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Gewerbe haben in neuerer Zeit erhebliche Fortschritte gemacht. Die finnländische Rindviehrasse ist durch zahlreiche Kreuzungen mit fremdländischen Tieren verbessert. Die Pferde [* 2] sind stark und dauerhaft, aber klein; die besten zieht Tawastland. Die Schafzucht ist nicht unbedeutend. Das Vieh wird in mehreren Gegenden im Winter mit Holm, Tang, Heide und Renntiermoos, auch mit Laub gefüttert. Man zählte 1882: 240,859 Pferde, 32,376 Füllen, 66,469 Ochsen und Stiere, 764,935 Kühe, 228,675 Stück Jungvieh, 920,548 Hämmel, 151,429 Schweine, [* 3] 19,444 Ziegen und 44,836 Renntiere.
Leider ist der Schade, welcher dem Vieh- und Geflügelstand durch reißende Tiere zugefügt wird, noch immer ein sehr beträchtlicher, und man büßte z. B. 1883 nicht weniger als 216 Pferde, 715 Stück Hornvieh, 4254 Hämmel, 214 Schweine, 1205 Renntiere, 959 Ziegen und 2312 Stück Geflügel auf diese Weise ein. Die wilden Tiere werden daher eifrig verfolgt und seitens der Regierung Schußprämien ausgesetzt, die 1883 im Betrag von 38,034 Mk. für die Erlegung von 73 Bären, 918 Wölfen, 451 Luchsen, 4058 Füchsen, 48 Vielfraßen, 236 Fischottern, 101 Mardern, 1580 Hermelinen, 4372 Raubvögeln zur Auszahlung kamen.
Auch im übrigen sind Jagd und Fischerei [* 4] ergiebig. Die Seen sind reich an Fischen; der Lachs wird in den großen Flüssen in großer Menge gefangen; Aale sind nicht selten, Neunaugen werden fast bei allen Wasserfällen gefangen, und von dem Strömling und den Sprotten haben die Bewohner der Schären und der Südküste beträchtliche Einkünfte. Robben [* 5] fängt man besonders im Bottnischen Meerbusen. Außerdem gibt es Hechte, Barsche, Karpfen etc., in einigen Gewässern auch Perlenmuscheln, Krebse hier und da in Südfinnland.
Der Bergbau [* 6] erstreckt sich vorzugsweise auf die Gewinnung von Gold [* 7] und Eisen, [* 8] welch letzteres teils aus Eisenstein, teils aus Sumpf- und Seeerzen gewonnen wird. Die Goldproduktion in den Wäschen von Ivalojoki war früher beträchtlicher, ist aber von (1871) 57 kg auf (1883) 10 kg gesunken. Die Eisengewinnung, die in 43 Hochöfen und 44 Eisenhämmern vor sich geht, betrug 1882: 523,604 Ztr. (à 42,5 kg) Roheisen, 384,572 Ztr. Stangeneisen, 1572 Ztr. Eisenblech und 43,220 Ztr. Schmiedeeisen. Am bedeutendsten ist der Bergbau im westlichen Teil von Nyland.
Auch Kupfer [* 9] und Zinn werden in geringen Mengen gewonnen. Auf industriellem Gebiet sind in den letzten anderthalb Jahrzehnten die bedeutendsten Fortschritte gemacht, und die Regierung läßt es weder an Mühe noch an Kosten fehlen, um den größtmöglichen Aufschwung herbeizuführen. Jedoch ragen die 248 Sägemühlen mit 7211 Arbeitern hervor, von denen 78 mit Dampf, [* 10] 170 mit Wasserkraft betrieben werden. Die Branntweinbrennerei wurde 1883 in 70 Etablissements betrieben, welche 109,726 hl erzeugten.
In den Städten gibt es außerdem 452 Fabriken mit 14,601 Arbeitern und einem Produktionswert von 61 Mill. Mk., die sich in folgende Hauptgruppen verteilen: Textilindustrie 15 Fabriken und 4690 Arbeiter;
Papierindustrie 7 Fabriken und 737 Arbeiter;
Lederindustrie 18 Fabriken und 161 Arbeiter;
Maschinen-, Werkzeug- etc. Industrie 43 Fabriken und 3183 Arbeiter;
Tabaksindustrie 28 Fabriken und 996 Arbeiter;
Bierbrauereien 39 und 374 Arbeiter;
Zündhölzchenfabriken 8 und 357 Arbeiter.
[Handel und Verkehr.]
Die Handelsmarine zählte 1593 Fahrzeuge mit 255,381 Ton., nämlich 1368 Segelschiffe mit 243,422 T. und 225 Dampfschiffe mit 11,959 T. Der Gesamtumsatz des Außenhandels betrug 1882: 286,927,517 Mk., wovon 167,054,387 Mk. auf den Import und 119,873,130 Mk. auf den Export entfielen, 1883: 264,600,000 Mk., wovon 149 Mill. auf den Import und 115 Mill. auf den Export kamen. Mit Rußland, Deutschland, [* 11] Großbritannien [* 12] und Skandinavien werden die hauptsächlichsten Umsätze gemacht.
Zum Export gelangen insbesondere Produkte der Land- und Forstwirtschaft, wie Holz, [* 13] Butter, Getreide, [* 14] Mehl, [* 15] Grütze, lebendes Vieh, Teer und Pech, aber auch Industrieprodukte, wie Gewebe, [* 16] Papier und Pappe, Eisen und Stahl, Glaswaren. Die bedeutendsten Einfuhrwaren sind: Getreide, Zucker, [* 17] Kaffee, Baumwolle, [* 18] Salz, [* 19] Gewebe, Bekleidungsartikel, Maschinen, Eisen und Stahl etc. Unter den Häfen des Großfürstentums nehmen Wiborg, [* 20] Helsingfors und Abo eine hervorragende Stelle ein.
Außerdem sind für den nachbarlichen Verkehr und für den Holzwarenexport wichtig die Häfen am Bottnischen Meerbusen: Torneå, Uleåborg und Brahestad, Gamlakarleby, Jakobstad, Nykarleby, Wasa, Kaskö, Christinestad, Björneborg, Raumå, Nystad;
längs des Finnischen Golfs: Hangöudd, Ekenäs, Borgå, Lowisa und Fredrikshamn.
Navigationsschulen bestehen zu Helsingfors, Abo, Wiborg, Uleåborg, Wasa und Aland; zu Abo und Helsingfors auch Handelsschulen. Die besten Schiffe [* 21] werden in Österbottnien, überhaupt an der westlichen Küste gebaut. Die Zahl der eingelaufenen Schiffe war 1883: 10,174 mit 1,567,263 Ton. Die Zahl der ausgegangenen Schiffe betrug 9740 mit 1,523,795 T. Auf den Kanälen passierten 1883: 18,494 Schiffe. Das Eisenbahnnetz stieg von (1883) 1191 km auf (1885) 1324 km. Die längsten Linien im Land sind: die Bahn Hyvinge-Hangö (148 km), die Bahn Toijala-Abo (127 km), die Bahn Helsingfors-Riihimäki (71 km). Aus Finnland heraus führt die Strecke Riihimäki-St. Petersburg [* 22] (369 km). Mit Ausnahme der Linie Borgå-Kervo (33 km) gehören alle Bahnen dem Staate.
Der demnächstige Weiterausbau der Linie Helsingfors-Tammerfors bis Wasa und Jakobstad sowie mehrerer andrer kleiner Linien ist neuerdings beschlossen worden. Die Einnahmen der Staatsbahnen [* 23] beliefen sich 1882 auf 791,700, die Ausgaben auf 5,100,000 Mk. Der Telegraph [* 24] untersteht der russischen Verwaltung. Telegraphenbüreaus gibt es in fast allen Städten. Die Post dient nur zum Versand von Briefen und Paketen; man zählte 1883: 188 Postbüreaus. Die hauptsächlichsten Bankinstitute sind:
1) Die Bank von Finnland, 1811 gegründet, durch kaiserlichen Befehl unter die Aufsicht des Reichsrats gestellt, mit dem Sitz in Helsingfors und Filialen in 9 Städten.
2) Die Finnländische Vereinsbank, gegründet 1860, mit dem Sitz in Helsingfors und 18 Filialen.
3) Die Nordbank für Handel und Industrie, gegründet 1872, mit dem Sitz in Wiborg, 2 Filialen und 9 Agenturen.
4) Die Wasa-Aktienbank in Nikolaistad, 1879 gegründet. Die Zahl der Sparkassen ist 114 mit 28 Mill. Mk. Einlagen. Die Münzeinheit ist laut Gesetz vom die Markka mit 4,499093 g reinen Silbers zu 100 Penni = 80 deutschen Pfennigen. Seit 1878 werden Goldmünzen zu 20 und 10 Markka geprägt.
[Staatsverfassung, Finanzen etc.]
Finnlands Staatsform ist eine konstitutionell-monarchische, obwohl in etwas veralteter Form. Die schwedischen Grundgesetze vom und 21. Febr. und sind noch in Geltung. Während der langen Zeit von 1809 bis 1863 wurde der Landtag nicht zusammenberufen, da der Großfürst gesetzlich dazu nicht gezwungen war. Seit 1863 begann daher das ¶
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konstitutionelle Leben von neuem. Nachdem der Landtag und die Regierung zu einer neuen Landtagsordnung ihre Zustimmung gegeben hatten, wurde dieselbe 3. (15.) April 1869 bestätigt. Laut derselben soll wenigstens alle fünf Jahre der Landtag zusammenkommen. Derselbe besteht aus vier Ständen: Adel, Geistlichkeit, Bürger und Bauern. Die Einführung neuer Gesetze und neuer Steuern kann nur mit Genehmigung des Landtags erfolgen. Der Kaiser-Großfürst hat allein das Recht, dem Landtag Gesetzentwürfe vorzulegen; der Landtag kann aber bei der Regierung um neue Gesetze und Verordnungen petitionieren. Werden die Petitionen von der Regierung genehmigt, so wird der Entwurf dem nächsten Landtag vorgelegt. In ökonomischen Angelegenheiten hat die Regierung das Recht, allein Gesetze zu erlassen.
Für die Verwaltung des Landes setzte Kaiser Alexander I. 25. Okt. ein Komitee für die finnischen Angelegenheiten zu St. Petersburg nieder, das aus drei Mitgliedern bestand und in Verbindung mit dem Staatssekretär für Finnland den Vortrag beim Kaiser hatte. Kaiser Nikolaus löste dieses Komitee auf und behielt nur den Staatssekretär bei; indessen wurde das Komitee 1857 wieder eingerichtet. Der Staatssekretär, seit 1834 Ministerstaatssekretär für Finnland genannt, ist Chef der kaiserlichen Kanzlei für Finnland. Ihm ist der Generalgouverneur untergeordnet, der an der Spitze der Polizei und des Heers steht und im kaiserlichen Senat für Finnland den Vorsitz führt. Jedes Gouvernement (Län) wird durch einen Gouverneur (bis 1837 Landeshauptmann) verwaltet. Finnland zerfällt in 51. Vogteien, welche wiederum in 240 Länsmansdistrikte geteilt sind, die gewöhnlich dem Umfang des Kirchspiels entsprechen.
Als höchstes Landeskollegium setzte Kaiser Alexander I 16. (28.) Aug. 1809 ein Regierungskonseil in Abo ein, anfangs aus 14, gegenwärtig aus 20 Mitgliedern bestehend, welche der Kaiser je auf drei Jahre wählt. Im J. 1816 erhielt dieses Kollegium den Titel Kaiserlicher Senat von und teilt sich in das Justiz- und Verwaltungsdepartement. 1819 wurde Helsingfors Sitz des Senats. Das Justizdepartement bildet die letzte Instanz für alle Zivil- und Kriminalprozesse.
Dem Kaiser steht das Begnadigungsrecht zu. Dem Justizdepartement untergeordnet sind die drei Hofgerichte in Abo, Wasa und Wiborg, letzteres erst 1839 errichtet. Die Hofgerichte bestehen aus einem Präsidenten und mehreren Hofgerichtsräten und Assessoren. Die unterste Instanz in den Landgemeinden bilden die Häradsgerichte, die aus einem Häradshöfding und zwölf aus den Bauern gewählten Beisitzern bestehen, und zu deren Ressort alle Zivil- und Kriminalprozesse gehören.
In den Städten gibt es Rathausgerichte, die aus einem Bürgermeister und einer Anzahl von der Bürgerschaft gewählter Ratsmänner bestehen. Die Oberinstanz der Rathausgerichte bildet wieder das Hofgericht. Das geltende Zivil- und Kriminalrecht ist das schwedische von 1734. Das Verwaltungsdepartement des Senats teilt sich in sechs Expeditionen: für Kanzlei, Finanzen, Ackerbau und Handel, Rechnungswesen, Militär und geistliche Angelegenheiten. Zur Verwaltung der Staatswaldungen ist ein besonderer Forstetat unter einem Oberdirektor mit 52 Oberforstmeistern und 565 Distriktsforstmeistern bestimmt. In allen Senatsabteilungen entscheidet die Stimmenmehrheit. Ein Prokurator steht in unmittelbarer Berührung mit dem Senat. Er hat als Beistand des Generalgouverneurs darüber zu wachen, daß die Gesetze beobachtet werden und jeder Staatsdiener seine Pflicht thue. Was ferner die Finanzen Finnlands betrifft, so betragen nach dem Budget für 1885 die Ausgaben und Einnahmen je 47,024,724 finn. Mk. Die Hauptposten waren (in Mk.):
Einnahmen. | |
---|---|
Ertrag des Staatsbesitzes | 6983100 |
Direkte Steuern | 7426680 |
Indirekte Steuern | 18375000 |
Stempel und Pässe | 1272000 |
Posten | 950000 |
Tonnengeld | 550000 |
Überschuß des Vorjahrs | 9324776 |
Ausgaben. | |
Zur Disposition des Kaisers | 280000 |
Regierung | 1539283 |
Militärwesen | 7363145 |
Zivilverwaltung | 6236421 |
Kosten d. Staatsschuld | 4492800 |
Kultus und Unterricht | 4508933 |
Eisenbahnen | 9952000 |
öffentliche Arbeiten u. Ackerbau | 2640812 |
Zu den direkten Steuern liefert die Grundsteuer mehr als die Hälfte, die Kopfsteuer ⅕, den Rest die Einkommensteuer und die Gewerbe- und Handelssteuer. An den indirekten Steuern sind die Zölle mit 11,7 Mill., die Branntweinsteuer mit 5 Mill. Mk. beteiligt; das übrige fließt aus der Bier-, Tabak- und Spielkartensteuer. Die Staatsschuld belief sich auf 67,2 Mill. Mk., wovon jedoch nur 8,71 Mill. durch innere Anleihen aufgenommen waren. Seit ist die allgemeine Militärdienstpflicht eingeführt (Gesetz vom Es bestehen 1 Garde- und 8 Linien-Schützenbataillone mit einer Friedensstärke von 4545 Mann mit 162 Offizieren. Zur Flotte gehören 800 Lotsen, welche auf 20 Leuchttürme und 107 Stationen verteilt sind. Das Wappen [* 26] Finnlands besteht aus einem von sieben Rosen umgebenen goldenen Löwen, [* 27] der in der vordern Tatze ein bloßes Schwert hält und mit der Linken auf einen Säbel tritt, alles in rotem Feld.
Vgl. Helms, und die Finnländer (Leipz. 1869);
Hallstén, Geographie des Großfürstentums Finnland (übersetzt von Klöden in der Berliner [* 28] »Zeitschrift für Erdkunde«, [* 29] Berl. 1871);
Armfelt, La Finlande; guide du voyageur (Helsingf. 1874);
Topelius, Eine Reise in Finnland (Leipz. 1874);
Ssemenow, Rußland nach den Darstellungen der Reisenden und ihren Forschungen, Bd. 1 (Petersb. 1874);
Buch, Die Nationalitätenfrage in Finnland (Stuttg. 1883);
Retzius, Finnland, Schilderungen aus seiner Natur, seinem alten Kultus und seinem heutigen Volksleben (deutsch, Berl. 1885);
Ignatius, Le [* 30] grand-duché de Finlande.
Traduit du suédois (Helsingf. 1876); »Statistik Årsbok för Finland« (hrsg. vom Statistischen Büreau, zuletzt 1885).
Von Kartenwerken veröffentlichte Gyldén eine Spezialkarte in 30 Blättern (1:400,000) und eine Höhenschichtenkarte in 6 Blättern (1:120,000); ferner G. Alfthan, Karta öfver Stor-Förstendömet Finnland (1:1,260,000, Helsingf. 1862).
Geschichte.
Die Finnen (s. d.) oder Tschuden kamen in vorgeschichtlicher Zeit aus dem innern Asien [* 31] in die Gegenden des Urals und der Wolga bis hinauf zum Weißen Meer, wo sie schon früh eine gewisse Kultur gehabt zu haben scheinen. Sie gründeten das biarmische Reich mit der Hauptstadt Perm, wurden aber später mehr und mehr nach Norden [* 32] gedrängt und kamen so in das jetzige Finnland, während die früher von ihnen innegehabten Länder allmählich in den Besitz der Russen gelangten. Bald gerieten die Finnen in teils freundliche, teils feindliche Berührung mit den Skandinaviern, und die schwedischen Könige versuchten sie zu unterwerfen. König Erich der Heilige von Schweden [* 33] unternahm 1157 einen Kreuzzug gegen sie, wobei der Bischof Heinrich von Upsala, [* 34] der »Apostel der Finnen«, den Märtyrertod fand. Durch diesen Zug wurde der Grund zur Bekehrung der Finnen ¶