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mit solchem Zusatz von acht zu acht Tagen fort, bis die Fässer bis zu zwei Dritteln gefüllt sind. In 8-14 Tagen verwandelt sich dann der im Wein enthaltene Alkohol, da die Fermentkeime in der Luft der Essigstube hinreichend vorhanden sind und sich bald genug in der Flüssigkeit ansiedeln, in Essig. Man zieht dann so viel fertigen Essig ab, wie man Wein zugefügt hat, und beginnt nun das Füttern des Fasses von neuem. Ein solches Mutterfaß kann oft sechs Jahre und länger benutzt werden, bis es so viel Weinstein, Hefe [* 2] und Essiggeläger enthält, daß es gereinigt werden muß.
Bei diesem Verfahren dringt die Luft durch das Spundloch und eine im obern Dritteil des einen Bodens befindliche Öffnung zu dem Essiggut, ihr Sauerstoff wird an der Oberfläche desselben absorbiert, und der hier gebildete Essig sinkt zu Boden und macht neuen Alkoholteilchen Platz, bis endlich die Essigbildung, die natürlich sehr langsam erfolgt, vollendet ist. Dabei findet auch ein beständiger Luftwechsel statt, weil die ihres Sauerstoffs teilweise beraubte und im Fuß etwas erwärmte Luft spezifisch leichter geworden ist und frischer Luft Platz macht.
Der auf diese Weise erhaltene Weinessig verdankt sein eigentümliches Aroma dem Wein, aus welchem er bereitet wurde, und enthält alle Bestandteile desselben, namentlich auch Weinsäure. Ähnlich wird Obstessig aus Apfel- und Birnwein sowie Bier-, Malz- oder Getreideessig aus ungehopfter, vergorner Bierwürze gewonnen. Der Obstessig enthält auch Äpfelsäure, der Bieressig die Extraktivstoffe des Malzes, wie Dextrin, stickstoffhaltige Körper, Phosphorsäuresalze etc. Einen ähnlichen, aber wenig reinen Essig gewinnt man durch Vergärung aus Runkelrübensaft, einen sehr reinen dagegen, der fast nur ein wenig Essigäther enthält, aus einer Mischung von Spiritus [* 3] mit Wasser, etwas Essig und Malzaufguß (Branntweinessig, Spiritusessig, künstlicher Weinessig).
Auf und in dem Essiggut siedeln sich verschiedene Pilzbildungen an, namentlich die Essigmutter, eine dicke, zähe, gallertartige Masse mit glatter Oberfläche, und das Essighäutchen, welches dünn, glatt oder feinrunzelig und schleimig ist und wie erstere aus Spaltpilzen besteht, welche die Übertragung des Sauerstoffs auf Alkohol, seine Oxydation, vermitteln. Diese Pilzbildungen erscheinen auf Flüssigkeiten, welche wenig Fruchtsäure enthalten, namentlich auf Bier und auf wein- und bierhaltigem Essig, während sich auf Flüssigkeiten, in welchen mehr Fruchtsäuren enthalten sind, Kahmhäute entwickeln. Diese bestehen aus Hefepilzen, welche die Fruchtsäure zerstören; doch siedeln sich später in der gekröseähnlich gefalteten Kahmhaut die essigbildenden Spaltpilze an.
Die Schnellessigfabrikation bewirkt eine sehr bedeutende Beschleunigung des Oxydationsprozesses durch starke Verteilung des Essigguts in herabrinnende Tröpfchen, denen ein kontinuierlicher Luftstrom entgegengeführt wird. Sie bedient sich hauptsächlich eines Gemisches von Spiritus und Wasser und oxydiert dies in den Essigständern (Essigbildern, Gradierfässern). Dies sind aufrecht stehende eichene, 2-3 m hohe, 1-1,5 m weite, oben offene Fässer, über deren Boden in einer Höhe von 20 cm etwa sechs 3 cm weite Löcher in die Dauben gebohrt sind.
Etwa 30 cm über dem Boden liegt ein Siebboden oder Lattenrost, und auf diesen sind ausgelaugte und getrocknete Buchenholzspäne gefüllt bis etwa 15 oder 20 cm unter dem obern Rand. Hier liegt ein hölzerner Siebboden, in dessen Löchern kurze Enden Bindfaden hängen, die ein langsames und gleichmäßiges Herabrinnen des Essigguts bewirken. Außerdem stecken in dem Siebboden 5-8 Glasröhren von 10-15 cm Länge und 3-6 cm Durchmesser, welche so hoch über den Siebboden hervorragen, daß kein Essiggut durch sie abfließen kann.
Sie entsprechen den Luftlöchern über dem Boden der Fässer und dienen zur Unterhaltung des Luftstroms. Die Essigständer, von welchen je 2-4 eine Gruppe bilden, sind schließlich mit einem Deckel verschlossen, welcher aber eine Öffnung zum Eingießen des Essigguts und zum Austreten der Luft besitzt. Für den Betrieb werden die Späne mit erwärmtem Essigsprit übergossen, und nachdem dieser in etwa 24 Stunden das Holz [* 4] völlig durchdrungen hat, füllt man das Essiggut auf.
Dieses rinnt in feiner Verteilung über die Späne herab, nimmt dabei Sauerstoff auf und verwandelt sich großenteils in Essig. Dabei wird Wärme [* 5] entwickelt, und die auf 36° und stärker erwärmte Luft steigt in lebhaftem Strom in dem Faß [* 6] auf, während frische Luft durch die untern Löcher eintritt. Dieser Luftwechsel im Essigbilder ist von höchster Bedeutung, weil ja der Alkohol lediglich durch Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft in Essigsäure verwandelt wird. Bei schwacher Luftzufuhr wird die Essigbildung gehemmt, und die Temperatur im Essigbilder sinkt, während sie umgekehrt bei zu lebhaftem Luftwechsel so hoch steigt, daß ein namhafter Verlust durch Verdunstung entsteht und die Essigsäure zum Teil auch zu Kohlensäure und Wasser oxydiert wird.
Man bringt deshalb an den Öffnungen der Essigbilder Schieber an und verbindet auch den Deckel durch ein Rohr mit dem Schornstein. Bisweilen führt man vom untern Boden der Essigbilder ein Rohr zum Schornstein und läßt dann die Luft durch den Deckel in das Faß eintreten. Hierbei kommt die Luft vor dem Austritt aus dem Faß mit alkoholarmer Flüssigkeit in Berührung und kann daher auch weniger Alkohol aufnehmen und fortführen, als wenn sie oben austritt. Bei der Regelung des Luftzutritts ist auch die Außentemperatur zu berücksichtigen.
Die Essigstube muß sehr gleichmäßig und am besten auf 20-24° erwärmt werden, im Essigbilder darf die Temperatur nicht über 36-40° steigen. Die Abflußöffnung für das am Boden der Essigständer angesammelte Essiggut ist mit einem Heber [* 7] so eingerichtet, daß stets eine etwa 16-20 cm hohe warme Essigschicht zurückbleibt, welche neuem Essiggut als Säuerungserreger dient. Das aus dem ersten Ständer abfließende Essiggut wird auf einen zweiten Ständer gegeben und fließt aus diesem, wenn es ursprünglich nur 3-4 Proz. Alkohol enthalten hatte, als fertiger Essig ab. Für stärkern Essig (Essigsprit) ist ein wiederholtes Aufgeben erforderlich; man verarbeitet dann aber anfänglich ein alkoholärmeres Essiggut und setzt den weiter erforderlichen Spiritus erst zu, wenn die schon angesäuerte Flüssigkeit von neuem einen Essigständer passiert.
Die Zusammensetzung des Essigguts ist verschieden; häufig benutzt man eine Mischung von 20 Lit. Branntwein von 50 Proz. Trall., 40 L. Essig und 120 L. Wasser, welcher man wohl auch etwas Bierwürze oder einen Auszug von Roggenmehl, Malz oder Kleie zusetzt. Am sichersten arbeitet man auf Essig mit 6-8 Proz. Essigsäure; über 10 Proz. läßt sich der Gehalt nicht gut treiben, weil bei zu sehr forciertem Betrieb zu viel Alkohol verdunstet. Man kann annehmen, daß etwa 1 cbm guter aufgerollter Buchenspäne unter günstigsten Verhältnissen 200-250 Literprozent Alkohol in 24 Stunden aufzuarbeiten vermag. Der Verlust beträgt, wenn man auf 6-7proz. Essig arbeitet, mindestens 12, bei Essigsprit 14-16 Proz.; doch arbeitet die Mehrzahl der Fabrikanten mit einem durchschnittlichen Verlust von 20 Proz., da im Sommer ¶
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und namentlich bei häufigen Gewittern leicht Betriebsstörungen eintreten. Die Fuselöle werden nicht oxydiert und gehen also in den Essig über. Die neuere Zeit hat mehrfache Modifikationen der Schnellessigfabrikation gebracht, denen große Vorteile nachgerühmt werden.
Der reine Schnellessig ist farblos, wird aber häufig, um ihn dem Weinessig ähnlich zu machen, mit Karamel gelblich gefärbt, auch wohl mit Glycerin versetzt. Gewöhnlicher guter Speiseessig enthält 4 Proz., Weinessig etwas mehr, Essigsprit bis 10 Proz. Essigsäure. Nach Pasteurs Verfahren, welches auf rationeller Kultur des Essigferments beruht, füllt man hölzerne, am obern Rand mehrfach durchbohrte Bottiche von ca. 200 L. Inhalt mit einer Mischung von Spiritus, Wasser und Essig, welche 2 Volumprozent Alkohol enthält, setzt als Nährsalze für den Pilz [* 9] 0,01 Proz. phosphorsaures Kali, 0,01 Proz. phosphorsauren Kalk, 0,01 Proz. phosphorsaure Magnesia und 0,02 Proz. phosphorsaures Ammoniak zu, säet den Pilz auf dieser Flüssigkeit aus und bringt dieselbe und den Fabrikationsraum auf 30°. In 12-36 Stunden ist die Oberfläche der Flüssigkeit mit einer Pilzhaut bedeckt, und nun steigt die Temperatur auf 34°, und der tägliche Säurezuwachs beträgt 0,2-0,4 Proz. Die zugesetzten 2 Volumprozent Alkohol liefern 1,7-1,8 Essigsäure.
Ist der Alkoholgehalt auf 0,5-0,3 Proz. gefallen, so fügt man von neuem Spiritus zu und zwar täglich 0,4 Proz., welcher zuvor stark mit Essig verdünnt und dann durch eine vielfach durchlöcherte Porzellanröhre eingegossen wird, die in der Mitte des Bottichs steht. Hat der Essig endlich die gewünschte Stärke [* 10] erreicht, so wird er auf ein Klärfaß abgelassen und der Bottich nach sorgfältiger Reinigung neu beschickt. Dies Verfahren arbeitet unter günstigen Verhältnissen doppelt so schnell wie die Schnellessigfabrikation, kostet weniger Anlagekapital und erfordert geringern Raum. - In neuerer Zeit kommt aus Holzessig dargestellte sehr reine Essigsäure als Essigessenz in den Handel, welche, stark mit Wasser verdünnt, einen vorzüglichen Tafelessig liefert.
Der Essig wird in der Technik in großen Mengen zur Darstellung von Essigsäure, Bleizucker, Bleiessig, Bleiweiß, [* 11] Grünspan und essigsaurer Eisenbeize für die Färbereien benutzt. In diesen Fällen kommt lediglich sein Gehalt an Essigsäure in Betracht, während beim Tafelessig außerdem der Geschmack von Wert ist. Als Zusatz zu Speisen eignet sich am besten Weinessig, zum Konservieren von Früchten, Fleisch etc. guter Schnellessig. Den Gehalt des Essigs an Essigsäure kann man nicht mittels des Aräometers bestimmen, weil dessen Angaben auch durch den Gehalt des Essigs an allerlei Extraktivstoffen beeinflußt werden, welche, wie die Essigsäure, das spezifische Gewicht erhöhen.
Branntweinessig ist stets spezifisch leichter als der aus nicht destillierten Flüssigkeiten dargestellte Essig. Man muß daher, wenn man den Gehalt des Essigs an Essigsäure kennen lernen will, untersuchen, wieviel Alkali erforderlich ist, um die Säure in einer abgemessenen Menge Essig abzustumpfen, zu neutralisieren. Hierzu bedient man sich des Acetometers (s. d.). Verfälschungen des Essigs kamen früher häufiger als jetzt vor: man ersetzte in schlechtem den fehlenden Essigsäuregehalt durch Schwefelsäure [* 12] oder Salzsäure und gab dem Essig auch wohl durch Gewürze, wie Seidelbast, Pfeffer, Senf, einen scharfen Geschmack. Bei den Fortschritten, welche die Essigfabrikation [* 13] in letzter Zeit gemacht hat, sind derartige Sudeleien nur noch wenig zu fürchten, wenn man nicht den Essig aus einer an sich verdächtigen Quelle [* 14] bezieht.
Bei der Verwendung des Essigs in den Haushaltungen sind gewisse Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Niemals darf man in kupfernen, messingenen oder zinnernen Gefäßen Essig lange stehen lassen, ebensowenig Speisen, die mit Essig bereitet wurden. Das Email eiserner Geschirre ist bisweilen und die Glasur von Thongeschirr gewöhnlich bleihaltig, und Essig kann, wenn er lange in solchen Gefäßen steht, Blei [* 15] aufnehmen, aus Thongeschirr besonders dann, wenn dieses schlecht gebrannt ist. Glas [* 16] und Porzellan eignen sich stets am besten zur Aufbewahrung des Essigs. Über Holzessig s. d. Geschichtliches s. bei Essigsäure.
Vgl. Fontenelle, Handbuch der Essigfabrikation (6. Aufl., Weim. 1876);
Balling, Die Bereitung des Weins und die Essigfabrikation (Prag [* 17] 1865);
Bronner, Lehrbuch der Essigfabrikation (Braunschw. 1876);
Pasteur, Der Essig und seine Fabrikation (das. 1878).