verhältnismäßigen
Räume, welche diese Farben innerhalb des
Spektrums einnehmen, sind von der
Beschaffenheit des
Stoffes, aus
welchem das
Prisma
[* 2] besteht, abhängig. Im
Gitterspektrum dagegen, welches
Fraunhofer darzustellen lehrte, sind die Farben nach ihren
eignen Merkmalen, ohne daß sich der Einfluß eines
Stoffes einmischt, nämlich nach den reciproken
Werten ihrer Schwingungszahlen
oder, was dasselbe ist, nach ihren Wellenlängen, geordnet; man bezeichnet das
Gitterspektrum daher auch als normales oder
typisches
Spektrum. Im Sonnenspektrum, sei dasselbe durch ein
Prisma oder durch ein
Gitter erzeugt, bilden die
Fraunhoferschen Linien
feste Merkzeichen innerhalb der allmählichen Übergänge der Farbentöne. Da das
Gitterspektrum zugleich die den verschiedenen
Fraunhoferschen Linien entsprechenden Wellenlängen und demnach auch die Schwingungszahlen zu messen gestattet, so setzt
es uns in den
Stand, jede einzelne homogene
Farbe durch ihr einziges wesentliches Merkmal, nämlich durch ihre Schwingungszahl,
ganz bestimmt zu bezeichnen.
Durch diese Kenntnis der Wellenlängen oder der Schwingungszahlen wird es möglich, die
Grenzen
[* 3] der einzelnen
Farbenbezirke des
Spektrums mit größerer
Schärfe festzustellen, als
Newton dies vermochte. Nach Listing, welcher zu den
Newtonschen
Hauptfarben noch die von
Brücke
[* 4] am roten und violetten Ende des
Spektrums nachgewiesenen Farben,.
Braun und Lavendelgrau, hinzunahm,
bilden die Schwingungszahlen der Hauptfarben und deren
Grenzen eine arithmetische
Reihe.
Bemerkenswert ist ferner, daß die Schwingungszahlen der
Fraunhoferschen Linien C, D, E, F, G nahezu in
demselben
Verhältnis stehen wie die Schwingungszahlen der gleichnamigen
Töne der diatonischen
Tonleiter, wenn man
nur für
das
Intervall der
Sekunde D 10/9 statt 9/8 nimmt, so daß ihre Schwingungsverhältnisse die
Reihe 1, 10/9, 5/4, 4/3, 3/2 bilden.
Ist diese Übereinstimmung auch nur eine zufällige, so gewährt sie doch einen bequemen Anhaltspunkt für das
Gedächtnis.
Der für gewöhnlich sichtbare Teil des
Spektrums umfaßt nicht ganz eine
Oktave, der in Ausnahmefällen unter besondern Vorsichtsmaßregeln
sichtbare nahezu zwei
Oktaven.
Werden sämtliche
Spektralfarben wieder miteinander gemischt, etwa dadurch, daß man sie durch eine
Linse
[* 5] wieder vereinigt, so geben sie wieder
Weiß; läßt man aber eine davon weg, so geben die übrigen eine Mischfarbe, welche
sich aber sofort in
Weiß verwandelt, wenn man die weggelassene
Farbe wieder hinzutreten läßt. Solche Farben, welche zusammen
Weiß geben oder sich zu
Weiß »ergänzen«, heißen deswegen
Komplementärfarben oder
Ergänzungsfarben,
z. B.
Rot und Grünlichblau,
Orange und Cyanblau,
Gelb und
Indigblau, Grünlichgelb und
Violett.
Zur Erzeugung von
Weiß ist übrigens keineswegs ein Zusammenwirken aller Farben des
Spektrums notwendig, sondern es kann, wie
Helmholtz gezeigt hat, auch durch die Mischung von nur zwei homogenen Farben.
Weiß entstehen; es gibt nämlich
für jede
Stelle des
Spektrums vom roten Ende bis zum Ende des
Gelb eine zugehörige
Stelle in dem Teil des
Spektrums, welcher
sich vom Anfang des
Blau bis zum violetten Ende erstreckt, von der Art, daß die beiden entsprechenden homogenen Farben vereinigt
Weiß hervorbringen.
Wir nennen
Glas
[* 10] farblos oder weiß, wenn es alle Farben des
Spektrums gleich gut durchläßt und sonach an dem Mischungsverhältnis
des durchgelassenen
Lichts nichts ändert.
RotesGlas dagegen läßt nur die roten und orangefarbenen
Strahlen durch und verschluckt
oder absorbiert alle übrigen es verhält sich gleichsam wie ein
Sieb oder ein Strahlenfilter, welches
nur jene
Strahlen durchläßt, diese aber zurückhält. Auch das
Licht, welches an der Oberfläche der
Körper diffus zurückgeworfen
(s.
Diffusion
[* 11] des
Lichts) wird und uns dieselben sichtbar macht, wird, indem es
vor der Zurückwerfung bis zu einer geringen
Tiefe in die
Körper eindringt, durchAbsorption eines Teils seiner farbigen
Bestandteile beraubt, und der
beleuchtete
Körper zeigt eine
Farbe, welche gemischt ist aus allen jenen Farben, welche von der
Absorption verschont geblieben
sind.
Die natürlichen Farben der
Körper oder
Körperfarben sind demnach nichts andres als Reste, welche von den im
Lichte der beleuchtenden
Lichtquelle enthaltenen farbigen
Bestandteilen übriggeblieben sind nach Abzug aller derjenigen, welche
der
Absorption anheimgefallen sind. Ein
Körper erscheint uns weiß, wenn er alle farbigen
Strahlen des weißen
Lichts gleich
gut und demnach mit unverändertem Mischungsverhältnis diffus zurückwirft; wir nennen einen
Körper schwarz, wenn er alle
farbigen
Strahlen gleich vollkommen absorbiert.
Niemals kann ein
Körper durch
Diffusion Farben zeigen, welche im einfallenden
Licht nicht schon vorhanden sind.
(Dyschromatopsie), das
Unvermögen,
Farben wahrzunehmen, ist entweder total, so daß der Betreffende
seine ganze Umgebung grau sieht, oder partiell, indem das
Auge
[* 14]
nur für gewisse
Farben blind ist. Die Anhänger der
Young-HelmholtzschenFarbenlehre nehmen, entsprechend der
Lähmung der drei farbenwahrnehmenden
Elemente der
Netzhaut, drei
Arten partieller an:Rot-,
Grün- und Violettblindheit, während die Anhänger der Heringschen
Theorie unterscheiden:
1)
Totale Farbenblindheit
(Achromatopsie), das
Spektrum erscheint farblos, die
Stelle des Grüngelb ist die hellste und wird nach beiden Seiten
hin dunkler. Ein farbiges Gemälde erscheint wie eine
Photographie. Mitunter werden die verschiedenen
Grade der Lichtintensität
in Einer
Farbe (z. B.
Gelb) wahrgenommen, zu welcher jede andre Farbenvergleichung fehlt. Kommt einseitig
angeboren vor, während das andre
Auge normal farbensichtig ist.
2) Blaugelbblindheit (Erythrochloropie), das
Spektrum besteht nur aus
Rot undGrün, seine blauviolette Seite ist meist stark
verkürzt. Kommt
¶
mehr
auch einseitig vor.
3) Rotgrünblindheit. Das Spektrum besteht nur aus Gelb und Blau. Violett wird wie Blau empfunden, die Empfindung für Rot undGrün
fehlt. Hier unterscheidet man: a) Grünblindheit (Xanthokyanopie), bei welcher Hellgrün und Dunkelrot verwechselt
werden. Im Spektrum stößt Gelb direkt an Blau, oder zwischen beiden liegt ein StreifenGrau. Das Maximum
der Helligkeit liegt im Gelb. Auch einseitig, oft erblich. b) Rotblindheit (Daltonismus), bei welcher Hellrot mit Dunkelgrün
verwechselt wird. Im Spektrum liegt Gelb bereits im Orange, die rote Seite ist ungefärbt oder dunkel. Die größte Helligkeit
und die Grenze zwischen Gelb u. Blau liegen mehr nach rechts.
4) Unvollständige Farbenblindheit, herabgesetzter Farbensinn, ein Zustand, in welchem die Feinheit der Farbenempfindung fehlt, so daß
die Farben z. B. nur an größern Objekten oder nur in der Nähe wahrgenommen werden, auch beim Vermischen mit Weiß alsbald
nicht mehr als solche erscheinen. Ein gewisser Grad dieser Form ist häufig, insofern viele Grünblau
oder Blaugrün nicht zu unterscheiden vermögen. Die Farbenblindheit ist meist angeboren, und die Grünblindheit erbt
oft von dem Großvater auf den Sohn der farbenkräftigen Tochter.
Gewöhnlich tritt die in der Form der Rotgrünblindheit als konstantes und frühzeitiges Symptom bei Leiden
[* 16] des nervösen Sehapparats,
namentlich bei progressivem Schwunde des Sehnervs (schwarzem Star), auf, ohne andre Störungen des Sehvermögens
dagegen höchst selten bei beginnender Rückenmarksschwindsucht, bei Gehirnleiden und Vergiftungen (Santonin erzeugt Violettblindheit
[Gelbsehen]). Zuerst tritt dann Grünblindheit auf, welcher bald Rotblindheit folgt.
Bei Hysterischen kommt bisweilen periodische Farbenblindheit vor, ebenso beobachtete man sie bei Hypnotisierten (vgl.
Metallotherapie). BeimSehen
[* 17] durch Fuchsingläser nehmen Farbenblinde wohl Farben wahr, welche sie sonst
nicht unterscheiden, ohne indes den richtigen Farbenton zu empfinden. Die Farbenblindheit wurde zuerst 1777 von Huddart
erwähnt sowie von Dalton, der selbst rotblind war, 1794 genauer beschrieben und seitdem von Prevost als Daltonismus bezeichnet.
Seebeck machte 1837 methodische Untersuchungen, und Holmgren fand, daß von 1000 Männern etwa 30, von 1000 Frauen
etwa 3 farbenblind sind.
Man glaubte dies auffallende Verhältnis darauf zurückführen zu können, daß von Beginn des Menschengeschlechts an die
Beschäftigung mit farbigen Objekten hauptsächlich den Frauen zugefallen ist, und verstieg sich zu der Vermutung, daß das
Auge der primitiven Menschen für eine Reihe von Farben unempfindlich gewesen sei (vgl. Farbensinn). Holmgren
hat zuerst auf die Bedeutung der Farbenblindheit für das praktische Leben aufmerksam gemacht und gezeigt, wie notwendig es sei, daß kein
Eisenbahnbeamter oder Schiffslenker angestellt werde, ohne sich vorher über die Zuverlässigkeit seines Farbensinns ausgewiesen
zuhaben, da ein Farbenblinder unmöglich rote und grüne Signallichter richtig erkennen könne.
NachCohn und Magnus fanden sich unter 2318 Schülerinnen nur 11, unter 2761 Schülern 76 Farbenblinde. Unter den Schülern fand
sich Farbenblindheit doppelt so häufig bei Juden wie bei Christen. Es zeigte sich, daß Farbenblindheit auch vorübergehend nach großer Abspannung
oder Krankheit eintreten kann. Mace und Nacati haben gefunden, daß ein Rotblinder grünes Licht viel heller empfindet als ein
Normalsichtiger, während beim Grünblinden eine übermäßige Empfindlichkeit für Rot undViolett vorhanden ist. Es scheint
also, daß Farbenblinde das, was ihnen für die
eine Farbe an Wahrnehmungsvermögen abgeht, für andre Farben
reichlicher besitzen.
Zur Prüfung der Augen auf Farbenblindheit benutzt man das Aussuchen farbiger Wollfäden, doch ist für wissenschaftliche Zwecke die Benutzung
von Spektralfarben vorzuziehen.
Vgl. Holmgren, Über in ihren Beziehungen zum Eisenbahn- und Seedienst (deutsch, Leipz. 1877);