mehr
in Mieten aufgesetztes Gras oder Getreide [* 2] zu trocknen. Man bildet beim Bau der Miete in der Achse derselben einen cylindrischen Hohlraum, der oben abgeschlossen wird, fügt an den Fuß desselben einen horizontal verlaufenden Kanal [* 3] und an der äußern Mündung des letzteren einen durch Dampf [* 4] oder Göpel [* 5] zu treibenden Ventilator. Sobald in der Miete eine Temperaturerhöhung wahrgenommen wird, setzt man den Ventilator in Thätigkeit. Dieser saugt den Wasserdampf aus dem Innern der Miete ab, während frische Luft in die Miete eindringt, sie abkühlt und das Heu oder Getreide trocknet. Nach den bisherigen Erfahrungen scheinen diese Methoden ihren Zweck noch nicht hinreichend zu erfüllen.
[Erntegebräuche.]
Von alters her war die Ernte, [* 6] von deren Ausfall das materielle Wohl der meisten Menschen abhängig ist, mit religiösen Gebräuchen und Volksbelustigungen verknüpft. So begingen die alten Griechen zur Erntezeit Feste zu Ehren der Demeter [* 7] (Ceres), auf die man die Einführung des Getreidebaues zurückführte. Auch die alten Germanen pflegten vor dem ersten Schnitte die Hilfe der Götter anzurufen und ihnen wohl auch die ersten Garben zu weihen. Hieran erinnert noch das in manchen Gegenden Deutschlands [* 8] übliche Stehenlassen eines Büschels Ähren, welches man in Mecklenburg [* 9] der »Fru Gaue« stehen läßt, in der Altmark noch selbst »Vergodendêls Struß«, d. h. Frau Godenteilstrauß, nennt, sei es, daß es auf eine weibliche Gottheit oder auf Wodan (Gwodan) geht, wo Ver dann für Frô (»Herr«) stände und es also den »Anteil des Herrn Wodan« bezeichnete. Im Saterland nennt man den Busch mit christianisierter Vorstellung Peterbült (Petrus als Wetterherr gedacht). Wenn man dann in andern Gegenden eine Puppe aus dem letzten Roggen macht und dieselbe feierlich einholt und den »Alten« nennt, so geht dies vielleicht auf Donar, der oft als »der Alte« (Atli) bezeichnet wurde (vgl. Ackerkulte). - Die christliche Kirche setzte an die Stelle der altheidnischen Dankopfer ein Erntedankfest, welches noch jetzt und zwar in Norddeutschland meist am Sonntag nach Michaelis (29. Sept.) begangen wird. Unter den Vergnügungen, welche nach vollbrachter Einfuhr des Getreides den Arbeitern vom Gutsherrn bereitet werden, ist die gebräuchlichste das Erntebier, eine Tanzbelustigung, bei welcher den Arbeitern Bier verabreicht und von diesen dem Festgeber eine Erntekrone oder Erntekranz überreicht zu werden pflegt. Über die alten halbheidnischen Gebräuche vgl. Mannhardt, Wald- und Feldkulte (Berl. 1877); Pfannenschmidt, Germanische Erntefeste im heidnischen und christlichen Kultus (Hannov. 1878).
Volkswirtschaftliches.
Die Ernten bilden eins der wichtigsten Glieder [* 10] im Kreislauf des [* 11] ganzen Güterlebens. In steter regelmäßiger Folge entsprechend dem Wechsel der Jahreszeiten [* 12] verbinden wir mit dem Boden und mit den übrigen an der Produktion beteiligten natürlichen Kräften (Luft, Wasser, Feuchtigkeit, Wärme, [* 13] Licht [* 14] etc.) die erforderlichen Arbeits- und Kapitalskräfte, um jene wertvollen Gütermassen zu erzeugen, welche als Nahrungs- und Genußmittel, Roh- und Hilfsstoffe der verschiedenen Industrien etc. in kurzen Zeiträumen, meist innerhalb der Erntejahre selbst, wieder konsumiert werden, dadurch wieder in den Kreislauf gelangen und die Mittel zu neuer Produktion bieten.
Welchen
Umfang dieser sich jährlich wiederholende
Prozeß gegenwärtig nimmt, kann man aus einigen
Schätzungen beurteilen.
Nach statistischen Berechnungen
beträgt der Wert einer mittlern Getreideernte an Körnerfrucht allein (also ohne
Stroh) beiläufig 27
Milliarden
Mk. Die Weinernte in
Frankreich, die nahezu ein
Viertel der Weinproduktion
Europas ausmacht, wird auf mehr
als 1
Milliarde
Mk. und nach diesem
Maßstab
[* 15] jene von ganz
Europa
[* 16] auf 4
Milliarden Mk. bewertet; die Tabaksernte der
Vereinigten Staaten,
[* 17] welche ungefähr derjenigen aller europäischen
Staaten gleichkommt, wird mit 160-180 Mill. Mk., die Baumwollernte
mit 1100-1200 Mill. Mk. veranschlagt; die jährliche
Kaffee-Ernte hat auf den europäischen
Märkten einen Geldwert von beiläufig 1100 Mill.
Mk. Aus diesen wenigen Anhaltspunkten läßt sich ermessen, wie viele
Milliarden alle Jahre durch die Ernten in den wirtschaftlichen
Umsatz kommen.
Wenn auch der Tauschwert der Ernte erst mit steigender Kultur zu dieser numerischen Höhe gelangt ist, so war deren Bedeutung doch in gewissem Sinn in alter Zeit für die Naturalvölker, die vom Ackerbau und Bodenertrag ganz und gar in ihrer Existenz abhängig waren, von noch größerer Tragweite als für die Gegenwart. Deshalb begegnet man schon in der ältesten orientalischen Kulturepoche und im klassischen Altertum dem Bestreben, den Ausfall der Ernten möglichst rasch wenigstens im allgemeinen kennen zu lernen.
Selbstverständlich mußte man sich zuerst mit vagen Nachrichten genügen lassen; auch das ganze Mittelalter und noch der Polizeistaat im vorigen und in den ersten Dezennien unsers Jahrhunderts brachten es nicht über generelle Qualifikationen der Ernteerträge ohne ziffermäßige Angabe der Ertragsmengen. Nur ausnahmsweise begegnen wir einer förmlichen Organisierung der Ernteberichte, wie sie am weitesten zurückreichend in Schweden [* 18] (seit 1741) und in Sachsen [* 19] (1755) eingeleitet wurden.
Die mustergültigen erntestatistischen
Arbeiten, welche seit 1837 in
Frankreich und 1846 in
Belgien
[* 20] organisiert wurden, zeigten
nicht bloß die
Methode, nach welcher man allein auf ein stabileres und verläßlicheres
Resultat der
Erhebungen
hoffen kann, sondern sie bewiesen überhaupt die Möglichkeit, statt der allgemeinen Bezeichnung
eine in
Zahlen ausgedrückte
Angabe der Jahresernten zu liefern.
Nun folgte bald die Einrichtung einer genauen Agrarstatistik in
Preußen
[* 21] (1846, Erntetabelle),
in
Bayern
[* 22] (1854 durch
Herman), in
Württemberg
[* 23] (1851-54 und 1857 ff.), in den
Niederlanden, in
Großbritannien
[* 24] und
Irland (1855 ff.), in
Österreich
[* 25] (1868) und in mehreren andern
Staaten.
Die Merkmale, durch welche sich die rationellen Nachweise, welche seither in der Mehrzahl der Kulturstaaten eingeführt wurden, von den fiskalischen und polizeilichen Grundsätzen der vorhergehenden Ernteberichte unterscheiden, liegen einerseits in dem Streben nach ziffermäßigem Ausdruck für die verschiedenen Produktionsgrößen, anderseits in der Methode, durch welche man zur Kenntnis dieser letztern gelangt. Man sucht Zahlenangaben über die jährlichen Einzelerträge pro Flächeneinheit und über die daraus zu berechnenden Totalerträge, über die Qualität des Produktes (ausgedrückt im Gewicht), über die Quantität und den Marktpreis.
Aus solchen durch längere Zeit fortgesetzten
Beobachtungen und ihrer Aufzeichnung
sucht man heute in der
Mehrzahl der
Staaten
die
Beschaffenheit einer
Durchschnitts- oder Mittelernte ziffermäßig festzustellen und bezeichnet deren
Größe durch die
Zahl 100; die einzelne Jahresernte wird dann in ihrer
Qualität und
Quantität nicht bloß absolut angegeben,
sondern soll zugleich durch jene Relativzahlen, welche ihr
Verhältnis zur Mittelernte ausdrücken, charakterisiert werden.
Man hat also in diesen
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relativen und in den absoluten Zahlen einen objektiven Maßstab des wirklichen Anteils, welchen die Bodenproduktion am gesamten Wirtschaftsleben nimmt.
Ebenso unterscheiden sich die heutigen Kenntnisse von den Ernten durch die Methode der Erhebung von allen ältern Angaben dieser Art. Man begnügt sich durchaus nicht mehr mit einer summarischen Angabe des letzten Resultats, nämlich der landwirtschaftlichen Produktionsgrößen, sondern verzeichnet die Mittel und Bedingungen, durch welche die Bodenerträge herbeigeführt wurden, um daraus diese selbst zu berechnen. Daher geht die neue Erntestatistik von sehr weitläufigen analytischen Vorerhebungen aus, welche sich mindestens auf die Kenntnis der Ausdehnung [* 27] des produktiven Bodens, Teilung desselben in Kulturgattungen und Bonitäten, wirklich bestellte Flächen, Ertrag der Flächeneinheit verschiedener Kategorien an den verschiedenen Produkten erstreckt.
Damit sind aber nur die allernotwendigsten Elemente bezeichnet; eine etwas genauere Analyse führt bald dazu, daß man die Produktionsbedingungen noch viel eingehender untersucht, und zwar insbesondere die physisch-geographischen Bedingungen (Lage und Bodengepräge, geognostische Verhältnisse, Bodenarten, Gewässer, Klima), [* 28] die ethnographischen Verhältnisse (Volkszahl, Anzahl der Arbeitskräfte in der Bodenkultur etc.), die politischen und sozialen Verhältnisse (Agrarverfassung, Besitzstände), das Ausmaß der Hauptkulturarten, den herrschenden Wirtschaftsbetrieb, das wirklich vorhandene lebende und tote Kapital etc.
Ob nun
diese konsequente Analyse oder nur eine sehr weit verzweigte Massenbeobachtung angewandt wird, jedenfalls
hat heute die Mehrzahl der Länder eine Kenntnis der Ernteverhältnisse ermöglicht, welche die Lebensmittelversorgung und
den ganzen Rohstoffhandel unendlich gefördert hat. In den letzten Jahren hat man angestrebt, von der bloß länderweisen Nachweisung
der Ernten mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Solidarität aller Völker der westlichen Kultur zur Einrichtung einer internationalen
vergleichenden Darstellung überzugehen.
Leider ist die amtliche Statistik noch nicht in solcher Weise einheitlich organisiert, daß von dieser Seite eine authentische Zusammenfassung schon zu erwarten wäre; es hat sich vielmehr gezeigt, daß die agrarstatistischen Daten der einzelnen Länder noch zu ungleichförmig und lückenhaft sind, um eine generelle Vergleichung zu ermöglichen. Daher kämpfen die wissenschaftlichen Arbeiten, welche solche Darstellungen anstreben, mit großen Schwierigkeiten und vermögen sich nur der Wahrheit zu nähern, ohne sie zu erreichen.
Wohl aber hat das hohe Interesse, welches die regelmäßige Beschaffung der Lebensmittel und Rohstoffe für die ganze Weltwirtschaft
mit sich bringt, in den amtlichen und geschäftlichen Kreisen zu dem Bemühen geführt, wenigstens annähernd
richtige Bezeichnungen
des Ernteausfalles der maßgebenden Länder der Erde möglichst rasch zusammenzustellen. Dies geschieht
jetzt sowohl von einem zu diesem Zweck von seiten des landwirtschaftlichen Departements der Vereinigten Staaten errichteten
Büreau für Sammlung vergleichender agrarstatistischer Daten in Europa (bei dem Generalkonsulat in London)
[* 29] als auch regelmäßig von der praktischen Geschäftswelt. Zu den oft sehr wertvollen Erhebungen letzterer Art gehören die
Berichte der Getreidemakler und großen Handelsfirmen auf den Weltmärkten, so beispielsweise im englischen »Mark-Lane Express«,
im Rotterdamer Geschäftsbericht von de Mouchy, in den Berichten des Statistischen
Büreaus der New Yorker Produktenbörse, in
den Publikationen des Marseiller Hauses B. Estienne etc. und am umfassendsten in den 1873 begründeten Ernteberichten
des alljährlich in Wien
[* 30] stattfindenden internationalen Getreide- und Saatenmarktes.
Diese letztern verfolgen zwar ebenfalls nur geschäftliche Zielpunkte; sie bieten aber auch, wie die Erfahrung lehrt, hinreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Orientierung. Von den offiziellen Ernteberichten der einzelnen Staaten standen früher diejenigen Belgiens und Frankreichs unbestritten obenan; jetzt sind sie durch die Statistik andrer Länder überholt. Was streng systematische und exakte Methode betrifft, nimmt seit 1869 die Erntestatistik von Österreich und seit 1878 jene des Deutschen Reichs den ersten Platz ein; durch ungemein rasche, sehr reichliche und umfassende, aber weniger genaue Berichte zeichnet sich das Landwirtschaftsdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika [* 31] aus, welches, ebenso wie es von seiten Großbritanniens neuestens wieder geschieht, auch internationale vergleichende Statistiken veröffentlicht. Auch Schweden, Dänemark [* 32] und die Niederlande [* 33] bringen verläßliche und rasche Nachweise der Ernten. In der Mehrzahl der übrigen Länder läßt die Beschaffenheit oder Raschheit der Erntestatistik noch zu wünschen übrig.
Über Ernteerträge der einzelnen Staaten vgl. Getreide (Produktion) und die andern Artikel, wie Kartoffel, Wein etc. Die Litteratur der Erntestatistik ebendort.