ReinerAlkohol verdunstet an der
Luft unverändert, läßt man ihn aber auf fein verteiltes
Platin
(Platinmohr)
tröpfeln, so wird er schnell zu Essigsäure oxydiert. Der
Platinmohr enthält verdichteten
Sauerstoff, und dieser wird auf den
Alkoholübertragen. Verdünnter
Alkohol geht bei Gegenwart eines Ferments an der
Luft gleichfalls in Essigsäure über, und darauf beruht die
Essiggewinnung. Konzentrierte Essigsäure wird meist aus
Holzessig dargestellt. Man neutralisiert denselben mit
Kalk, verdampft die
Lösung des essigsauren
Kalks zur
Trockne und bringt das
Salz
[* 7] unter dem
NamenWeißkalk in den
Handel. Wo aber
der
Holzessig direkt auf Essigsäure verarbeitet werden soll, destilliert man ihn (wobei zuerst
Methylalkohol,
Holzgeist, übergeht),
neutralisiert das Destillat, welches bedeutend reiner ist als der rohe
Holzessig, mit kohlensaurem
Natron,
verdampft die
Lösung des essigsauren
Natrons
(Rotsalz) zur
Trockne, zerstört den größten Teil der empyreumatischen
Substanzen,
mit welchen das
Salz verunreinigt ist, durch
Schmelzen desselben und reinigt es durch Umkristallisieren.
Man destilliert nun den gerösteten essigsauren
Kalk mitSalzsäure oder, wenn es sich um reinere Essigsäure handelt,
das essigsaure
Natron mit
Schwefelsäure.
[* 8] Zur Gewinnung der stärksten Essigsäure wird das essigsaure
Natron durch
Schmelzen entwässert
und mit konzentrierter
Schwefelsäure destilliert. Die gewonnene Essigsäure rektifiziert man, um die letzten
Spuren empyreumatischer
Stoffe zu zerstören, über übermangansaurem
Kali. Bei starker Abkühlung scheidet sich dann reine Essigsäure in
Kristallen ab, von welcher wasserhaltige
Säure abgegossen werden kann.
Auch aus
Essig kann man durch
Neutralisieren mit kohlensaurem
Natron etc. Essigsäure gewinnen, in neuester Zeit aber gelingt dies auch
durch
Destillation, wobei man nach denselben Prinzipien verfährt und ähnliche
(Kolonnen-)
Apparate anwendet wie bei der Spiritusfabrikation.
[* 9] Essigsäure bildet eine farblose
Flüssigkeit, riecht und schmeckt stechend sauer, wirkt höchst ätzend, erzeugt
auf der
Haut
[* 10] schmerzhafte
Brandblasen, zieht an der
Luft begierig
Feuchtigkeit an, raucht in ammoniakalischer
Luft, erstarrt bei
16° kristallinisch
(Eisessig), siedet bei 118°, ist brennbar, mischt sich mit
Wasser,
Alkohol und
Äther, löst einige ätherische
Öle,
[* 11]
Kampfer,
Harze, fette
Öle,
Farbstoffe und reagiert stark sauer. Das
spezifische Gewicht der reinen Essigsäure ist
1,055 bei 15°, steigt bei einem Wassergehalt bis 20 Proz. und sinkt dann wieder, so daß eine
Essigsäure, die 43 Proz. reine Essigsäure enthält, wieder das
spezifische Gewicht 1,055 zeigt. Die folgende
Tabelle zeigt
den
Gehalt der Essigsäure von verschiedenem spezifischen
Gewicht bei 15°.
Gehalt der Essigsäure von verschiedenem spezifischen
Gewicht bei 15°.
Das
Acidum aceticum der Pharmacopoea germanica besitzt das spez. Gew. 1,064 und siedet
bei 117°. Das Acid. acet. dilutum
(Acetum concentratum) vom spez. Gew. 1,041 enthält 30 Proz.
Essigsäure wirkt gärungswidrig; stark verdünnt, schimmelt sie an der
Luft und zerfällt in
Kohlensäure und
Wasser. Bei Einwirkung
von
Chlor auf Essigsäure im Sonnenlicht entstehen drei Chloressigsäuren, welche zerfließliche
Kristalle
[* 12] bilden und zum Teil alsÄtzmittel
empfohlen worden sind.
Behandelt man ein trocknes essigsaures
Salz mit
Phosphoroxychlorid, so entsteht Essigsäureanhydrid (wasserfreie Essigsäure) C4H6O3
, eine farblose
Flüssigkeit, welche ungemein stechend sauer riecht, bei 137° siedet, sich nicht mit
Wasser
mischt und nicht den
Charakter einer
Säure besitzt, aber bei längerer Berührung mit
Wasser wieder in Essigsäure übergeht.
Verdünnte Essigsäure
(Essig) wirkt durstlöschend, kühlend, setzt, in größern
Quantitäten genommen, die Pulsfrequenz und
Körpertemperatur
herab, veranlaßt bei längerm
Gebrauch Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit;
Neigung zum
Durchfall, Kolikschmerzen; das
Gesicht
[* 13] wird blaß, es erfolgt
Abmagerung und bisweilen
Lungenschwindsucht.
Die ersten größern Holzverkohlungsöfen wurden aber erst 1819 zu Hausach in Baden
[* 16] in Betrieb gesetzt.
Daß die Essigbildung auf einer Oxydation beruhe, hatte schon Lavoisier erkannt; doch ward der Prozeß erst später genauer
untersucht, und Liebig zeigte den Unterschied zwischen Alkohol- und Essiggärung. Das Prinzip der Schnellessigfabrikation ward
von Boerhaave 1732 angegeben, für die Technik aber 1823 durch Schützenbach in Eudingen ^[richtig: Endingen]
im Breisgau und durch Wagenmann in Berlin
[* 17] (1825) nutzbar gemacht. In neuester Zeit gestalteten sich für die Darstellung der
Essigsäure aus Holz die Verhältnisse günstiger, seitdem der 1812 im Holzessig nachgewiesene Methylalkohol für die Teerfarbenindustrie
große Bedeutung gewann.