mehr
Die Rotfärberei benutzt Krapp oder künstliches Alizarin. Bei der Krappfärberei siedet man die Wolle in einer Lösung von Alaun [* 2] und Weinstein an und färbt dann im Krappbad, welches wenigstens die Hälfte vom Gewicht der Wolle an Krapp enthält. Bei Anwendung von Kochenille siedet man in einem Bad von [* 3] Kochenille, Weinstein und Zinnsalz an und färbt mit Kochenille und Zinnsalz aus. Die roten Teerfarben sind sämtlich sehr gut anwendbar, und in neuerer Zeit benutzt man namentlich die Azofarbstoffe.
Grün wird aus Blau und Gelb hergestellt. Man färbt die Wolle blau, kocht sie mit Alaun und Weinstein und färbt sie mit Gelbholz oder Wau aus. Von den Teerfarben benutzt man besonders Malachit-, Methyl-, Bittermandelölgrün und nüanciert diese Farbstoffe mit Pikrinsäure. Schwarz wird auf verschiedene Weise hervorgebracht. In der Regel wendet man Eisenbeize an, darf diese aber nicht zu stark einwirken lassen, weil sie die Faser angreift (verbrennt). Oft erklärt sich die schlechte Beschaffenheit schwarzer Wolle auch daraus, daß man in andern Farben mißlungene Wolle nachträglich schwarz färbt.
Die feinen und teuern Sedantücher erhalten zunächst in der Indigküpe einen dunkelblauen Grund, dann haspelt man sie mehrere Stunden in einer siedend heißen Abkochung von Sumach und Blauholz herum, läßt sie erkalten und nimmt sie bei Blutwärme in einer Lösung von Eisenvitriol herum. Nach dem Lüften wird dieselbe Operation dreimal wiederholt und, sobald eine hinreichende Intensität der Farbe erzielt ist, das Tuch gewalkt, bis das Wasser klar bleibt. Das Vienneschwarz ohne Indigogrund wird durch Umziehen des Tuches in einer Abkochung von Blauholz, Gelbholz, Galläpfeln und Sumach, Lüften und Umziehen in demselben, aber noch mit Eisenvitriol versetzten Bad hergestellt.
Man löst dann noch einmal Eisenvitriol in dem Bad, zieht das Tuch wieder darin herum und walkt. Zu Chrom- und Neuschwarz wird die Wolle mit Blauholz und Weinstein angesotten und in einer Lösung von rotem chromsauren Kali ausgefärbt. Zusatz von Kupfervitriol gibt Blauschwarz. Zum Färben mit Anilinschwarz benutzt man eine Lösung von salzsaurem Anilin, chlorsaurem Kali, Salzsäure und vanadinsaurem Ammoniak und wandelt am andern Tag das erhaltene Dunkelgrün durch ein Bad von chromsaurem Kali in Schwarz um. Zum Weißfärben zieht man die gebleichte Wolle durch Wasser, in welchem Schlämmkreide aufgerührt ist, läßt trocknen und beseitigt die überschüssige Kreide [* 4] durch Klopfen und Bürsten.
Seide [* 5] wird vor dem Färben meist degummiert, nur die Trama- oder Schußseide (Saugleseide) färbt man mit dem Bast, [* 6] wodurch sie einen gewissen Griff erhält. Zum Schwarzfärben billiger, leichter Stoffe dient Blauholz mit Eisenbeize (salpetersaures Eisenoxyd) oder chromsaurem Kali oder vanadinsaurem Ammoniak. Diesem Holzschwarz steht das Schwerschwarz gegenüber, welches durch Säuren nicht gerötet wird, eine ganz bedeutende Gewichtszunahme der Seide bezweckt und damit zu großartigen Betrügereien führt.
Aus 100 Teilen roher Seide fertigt man 200, selbst 450 Teile schwerschwarze Seide, indem man die Seide zunächst mit Gerbsäure (Kastanien- oder Knoppernextrakt) behandelt, welche von derselben in ähnlicher Weise wie von der tierischen Haut [* 7] aufgenommen wird, und dann mit Eisenoxydul oder Eisenoxydsalzen ausfärbt (Mailänder Schwarz). Das Kaiserschwarz (Blaukesselschwarz) hat einen Untergrund von Berliner Blau. [* 8] Meist gibt man der schwarzen Seide zuletzt ein Bad von Blauholz und Seife, um ihr Glanz, Weichheit und Griff zu erteilen.
Mit Hilfe von vanadinsaurem Ammoniak färbt man Seide auch mit Anilinschwarz. Blau wird auf Seide mit Indigosulfosäure oder Berliner Blau erzeugt. Man taucht die Seide in eine Mischung von Wasser, Rostbeize (Eisenvitriol, in Salpetersäure gelöst.) und Zinnchlorür, wäscht aus, zieht die Seide durch siedend heiße Seifenlösung, wäscht wieder aus und taucht sie in eine mit Salzsäure angesäuerte Lösung von gelbem Blutlaugensalz (Raymonds Blau). Zuletzt schönt man mit ammoniakhaltigem Wasser.
Brillanter ist das Napoleonblau, zu dessen Darstellung man zuerst ein Eisenbad mit Zinnsalz, dann ein mit Schwefelsäure [* 9] angesäuertes Bad von gelbem Blutlaugensalz anwendet. Bei Benutzung von Teerfarben bringt man die Seide lediglich in die wässerige oder alkoholische Lösung des Farbstoffs. Ebenso einfach ist die Anwendung von Fuchsin, Korallin (Aurin), Safranin, Eosin, Magdalarot und den Azofarbstoffen, welche zum Rotfärben den Safflor, die Kochenille, Orseille und den französischen Purpur verdrängt haben. Zu Violett wird noch Orseille angewandt, doch machen sich auch hier Teerfarben (Methyl- und Benzylviolett) immer mehr geltend. Gelb färbt man mit Wau (welcher durch Orlean in Orange modifiziert wird), Tropäolin und Pikrinsäure. Zu Grün gibt man einen gelben Grund mit Wau, Quercitron, Gelbholz oder Pikrinsäure und färbt dann mit Indigkomposition, Indigkarmin oder Anilinblau aus. Solider ist ein Grund aus Raymonds Blau, welches durch Gelbholz in Grün umgewandelt wird. Gegenwärtig aber dominieren auch hier Teerfarben (Anilin-, Malachit-, Methylgrün).
Die vegetabilischen Fasern färben sich ungleich schwieriger als Wolle und Seide, die Leinenfaser aber noch bedeutend schlechter als Baumwolle. [* 10] Blau erzeugt man mit der Indigküpe, mit Berliner Blau, mit Blauholz und Kupfervitriol, mit einer Lösung von Kupferoxyd in Ammoniak und besonders häufig mit Indulin. Zum Gelbfärben benutzt man Avignonkörner, Wau, Gelbholz, Quercitron, Orlean, gegenwärtig aber meist Chromgelb (s. oben) und Teerfarben. Letztere haften aber nicht unmittelbar auf der Faser, sondern, wie alle Teerfarben, auf Baumwolle oder Leinen nur nach dem Beizen mit Gerbsäure.
Grün erzeugt man auf indigblauem Grund mit Quercitron, Schwarz durch Anilinschwarz (echt) oder auf blauem Küpengrund durch Beizen mit holzessigsaurem Eisen [* 11] und Ausfärben mit Galläpfeln und Blauholz. Am wichtigsten ist die Rotfärberei mit Krapp, welche auf geöltem Grunde das schöne Türkischrot (Adrianopelrot) liefert. Man beizt im Mistbad (einer Mischung von eigentümlich saurem Olivenöl [Tournantöl] oder Palmöl, mit Pottasche, Schafkot und Wasser) und im Weißbad, welches aus einer Emulsion desselben Öls [* 12] mit Pottasche und Wasser besteht.
Die geölten Garne oder Gewebe [* 13] hängt man an die Luft, wobei sich ein Teil des Öls in eigentümlicher Weise verändert und dadurch die Faser beizt. Das überschüssige Öl wird durch Pottaschen- oder Seifenlösung entfernt. Die geölten Stoffe werden mit einer Abkochung von Galläpfeln oder Sumach galliert, dann zweimal in einer mit Soda oder Kalkmilch neutrassierten Alaunlösung durchgearbeitet und in einer Abkochung von Krapp, Krapppräparaten oder in Alizarinlösung ausgefärbt. Schließlich erzeugt man die scharlachrote Nüance durch Schönen (Avivieren, Rosieren), indem man die gefärbten Stoffe mit Seifenlösung, Zinnchlorür kocht und dadurch einen Teil der mit dem Alizarin verbundenen Thonerde durch ¶
mehr
Zinnoxyd ersetzt. Um die vegetabilische Faser der stickstoffhaltigen tierischen ähnlicher zu machen, behandelt man sie oft mit stickstoffhaltigen Substanzen, wie Eiweiß, Käsestoff etc. (Animalisieren), und erreicht dadurch, daß der Farbstoff bedeutend leichter aufgenommen wird. Man kann z. B. zu diesem Zweck die Baumwolle mit einer Mischung aus Präpariersalz und Milch behandeln und darauf eine Alaunlösung auf dieselbe einwirken lassen.
Geschichtliches.
Die Geschichte der Färberei erstreckt sich in das graueste Altertum; aber während man heute die prächtigsten Farben, allen zugänglich, selbst auf den billigsten Stoffen findet, waren gefärbte Stoffe früher äußerst kostbar und wurden zu den vorzüglichsten Schmuckgegenständen gezählt. Seit undenklichen Zeiten beschäftigten sich die Inder, Perser, Ägypter und Syrer mit dieser Kunst. In den Büchern Mosis werden häufig blau, purpurn, scharlachen gefärbte Zeuge erwähnt.
Die Ausschmückung des Allerheiligsten und die Kleider des Hohenpriesters sollten nach göttlichem Befehl aus purpurnen Stoffen gefertigt sein. Vorzugsweise wurde in Tyros die und der Handel mit gefärbten Stoffen in größerer Ausdehnung [* 15] betrieben, namentlich soll der Purpur, der in jenen Zeiten als das Symbol priesterlicher und fürstlicher Würde galt, in Tyros erfunden worden sein. In Griechenland [* 16] wurde die Färberei wenig geübt, um so mehr aber bei den Römern. Bei den circensischen Spielen unterschieden sich die verschiedenen Parteien durch die Farbe ihrer Anzüge, und Plinius spricht von Grün, Orange, Grau und Weiß.
Man benutzte im Altertum als Farbmaterialien Alkanna, verschiedene Flechten, [* 17] Ginster, Krapp, Galläpfel, Waid, die Samen [* 18] des Granatapfels und einer ägyptischen Akazie, Eisen- und Kupfervitriol und Alaun. Die Entwickelung der Färberei wurde, wie alle andern Künste in Europa, [* 19] durch die Invasionen im 5. Jahrh. erstickt, blühte aber im Osten weiter und gelangte im 12. oder 13. Jahrh. nach Europa zurück. Damals war namentlich Florenz [* 20] wegen der Anzahl und Vollkommenheit seiner Färbereien berühmt; auch die Flechtenfarbstoffe wurden hier zuerst in Europa angewandt.
Die Entdeckung Amerikas beförderte die Färberei durch das Bekanntwerden von Blauholz, Rotholz, Quercitron, Orlean, Kochenille etc. Cornelius Drebbel führte 1650 bei der Färberei mit Kochenille das Zinnsalz ein und lieferte damit Fabrikate, welche den alten Purpur an Schönheit übertrafen. Vorzüglich aber leisteten die Italiener in der Färberei Ausgezeichnetes; in Venedig [* 21] erschien 1540 das erste Werk über Färberei von Giovanni Ventura Rosetti, welches in ganz Europa das Interesse für die Färberei anregte.
Namentlich die Flamänder kultivierten und verpflanzten die Färberei nach Deutschland, [* 22] Frankreich und England. In der Mitte des 16. Jahrh. führte man den Indigo [* 23] und das Blauholz in England ein; allein auf Anstiften der einheimischen Waidfabrikanten wurde die Einfuhr beider Droguen in mehreren Ländern wieder verboten und der im Land befindliche Vorrat zerstört. In der Mitte der letzten Hälfte des 18. Jahrh. wurde die Türkischrotfärberei in Frankreich eingeführt und zu gleicher Zeit die Quercitronrinde von Bancroft.
Die neueste Zeit hat die Färberei durch das Studium des Verhaltens der Beizen gegen die Farbstoffe sehr gefördert. Außerdem häuften sich die Entdeckungen neuer Farbstoffe aus dem Mineralreich, und in neuen Verbindungen der organischen Chemie lernte man die wertvollsten Rohmaterialien für glänzende Farben kennen. Erregte in dieser Beziehung schon das Murexid aus Harnsäure große Aufmerksamkeit, so wurden doch alle bisherigen Erfolge seit 1859 durch die Teerfarben weit übertroffen.
Diese beherrschen jetzt vollständig namentlich die Woll- und Seidenfärberei und werden auch noch lange beliebt bleiben, da stets neue und glänzendere Nüancen aufgefunden werden. Die organische Chemie hat sich in den letzten Jahren auch mit großem Glück der künstlichen Darstellung von Pflanzenfarbstoffen zugewandt: es gelang namentlich die Darstellung des Alizarins und des Indigos. Das Alizarin wurde alsbald fabrikmäßig dargestellt und hat auf die Krappfärberei bedeutenden Einfluß gewonnen.
Vgl. außer den ältern Werken von Chevreul und Persoz: Schützenberger, Die Farbstoffe, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung in der und Druckerei (a. d. Franz. von Schröder, Berl. 1868, 2 Bde.);
Reimann, Färberei der Gespinste und Gewebe (das. 1867);
Derselbe, Jedermann eigner Färber, Fleckenreiniger etc. (das. 1873);
Spirk, Praktisches Handbuch der gesamten und Druckerei (2. Aufl., das. 1874);
Bolley, Chemische Technologie [* 24] der Spinnfasern (Braunschw. 1867-80);
Schrader, Der Färber nach den Anforderungen der Gegenwart (3. Aufl., Leipz. 1874);
v. Laer, Recueil des principaux procédés de teintures à mordant (Verviers 1871);
Meißner, Die Maschinen der Appretur, und Bleicherei, deren Bau und praktische Behandlung (Berl. 1873);
Crookes, A practical handbook of dyeing and calico printing (Lond. 1874);
Derselbe, Dyeing and tissue printing (das. 1882);
Prüfer, Die Wollen- und Halbwollenstückfärberei (Leipz. 1878);
Kielmeyer, Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei (Augsb. 1879);
D. Smith, The English dyer (Lond. 1882).
Zeitschriften: »Färberei-Musterzeitung« (35. Jahrg. 1886, Leipz.);
»Färberzeitung«, herausgegeben von Geyer (22. Jahrg. 1886, Dresd.);
»Reimanns Färberzeitung« (17. Jahrg. 1886, Berl.);
»The chemical technolagist devoted to the arts and manufacturers relating to dyeing, calico printing, bleaching, finishing, sizing, alkali and vitriol making etc.« (Manchester); [* 25]
»Bulletin de la société industrielle de Mulhouse« (Mülhausen [* 26] i. Els.);
»Bulletin de la société industrielle de Rouen« [* 27] (Rouen);
»Wagners Jahresberichte über die Leistungen der chemischen Technologie« (Leipz.).
Vgl. auch die Litteratur bei Appretur und Bleicherei.