verdrängt. In neuerer Zeit
ist er indessen in beschränktem
Umfang und in geregelter Form (geregelter Femelbetrieb) wieder eingeführt,
teils in schutzbedürftigen
Lagen, z. B. im Hochgebirge, an steilen
Hängen (bei
Schutzwaldungen), teils bei einem durch hohe
Holzpreise ermöglichten intensiven Betrieb, namentlich auf kleinen Waldflächen (bei Parzellenwaldungen).
andre, wie J.
Grimm, wollen es vom altdeutschen feme oder feime, d. h.
Gericht, ableiten;
andre von wimen, richten mit dem
Weidenstrick;
noch andre von fahm, d. h. das oberste, also s. v. w. hohes
Gericht.
Nach
Zöpfl soll derAusdruck Femgerichte nichts andres besagen als
Gerichte, welche das
Recht haben,
Ladungen
mit dem
Charakter einer
Verstrickung oder Verfestung (districtio, bannitio) ergehen zu lassen.
Kampschulte endlich will diese
Bezeichnung mit dem altsächsischen fehon, d. h. fähigen, fähig, gut machen, in
Verbindung bringen. Die Bezeichnung
Freigerichte
bezieht sich darauf, daß alle Freigebornen zur
Teilnahme an denselben berechtigt waren, auch wohl auf
gewisse
Freiheiten, welche die Femgerichte für sich in Anspruch nahmen.
heimliche
Acht, heimlich beschlossene
Acht deuten darauf hin, daß die
Verhandlungen der Femgerichte zumeist nicht öffentlich waren, und der
Name verbotene
Gerichte endlich,
daß den Nichteingeweihten der Zutritt zu den heimlichen
Sitzungen bei
Todesstrafe untersagt war. Was über das heimliche und
unheimliche
Wesen der in
Sage und
Dichtung berichtet wird, beruht vielfach auf Übertreibung. Neuere Untersuchungen über die
Femgerichte haben im Gegenteil dargethan, daß es sich hier um ein ehrwürdiges altgermanisches Rechtsinstitut
handelt, daß diese
Gerichte nie von der
FolterGebrauch gemacht haben, daß ihre
Sitzungen nur zum Teil geheim, und daß die
Walstätten, auf welchen sie stattfanden, allgemein bekannt waren.
Wenn nämlich die Femgerichte im
Mittelalter vielfach als eine
SchöpfungKarls d. Gr. bezeichnet wurden, so hatte dies insofern seinen
historischenGrund, als diese
Institution sich aus der karolingischen Zeit erhalten hatte. Nach älterm
deutschen
Recht konnte nur der
Kaiser den
Blutbann, d. h. das
Recht,
Gericht über
Leben und
Tod zu halten, verleihen. Während
nun in den übrigen deutschen Territorien dies
Recht nach und nach auf die
Landesherren überging, erhielt sich jener
Grundsatz in
Westfalen, »auf der roten
Erde«, eine Ausdrucksweise, welche eben mit dem
Blutbann zusammenhängt. Es erklärt sich
dies, abgesehen von den geographischen Eigentümlichkeiten
dieses Landstrichs und der Eigenart seiner Bewohner, welche uns
in
Immermanns
»Münchhausen« so trefflich geschildert ist, namentlich daraus, daß sich in
Westfalen die
Landeshoheit langsamer
als in andern deutschen
Ländern entwickelte, und daß sich daher in den westfälischen
Gerichten die alten
Rechtsansichten länger erhielten.
Die halb anarchischen Zustände des
Mittelalters waren der
Ausdehnung
[* 4] der
Gerichtsbarkeit der westfälischen
Freigerichte weit
über die
Grenzen
[* 5]
Westfalens hinaus besonders förderlich. Doch mag es wohl nicht allein das Vertrauen auf ihre
Gerechtigkeit und die heilige
Scheu vor dem
NamenKarls d. Gr. gewesen sein, was ihnen selbst in der Zeit des
Faustrechts das
allgemeine Ansehen sicherte, sondern auch der Umstand, daß von der Mitte des 14. Jahrh. an
ganz
Deutschland mit
Schöffen des heimlichen
Gerichts oder sogen.
Wissenden übersäet war, die, sich untereinander
an geheimen
Losungen und Zeichen erkennend, stets bereit waren, die
Ladungen des heimlichen
Gerichts zu handen des Geladenen
zu bringen und die
Urteile zu vollziehen. In diesen
Bund konnte jeder frei und ehelich geborne Deutsche
[* 6] von unbescholtenem
Ruf aufgenommen werden.
Auch viele
Fürsten gehörten demselben an, und 1429 ließ sich sogar der
KaiserSiegmund unter die
»Wissenden«
aufnehmen.
»Wissend« (Scitus oder Vemenotus) oder »gewiß«, ein »echter,
rechter Freischöffe des heiligen römischen
Reichs«, hieß jedes Mitglied des
Bundes; jeder andre war »unwissend«, »ungewiß«;
der
Name Femrichter kommt nirgends vor als im
Roman. Der
Freistuhl oder »freie
Stuhl«, die Stätte, wo das
Gericht gehegt wurde, war gewöhnlich ein
Hügel oder ein andrer offener, jedermann bekannter und zugänglicher
Ort. Der angesehenste
aller
Freistühle, wenigstens in früherer Zeit, der deswegen auch des
Kaisers (oder
Königs)
»Kammer« genannt wurde, befand
sich in
Dortmund
[* 7] »uff dem
Markte neben dem Rathuse«, ein andrer ebendaselbst
vor der Stadt neben dem alten
Schlosse.
Der Aufzunehmende mußte knieend und mit entblößtem
Haupte, die rechte
Hand
[* 9] auf dem
Schwert und
Strick des
Freigrafen, »zu Gott
und seinenHeiligen« schwören, daß er die
Fem geheim halten, daß er vor ihr anklagen wolle, was er von
fembaren
Vergehen selbst wahrnehme oder sonst glaubhaft erfahre, damit es »nach
Recht gerichtet oder in
Gnade gefristet werde«,
daß er alles thun wolle, um des
Königs und des heiligen römischen
Reichs Femgerichte zu mehren und zu stärken,
und nichts gegen sie thun oder geschehen lassen wolle; dies alles ohne Rücksicht auf
Gunst oder Ungunst,
Gabe,
Furcht etc.
Auf der untersten
Stufe unter den
Wissenden standen die
Freifronen oder Fronboten, welche die Aufträge der
Freigrafen zu vollziehen
und namentlich die Aufrechthaltung der
Ordnung wahrzunehmen hatten. Auch sie verpflichtete das strengste
Gebot zur Verschwiegenheit den Nichtwissenden gegenüber. Ein altes Femrechtsbuch sagt hierüber:
»Wäre es, daß ein Freischöffe
die Heimlichkeit und
Losung der
¶
mehr
heimlichen Acht oder irgend etwas davon sagte, den sollen die Freigrafen und Freischöffen greifen unverklagt und ihm seine
Hände vorn zusammen und ein Tuch vor seine Augen binden und ihn auf seinen Bauch
[* 11] werfen und ihm seine Zunge hinten aus seinem
Nacken winden und ihm einen dreisträngigen Strick um seinen Hals thun und ihn sieben Fuß höher hängen
als einen verurteilten, verfemten, missethätigen Dieb«. Die Heimlichkeiten bestanden namentlich in der heimlichen Losung der
Wissenden: Strick, Stein, Gras, Grein (S. S. G. G.);
die Bedeutung dieser Worte ist nicht bekannt, ebensowenig die des »Notworts,
wie es Carolus Magnus der heimlichen Acht gegeben«: »Reinir dor Feweri«.
Der Schöffengruß bestand darin,
daß der ankommende Schöffe seine rechte Hand auf des andern linke Schulter legte und sagte: »Ich grüß' Euch, lieber Mann!
Was fanget Ihr hier an?« worauf der Gegrüßte seine rechte Hand auf des andern linke Schulter legte und antwortete: »AllesGlücke kehre ein, wo die freien Schöffen sein«. Die besondern Rechte des Freischöffen aber bestanden
darin, daß er nur unter westfälischen Gerichten stand, daß er einer höhern Glaubwürdigkeit genoß als der Nichtwissende,
und daß er, als Kläger oder Beklagter, als Urteiler oder als Anwalt, Zutritt zur heimlichen Acht hatte sowie zu den
Kapiteltagen, an denen der Bund seine Angelegenheiten beriet. Freischöffe zu sein, schützte mehr als kaiserliche Schutzbriefe.
Daher ließen sich denn auch Leute aus allen Gegenden Deutschlands
[* 12] in Westfalen wissend machen. Die Freien Städte sorgten dafür,
daß Mitglieder ihres Rats wissend seien; die Fürsten wählten zu ihren Räten gern Freischöffen und ließen
sich auch wohl selbst wissend machen.
Die innere Einrichtung und das Verfahren der Femgerichte waren im wesentlichen dieselben wie bei allen übrigen altdeutschen Gerichten.
Die Freistühle und die Gerichtstage waren allgemein bekannt, die Sitzungen fanden nur bei Tage statt, jeder freie Mann konnte
neben den Schöffen dabei erscheinen; diese mit dem Freigrafen besetzten die Bank, vor ihnen stand ein Tisch,
worauf ein Schwert und der weidengeflochtene Strick, hinter ihnen der Fronvogt. Nur wenn sich das offene Gericht in ein heimliches
verwandelte, mußten sich alle Nichtwissenden entfernen; doch ließ die große Zahl der Freischöffen auch diese sogen.
heimlichen Gerichte als öffentliche erscheinen; so waren z. B. bei der heimlichen
Verurteilung des HerzogsHeinrich vonBayern
[* 13] 1434 nicht weniger als 18 Freigrafen und 800 Freischöffen zugegen.
Nur der Wissende wurde sofort vor das heimliche Gericht gefordert, der Nichtwissende dagegen zunächst vor das öffentliche
Ding, und nur für den Fall, daß er der Ladung nicht Folge leistete, trat das heimliche Verfahren ein. Der Ladebrief wurde gewöhnlich
dem Vorzuladenden nicht persönlich übergeben, sondern an seiner Behausung oder einem dieser nahegelegenen
Ort angeheftet. Hierbei wurden drei ausgehauene Späne als Wahrzeichen der Fem gebraucht. Für die Gerichtsverhandlung selbst
bestanden althergebrachte und streng beobachtete
Formalitäten.
Erschien der Angeklagte, und gestand er die That, so ward das Todesurteil gesprochen und er sofort aufgeknüpft. Leugnete
der Angeklagte, so mußte ein Beweisverfahren eintreten. War derselbe ein Freischöffe, so genügte in der
ältern Praxis sein alleiniger Reinigungseid. Später schwur der angeklagte Freischöffe zuerst allein; gegen ihn trat der Schwur
des Anklägers, unterstützt von 2 Eideshelfern. Der Beklagte überbot diesen Eid mit Unterstützung von 6 Eideshelfern, der
Kläger hielt die Klage mit Hilfe von 12 aufrecht, bis endlich der Verklagte, wenn von 20 Eideshelfern unterstützt,
den Sieg davontrug, da eine höhere Anzahl von Eideshelfern unzulässig war.
Wollte der Nichtwissende sich von der Anklage reinigen, so bedurfte er dazu gleich zwei Freischöffen als Eideshelfer. Erschien
der Kläger nicht, so ward der Angeklagte ohne weiteres freigesprochen. Blieb der Angeklagte aus, so
wartete man bis nachmittags 3 Uhr,
[* 14] worauf der Freigraf fragte, ob die Vorladung gehörig geschehen sei, und, ward dies bejaht,
viermal den Angeklagten bei Namen rief und fragte, ob niemand da sei, der ihn vertreten wolle. War dies vergeblich, so trat
der Kläger vor, wiederholte knieend die Klage und beteuerte, die Hand aufs Schwert gelegt, eidlich deren
Wahrheit, worauf der Freigraf die Verfemung in folgender Weise aussprach: »Den Angeklagten nehme ich aus dem Frieden und setze
ihn aus allen Freiheiten, Frieden und Rechten in Königsbann und Wette und in den höchsten Unfrieden und Ungnade und mache
ihn unwürdig, achtlos, rechtlos, siegellos, ehrlos, friedlos und unteilhaftig alles Rechts und verführe ihn und verfeme
ihn und setze ihn hin nach Satzung der heimlichen Acht und weihe seinen Hals dem Strick, seinen Leichnam den Tieren und Vögeln
in der Luft, ihn zu verzehren, und befehle seine Seele Gott im Himmel
[* 15] in seine Gewalt, wenn er sie zu sich
nehmen will, und setze sein Lehen und Gut ledig; sein Weib soll Witwe, seine Kinder Waisen sein«.
Hierauf nahm der Graf den von Weiden geflochtenen Strick, warf ihn aus dem Gericht, und alle Freischöffen, die um das Gericht
standen, »spieen aus dem Mund, gleich als ob man den Verfemten fort in der Stunde hänge«. Dem Ankläger
ward nunmehr das gesprochene Urteil schriftlich ausgefertigt. In demselben war die Mahnung an alle Freischöffen enthalten,
dem Kläger bei Vollziehung des Urteils gefällig zu sein. Meist wurde das Urteil geheim gehalten. Außerdem galt noch der
im altsächsischen Volksrecht begründete Satz, daß »bei handhafter That« die sofortige Bestrafung des Thäters
erfolgen konnte.
Man verstand darunter sowohl den Fall, daß der Verbrecher auf der That selbst (»hebende Hand«) oder unter Umständen ergriffen
wurde, welche seine Thäterschaft sicher erkennen ließen (»blickender Schein«),
als auch den Fall, daß der
Thäter seine Schuld unumwunden einräumte (»gichtiger Mund«). Waren in einem solchen Fall drei Schöffen zugegen, so konnten
sie ohne weitere Prozedur den Verbrecher ergreifen und hinrichten. Die gewöhnliche Art der Todesstrafe war der Strang, der
nächste Baum der Galgen. Neben den Erhenkten steckten die Schöffen ihren mit den BuchstabenS. S. G. G. bezeichneten
Dolch.
[* 16] Der Verfall des Femwesens erklärt sich sehr natürlich aus dem Umstand, daß mit der erstarkenden Landeshoheit der Territorialherren
auch allenthalben bessere Rechtspflege eingeführt wurde, während sich in die Femgerichte mit der Zeit manche Mißbräuche eingeschlichen
hatten. Die Justizanordnungen KaiserMaximilians und die strengen Maßregeln der nun immer
¶