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an den Flügeln beschnittene Taube, später ohne Faden frei auf eine ungestutzte Taube stoßen ließ. War er so weit gebracht, daß er durch vorgehaltenes Fleisch oder durch die an eine Schnur gebundenen Flügel einer weißen Taube (Federspiel), unter dem Ruf »Hilo« angelockt, mit dem gefangenen Vogel auf die Faust gestrichen kam, so war er zur Jagd fertig abgerichtet (abgetragen).
Die Falkenjagd (Beizjagd) hatte deshalb einen besondern Reiz, weil die Damen sich daran mit Vorliebe beteiligten. Der Vogel, welcher vorzugsweise gern gebeizt wurde, und der deshalb auch zur hohen Jagd gehörte, war der Reiher. Die berittene Jagdgesellschaft ließ durch Stöberhunde Weiher und Gewässer mit Röhricht absuchen. Wenn diese einen Reiher aufthaten, wurde dem Jagdfalken die Kappe abgehoben, und sobald er die Beute gewahrte, ward er von der Faust auf dieselbe geworfen.
Der Reiher suchte nun dem Falken dadurch zu entgehen, daß er sich schraubenförmig immer höher erhob, damit ihn der Falke nicht übersteigen könne. Gelang dies dem letztern, so stieß er auf den Reiher und brachte ihn zu Boden. Öfters glückte es auch diesem, den herabschießenden Falken auf den ihm entgegengestreckten Schnabel zu spießen. Dem gebeizten Reiher pflegte man wohl um den rechten Ständer (Fuß) ein Silberplättchen zu legen, auf welchem Tag und Ort des Fanges eingraviert waren.
Außerdem wurden auch andre Vögel, [* 2] namentlich Fasanen, Rebhühner etc., gebeizt. Die Jäger, welche das Abtragen und die Wartung der Falken zu besorgen hatten, hießen Falkeniere. Sie trugen ihre mit der Kappe bedeckten Beizvögel auf einem etwa 1½ m langen, 1 m breiten, leichten hölzernen Rahmen, an welchem diese angefesselt waren (der Falkentrage), und führten am Gürtel [* 3] das Federspiel. Die Falkenjagd währte vom Dezember bis Juni. Ein gewöhnlicher Falke diente kaum drei Jahre.
Schon um 400 v. Chr. richteten die Inder ab. 75 n. Chr. jagten die Thraker mit Falken. Der Sohn des römischen Kaisers Avitus soll die Falkenbeize in Rom [* 4] eingeführt haben, von wo sie sich schnell weiter verbreitete. Karl d. Gr. regelte die Falkenjagd durch Gesetze und verbot sie allen Unfreien. Der deutsche Kaiser Friedrich I. richtete selbst ab, und Friedrich II. war der geschickteste Falkenier seiner Zeit und schrieb darüber ein lateinisches Buch (»De arte venandi cum avibus«, Augsb. 1596; mit andern Schriften hrsg. von Schneider, Leipz. 1788), welches von seinem Sohn, dem König Manfred, mit Anmerkungen versehen wurde. Um 1270 schrieb Demetrius, wahrscheinlich Arzt des griechischen Kaisers Michael Paläologos, ein Buch über die Falknerei (Par. 1612). Als in Frankreich die Geistlichen ihren Beruf über der Falkenjagd gar zu arg vernachlässigten und ihnen dieselbe von Konzilen verboten wurde, behaupteten doch die Barone ihr Recht, ihre Falken während des Gottesdienstes auf den Altar [* 5] zu setzen.
Franz I. von Frankreich, unter welchem die Falkenjagd ihre Glanzperiode feierte, hatte einen Oberfalkenmeister, unter welchem 15 Edelleute und 50 Falkeniere standen; die Zahl seiner Falken betrug 300. In Preußen [* 6] errichtete der Hochmeister Konrad von Jungingen 1396 beim Ordenshaus eine eigne Falkenschule. Die besten Falkeniere wurden in dem Dorfe Falkenwerth in Flandern gebildet; sie holten die Vögel aus Norwegen [* 7] und Island, [* 8] früher auch aus Pommern, [* 9] fingen auch viele in der Umgegend, behielten aber von den gefangenen meist nur die nicht über zwei Jahre alten Weibchen. Im 18. Jahrh. kam die Falkenbeize allmählich aus der Mode, und nur noch in England zu Bedford, und zu Didlington Hall [* 10] in der Grafschaft Norfolk hat sie sich bis in die neueste Zeit erhalten.
Auch im Loo, einem Landgut des Königs von Holland, wurde bis 1853 mit Falken gejagt. Am großartigsten ist die Falkenjagd von jeher in Mittelasien getrieben worden, und Marco Polo erzählt von 10,000 Falkenieren und Vogelstellern, welche ein Chan von Chiwa mit auf die Jagd nahm. Ebenso erzählt Tavernier von den zahlreichen Falken des Königs von Persien, [* 11] welche auch auf wilde Schweine, [* 12] wilde Esel, Antilopen, Füchse dressiert waren. Auch neuere Reisende fanden in Persien, Chiwa, bei Baschkiren und Kirgisen überall abgerichtete Falken, ebenso jagen die Inder und die Beduinen der Sahara noch heute mit Falken.
Vgl. Salvin und Brodrick, Falconry in the British isles (2. Aufl., Lond. 1873);
Freeman und Salvin, Falconry, its claims, history etc. (das. 1859);
Magaud d'Aubusson, La fauconnerie (Par. 1879);
Schlegel und Verster van Wulverhorst, Traité de fauconnerie (Leiden [* 13] 1845-53);
Faichtinger, Geschichte der Falkenjagd (Leipz. 1878).