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Europas wird übrigens viel mehr durch die Verschiedenheit der Wintertemperatur als durch die der Sommertemperatur ausgeprägt, denn für die Nord- und Südgrenzen des Erdteils ergibt die Mitteltemperatur des wärmsten Monats nur einen Unterschied von etwa 9-10°, die des kältesten aber den weit bedeutendern von 22-24°. Ähnliche Verhältnisse stellen sich auch bei einer Vergleichung zwischen dem Osten und Westen Europas heraus. Die mittlere Sommertemperatur der beiden unter gleicher geographischer Breite [* 2] liegenden Orte Edinburg [* 3] und Kasan [* 4] ist z. B. nur um 2°, die mittlere Wintertemperatur beider dagegen um 13° unterschieden, während die mittlere Jahrestemperatur beider Punkte eine Differenz von 6° zu gunsten des erstern zeigt.
Welchen Einfluß die geographische Länge neben der Breite auf das Klima [* 5] hat, ergibt sich aus folgender Tabelle:
Länge von Greenwich (westl. L.-) | Breite | Mittlere Temperatur in Graden Celsius Jahr | Winter | Sommer | |
---|---|---|---|---|---|
Lissabon | -9° 38' | 38° 42' | 16.66 | 11.66 | 21.66 |
Dublin | -6° 51' | 53° 13' | 9.45 | 3.90 | 15.00 |
Madrid | -4° 12' | 40° 24' | 14.37 | - | - |
Edinburg | -3° 41' | 55° 57' | 8.33 | 2.80 | 13.90 |
Bordeaux | -1° 5' | 44° 50' | 13.90 | 6.10 | 21.66 |
London | -0° 35' | 51° 30' | 10.00 | 3.90 | 16.10 |
Paris | 2° 20' | 48° 50' | 10.60 | 3.33 | 18.10 |
Karlsruhe | 5° 55' | 49° 1' | 10.60 | 1.10 | 18.90 |
Hamburg | 9° 29' | 53° 33' | 8.33 | 0.00 | 17.20 |
Drontheim | 9° 54' | 63° 27' | 4.45 | -5.00 | 13.90 |
Rom | 11° 59' | 41° 54' | 15.55 | 7.80 | 22.80 |
Kopenhagen | 12° 5' | 55° 41' | 7.80 | -1.10 | 17.20 |
Berlin | 12° 54' | 52° 30' | 7.80 | -1.10 | 16.66 |
Neapel | 13° 45' | 40° 52' | 16.66 | 10.00 | 23.33 |
Prag | 13° 55' | 50° 8' | 9.45 | -0.55 | 19.45 |
Wien | 15° 53' | 48° 13' | 10.60 | 0.00 | 20.55 |
Stockholm | 17° 46' | 59° 21' | 5.50 | -4.45 | 16.10 |
Danzig | 18° 10' | 54° 24' | 7.20 | -1.10 | 16.66 |
Budapest | 18° 33' | 47° 49' | 10.60 | -0.56 | 21.10 |
Umeå | 19° 47' | 63° 50' | 1.70 | -10.00 | 13.33 |
Warschau | 20° 32' | 52° 13' | 8.90 | -1.66 | 19.45 |
Nordkap | 25° 40' | 71° 10' | 0.00 | -5.50 | 5.56 |
St. Petersburg | 29° 48' | 59° 57' | 3.33 | -10.00 | 16.66 |
Kasan | 48° 37' | 55° 47' | 2.22 | -12.20 | 16.66 |
Die Lage Europas und die Beschaffenheit der nachbarlichen Erdräume, dann aber auch der Bau und die Form seiner eignen Oberfläche bilden die Grundbedingungen seiner Witterungsverhältnisse. Die Nähe Afrikas und der glühenden Sahara machen die Südwinde für Südeuropa heiß und trocken (so in Spanien [* 6] der Solano, in Italien [* 7] der Scirocco). Die Westwinde dagegen bringen, weil sie über einen ausgedehnten Ozean hinwehen, Regen, Nebel und Feuchtigkeit für die west- und teilweise noch für die mitteleuropäischen Länder; Ost- und Nordostwinde endlich sind für Europa [* 8] infolge ihres Wegs über die breiten, teilweise wasserarmen, steppenartigen Flächen des asiatischen Kontinents trockne Winde [* 9] und behalten diesen Charakter noch im östlichen und mittlern Deutschland. [* 10] In betreff der Niederschläge zerfällt Europa in eine südliche Zone ohne Sommerregen und in eine nördliche mit Regen zu allen Jahreszeiten. [* 11]
Beide werden durch eine Linie getrennt, welche vom Viscayischen Meerbusen zum Südfuß der Cevennen und Seealpen, über die Apenninen nach Ancona [* 12] hinzieht und die Balkanhalbinsel [* 13] von Zara [* 14] bis Burgas durchschneidet. Die südliche Hälfte der Südzone zeigt nur Winterregen, deren nördliche solche im Frühling und Herbst, während in der großen nördlichen Zone die Regenmenge sich über das Jahr gleichmäßiger verteilt. Letztere ist auf den britischen Inseln am größten und nimmt von hier in ostsüdöstlicher Richtung allmählich ab; sie ist ferner auf den Westküsten aller Halbinseln bedeutender als auf den östlichen, und namentlich gilt dies von jenen, welche, wie die italische und skandinavische, von Gebirgen durchzogen werden, deren Richtung der Direktion des wolkenbringenden Westwindes entgegengesetzt ist.
Überhaupt hat die Verteilung der Gebirgsmassen den unverkennbarsten Einfluß auf den Charakter der Witterung, doch kommt es hierbei weniger auf die absolute Erhebung als auf die Ausdehnung [* 15] der Hochflächen an. Die Pyrenäen, Cevennen, die skandinavischen und schweizerischen Alpen, [* 16] die Karpathen und selbst die mitteldeutschen Gebirge bilden in ihren Regionen wahre Wetterscheiden. Zu Trautenau am Südfuß des Riesengebirges fallen jährlich 123 cm wässerigen Niederschlags, während Eichberg bei Hirschberg [* 17] an der Nordseite nur 67,6 cm besitzt;
zu Stubenbach am südwestlichen Außenrand Böhmens fallen 219,8 cm, zu Budweis nur 64 cm;
zu Bergen [* 18] an der norwegischen Westküste fallen 225 cm, zu Upsala [* 19] nur 40 cm. Gewitter pflegen im N. des Erdteils nur im Sommer häufiger zu sein, im Winter aber äußerst selten vorzukommen;
im S. dagegen sind sie auf keine Jahreszeit beschränkt.
Die regenreichsten Punkte Europas sind der westliche Gebirgssaum der Pyrenäischen Halbinsel (Coimbra 301 cm), der Südfuß der Alpen (Tolmezzo 244 cm), die Westküste von Schottland (Styepaß 481,2 cm, Seathwaite 386,7 cm) und Norwegen [* 20] (Bergen 225 cm). Die mittlere Regenhöhe von Westeuropa beträgt 70 cm, in Rußland hält sie sich meist zwischen 40 und 50 cm und sinkt nur im äußersten Südosten, bei Astrachan, auf 12,4 cm herab. Im allgemeinen zerfällt Europa in drei große meteorologische Bezirke, in deren jedem ungefähr dieselben Witterungsverhältnisse herrschen: in den südeuropäischen, der die südlichen Halbinseln, die Tiefebenen des untern Rhône, des Po und der mittlern Donau umfaßt;
den nordwesteuropäischen, der den größten Teil Frankreichs, die britischen Inseln, Deutschland, Jütland, Norwegen, die Ostseeländer und das westliche Rußland (ungefähr bis zum Meridian von Petersburg) [* 21] begreift, und den osteuropäischen, zu welchem Schweden und das östliche Rußland gehören.
Hinsichtlich seiner Flora gehört Europa zur paläarktischen Region, welche auch die gemäßigten Teile von Asien [* 22] und den Nordrand von Afrika [* 23] umfaßt. Im einzelnen lassen sich vier Zonen und Vegetationsreiche in Europa unterscheiden: das polare Reich der Moose [* 24] und Alpenpflanzen;
das Reich der nordischen Waldbäume, der Birke und des Nadelholzes;
das Reich kätzchentragender Laubbäume, die ihr Laub im Winter verlieren, und endlich das Reich immergrüner, kätzchentragender Laubbäume und Südfrüchte.
Der ersten Zone, der der Moose und Alpenpflanzen, welche bis zur Jahresisotherme von 10° C. reicht, gehören Island [* 25] und geringe Teile des nördlichen Skandinavien und Rußland an. Der Holzwuchs mangelt nur den äußersten Nordenden, wenn er gleich jenseit des 69. Parallels bereits sehr spärlich ist und sich auf verkrüppelte Birken, Weiden und Kiefern beschränkt. Reich vertreten sind in dieser Zone die Moose, Flechten [* 26] und Saxifrageen. Der zweiten Zone, der der nördlichen Waldbäume, gehören Nord- und Mittelskandinavien und der größte Teil von Nordrußland, südwärts bis zum nördlichen Landrücken, an. Hier allein finden wir noch die unermeßlichen Waldungen, gegen die nördliche Grenze nur aus Birken bestehend, südlicher vorherrschend dichten Nadelwald ¶
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und nur in trocknen Lagen Birken; Kiefer und Rottanne, in Rußland auch Zirbel und Lärche, bilden den Nadelwald. Im N. ist der Wald nur an einzelnen Punkten gelichtet, um Platz für den Anbau von Gerste [* 28] (in Norwegen noch bei 70°, am Ural bei 62° nördl. Br.) und Hafer, [* 29] in Schweden auch für Kartoffeln zu geben; letztere werden auch auf den waldlosen schottischen Inseln und im entwaldeten Hochschottland gebaut. Von Mittelschweden an kommt dazu ausgedehnter Anbau des Roggens, in Rußland auch der von Buchweizen.
Groß ist der Reichtum dieser Zone an Beerenpflanzen, Preißel- und Heidelbeeren im Wald, Erdbeeren, gewöhnlichen und arktischen Himbeeren in seinen Lichtungen, Zwerghimbeeren (Rubus Chamaemorus) und Moosbeeren auf den ausgedehnten Tiefmooren dieser Zone. Von Obst reicht nur die Kirsche weit nach N., erst im S. werden Äpfel und Birnen gepflanzt. Ausgedehnte bunte Berg- und saure Überschwemmungswiesen unterbrechen Wald, Heide und Kulturland. Die Flora dieser Zone ist artenarm, aber individuenreich und in üppigster Fülle auf dem fruchtbaren Boden entwickelt.
Die dritte Zone, die des Laubwaldes mit abfallenden Blättern, mit Buchen und Eichen, im russischen Osten ohne Buche, aber mit Ulme und Linde neben Birke und Eiche, nimmt den größten Teil Europas ein; sie umfaßt seine Hauptackerbaudistrikte, in denen nicht bloß das Bedürfnis des Inlandes gedeckt, sondern auch, besonders aus den fruchtbaren Niederungen, ein ausgedehnter Exporthandel getrieben wird und zwar nicht bloß mit Getreide, [* 30] sondern auch mit Gespinstpflanzen und Ölfrucht, Lein und Hanf aus Rußland, wo ihr Anbau noch nordwärts in den vorigen Gürtel [* 31] hineinreicht, Raps aus Deutschland und mit zahlreichen andern Handelspflanzen, darunter Tabak. [* 32] Zu den Getreidearten der vorigen Zone gesellt sich der Weizen, der in England und Frankreich ausschließlich gebaut wird;
im S. der Mais, überall auf unfruchtbarem Boden oder als Nachfrucht der Buchweizen, im O. die Hirse; [* 33]
ausgedehnt ist der Bau von Kartoffeln und Gemüse;
auch Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen, im südlichen Teil die welsche Nuß, noch südlicher Pfirsiche, Mandeln und echte Kastanien werden in Fülle gewonnen.
Mit dem Laubwald wechselt der Nadelwald von Fichten und Kiefern, in den Berggegenden auch von Tannen. Auch die Beerenpflanzen außer den wenigen arktischen Formen sind verbreitet und gewähren insbesondere in den Berg- und Gebirgsgegenden reiche Ausbeute. Ausgedehnte trockne Flächen sind mit Heide bedeckt, während in den Thaltiefen die Formation der Graswiesen zu ihrer schönsten und reichsten Entwickelung kommt und mit ihrem saftigen Grün eins der wesentlichsten Glieder [* 34] in den Landschaftsbildern dieser Zone bildet.
Wiesen und ausgedehnter Futterbau machen selbst in den kultiviertesten Teilen die Viehzucht [* 35] zu einem der wichtigsten Erwerbszweige dieser Gegenden. Die Nordgrenze dieser Zone läuft durch Südnorwegen, durchschneidet Schweden unter dem 57.° und verläuft von da durch Rußland, wo die Buche nur in Polen und Podolien vorkommt, dagegen die dauerhaftere Wintereiche als Waldbaum am Ural bis 58° nördl. Br., die Sommereiche nur bis 54° reicht, der großartige Weizenbau dagegen erst bei 48° beginnt.
Die Südgrenze wird durch die Pyrenäen und Alpen gebildet. Die Grenze des Weinbaues trennt diese Zone in einen nördlichen Teil, in dem nicht bloß auf den Höhen, sondern auch in den Niederungen Torfmoore große Räume einnehmen, und in einen südlichen, in dem schon gegen die Südgrenze die Kastanie ganze Wälder bildet und das Obst seine höchste Vollkommenheit erreicht. Die Polargrenze des Weinbaues reicht von der Loire zur Ahr-, Unstrut-, Moldau-, March- und Hernadmündung und schneidet den Don unter 48° nördl. Br. Die Rebe kommt zwar in einzelnen begünstigten Lokalitäten auch nordwärts der oben gezogenen Linie vor; aber nur an wenigen Stellen ist ihre Kultur noch von einiger Bedeutung (Siebengebirge, Grünberg), [* 36] und nirgends bildet sie mehr einen hervorstechenden Zug in der Physiognomie der Landschaften.
Die vierte Zone, die der immergrünen Wälder und Agrumi (Südfrüchte), das Reich der Labiaten nach Schouw, ist auf die Küstenländer des Mittelmeers [* 37] und auf die spanische Halbinsel beschränkt. In ihr ist die echte Kastanie nicht mehr bloß angepflanzt, sondern wirklicher Waldbaum; der Weinstock wird nicht mehr niedrig, wie diesseit der Alpen, gezogen, sondern man läßt ihn an Bäumen hinaufranken. Neben den Bäumen mit abfallendem Laub, unter denen in allen tiefern Gegenden die Buche gänzlich fehlt, gedeihen Eichen mit immergrünem Laub, zahlreiche immergrüne Sträucher: Buchsbaum, Lorbeer, Myrte, schön blühende Zistrosen, dabei auch schon echte Akazien. In begünstigten Gegenden, wie in Südspanien, bei Nizza [* 38] etc., tritt schon die Zwergpalme als schwer auszurottendes Unkraut, einzeln die angepflanzte Dattelpalme auf.
Unter den Nadelbäumen herrschen andre Arten: die malerische Pinie (Pinus Pinaster), am Meer die terpentinreiche Strandkiefer (P. maritima), dazu, wenn auch angepflanzt, als die Charakterpflanze des Südens die schlanke, dunkle Cypresse. Die trocknen Berggehänge duften von wohlriechenden Labiaten, die verwilderte Opuntia und Agave gedeihen auf dem Felsboden. Auch weite Heiden, aber von höhern Heidesträuchern gebildet als im N., besitzt der Süden. Die Form der Wiese fehlt den dortigen Niederungen gänzlich, dagegen bedecken sich grasige Plätze im ersten Frühling mit schön blühenden Zwiebelgewächsen.
Unter dem Getreide fehlen Roggen und Hafer, dafür herrschen Weizen und Mais; wasserreichere Gegenden würden sich für den Reisbau eignen, doch wird derselbe nur an der Nordgrenze (Po-Ebene, Türkei) [* 39] und auch hier nur sporadisch betrieben. Ausgedehnt ist die Zucht saftiger Gurkenfrüchte, so der Melonen, und der Anbau von Bohnen. Selbst Baumwolle [* 40] und Zuckerrohr hat man zu bauen versucht. Unter den Fruchtbäumen nehmen die echte Kastanie, die Feige und der Ölbaum die erste Stelle ein; dazu kommen die Südfrüchte, der Granatapfel, der Johannisbrotbaum, die Mandel, der Weinstock, der nicht bloß Wein, sondern auch getrocknete Beeren liefert.
Statt der Wiesen gibt es ausgedehnten Futterbau, wo höhere Bodenkultur stattfindet. Während der größere Teil der Mittelgebirge, die höchsten Teile des ungarischen und Sudetensystems ausgenommen, bis auf die Höhen noch mit Wald bestanden und das ungarisch-siebenbürgische Gebirge noch mit wahrem Urwald bedeckt ist, der keine Axt gesehen, erheben sich die höhern Gebirge Südeuropas wie Nordeuropas in ihren hohen Teilen über die Region des Waldes, der noch zu oberst aus Nadelholz (nicht aus Birken, wie im N.) besteht, ein Teil, wie Alpen, Pyrenäen und skandinavisches Hochgebirge, bis über die Schneegrenze. Auch ein Teil des asturischen Hochgebirges trägt bleibenden Schnee, [* 41] während er sich auf den Karpathen infolge ihrer kontinentalen Lage nur in einzelnen Schluchten an der Nordseite unter ihren höchsten Gipfeln erhält. Auf allen diesen bedeutendern Höhen folgt über dem hochstämmigen Nadelwald eine ¶