Aufstände gegen ihre
Herren, die
Ritter und
Priester, zu Leibeignen herab. Bei der zunehmenden Kraftlosigkeit des
DeutschenOrdens huldigten die inzwischen zur
Reformation übergetretenen esthnischen
Städte und der
Adel, welche von den
DeutschenRittern
schlecht gegen die
Russen verteidigt wurden, 1561 freiwillig der
KroneSchweden.
[* 2] Dennoch dauerten die verheerendenKriege
mit Rußland und
Polen während eines Zeitraums von 60
Jahren mit ihrem schrecklichen
Gefolge von schweren
Seuchen,
Hungersnot
und
Pest fast ununterbrochen fort, bis endlich
GustavAdolf 1621 die schwedische Herrschaft auf lange Zeit befestigte und bessere
Zustände herzustellen suchte.
Die Kriminaljustiz wurde den
Händen der
Herren entzogen und den
Gerichten übergeben; es ward den
Bauern
selbst
Anteil an der
Rechtspflege gegönnt, und für jedes Gebiet wurden einige
Älteste als Rechtsfinder und
Gerichtsbeisitzer
erkoren. Bei Errichtung des
Gymnasiums und der
UniversitätDorpat
[* 3] (1630) wurde auf die
Esthen Rücksicht genommen, indem diese
freien Zutritt zu diesen Bildungsanstalten erhielten und sogarLehrer des Esthnischen sowie des Lettischen
angestellt wurden.
Unter
Karl XI. wurde die Aufhebung der
Leibeigenschaft vorbereitet durch Feststellung der »Wakkenbücher«,
worin durch eine 1698 im ganzen Land herumreisende
Kommission alle
Abgaben und Leistungen der
Bauern abgeschätzt, bestimmt
und aufgeschrieben wurden. Allein die
Kriege, in welche sein Nachfolger
Karl XII. den ganzen
Norden
[* 4] und
namentlich die
Ostseeprovinzen stürzte, sowie die vielfachen Verwüstungen, denen das Land während dieser
Kriege preisgegeben
war, verhinderten die weitere Ausführung, und nachdem die Stadt
Reval
[* 5] und die esthländische
Ritterschaft mit dem
ZarenPeter d. Gr. von Rußland kapituliert hatten, und infolgedessen Esthland
[* 6] im
NystaderFrieden von 1721 mit dem russischen
Reich vereinigt worden war, ward jenes Werk fast bis auf die
letzte
Spur vertilgt.
Die nachfolgenden russischen
Regierungen schenkten dem
Schicksal der
Bauern keine
Teilnahme, so daß allmählich alles wieder
auf den alten
Fuß kam. Die Leistungen der
Bauern stiegen wieder in unbestimmten Verhältnissen, und die
Gutsherrschaften erhielten wieder die
Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit. Die allgemeine Erschöpfung nach den großen nordischen
Kriegen, die Verarmung und
Entvölkerung, die 1709 wütende
Pest und andre ungünstige Umstände trugen das Ihrige dazu bei,
die
Bevölkerung
[* 7] gegen ihre
Leiden
[* 8] abzustumpfen.
Erst mit der
RegierungKatharinas II. wurde 1764 die Bauernfrage wieder angeregt, aber nicht zum
Ziel geführt.
Durch einen
Ukas vom wurde Esthland zu einer Statthalterschaft eingerichtet und in fünf
Distrikte geteilt; ein andrer
Ukas vom änderte die
Distrikte in sechs
Kreise
[* 9] um, und unter
KaiserNikolaus wurde die dermalige
Einteilung (s.
oben)
eingeführt. Über die jetzige
Stellung der esthnischen
Bauern s.
Esthen, und über die Russifikationsversuche
s.
Livland.
2)
Robert, Sohn des vorigen, geb. 1503 zu
Paris, studierte die alten
Sprachen, arbeitete nach dem
Tode des
Vaters gemeinschaftlich
mit seinem Stiefvater
Simon de Colines, begründete 1526 eine eigne Druckerei, wurde 1539 von
Franz I.
zum Typographus regius für das
Hebräische,
Griechische und
Lateinische ernannt, siedelte, um den bedrohlichen
Angriffen der
Theologen wegen seiner Verbreitung unliebsamer
Bücher, besonders der
Bibel,
[* 15] zu entgehen, 1551 nach Genf
[* 16] über, wo er zur reformierten
Kirche übertrat, und starb daselbst. In seinem
Haus wurde schließlich sogar von der Dienerschaft
lateinisch gesprochen.
Seine
Drucke (man zählt 382), welche namentlich die ganze
Bibel wie das
Neue Testament in den verschiedenen
Sprachen, griechische
und besonders römische
Klassiker, meist von ihm selbst mit Vorreden und
Noten versehen,
Grammatiken, Schulbücher etc., aber
auch die
Schriften der
SchweizerReformatoren umfaßten, wurden wegen ihrer
Schönheit und sprichwörtlichen
Korrektheit selbst denen seines
SohnsHeinrich vorgezogen.
Franz I. ließ für ihn die berühmten characteres regii gießen.
Als
Autor ist Estienne besonders durch den unter
Beihilfe von
JeanThierry de
Beauvais verfaßten
»Thesaurus linguae latinae« (Par. 1531, 2 Bde.,
u. öfter; zuletzt Basel
[* 17] 1740, 4 Bde.)
bekannt.
Vgl.
Crapelet, Roh. Estienne, imprimeur royal (Par. 1839).
3)
Charles,
Bruder des vorigen, geb. 1504, studierte
Medizin, übernahm bei der Übersiedelung
Roberts nach Genf
dessen
Pariser Druckerei,
geriet aber in
Schulden und starb 1564 im Gefängnis. Er verfaßte:
»Dictionnaire historique et poétique«
(1553) und
»Praedium rusticum« (1554).
4)
HenriII., Sohn von Estienne 2, geb. 1528 zu
Paris, durch die trefflichsten
Lehrer gebildet, siedelte 1551 mit dem
Vater nach Genf
über,
zunächst als
Korrektor in dessen Druckerei, edierte seit 1554 selbständige Werke, begründete 1557 eine eigne Druckerei
in Genf
mit Unterstützung von Huldrich
Fugger aus
Augsburg,
[* 18] weshalb er sich diesem zu
Ehren bis 1568 häufig
auf den
Titeln als dessen typographus bezeichnet, vereinigte aber 1559 dieselbe mit dem
Geschäft seines
Vaters und lebte nun
diesem und den
Wissenschaften.
Schon 1547-49 und 1556-57 war er in
Italien,
[* 19] 1550-51 in
England und den spanischen
Niederlanden, von Genf
aus
auch öfters in
Frankreich, später besonders in
Deutschland,
[* 20] für dessen
Gelehrte er eine besondere Vorliebe hatte, so regelmäßig
zur
Messe inFrankfurt
[* 21] a. M. Als jedoch der
»Thesaurus linguae graecae« einen großen Teil seines
Vermögens verbraucht hatte,
ein entsprechender
Absatz sich nicht fand, weil seinKorrektorJoh.
Scapula hinterlistig einen handlichen
und billigen
Auszug desselben veröffentlicht hatte, noch dazu seine zweite
Frau, die treffliche
Barbe de
Wille, starb (1581),
bemächtigte sich seiner mit dem allmählichen
Ruin des
Geschäfts eine unstete Ruhelosigkeit. Er erkrankte
¶
mehr
auf einer Reise in Lyon
[* 23] und starb dort Anfang März 1598 im Spital unter Spuren völliger Geisteszerrüttung. Estienne besaß eine
seltene Kenntnis des Griechischen. Seine Ausgaben, darunter nahe an 30 editiones principes, umfassen fast die gesamte griechische Litteratur.
Ausgezeichnet durch umfangreiche Benutzung von Handschriften und allerdings oft zu weit gehende Konjekturalkritik,
sind sie zum Teil bis in die neuere Zeit die Grundlage des Textes geblieben. Seine lateinischen Ausgaben treten an Zahl und
Bedeutung dahinter zurück.
Sein Hauptwerk ist der schon von seinem Vater vorbereitete »Thesaurus linguae graecae« (Genf
1572, 5 Bde.; 2. Ausg.,
Lond. 1815-25, 8 Bde.; 3. Ausg.
von Hase,
[* 24] W. undL.Dindorf, Fix, v. Sinner, Par. 1831-65, 9 Bde.). Auch
in seiner Muttersprache zeichnete er sich als eleganter Schriftsteller aus;
wir nennen: »Traité de la conformité du langage
français avec le grec« (1565);
»L'introduction au Traité de la conformité des merveilles anciennes avec les modernes, ou
Traité préparatif à l'Apologie pour Hérodote« (1566);
»Discours mervellieux de la vie, actions et départements
de Catherine de Médicis« (1575).
Seine lateinischen und griechischen Poesien hat er meist auf seinen Reisen zu Pferde
[* 25] sitzend
niedergeschrieben.
Vgl. Feugère, Essai sur la vie et les ouvrages de Henri Estienne (Par. 1853);
5) Paul, Sohn des vorigen, geb. 1566 zu Genf,
übernahm 1598 das väterliche Geschäft, druckte sehr geschätzte Ausgaben des Euripides
(1602) und Sophokles (1603), mußte aber 1605, politischer Umtriebe verdächtig, aus Genf
fliehen und starb um 1627.