(franz., spr. fohssbräh),Niederwall, niedriger, verteidigungsfähiger Erdwall vor dem
Hauptwall, eine
Stufe desselben bildend.
Sie wurde hauptsächlich bei den Niederländern hinter breiten Wassergraben angewendet
und hat erst in neuester Zeit in dem zur Infanterieverteidigung dienenden
Niederwall der detachierten
Forts eine modernisierte
Nachahmung gefunden. Vgl.
Festung.
[* 2]
DoktorJohann, berühmter
Schwarzkünstler, dessen sagenhaft ausgeschmückte Geschichte, einProdukt
des Reformationszeitalters, in der Litteratur eine bedeutsame
Rolle spielt. Die historische
Person, welche den
Namen Faust trug,
lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. und läßt sich in den Zeugnissen der Mitlebenden
von 1507 bis etwa 1530 verfolgen. Er stammte aus
Knittlingen (Kundlingen) in
Schwaben, nach andern ausRoda
im Altenburgischen und soll in
Krakau
[* 3]
Magie studiert haben. Nach einem
Brief des
Abtes Trithemius von
Sponheim befand
er sich 1506 und 1507 zuerst in
Gelnhausen,
[* 4] dann in
Würzburg,
[* 5] zuletzt in
Kreuznach,
[* 6] wo
Franz vonSickingen mit ihm verkehrte;
Dieser historische Faust war allen Mitteilungen zufolge ein gewaltiger Prahler, der sich den
»Philosophen
der
Philosophen« und »zweiten
Magus« nannte und abenteuernd als
Arzt und Astrolog, als Zauberer und Alchimist umherzog. In
Würzburg
rühmte er sich z. B., daß er alle
WunderChristi vollbringen wolle, wann und so oft es verlangt werde; in
Wittenberg: die
Siege der kaiserlichen
Heere in
Italien
[* 10]
(Schlacht beiPavia 1525,
EroberungRoms 1527) habe er ihnen durch seine
Zauberkunst verschafft etc. Bei dem großen Aufsehen, das er überall erregte, geschah es dann,
daß man viele seiner Behauptungen als vollführte
Thatsachen hinstellte, daß man außerdem seit alten
Zeiten umlaufende
Geschichten
von Zauberkünsten, wie sie von
Albertus Magnus,
SimonMagus, Johannes Teutonicus,
Paracelsus u. a. erzählt
wurden, auf seine
Person übertrug und ihm endlich auch neu erfundene, im
Geiste der Zeit wurzelnde
Züge andichtete.
Da aberZauberei nur mit
Hilfe des
Bösen möglich war, so ließ man ihn ein
Bündnis mit dem
Teufel schließen, der ihn in Gestalt eines
Hundes begleitete und schließlich auf schreckliche
Weise ums
Leben brachte. Auch der
Ort seines
Todes, über
den am ausführlichsten
Joh.
Manlius (gest. 1560) berichtet, wird teils nach
Schwaben, teils nach
Sachsen
[* 11] verlegt. So entstand
das, was man die Faustsage nennt.
Nach W.
Scherer (dem wir in dieser
Darstellung folgen) sind dabei dreiTraditionen zu unterscheiden: eine
oberrheinische, eine wittenbergische und eine
Erfurter, von denen die beiden erstern Faust mehr als einen gewöhnlichen
Magier
auffassen, während er in der letztern idealisiert, als
Poet und Humanist erscheint. Mancherlei
Züge, die ihm die
ErfurterÜberlieferung beilegt, heben dies klar hervor;
so, wenn er sich anheischig macht, die verlornen
Komödien
des
Plautus und Terenz wieder
herbeizuschaffen;
wenn er von einem
Geist bedient sein will, der so geschwind ist wie der
MenschenGedanken;
wenn er während einer Vorlesung über
Homer die antiken
Helden seinen Zuschauern persönlich vorführt, darunter
den Polyphem, der nicht wieder zur
Thür hinaus will und ihnen großen
Schrecken einjagt;
wenn er ein andermal
im Nu durch die
Luft von
Prag
[* 12] hergeritten kommt, da sich sein dienender
Geist in ein
Pferd
[* 13] mit
Flügeln, »wie der
Poeten Pegasus«,
verwandelt hatte etc.: alles
Zuge, welche auf den Ideenkreis des
Humanismus hinführen.
1)
Geburt und Studia, 2)
Abenteuer und
Fragen, 3) Was er mit seiner Nigromantia gethan und getrieben, 4) Ende.Nach dieser
Historia
war Faust der Sohn eines
Bauern zu
»Rod bei Weinmar«, der zu
Wittenberg erzogen wurde,
Theologie studierte und den theologischen
Doktorgrad erlangte, dann ein Weltmensch,
Doctor Medicinä, Astrologus, Mathematikus wurde und sich im
Spesserwald bei
Wittenberg dem
Teufel ergab, mit dessen
Beistand er allerlei
Wunder sah und verrichtete, bis er nach 24
Jahren
im Dorf Rimlich bei
Wittenberg nächtlicherweile vom
Teufel von einer Wand zur andern geschleudert und mit zerbrochenenGliedern
tot auf dem
Mist gefunden wurde.
Das
Buch schöpft im wesentlichen aus der oberrheinischen und wittenbergischen
Tradition, enthält aber daneben einzelne selbständige
Züge, die von einer höhern Auffassung des
HeldenZeugnis ablegen und ihn mit einer gewissen
Größe umkleiden, ohne doch mit
der
ErfurterÜberlieferung übereinzustimmen. Nach diesen zerstreut vorkommenden
Zügen erscheint Faust als
ein erster
Umriß dessen, was uns seine Gestalt jetzt ist: als titanischer
Philosoph und
Forscher, der freilich der
Welt als
warnendes
Beispiel vorgestellt wird.
»Er nahm Adlersflügel
an sich und wollte alle Gründ' am
Himmel
[* 21] und
Erden erforschen«, heißt es.
Schon auf der
Schule der »Spekulierer«
genannt, nahm er sich vor, die »Elementa zu spekulieren«, und wurde ein
»Weltmensch«, d. h. er wandte sich von der
Theologie ab zur weltlichen
Gelehrsamkeit, zur
Naturforschung, die nach dem
Glauben der Zeit nicht von Gott stammt, sondern vom
Teufel, und zum
Teufel führt. Er begehrt nicht nur Zauberkünste ausführen zu können, er verlangt vom
Teufel auch, daß er ihm auf alle seine
Fragen antworten und nie etwas Unwahrhaftiges antworten soll, d. h. er hat den
Trieb
nach
Wahrheit. Dabei wird gelegentlich die
Ewigkeit der
Welt behauptet und die
Unsterblichkeit der
Seele geleugnet.
SeinAbfall
von Gott wird mit der Vermessenheit der himmelstürmenden
Giganten und dem
Hochmut Luzifers verglichen,
und selbst sein »epikureisches
Leben« erhält eine Art von
Größe¶
mehr
und gereicht ihm zur Befriedigung seines Wissensdranges: das schönste Weib, die griechische Helena, die er heraufbeschwört,
wird seine Genossin, und der Knabe, den sie ihm gebiert, verkündet ihm viele zukünftige Dinge, die in allen Ländern geschehen
sollen. Mit Recht hat man das Bild des verwegenen Spekulierers, wie es das Spiessche Buch in diesen und
andern Zügen andeutet, als das bis ins einzelne ausgeführte Gegenbild von Luther, dem Ideal eines Theologen des 16. Jahrh.
aufgefaßt.
Eine Bearbeitung des Buches in Reimen, von TübingerStudenten ausgeführt, war bereits 1588 zu Tübingen
[* 25] unter dem Titel: »Eine
wahrhafte und erschröckliche Geschicht von D. Johan. Fausten« erschienen, und durch Übersetzungen ins
Englische
[* 26] (1588), Holländische
[* 27] (1592) und Französische (1598 u. öfter) fand es auch im Ausland Verbreitung. Bald darauf aber
wurde das Spiessche Faustbuch verdrängt durch eine neue Bearbeitung des Stoffes, welche G.Rud. Widmann 1599 zu Hamburg
[* 28] in drei
Teilen erscheinen ließ (abgedruckt in Scheibles »Kloster«, Bd. 2). In diesem Werk
sind die großen Züge verwischt; der Verfasser, ein eifriger Lutheraner zu Schwäbisch-Hall, erlaubt sich tendenziöse Veränderungen
(wie er denn Faust auf einer katholischen Universität, zu Ingolstadt,
[* 29] studieren läßt) und sucht in pedantisch-gelehrten Anmerkungen,
platten Ermahnungen und Warnungen, die er jedem Kapitel beifügt, seine Stärke.
[* 30]
Das Widmannsche Faustbuch gab in der Folge der NürnbergerArzt Nikol. Pfitzer mit Veränderungen neu heraus
(Nürnb. 1674; Neudruck von A. v. Keller, Stuttg., Litterarischer Verein, 1880), und aus diesem Werk stellte endlich ein Autor,
der sich den »Christlich Meynenden« nannte, durch Beseitigung des gelehrten
Beiwerkes und sonstige Abkürzungen einen Auszugher, der in Frankfurt zu Anfang des 18. Jahrh. erschien,
seitdem oft gedruckt, auch modernisiert wurde und die Grundlage des spätern, in unzähligen Abdrücken verbreiteten Jahrmarktsbuches
vom Dr. Faust bildet. Von Interesse ist, daß bei Pfitzer zuerst ein Bürgermädchen eingeführt wird, in das sich Faust verliebt,
und das er heiraten will, was aber der Teufel hindert - der Keim zu GoethesGretchen. Unter den Neuerzählungen
ist Aurbachers »Geschichte des Doktor Faustus« (im »Volksbüchlein«, Münch. 1839) auszuzeichnen.
Sehr früh begannen auch die selbständigen poetischen Bearbeitungen der Faustsage. Unmittelbar aus dem Volksbuch von 1587 entsprang
die erste Tragödie, welche den Stoff behandelte: »The tragical history of the life and
death of Doctor Faustus« des Engländers Christ. Marlowe (gest. 1593), der in dem Helden sein Ebenbild erkennen mochte. Hier findet
sich bereits der Eingangsmonolog, in welchem Faust den Wissenschaften, die ihn nicht befriedigen, den Rücken kehrt und sich der
Magie ergibt, allerdings weniger aus Wissensdrang, als
um Ehre, Vergnügen und Macht zu gewinnen.
Dieser Eingang sowie die Beschwörung der Geister, der Vertrag und am Ende der hochpoetische Schlußmonolog des zwischen Trotz
und Seelenangst hin- und hergeworfenen Helden sind glänzende und effektvolle Züge der Tragödie, deren übriger Inhalt zum
großen Teil aus einem Haufen von Abenteuern ohne organische Gliederung besteht. Der Marlowesche »Faustus«
wurde, wahrscheinlich zu Anfang des 17. Jahrh., von den englischen Komödianten auch nach Deutschland
[* 31] gebracht (1628 kam er in
Dresden
[* 32] zur Aufführung) und gestaltete sich hier durch mancherlei Änderungen und Zusätze allmählich zu einem echt
deutschen Volksstück um, das bis über die Mitte des 18. Jahrh. von wandernden
Schauspielern allenthalben in Deutschland gespielt wurde und alle Entwickelungsphasen des populären Schauspiels mitmachte,
bis es von der wirklichen Bühne verdrängt und in die Sphäre der Puppenspiele verbannt wurde, wo es noch heute sein Dasein
fristet.
Von dem Marloweschen Stück hielt das Volksschauspiel vor allem den Anfangsmonolog (der sich bis auf Goethe
vererbte) und die Beschwörungsszene fest; doch stellt es den Wissensdrang Fausts, der als WittenbergerProfessor figuriert,
wieder entschiedener in den Vordergrund (er will durch das studium nigromanticum alle ihm noch abgehenden Wissenschaften erlangen;
er wünscht »alles zu sehen und mit Händen zu greifen«). Unter den Zusätzen und Veränderungen, die
es erfuhr, sind (nach Creizenach) besonders drei bemerkenswert: ein Vorspiel in der Hölle zwischen Luzifer und verschiedenen
Lust-, Sauf-, Geiz- und andern Teufeln, sodann in der Beschwörungsszene die FrageFausts nach dem geschwindesten der Dämonen,
wobei Mephistopheles als so geschwind »wie der MenschenGedanken« den Sieg davonträgt (ein Zug
der ErfurterTradition);
endlich am Schluß die Umgestaltung der Helena-Szene, wodurch das tragische Geschick des Helden eine tiefere Motivierung und
das ganze Stück eine wirksame Steigerung erfährt.
Nachdem nämlich Mephisto den von Reuegedanken ergriffenen Faust vergeblich durch die Aussicht auf Macht und irdischen
Glanz wieder an sich zu locken versucht hat, führt er ihm die Helena zu, deren Schönheit Faust überwältigt
und von der Buße abzieht; als er sie aber umarmen will, verschwindet sie, und Faust, dessen Frist eben verstrichen ist, verfällt
dem Teufel. Noch ein völlig neues Moment kam (etwa gegen Ende des 17. Jahrh.) unter italienischem Einfluß
in das alte Volksschauspiel (zuerst in Wien durch Stranitzky) mit dem Hanswurst, der in einen parodistischen Gegensatz zum himmelstürmenden
Faust tritt und seinen sprudelnden Humor dem düstern Ernste der alten Sage beimischt.
Ausgaben des Volksschauspiels, das noch in verschiedenen Fassungen vorliegt, besorgten v.
Below (anonym, »Doktor Faust oder der große Negromantist«, Berl. 1832),