebornen, Balduin VI., den Guten (1067-70), fielen. Nach dem frühen Tode des letztern kam es zu längern Kämpfen um die Erbfolge zwischen Balduins Witwe Richildis und Robert dem Friesen, welche damit endigten, daß Robert Flandern, dagegen der Sohn Balduins VI., Balduin (I.), Hennegau erhielt, während ein Teil von Friesland an Gottfried von Lothringen kam.
Roberts I. Sohn und Nachfolger Robert II. (1093-1111) machte den ersten Kreuzzug mit und führte zahlreiche Kämpfe mit seinen Nachbarn und mit dem Kaiser. Sein Sohn Balduin VII., mit dem Beil (oder der Strenge), so genannt wegen der Strenge, mit welcher er die Landfriedensbrecher bestrafte, starb 1119 kinderlos und hinterließ das Land seinem Vetter, dem dänischen Prinzen Karl I., dem Guten, dessen Mutter eine Tochter Roberts I. war, der jedoch wegen seiner Strenge in Handhabung der Gesetze schon 1127 zu Brügge ermordet wurde.
Flandern - Flandrin

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Seite 6.342.Der von den Ständen auf Betrieb Ludwigs VI. von Frankreich zum Grafen berufene Sohn Roberts von der Normandie, Wilhelm Clinton (Clito), machte sich durch Willkür verhaßt und verlor im Kampf gegen den von den Ständen berufenen Landgrafen Dietrich von Elsaß, einen Seitensproß des alten flandrischen Hauses, Sohn Gertruds, der Tochter Roberts des Friesen, 1129 das Leben, worauf Dietrich Elsaß seinem jüngern Bruder, Simeon, überließ, von Flandern Besitz nahm und einen Krieg mit Hennegau führte. Er starb 1168. Sein Mannesstamm erlosch schon mit seinem Sohn Philipp, welcher Vermandois gewann, dagegen das später sogen. Artois 1180 als Mitgift seiner Nichte Isabelle von Hennegau an den König Philipp August von Frankreich überließ; Philipp, der sich um die materielle Wohlfahrt von in Bezug auf Handel und Industrie unleugbare Verdienste erworben hatte, starb 1191 vor St.-Jean d'Acre an der Pest. Nun wurden durch die Vermählung seiner Schwester und Erbin Margarete mit Balduin VIII. (gest. 1194) von der hennegauischen Linie der alten flandrischen Grafen und Hennegau wieder vereinigt. Ihr Sohn Balduin IX., der Stifter des lateinischen Kaiserreichs zu Konstantinopel, [* 17] hinterließ 1205 zwei Erbtöchter, von denen die älteste, Johanna, Flandern, die jüngere, Margarete (genannt die Schwarze), ¶
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Hennegau erhielt. Fast das ganze Jahrhundert hindurch dauerten Erb- und Thronstreitigkeiten, in welche sich bereits die Könige von Frankreich in eigennütziger Absicht einmischten. Nach Margaretes Tod 1279 erhielt von ihren Söhnen Johann Hennegau, Guido von Dampierre Flandern. Letzterer verband sich 1291 mit dem Kaiser Adolf von Nassau und mit England gegen Philipp IV., den Schönen, von Frankreich; doch vermittelte Papst Bonifacius VIII. 1295 den Frieden. König Philipp IV. von Frankreich fiel jedoch 1297 abermals in ein, eroberte den größten Teil des Landes, das er als französisches Lehen in Anspruch nahm, und nahm Guido und dessen Sohn Robert gefangen.
Monreale - Mons

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Mons.Als jedoch Philipp IV. durch seinen Statthalter Jakob von Châtillon die Freiheiten der Flandrer unterdrückte, erhoben sich diese unter dem Vorsteher der Wollweber von Brügge, Pieter de Koninck (Pierre le Roi), vernichteten die französisch gesinnte Partei der Leliaerts unter dem seither in Flandern oft vernommenen Feldgeschrei »Wat walsch is, valsch is. Slaet al dood!« und besiegten das überlegene französische Heer in der »Sporenschlacht« bei Kortryk (Courtrai) Sie wurden dann zwar bei Mons en [* 19] Puelle zwischen Lille [* 20] und Douai geschlagen, erlangten aber gleichwohl einen Frieden, wonach Guido gegen Abtretung einiger Städte nach Flandern zurückkehren sollte. Da derselbe aber schon 1305 starb, folgte ihm sein Sohn Robert.
Dessen Enkel und Nachfolger Ludwig II. (1322-46), zu gleich Herr von Nevers und Rethel und somit der mächtigste unter allen Grafen von Flandern, gab 1336 durch seine Härte gegen die nach größerer Freiheit strebenden reichen und industriellen Städte Veranlassung zu dem allgemeinen Bürgeraufstand, welchen der kühne Genter Brauer Jakob van Artevelde (s. d.) mit englischer Unterstützung leitete. Zugleich wurde der Parteihaß dadurch gesteigert, daß der Graf und der Adel an Frankreich, die Städte an England sich anschließen wollten.
Aus seinem Land vertrieben, suchte Ludwig Hilfe bei Frankreich, konnte aber erst nach Arteveldes Tod (1345) zurückkehren und fiel 1346 in der Schlacht bei Crécy. Unter seinem leichtsinnigen Sohn Ludwig III., genannt von Male, empörten sich die Städte, namentlich Gent und Brügge, die reichsten und mächtigsten derselben, von neuem Ludwig belagerte Gent vergebens, schlug aber 1382 die Genter bei Roosebeke, wo auch deren Führer Philipp van Artevelde, der Sohn Jakobs, fiel.
Du Pont-Pulver - Dupuy
![Bild 67.347: Du Pont-Pulver - Dupuy [unkorrigiert] Bild 67.347: Du Pont-Pulver - Dupuy [unkorrigiert]](/meyers/thumb/67/67_0347.jpeg)
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Dünkirchen.Vermittelst englischer Hilfe trugen jedoch die Städter bei Dünkirchen [* 21] einen Sieg über Ludwig davon, und 1384 kam durch Frankreichs Vermittelung ein Friede zu stande. Ludwig starb 1384 als der letzte Graf von Flandern aus dem Haus Dampierre. Durch die Vermählung seiner Erbtochter Margarete mit Philipp dem Kühnen von Burgund wurde das Land 1385 mit Burgund vereinigt und teilte seitdem die Schicksale dieses Reichs (s. Burgund). Als nach dem Tod Karls des Kühnen von Burgund dessen Länder durch seine Erbtochter Maria von Burgund 1477 an das habsburgische Haus fielen, suchte die französische Krone umsonst ihre alte Lehnshoheit über Flandern geltend zu machen; im Frieden von Madrid [* 22] 1526 mußte Frankreich auf seine Oberlehnshoheit über Flandern verzichten.
Niederlande

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Niederlande.Bei der Kreiseinteilung des Deutschen Reichs ward Flandern zum burgundischen Kreis [* 23] geschlagen. Nachdem dieser jedoch an König Philipp II. und damit an die spanische Linie des Hauses Habsburg gekommen war, erlitt er bedeutende Schmälerungen; die Generalstaaten erhielten im Westfälischen Frieden 1648 das sogen. Holländisch Flandern (Staatsflandern), und Ludwig XIV. brachte durch den Pyrenäischen, Aachener, Nimwegener und Utrechter Frieden beträchtliche Teile von an sich (Dünkirchen, Lille, Douai, Valenciennes, Cambrai u. a.). Durch den Utrechter und den Rastatter Friedensschluß fielen die Reste der spanischen Niederlande [* 24] wieder an das Haus Österreich. [* 25]
Seit 1794 war ganz Flandern gleich den übrigen belgischen Provinzen der französischen Republik und später dem Kaiserreich einverleibt und bildete die Departements Lys (die jetzige Provinz Westflandern) und Schelde (die Provinz Ostflandern). Der Wiener Kongreß teilte die beiden erstern Stücke dem neugebildeten Königreich der Niederlande zu. Durch die belgische Revolution von 1830 kamen Ost- und Westflandern an das neukonstituierte Königreich Belgien. [* 26]
Vgl. die von der Historischen Gesellschaft zu Brüssel [* 27] herausgegebene Sammlung flandrischer Chroniken (Brüssel 1837-65, 4 Bde.);
van Praet, Histoire de la Flandre (das. 1828);
Derselbe, De l'origine des communes flamandes (das. 1828);
Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte (Tübing. 1835-39, 3 Bde.; französisch von Ghedolf, Brüssel 1835-64, 5 Bde.);
Le [* 28] Glay, Histoire des comtes de Flandre jusqu'à l'avénement de la maison de Bourgogne (Par. 1844, 2 Bde.);
Kervyn de Lettenhove, Histoire de Flandre (3. Aufl., Brügge 1874, 4 Bde.);
Derselbe, La Flandre pendant les trois derniers siècles (Brüssel 1875);
Derselbe, Histoire et chroniques des Flandres (das. 1879 ff.).