[* 1] (franz. Escrime, engl.
[art of] Fencing) bezeichnet sowohl die
Lehre
[* 6] vom
Fechten als die Fertigkeit im
Gebrauch der blanken
Waffen
[* 7] zum
Kampf, speziell
im
Kampf zu zweien. Sie wird nicht mit Unrecht eine
Kunst genannt, denn wenn man dieselbe auch durch Übung nach ihren
Regeln
sich aneignen kann, so setzt doch die Erlangung eines gewissen
Grades von Vollkommenheit eine individuelle
geistige und körperliche Veranlagung voraus. Insofern die ein
Mittel ist, die Gewandtheit und Sicherheit der
Bewegung des
Körpers zu fördern,
Muskeln
[* 8] und
Nerven
[* 9] zu stählen, den persönlichen
Mut zu heben, die Willenskraft und Entschlossenheit zu
stärken, bildet sie einen hervorragenden Teil der
Gymnastik.
Zum
Fechten im allgemeinen dienen alle blanken Kriegswaffen:
Degen,
Pallasch,
Säbel,
Lanze, Bajonettgewehr, im besondern aber
und als Übungswaffen zum Erlernen der Fechtkunst das
Rapier. Die Art der
Waffe bedingt auch die Art des Fechtens; man unterscheidet
hiernach
Waffen für den
Stoß und
Waffen für den Hieb
[* 10] und dem entsprechend das Stoßfechten und das
Hiebfechten,
wobei nicht ausgeschlossen ist, daß der
Degen nicht auch gelegentlich zum Hieb, der
Säbel zum
Stoß verwendet werden könnte.
Das
Rapier besteht aus der
Klinge und dem
Gefäß.
[* 11] Das Stoßrapier (Stoßfechtel,
Florett, Fleuret) hat eine zwei-, auch dreischneidige
(letzteres mit Hohlschliffen heißt
Parisien), scharf zugespitzte
Klinge.
Beim Übungsrapier ist die
Klinge
jedoch meist vierkantig und endet vorn in einen belederten
Ball. Die
Klinge des Haurapiers (Hieber,
Schläger) ist meist eine
Rückenklinge, aber breiter und stärker als die des Stoßrapiers, für die Übung stumpf, für den Ernstkampf vorn auf eine
gewisse
Länge geschärft.
Während die
Schwäche derjenige Teil der
Klinge ist, mit dem man den Gegner zu treffen sucht (daher Offensivteil),
werden mit der
Stärke die
Stöße und Hiebe des Gegners aufgefangen oder abgelenkt, pariert, daher Defensivteil. Der
Schwerpunkt
[* 13] der
Waffe soll innerhalb der ganzen
Stärke liegen. Es sei bemerkt, daß die Fechtersprache, ähnlich wie die des
Jägers und
aller mehr oder weniger in engem
Rahmen sich bewegenden, sportsmäßig betriebenen Beschäftigungen, angefüllt
ist mit technischen
Ausdrücken fechterischer Bedeutung, häufig sogar von provinzieller Beschränkung; dieser entsprechen
nicht selten die Lehrbücher der Fechtkunst. Soweit diese
Ausdrücke der Kunstsprache nachstehend keine Erwähnung haben finden können,
ziehe man die einzelnen Fechtschulen zu
Rate.
[Das Stoßfechten.]
Die Gegner nehmen ohne Rücksicht auf die
Haltung der
WaffeStellung
(Position), mit
der
Waffe die Auslage. Der rechte
Fuß steht etwa 1½ Fußlängen so vor dem gequerten linken, daß beide ungefähr einen
Winkel
[* 14] von 120° bilden;
beide
Kniee sind gebeugt, doch so, daß der
Körper mehr auf dem linkenFuß ruht, der
rechte hin- und herschwingen (balancieren) und stampfend niedergesetzt werden kann (Stampftritt,
Appell);
Die
Entfernung,
in welcher die Gegner sich gegenüberstehen, heißt
Abstand
(Mensur); dieMensur ist eng, wenn die gekreuzten
Klingen sich in den
Stärken, mittel oder normal, wenn sie sich in der Mitte, und weit, wenn sie in den
Schwächen sich berühren,
binden. Üben die
Klingen einen
Druck gegeneinander aus, so hat man belegt (engagiert, stringiert); hebt man die Berührung
auf, so heißt dies abgehen (degagieren). Man kann im
Lauf desKampfes seinen
Abstand ändern, indem man
sich dem Gegner nähert, avanciert; geschieht es durch Vorsetzen des rechten
Fußes (Attirieren) und
Strecken des linken
Kniees,
so ist es ein
Ausfall; eine Passade ist es, wenn hierbei der linke vor den rechten
Fuß gesetzt wird, um
dem Gegner zu folgen. Die entgegengesetzten
Bewegungen sind das
Retirieren, Rompieren, das
Brechen der
Mensur. Wendungen des
Körpers unter gleichzeitigem Heranziehen des linken
Fußes an den rechten oder Herumschlagen desselben im
Halbkreis, um dem
Stoß des Gegners auszuweichen, heißen
Viertel-, halbe oder ganze
Volten.
Die
Stöße sowohl als die
Deckungen
(Paraden) werden zunächst nach der Faustlage benannt, mit der sie
ausgeführt werden. Die Faustwendungen werden durch Drehung im Handgelenk ausgeführt, wobei man vier Hauptlagen der
Faust
unterscheidet. Bei der Primlage
[* 1]
(Fig. 1) liegt der
Daumenoben
(Lion nennt sie
»Speich«),
sie ist die Faustlage bei der Auslage;
in der Sekundlage
[* 1]
(Fig. 2) liegt der kleine
Fingeroben (Ellenhaltung bei
Lion), in der Terzlage
[* 1]
(Fig. 3)
der Handrücken
(Rist bei
Lion), in der Quartlage
[* 1]
(Fig. 4,
Kamm bei
Lion) die
Finger. Zwischen den Hauptlagen werden noch als
Mittellagen Halbterz und Halbquart, oder Tief- und Hochterz, oder Tief- und Hochquart unterschieden.
KeinStoß läßt sich mit Aussicht auf Erfolg nach einem Körperteil führen, den die
Waffe des Gegners bedeckt, sondern nur
dahin, wo sie ihn, absichtlich oder zufällig, ungeschützt läßt; solche
Stellen heißen Blößen. In die Blöße sucht
der Gegner hineinzustoßen. Jeder
Kampf besteht aus
Angriff und
Verteidigung, so auch das
Fechten. Gegen
den
Stoß des Angreifers verteidigt sich der Gegner, indem er die
Spitze der auf ihn eindringenden
Klinge von ihrem Weg so weit
abzulenken sucht, daß sie an seinem
Körper vorbeisticht. Gelingt ihm dies, so hat
er denStoß pariert, sich gedeckt.
Stoß
und
Parade stehen sich also gegenüber,
und die Fechtkunst lehrt nicht nur, einen Stoß zu führen, sondern auch ihn zu parieren. Das Ziel der Stöße ist der zunächst liegende
Körperteil des Gegners, die rechte Schulter und die Brust. Daher kommt es, daß man alle Stöße, die andre Körperteile treffen,
Saustöße oder Bastardstöße nennt, obgleich dem Ernstkampf schwerlich vorgeschrieben werden kann,
seinen Gegner nicht durch einen Saustoß zu bezwingen.
In Bezug auf den Angriff des Gegners unterscheidet man Vor-, Mit-, Gegen- oder Nachstöße. Man kommt z. B. dem Stoß des Gegners
durch einen Vorstoß zuvor, trifft ihn mit einem Mitstoß (a tempo, Tempostoß) zugleich, deckt sich durch einen
Gegenstoß, während er stößt, und läßt den einfachen oder Doppel-Nachstoß (Riposte, Reprise) seinem Anstoß sofort folgen.
Ein Stoß ist fest, wenn dabei unausgesetzt auf die Klinge des Gegners ein stärkerer Druck ausgeübt wird, um sie beiseite
zu drängen; er ist flüchtig, wenn man sie kaum berührt.
Der Druck gegen die Klinge des Gegners, das Stringieren, Binden oder Belegen derselben, wird als eins der
vorzüglichsten Mittel angewendet, um sich eine Blöße zu verschaffen. Denselben Zweck verfolgen die Battute, ein Streifschlag
gegen die feindliche Klinge, die Ligade, eine Schleuderbewegung, um die Waffe des Gegners zur Seite zu schleudern, sowie das
Winden,
[* 17] eine kreisende Bewegung hart an der Klinge des Gegners und rund um dieselbe herum, wobei sowohl
der Stoß an Kraft
[* 18] gewinnt, als die Blöße sich erweitert.
Wenn zwischen gleich gewandten Fechtern dem Gegner die Deckung gegebener Blößen stets mit Sicherheit gelingt, sobald der
Angreifer sie benutzen will, dann droht das Gefecht zum Stillstand zu kommen. Zur Belebung desselben dienen
die Finten oder Scheinstöße; sie bezwecken eine Täuschung des Gegners dadurch, daß man ihn glauben macht, es solle ein
Stoß in die von ihm gegebene Blöße geschehen. Dieser Stoß wird aber nicht ganz ausgeführt, sondern nur angedeutet; pariert
der Gegner denselben, so gibt er sich eine anderweitige Blöße, in die nun schnell der wirkliche Stoß
geführt wird.
Eine solche Finte ist eine einfache; wird aber die durch eine solche Finte geöffnete Blöße nochmals fintiert, so entsteht
eine doppelte Finte. Finten sind daher ihrem Wesen nach Doppelstöße, die schnell aufeinander folgen. Ist einer
der Fechtenden durch einen Stoß getroffen, sitzt ein Stoß, oder ist ihm bei einer Ligade die Waffe entwunden, er also entwaffnet,
desarmiert, so ist ein Gang
[* 19] beendet. Aus solchen freien Gängen besteht das Kontrafechten oder Kürfechten. Während des Fechtens
ist der Blick unverwandt nach dem Stichblatt des Gegners gerichtet. Es gilt für kunstvoller, sich gut
zu verteidigen, als mit Angriff und Verteidigung zu wechseln. Das Parieren der Klinge des Gegners mit der linken Hand ist wohl
erlaubt, nicht aber das Festhalten derselben, was sich übrigens bei scharfen Klingen von selbst verbietet. Beide Hände sind
mit ledernen Stulphandschuhen bekleidet.
Die Hauptregeln und Benennungen sind beim Hiebfechten dieselben wie beim Fechten auf
den Stoß. Die Benennungen der Hiebe sind aus
[* 16]
Fig.
5 ersichtlich. Die richtige Mensur ist die, wenn die Spitze des Rapiers bei
ausgestrecktem Arm die Brust des Gegners berührt. Die Fechter bekleiden sich mit lang bestulpten, gefütterten Fechthandschuhen
und einer aus Eisendraht geflochtenen Gesichtsmaske. Die Auslage ist entweder halb Terz, halb Quart
[* 20] oder, wie auf Universitäten
bei enger Mensur üblich, die Spitze derKlinge nach unten gekehrt, verhängte Auslage.
Der vordere Fuß wird stark gestreckt, der hintere nach links gebogen. Der linke Arm liegt auf dem Rücken. Die
Bewegungen der Faust müssen auch hier, wie beim Stoßfechten, im Handgelenk stattfinden, jedoch so, daß dabei stets die Schneide
des Rapiers dem Gegner zugekehrt ist; alle Hiebe müssen mit völlig geradem, gestrecktem Arm erfolgen; durchaus fehlerhaft
ist es daher, den Arm zu biegen oder zu erheben, um mit aller Kraft loszuhauen. Alle übrigen Bewegungen:
das Avancieren, Retirieren, die Volten wie die Vor-, Mit-, Gegen- und Nachhiebe, die Finten, kommen hier ebenso zur Anwendung
wie beim Stoßfechten;
auch die Doppelhiebe sind hier zwei oder mehr rasch hintereinander geführte Hiebe, und der Atempohieb
ist ein Gegenhieb.
Auch ein Universalhieb wird angewendet, bei welchem die Spitze derKlinge eine liegende
∞ beschreibt; dieser Form nach (Schlingenlinie) wird der Hieb auch Lemniskate genannt. Solcher Hieb wird unter stetem Zugehen
auf den Gegner in einem fort vor seinem Gesicht
[* 21] ausgeführt, um ihn zum Rückzug zu zwingen oder seine Attacke abzuhalten. Auf
den Universalhieb gründet sich das namentlich in Frankreich gebräuchliche Batonnieren, das Stockfechten.
Man bedient sich hierzu eines etwa 1,75 m langen, kräftigen Stockes, der mit beiden Händen beim Fechten gehalten wird. Es
fand schon in den römischen Heeren sorgsame Pflege und war vor mehr als zwei Jahrhunderten eine fast im ganzen Frankreich volkstümliche
Kunst, während es jetzt nur noch in den nördlichen Provinzen in breitern Volksschichten sich heimisch
findet.
Hier lernte es der sächsische Hauptmann v. Schmitz während der Okkupation nach dem Befreiungskrieg kennen und übertrug dasselbe
auf das Bajonettgewehr. Nach seiner Rückkehr entwickelte er hieraus 1818 die Lehre vom Bajonettieren oder Bajonettfechten,
die Benutzung des Gewehrs zum Stoß und zur Parade für Angriff und Verteidigung im Einzelkampf. Nach heutiger
Ansicht hat es nur gymnastischen Zweck, soll es den Körper kräftigen und das Vertrauen zum Gewehr als blanker Waffe wecken,
so daß sich der Mann im Augenblick der Gefahr so helfen kann. Das Bajonettfechten besteht aus Stößen
und Paraden mit fester und beweglicher Mensur, Nach-, Gleit- und Wurfstößen, Finten, zusammengesetzten Paraden mit beweglicher
Mensur und dem freien Kontrafechten.
Das Fechten mit krummen Säbeln geschieht im allgemeinen nach den Regeln für das Hiebfechten; hat der Säbel weder Glocke noch
Korb, so müssen die Hiebe mit der halben Stärke aufgefangen werden. Die Natur der krummen Klingen gestattet
keine senkrechten und wagerechten Hiebe, weil sie meist flach fallen,
[* 16]
^[Abb.: Benennungen der Hiebe: a bKopf- oder Primhieb - b a Sekundhieb - e f Gesichtsterz - f e Gesichtsquart - c d Mittelterz - d c Brustquart - g h steile Terz - h g Tief- oder Bauchquart - i k Schulterquart - k i Tiefterz.]
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