3) Rotgrünblindheit. Das
Spektrum besteht nur aus
Gelb und
Blau.
Violett wird wie
Blau empfunden, die
Empfindung für
Rot undGrün
fehlt. Hier unterscheidet man: a) Grünblindheit (Xanthokyanopie), bei welcher Hellgrün und Dunkelrot verwechselt
werden. Im
Spektrum stößt
Gelb direkt an
Blau, oder zwischen beiden liegt ein
StreifenGrau. Das
Maximum
der Helligkeit liegt im
Gelb. Auch einseitig, oft erblich. b)
Rotblindheit
(Daltonismus), bei welcher Hellrot mit Dunkelgrün
verwechselt wird. Im
Spektrum liegt
Gelb bereits im
Orange, die rote Seite ist ungefärbt oder dunkel. Die größte Helligkeit
und die
Grenze zwischen
Gelb u.
Blau liegen mehr nach rechts.
4) Unvollständige Farbenblindheit, herabgesetzter
Farbensinn, ein Zustand, in welchem die Feinheit der
Farbenempfindung fehlt, so daß
die
Farben z. B. nur an größern
Objekten oder nur in der
Nähe wahrgenommen werden, auch beim Vermischen mit
Weiß alsbald
nicht mehr als solche erscheinen. Ein gewisser
Grad dieser Form ist häufig, insofern viele Grünblau
oder Blaugrün nicht zu unterscheiden vermögen. Die Farbenblindheit ist meist angeboren, und die Grünblindheit erbt
oft von dem Großvater auf den Sohn der farbenkräftigen Tochter.
Gewöhnlich tritt die in der Form der Rotgrünblindheit als konstantes und frühzeitiges
Symptom bei
Leiden
[* 2] des nervösen Sehapparats,
namentlich bei progressivemSchwunde des
Sehnervs (schwarzem
Star), auf, ohne andre
Störungen des Sehvermögens
dagegen höchst selten bei beginnender
Rückenmarksschwindsucht, bei Gehirnleiden und
Vergiftungen
(Santonin erzeugt Violettblindheit
[Gelbsehen]). Zuerst tritt dann Grünblindheit auf, welcher bald
Rotblindheit folgt.
Bei
Hysterischen kommt bisweilen periodische Farbenblindheit vor, ebenso beobachtete man sie bei Hypnotisierten (vgl.
Metallotherapie).
BeimSehen
[* 3] durch Fuchsingläser nehmen Farbenblinde wohl
Farben wahr, welche sie sonst
nicht unterscheiden, ohne indes den richtigen Farbenton zu empfinden. Die Farbenblindheit wurde zuerst 1777 von Huddart
erwähnt sowie von
Dalton, der selbst rotblind war, 1794 genauer beschrieben und seitdem von
Prevost als
Daltonismus bezeichnet.
Seebeck machte 1837 methodische Untersuchungen, und Holmgren fand, daß von 1000 Männern etwa 30, von 1000
Frauen
etwa 3 farbenblind sind.
Man glaubte dies auffallende
Verhältnis darauf zurückführen zu können, daß von Beginn des Menschengeschlechts an die
Beschäftigung mit farbigen
Objekten hauptsächlich den
Frauen zugefallen ist, und verstieg sich zu der
Vermutung, daß das
Auge
[* 4] der primitiven
Menschen für eine
Reihe von
Farben unempfindlich gewesen sei (vgl.
Farbensinn). Holmgren
hat zuerst auf die Bedeutung der Farbenblindheit für das praktische
Leben aufmerksam gemacht und gezeigt, wie notwendig es sei, daß kein
Eisenbahnbeamter oder Schiffslenker angestellt werde, ohne sich vorher über die Zuverlässigkeit seines
Farbensinns ausgewiesen
zuhaben, da ein Farbenblinder unmöglich rote und grüne Signallichter richtig erkennen könne.
NachCohn und
Magnus fanden sich unter 2318 Schülerinnen nur 11, unter 2761
Schülern 76 Farbenblinde. Unter den
Schülern fand
sich Farbenblindheit doppelt so häufig bei
Juden wie bei
Christen. Es zeigte sich, daß Farbenblindheit auch vorübergehend nach großerAbspannung
oder
Krankheit eintreten kann.
Mace und Nacati haben gefunden, daß ein Rotblinder grünes
Licht
[* 5] viel heller empfindet als ein
Normalsichtiger, während beim Grünblinden eine übermäßige
Empfindlichkeit für
Rot undViolett vorhanden ist. Es scheint
also, daß Farbenblinde das, was ihnen für die
eine
Farbe an Wahrnehmungsvermögen abgeht, für andreFarben
reichlicher besitzen.
Zur
Prüfung der
Augen auf Farbenblindheit benutzt man das Aussuchen farbiger Wollfäden, doch ist für wissenschaftliche
Zwecke die Benutzung
von
Spektralfarben vorzuziehen.
Vgl. Holmgren, Über in ihren Beziehungen zum
Eisenbahn- und Seedienst (deutsch, Leipz. 1877);
die dem
Auge wohlthuende Zusammenstellung von
Farben. Man hat schon früh eine gewisse Übereinstimmung
zwischen der
Harmonie derFarben und der
Töne nachzuweisen versucht, und
Castell hat sogar ein
Instrument konstruiert,
welches für das
Auge das sein sollte, was die musikalischen
Instrumente für das
Ohr
[* 7] sind;
Hoffmeister setzte durch verschiedene
Abänderung der
Farben mehrere
Oktaven zusammen, er konstruierte ganze und halbe
Farben,
Terzen,
Quarten und
Quinten, ohne indes
mehr erreichen zu können als seine Vorgänger.
Radicke sprach hingegen in seiner
»Optik« zuerst aus, daß »beim
Licht ein Zusammenhang vorhanden sei zwischen der
Farbenempfindung
und einer einfachen Proportionalität der
Schwingungen wie beim
Ton«. Hierauf gründeteUnger sein
Gesetz der und
stellte eine
Farbenskala auf, die mit der
Anordnung der
Töne in der
Tonleiter übereinstimmt. Ob
Übertragungen aus dem Gebiet
der
Töne in das der
Farben der
Natur angemessen seien oder nicht, ergibt eine nähere Betrachtung der Unterschiede und
Ähnlichkeiten
zwischen der Empfindungsweise des
Ohrs und des
Auges.
Farbenharmonie - Farbe
* 9 Seite 6.34.
Hier ist zunächst zu berücksichtigen, daß die
Töne nacheinander, die
Farben nebeneinander empfunden
werden. Zwar wirken in den
Akkorden die
Töne auch nebeneinander, aber immerhin bleibt die Aufeinanderfolge der
Töne, die
Melodie,
die Hauptsache; auch unsre vollkommensten
Instrumente sind gar nicht einmal im stande,
Akkorde hervorzubringen, nur
Pianoforte
und
Orgel vermögen dies, und so liegt denn hierin der erste
Grund, weshalb die
Verbindung mehrerer
Farben
aus ganz andern
Grundsätzen hervorgehen muß als die der
Töne. Die
Töne eines musikalischen Kunstwerks bewegen sich ferner
in mehreren
Oktaven, die
Farben aber bilden sämtlich nur eine
Oktave. In der
Musik sind die
Intervalle von halbenTönen
die kleinsten, und die Zwischenstufen fehlen, während in der
Malerei die verschiedensten Abstufungen von einem
¶
mehr
Farbenton in den andern in Anwendung gebracht werden. So hat die Malerei, indem sie nur eine einzige Farbenoktave besitzt,
gewissermaßen dadurch einen Ersatz, daß sie zwischen zwei Farben noch über eine unendliche Menge von Schattierungen zu verfügen
hat. Chevreul hat ferner in den Kontrastwirkungen einen richtigen Unterschied zwischen Farben undTönen
angezeigt. Grün und Violett nebeneinander verlieren beide an Blau: das Grün wird gelber, das Violett röter. Man sieht, daß
diese Kontrastwirkung ein entgegengesetztes Prinzip verfolgt wie die Mischung der Farben. Bei den Tönen ist der Kontrast andrer
Art. Schlägt man C und Cis zugleich an, so erscheint C etwas höher, Cis tiefer, als wenn beide einzeln
angeschlagen werden. Chevreul hat namentlich diese Kontrastwirkungen weiter untersucht u. Parallelen zwischen den Tönen und
Farben zu ziehen versucht.
CastellsFarbenklavier hat Ruete in neuerer Zeit verbessert. SeinApparat besteht aus zwei Scheiben, welche sich auf einer gemeinschaftlichen
Achse mit wenig verschiedener Geschwindigkeit drehen. Die vordere Scheibe hat einen oder zwei gegenüberstehende
Ausschnitte, und die hintere ist in mehrere, etwa zwölf, Sektoren geteilt, die abwechselnd mit Farbenakkorden versehen und
schwarz oder weiß gefärbt sind, so daß die Farben der Akkorde Teile von konzentrischen Ringen bilden, während die andern
Sektoren ganz weiß oder ganz schwarz sind.
Indem nun bei der Umdrehung immer ein andrer Teil der hintern Scheibe in das eingeschnittene Feld der vordern einrückt, sieht
man einen Farbenakkord nach dem andern bald aus dem Hellen, bald aus dem Dunkeln auftauchen und wieder verschwinden. Ist nun
auch der Eindruck, der hierdurch hervorgebracht wird, ein angenehmer, so ist er doch nicht zu vergleichen
mit dem eines ansprechenden Tonstücks. Die Ursache hiervon ist jedenfalls darin zu suchen, daß das Auge derjenige Sinn ist,
welcher das Räumliche auffaßt.
SchöneFarben ohne schöne Formen gewähren deshalb nur geringen Genuß. Ja, die schönen Formen können den befriedigendsten
Eindruck hervorbringen, auch wenn sie farblos sind. Bei Gemälden dagegen, auf denen eine vollständige
Nachbildung der Körper unmöglich ist, greift man mit Vorteil zu Hilfsmitteln, unter denen dann die Farben die hervorragendste
Rolle spielen. Die Theorie der Farbenharmonie wird daher hauptsächlich in der Malerei ihre Anwendung finden, und die harmonische Nebeneinanderstellung
der Farben wird für den Künstler immer ein Hauptgegenstand seiner Beachtung sein.
Wir lassen nun noch einige praktische Regeln folgen und verweisen im übrigen auf: Chevreul, De la loi du contraste simultané
des couleurs (Par. 1839). Einen angenehmen Eindruck macht stets eine Reihe von Farbentönen, die in einer und derselben Hauptschattierung
stufenweise aufeinander folgen, etwa vom Weiß bis ins Braunschwarz, und zwar je gleicher abgesetzt und je zahlreicher, desto
angenehmer. Rot undGrün stehen sich in der Höhe der Farbentöne am nächsten;
letzteres
gibt jedoch bei sehr überwiegender Fläche dem Schwarz ein rötliches, verblichenes
Ansehen, z. B. schwarze Spitzen auf grünem Grund.
Grau vermag im Gegensatz zu Weiß mehrfach auch analoge Harmonien wie Schwarz
zu bilden, doch ist es neben Blau und Violett weniger angenehm als Schwarz; mit Rosa gibt es einen faden Anblick, zu Orange paßt
es dagegen gut. Gefärbtes Grau wählt man am besten so, daß es die Ergänzung zur benachbarten Farbe enthält, z. B. Orange
oder Karmelitergrau zu Hellblau. Weniger angenehme Farbenzusammenstellungen können häufig durch Zwischensetzung
von Weiß und Schwarz sehr verbessert werden. So passen von den Farben, die sich nicht zu Weiß ergänzen, Rot undOrange nicht
gut zusammen, weil sie sich zu nahe stehen; durch Zwischensetzung von Weiß wird aber das Verhältnis gebessert.
Purpur und Grüngelb dagegen vertragen sich eher ohne Vermittelung. Rot undBlau passen nur, wenn sie weit
auseinander gehen, und wenn Weiß dazwischentritt. Auch zwischen Blau und Orange wirkt Weiß verbessernd, dagegen nicht zwischen
Gelb und Violett. Orange und Gelb neben Grün und Blau nehmen sich nicht gut aus, auch nicht, wenn Weiß dazwischentritt; für Grün
und Blau allein ist die Zwischenstellung von Weiß notwendig. Schwarz verbessert die Disharmonie zwischen
einzelnen Farben oft noch besser als Weiß; es paßt sehr gut zwischen Rot undOrange und ist zu empfehlen mit Rot undGold,
[* 10] mit
Orange und Hellgelb, mit Orange und Hellgrün.
Schwarz paßt immer gut mit dunkeln Farben und gebrochenen Tönen der leuchtenden, weniger, wenn es neben
eine dunkle und eine leuchtende kommt. Auch Grau dient häufig zur Verminderung oder Aufhebung von Disharmonien zwischen einzelnen
Farben. Zwischen zwei Farben paßt es dann besser als Weiß, wenn die eine dunkel, die andre leuchtend ist und beide zu viel
kontrastieren, und besser als Schwarz, wenn die dunkle Farbe sehr überwiegt, z. B. bei Orange und Violett, bei Grün und Violett.
Diese Angaben beziehen sich sämtlich auf ziemlich gleiche Flächenausdehnungen; sind die Flächen sehr bedeutend verschieden
groß, wie z. B. in Gärten verschieden große Blumenrabatten, so tritt manche, doch nicht sehr bedeutende Modifikation ein.
Vgl. Chevreul, Des couleurs et de leurs applications aux arts industriels (Par. 1864);
»Farbenkreis in 15 Abstufungen und 20 Anwendungstafeln. Nach
BrückesPhysiologie der Farben unter dessen Anleitung zusammengestellt« (Wien
[* 12] 1877);